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Dresdner Journal : 07.11.1889
- Erscheinungsdatum
- 1889-11-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188911078
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18891107
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18891107
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1889
-
Monat
1889-11
- Tag 1889-11-07
-
Monat
1889-11
-
Jahr
1889
- Titel
- Dresdner Journal : 07.11.1889
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va«a»»pr»t«: Or«iäso visrt^Lkrlint» 2 H. K0 ?t., d«i äeo L»i«orl. äsuttebsu ?oit»v«t»Itvo vivrttl- ZLürUob » tt; «mii«rk»Id äs» äsotsekev Lsiode, tritt kost- onck 8tewp«Irv»vU»8 dimu. »»LttnälaaiiavdNür«« r kür äoa R»um siosr »«»psltsosv 2«U» Illoiosr kebritt 20 kk. Vvtsr ,,kil>tkv»»oä»" äi« Leit» K0 kt. L« lativU«»- uoä 2ÄsrQ«tt or-ttpr. ^okiekl«^. Lrsedeille» r Dt^Iick mit Fi»»»dms äer Kous- uoä ksisrt»8» »dooä». korr»pr«ck-^o»otl>u»»: Ur. 128k. Vres-nerÄolmml. Für die Gesc-mtleitung verantwortlich: ^ofrat Otto Banck, Professor der (Literatur- und Kunstgeschichte. V»» Lallamll»a»x«a »aa^Lrl»; 1<«ip^: kr Lran«t»t«ttsr, Oowmi»»iooLr äs» Vresäovr äourv»I»; Lsmdsrs »,rU» Vtso - L»»«I »r»»l»« rr»vktort ». ».: Laa-enrte»»« v. t «Ater, LsrU» Vt«s N-uod»r, rr»U-l^ii>»i^ Lr»älti»rt ». N. ALLcLell: Luä ksrt» - touäoo L«rU» kr»»ttilrt » N. Itur^srt: Daud« ». Do, L-rUo: /nvcUiltenäont, SLrUtt: 6. Mitter« ^tacd/dt-er,' L»ru»ov«r: <7. Sedii««ter, NsU« ». S : «/. DarcL u. D». »«rauaxedor: LSoixl. Lrpeäitioo äs» Orvsäasr äonrQiä». Oresäsa, ^vin^vritrs^ss 20. kvro»precd-^r»»cdlu»s: ltr. 128k. Amtlicher Leit. Bekanntmachung, die Vereinbarung mit den Grvßherzoglich und Herzoglich Sächsischen Regierungen wegen gegen seitiger Anerkennung der Prüsungszeugniffe für das Lehramt an höheren Schulen betreffend. Zwischen der diesseitigen Regierung und den Groß- herzoglich und Herzoglich Sächsischen Regierungen in Weimar, Meiningen, Altenburg und Gotha ist verein- ba-1 worden, daß tue von den beiderseitigen Wissen- schisltichen PrüfungScommissionen, im Königreiche Sa^s-n nach der Prüfungsordnung vom 31. August 1887, in den Großberzoglich und Herzoglich Sächsischen Stwten nach der PrüiunqSoronuna vom 1. November 1889 ausgestellten Prüfungszeugnisse sür da- Lehramt an höheren Schulen gegenseitig anerkannt werden. Diese Vereinbarung tritt mit dem 15. November lsd. I- in Kraft und gilt vorläufig für die Dauer von fünf Jahren Wegen Ausführung der Vereinbarung fit für da» Königreich Sachsen an die Wissenschaftliche PrüfungS- «ommtssiou der Universität Leipzig daS Erforderliche ungeordnet worden. Dresden, am 2. November 1889. Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterrichts. v. Gerber. Fiedler. Nichtamtlicher Teil. KeLegvaphischs WachricHLen. Leipzig, 7. November. (Privattel. d DreSdn. Journ- Ihre Majestäten der König und die Königin sind mit hohem Gefolge um ^12 Uhr hier etngetroffen und wurden am Bahnhof von den Spitzen der Behörden und dem Vorstände de» KunstvereinS ehrerbietigst empfangen. Nach dem Besuch der Sonderau-stellung im Museum findet ein Frühstück im Dresdner Bahnhof statt. Die Rückreise soll um H2 Udr ertolgru. München, 7. November. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Im Finanzausschuß erklärte der Kriegs- Minister bei der Verhandlung über den Militär etat 1889 9V, eö beständen, soweit er unterrichtet sei, keine Klagen über Unzulänglichkeit und schlechte Qualität der Nahrungsmittel der Truppen, und erläuterte alSdann an Beispielen au» Preußen und dem deutschen Reiche die geforderte Gehalts aufbesserung der Militäranwärter. Pari-, 7. November. (Tel. d. DreSdn Journ.) Die „Estafette" dementiert dir Nachricht von einer schweren Erkrankung Ferry». Derselbe trefft voraussichtlich am 29. November in Paris ein. Das Fest zum Schluffe der Ausstellung ver lief ohne Zwischenfall. Präsident Carvot wurde bei seinem Erscheinen lebhaft begrüßt. London, 7. Nevewber. (Tel.d. DreSdn.Journ.) Die Morgevblütter widmen vr. Peter» sympa thische Nachrufe und drücken ihr Bedauern au», über da» traurige Ende de» fähigen, wackeren Piouier» bei einem ausnahmsweise schwierigen, ge fahrvollen Unternehmen. Konstantinopel, 6. November. (W. T. B.) Nach einer Spazierfahrt heute morgen machte Se. Majestät der Kaiser dem Sultan den Abschied»- besuch. Um 11 Uhr 3tt Minuten holte der Sultan die ka-fettick-en V af-äät-n zur Fllbrt noch Dolma- Bagdsche ab; dort harrten die hohen Würden träger, sowie da» Personal der Gesandtschaften der Ankunft der fallerböckften Herrschaften. Bet dem Dejeuner (von 50 Gedecken) saßen Se. Majestät der Kaiser und der Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg zur Linken, Ihre Majestät die Kaiserin u»>d Se. König!. Hoheit der Prinz Hein- rich zur Rechten de» Sultan». Der Sultan war in großer Uniform erschienen und trug die Kette de» Hohevzvlleruscheu Hau»ordeu» und den Stern de» Schwarzen Adlerorden». Die Majestäten unterhielten sich auf da» Lebhafteste und zogen sich dann mit den Prinzen iu den Kaffeesalou zurück, wo Allrrhöchstdirselben ungefähr eine halbe Stunde verweilten. Inzwischen hatten sich die hohen Würdenträger, da» Gefolge, sowie da» Personal der Botschaften im Vestibül vor der auf den Bo»- poru» führenden Treppe versammelt Wenige Minuten vor 2 Uhr erschienen die Majestäten unter dem Vortritte de» CerewouieumeisterS Munir Pascha. Der Sultan führte Ihre Majestät die Kaiserin. Se Majestät der Kaiser trug die Uni form seine» LeibgardehusarenregimentS. Ihre Majestäten verabschiedeten sich huldvoll von dem Großwefir Kiamil Pascha und dem Minister dl- Äußeren Said Pascha, welchen Sie Allerhöchst, ihre Befriedigung über den Aufenthalt in Kon stantinopel ««»drückten. Auch von dem mit der Eisenbahn zurückreiseuden Gefolgt nahmen die Majestäten huldvollen Abschied. Nachdem Aller- höchstdiesrlbeu die Gemahlin und die Töchter de» Botschafter» v. Radowitz noch besonder» begrüßt hatten, schritten Ihr« Majestäten zwischen dem von der Leibgarde de» Sultan» gebildeten Spalier der LandungStreppe zu. Bei dem Er scheinen der allerhöchsten Herrschaften vor dem Palai» gaben daS Panzerschiff „Kaiser" und ein türkisches Kriegsschiff S3 Salutschüsse ab. Der Abschied Ihrer Majestäten vom Sultan war außerordentlich herzlich. Se. Majestät der Kaiser dankte wiederholt und sagte, er werde den Auf- enthalt nie vergrsseu. Der Sultan erwiderte in gleichem Sinne. Die beiden «rouveräne schüttel ten sich unmittelbar vor der Abfahrt wiederholt die Hände. Nach allseitiger Begrüßung de» Ge- folge» und der türkischen Würdenträger begab sich Ihre Majestät die Kaiserin an Bord der kaiser lichen Jacht „Hobenzollcrn", während Se. Maje- stät der Kaiser sich mit Sr. König!. Hoheit dem Prinzen Heinrich auf dem „Kaiser" einschiffte. Der Sultan kehrte, nachdem er sich von dem Staatssekretär Grafen BiSmarck, welchem er Grüße für den Reichskanzler aufgab, auf da» Herzlichste verabschiedet hatte, nach dem N'lbiz- palaiS zurück. Um 2 Uhr verließ da» Geschwader den Bosporus. Konstantinopel, 7. November. (W. T. B.) Die Jacht de» Sultan» „Jzzeddin" mit dem otto- manischen Ehrendienst an Bord, begleitete die kaiserlich deutschen Majestäten bi» Mitilrne, wo- selbst Allerhöchstdieselden heute mittag» von dem deutschen Geschwader erwartet werden. Dretdeo, 7. November. Die panslawistische Bewegung in Süd- rußland. Die Erfolge, welche die panslawistische Agitation im Laufe des fitzten Jahre» in Serbien und Ru mänien davongetragen hat, drängen unw llkürlich die Frage auf, welchen Ursachen e» vornehmlich zu zuschreiben ist, daß mau Rußland in Belgrad und Bukarest solche Sympathien entgegenbringt, wie eS thatsächlich der Fall ist. Man sollte meinen, daß der russische Name aus die Bevölkerung jener Länder eher abstoßend als anziehend wirken und daß namentlich in Rumänien die Art und Weis« noch unvergessen sein müsse, wie dem Lande die den Russen in dem letzten Türkenkriege geleisteten Dienste verölten wur den. In Wirklichkeit haben die pauslawtstischen Er folge indessen auch keineswegs iu der Hinneigung zu Rußland ihren Grvnd, sie sind vielmehr in erster Linie al» ein Ausfluß jener Bewegung anzusehen, welche iu Böhmen und Kroatien zur Auflehnung der die Mehrheit bildenden slawischen Landbevölkerung gegen die herrschenden Klassen geführt hat uud welche von Jahr zu Jahr weiter um sich greift. Diese Be wegung, die in den slawischen Kronläuderu Öster reich Ungarns zu fortwährendem inneren Hader und Zwist führt, scheint gegenwärtig auch Südrußland zu erfassen und für das Zarenreich selbst zu einer Quelle ernstlicher Beunruhigung werden zu sollen. Die „Magdeburgische Zeitung" ergeht sich heute über diesen Gegenstand in emer längeren Betrachtung und kommt dabei zu riuer Reihe von Schlüssen, dre bemerkens wert genug erscheinen, um hier eine Stelle zu finden. DaS Blatt sagt: Unter dem 15. Oktober ist aus Rußland eine eigentümliche Thatfache berichtet worden. Zu Kiew fand einer der dort üblichen nihilistischen Studenten prozesse statt; sämtliche Angeklagte wurden frei gesprochen bi» auf vier, diese letzteren aber wegen eine» kltinrussischeu BuudeS iu Haft behalten. D-e- selbeu sollten sich mit der Idee eine» herzustellenden kleinrufsischen StaatrS beschäftigt haben. Unreife und wohl harmlose Anfänge, denen dennoch eine gewisse Wichtigkeit nicht abzusprechen sein dürfte. Man muß sich nur entsinnen, welche Anfänge eine jetzt so mäch tige nationale Bewegung wie die tschechische gehabt hat. Daß man in Rußland die Sache sehr ernst nimmt, b. weist auch die vom 19. Oktober gemeldete Entsendung eines russischen Kriminalbeamten von Kiew nach Lemberg; auch dort sollten ähnliche Bewegungen aufgetaucht sein und man hoffte dort über die Kiewer „Verschwörung" nähere Auskunft zu erlangen. Jene russische Hinwendung an eine unter österreichischem Namen polnische Regierungsbehörde ist eine sehr merk würdige Erscheinung, aber wie im weiteren Verlaufe nachzuwriseu lein wird, keioeSwegS eme widersinnige. Allem Anscheine nach besitzt die Bewegung einen doppelten Eharakter: einen agrar-demokratischen uud einen nationalen. Obgleich die von Alexander III. gebilligte „Agrarreform" des verstorbenen Grafen Tolstoj zunächst nur sür e nige Gouvernement» und probeweise eivgesührt werde» soll, argwöhnt man dennoch von den allgemein politischen Tendenzen des Zaren ihre baldige Ausdehnung auf das gesamte Reich; daß aber diese „Reform" nichts anderes ist als die wenig modifizierte Wiedereinführung der von Alexander II. aufgehobenen Leibeigenschaft, fit ziemlich allgemein bekannt und wird speziell in den südlichen Gouvernement» nicht zu den Neuigkeiten gehören. Dort aber bat sich bisher die BolkSfreiheit besser er halten al» in dem ärmeren Norden; die dortige An wendung jener „Reform" jedenfalls würde dem Volke einen Zustand schaffen, den dasselbe kaum jemals so schlimm gekannt hat. Daher der „nihilistische", d. h. demokratische Ausstich jener Bewegung, die aber zu gleich den von dem Großreich drohenden Freiheits- Verminderungen durch eine separatistische Tendenz zu begegnen lucht. E» ist der Kampl um bäuerliche Freiheit, der von den slawischen Bevölkerung-» in den östlichen beiden Kaiserstaaten geführt wird; hier gegen deu angekün- diglen adeligen AufsichtSbeamteu, dort gegen den pol nischen Henn. Namentlich dem letzteren ist diese Be wegung bereit» sehr fühlbar gewoiden; bei den galt- zischen Landtagswahlen vom diesjährigen 3. Juli gelangte durch rulbeuische Unterstützung ein halbe» Dutzend polnischer Bauern in die Volksvertretung; wie seinerzeit bemerkt, eine unter polnischer Herr schaft bisher unerhörte Thatfache. Die Bevölkerung ist diesseits wie jenseits der russischen Grenze die- selbe, eine solche kleinrussischer Rationalität. In Ruß land herrscht der Großrusse gleichmäßig über Polen und Kleinrussen; in Hesterreich der Pole über den letzteren, der dort Ruthene genannt wird; eben auS dieser geteilten Herrschaft über den kleinrussischrn Stamm erklärt sich iu diesem Falle das gemeinsame russisch-polnische Interesse und die vertrauensvolle Hinwendung der russischen Polizei an die galizisch- polnischen Regierungsbehörden. Früher Christen ge wesen als die Großrussen, von älterer Kultur und größerer künstlerischer Anlage, sieht der mehrgeuannte Stamm auf seine Herren hernieder; aber er hatte eS niemals zu einer festen staatlichen Organisation ge bracht und erlag deshalb widerstandslos dem mongo lischen Ansturm; 1320 lithauisch geworden, wurde er auf dem Lubliner Reichstage von 1569 mit jenem Großfürstentum in Polen einverleibt. Die zweite polnische Teilung von 1793 ließ dann außer Ostgali zien jene Gebiete in daS Meer des GroßrussentumS einmünden. Aber wenigstens der polnischen Herrschaft hat sich da» fretheitliebende Volk niemals gefügt, zum Teil auch wegen de» dort geübten römisch-katholische» Glauben-.wangeS; eben au» den Bürgerkrl gen um die politische Stellung der „Dissidenten" in ja der äußere erste Anstoß zum Untergange der „königlichen Republik' Polen hervorgeganqrn. Die poetische Nationallitteratur de» kleinrussischrn Bo ke» handelt vom Kampfe gegen die Polen; ebendenselben Kampf hat Gogols großartiger historischer Roman „Tara» Bulba, der Koiakenbetman", zum Gegenstände. Im übrigen hat auch Rußland selber schon früher den Unadhängrgkritesinn jene» Volke» kennen gelernt. Der Urheber des großen süd- und mittelrussiichen Bauern- ausstai dkS von 1773 und 1774 war der sich für Zar Peter UI. ausgebcude Losake Puqatjchew; die K säten selbst sind nicht» andere» al- die der polnischen und großrussirch n Stoatenbildung auSgewrchenen klein- rusienstämme, die dann, mit türkischen Flüchtlingen vermischt, eine Art von anderer Militärgrenze gegen da- türkische Reich bildeten. Ungefähr wie der Trtel der englischen Thronfolger die großbritannische Reichs- treue der wallrsiichen Nation befestigen soll, heißr bei den Russen der Thronfolger „Hetman aller Kosaken"; dennoch scheint man dieser Treue dicht völlig sicher zu sein. Es gährt überall in Südrußland, und al» Nihilistenbrutstätte hat besonder» die Universität Char kow längst St. Petersburg und Moskau den Rang abgelausen; speziell die Kojakeustämme scheinen un ruhig zu sein. In eigentümlichem Zusammentreffen mit jenen Kremer Vorlällen kommt eben jetzt die Nach richt, daß der Hetman der weitentlegenereu Orenburger Kosaken wegen einer militärischen Verschwörung ver haftet worden ist; wenn die betreffenden Verbindungen vom Dniepr bi» au das Uralgebirge reichen sollten, wäre da- doch eine sehr bemerken-werte Erscheinung. Es wäre jedenfalls eine eigentümliche Ironie, wen« gerade Rußland in seinen eigenen Grenzen von einer derartigen Bewegung bedroht werden sollte. DaS slawische Großreich hat die Rachbarmächte zugleich mit einer agrarischen und einer nationalen Bewegung heimzusuchen gestrebt; agrarisch ist die russische Agi tation in dem nicht stamm-, aber glaubensverwandten Rumänien; agrarisch der Panslawismus rn Galizien wie in Kroatien; sogar in Böhmen zeigt i« Gegen sätze zu dem aristokratischen Alttschechentum die jung- tschechische Agitat on einen baurrn-demokratischen Cha rakter. Jetzt ober scheint daS über die Genze qe- 260. Donnerstag, den 7. November, abends. 188 Feuilleton. Der Afrikareiftude. « Erzählung von Reinhold Ortmann. (Fortsetzung.) Er hatte bei den letzten Worten sein GlaS erhoben und Nelly konnte eS nickt verweigern, mit ihm anzu- stoßen, wenn sie dem Gast ihre» Vater» gegenüber nicht unhöflich scheinen wollte. Dabei bemerkte sie wieder, wa» ihr schon früher wiederholt ausgefallen war, daß Graf Walderode fein GlaS mit der linken Hand ergriff, wie er sich überhaupt nur dieser beim Ess-n bediente. Die Rechte, vou welcher er den weißen Handschuh noch nicht abgestreift hatte, lag bewegungs los aus dem Rande de» Tische». Etwa» unbedacht vielleicht, aber doch nur von merklicher Teilnahme ge leitet, fragte Nelly: .Sie haben Ihre Hand doch nicht verletzt, Herr Graf?* Der Reservelieutenant räusperte sich sehr vernehm lich, aber e» war natürlich zu spät, die Frage seiner Schwester »u verhindern. Und der Rittmeister schien durchau« nicht unangenehm berührt. In einem ruhigen, fast heiteren Ton sagte er: »Dieser Handschuh, mein Fräulein, ist überhaupt nur die notdürftige Bedeckung eine» frommen Be- truae». Außer dieser meiner wirklichen linken Hand verjug« ich nar noch über eia kleine» Kunstwerk au» Holz und Stahl, auf dessen Herstellung der ganze Scharfsinn erfindungsreicher Menschen verwendet wor den ist und dessen sehr mangelhafte GebrauchSfähigkeit mich doch allstündlich in recht eindringlicher Weise davon überzeugt, daß eS auf der ganzen Welt nichts Wunderbareres und Sinnreicheres giebt, als den Bau einer lebendigen Menschenhand.* Aus Nellys Wangen war für einen Moment die Farbe gewichen. Sie empfand eine leise Regung de» Schauderns beim Anblick dieser toten, regungslosen Hand, und e» war gut, daß ihr Vater sie der Mühe überhob, sogleich zu antworten. »So haben Sie Jbre rechte Hand im Kriege ver loren?* fragte der Konsul, mit einem Blick die beiden Orden streifend, welche die Brust de» Grafen schmück- tev. Aber der Rittmcister schüttelte den Kopf. »Ich verlor sie infolae einer Unfalles,* sagte er gelassen, »und eS war fast ein Wunder zu nennen, daß eS mit diesem immerhin erträglichen Verlust sein Bewenden hatte. Einer besonderen Gnade meine» allerhöchsten Kriegsherrn verdanke ich die Möglichkeit de» Verbleiben» im aktiven Dienst; aber ich fürchte doch, diese» winzige Glied, da» mir zu einem voll ständigen Menschen fehlt, wird mich über kurz oder lang zwingen, den Degen mit dem Pfluge zu ver tauschen." »Sie gedenken, Ihre schlesischen Besitzungen selbst zu bewirtschaften, Herr Graf?* »Jol E» wird mir kaum etwa» andere» übrig bleiben! Trotz eine» Stamme» ausgezeichneter Be amten fehnt sich meine Mutter seit langem danach, von den Lasten einer großen Verwaltung befreit zu werden, welche ich rücksichtSlo» genug auf ihre Schul tern gewälzt habe * Der Konsul, welcher plötzlich eiue etwa» befremd- liche Teilnahme für die Güter de» Grafen Walderode zu empfinden schien, spann da» zufällig berührte Thema hartnäckig fort, und der Rittmeister ging freund lich darauf ein, so daß Nelly» Schweigsamkeit durch au» nicht auffällig erscheinen konnte. Und al» dann nach einer kleinen Weile der Diener die Cigarren servierte, hatte sie auch ihre B-stürzung soft ganz überwunden. Während die vier Herren nach aufge- hobener Tafel den in den Gatten hinab führende» Stufen zuschritten, beraubte sie den Tafelaufsatz einiger seiner schönsten Blüten, um dieselben zu einem Busen- sträußchen zu vereinigrn. Dann solgte auch sie den anderen; aber ihre seinen Lippen bebten merklich, al» sie sah, daß Doktor Burkhardt nicht mehr in der kleinen Gruppe war. Doch that sie keine Frage nach seinem Verbleib, und da Graf Walderode da» Wort an sie richtete, schien sie wieder heiter und unbefangen wie vorhin. Der Zufall fügte e», daß sie schon zehn Minuten später Mit dem Gast allein geblieben war. Dem Konsul waren einige sehr wichtige Telegramme an» Hamburg überbracht worden, und er hatte sich bei dem Grafe« entschuldigt, daß er für «ine schleunige Er ledigung derselben die Unterstützung seine» Sohne» in Anspruch nehmen müsse. »Vielleicht interessiert e» den Herrn Grafe«, unter Deiner Führung den Garten und di« GewachSdäuser in Augenschein zu nehmen", hatte er gesagt. ,Ln einer kleinen halben Stunde stehe ich wieder zur Ver fügung." Nelly, die während der letzten Tage ost stunden- lang unter vier Augen mit Doktor Burkhardt ge plaudert hatte, oh«e irgend welch« Beklemmung oder Verlegenheit zu empfinden, nahm jetzt nichr ohne merkliche Verwirrung den dargeboteneu Arm de» Grafen, und sie ließ ihre Hand wieder an demselben herabgleitev, sobald ihr die Enge de» in da» große GtwächShauS führenden Wege» einen schicklichen Bor wand dazu bot. Und doch war da» Geplauder Walderodr» von der harmlosesten Art, und die kleinen Schmeicheleien, welche er hier und da einfließen ließ, waren so takt voll, daß ihm der Vorwurf einer unpassenden Aus beutung der Siiuation nicht gimackt werden konnte. Was Nelly beängstigte, war auch vielleicht nur jene überlegene, weltmännische Sicherheit, jene» bei aller Höflichkeit doch fühlbar hervortretende aristokratische Selbstbewußtsein, das ihr bei den Herren der Ham burger Gesellschaft, mit denen sie ja zumeist verkehrt^ völlig fremd geblieben war; und e» war vielleicht auch der beredte Blick aus den scharfen Augen de» Grafen, dem sie zuweilen bei flüchtigem Ausschau?« begegnete. Mir wenig Kennerschaft, aber mit desto wärmerer Bewunderung betrachtete der Rittmeister die prächtigen Exemplare seltener Tropenpflanzen, die den Stolz de» Konsuls und seines Gärtners bildeten. Plötzlich wendete er sich an seine Begleiterin mit den Worten: »Ich werd« diesen genußreichen Vormittag sicher lich niemals vergessen, mein gnädig,» Frtulei»; aber Sie sollte« die Liebenswürdigkeit, m»t welcher Sie de« Eindringlmg behaadelten, «u« noch dadurch krönen, daß Sie ihm ei» sichtbare» Zeichen der Er- inneruvg gewähre». Ei»« dieser Blume«, vo« Ihrer Hand gegeben, würde ei»e» Ehrenplatz ««ter «eine» Reliquien erhalte».* ((Fufetz«, fal^.)
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