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Nr. 222 Freitag den 27. September 6. Jahrgang. SWsche MksMna WZMMKZM > r,B>»N ft, U-hftÄ, Sch, .jmh« > Für das 4. Vierteljahr abonniert man auf die „Sächsische Bolkszeitung" mit der täglichen Roman beilage sowie der wöchentlich erscheinenden Beilage „Feierabend" zum Preise von L.8V ALK. sahnt Kkstkllgklhj Boten durch Taus Börse und finanzielle Kriegsbereitschaft. Von ausgezeichnet orientierter Seite geht uns folgen des Essay zu: Die „Münchner Allgem. Zeitg." bringt eine Reihe von beachtenswerte» Artikeln unter der Aufschrift: „Deutsch lands finanzielle Kriegsbereitsckxlft." Diese Darlegungen, von Herrn M. M. Marburg in .Hamburg verfaßt, decken sich in ihren Ideen ganz mit anderen Ausführungen, denen wir in offiziösen Organen begegnen. Es scheint deslxüb, als ob man es hierbei mit einer Arbeit zu tun hätte, »velche nicht ganz ohne Einwirkung leitender Stellen zustande gekom men ist und vielleicht ein Vorspiel zur Begründung des dem Reichstage im Herbste vorzulegenden Börsengesetzes liefern soll. Die Artikel des Herrn Marburg enthalten gewiß viel Nichtiges, insbesondere, soweit sie sich auf die schwache finan zielle Position Deutschlands für den Fall einer Mobil machung bezw. eines Krieges beziehen. Hierauf hat auch schon der verstorbene Abgeordnete Eugen Richter wiederholt aufmerksam gemacht und stets daran erinnert, daß das Deutsche Reich seine finanziellen Mittel nicht schon in Friedenszeiten für sogenannte Welt politikausgaben erschöpfen dürfe, weil es sonst im Kriegs fälle gerade nach dieser Richtung um so wehrloser dastehen würde. In Friedenszeiten geschonte Finanzen bezeichnete Herr Abgeordneter Richter als eine der wichtigsten Vorbe reitungen zum Kriege. Deshalb lvar er ein cnergisch.r Gegner so mancher vom Hurrapatriotismus ohne Rücksicht aus die Finanzlage geforderter unproduktiver Ausgaben. Auch die Zentrumspartei des Reichstages hat diesen Stand punkt wiederholt aus das Nachdrücklichste betont und mehr als einmal die Bewilligung von Forderungen davon abhän gig gemacht, daß für eine ausreichende finanzielle Deckung derselben gesorgt werde und die Ausgaben nicht auf Schul denwirtschaft angewiesen sein dürften. Je mehr jedoch der Einfluß des Zentrums im Reichstage zurückging, um so mehr gervann eine Strömung die Oberhand, welche zwar alle Ausgaben unbesehen bewilligte, deren Deckung jedoch der Zukunft überließ. Große, ständig wachsende Anleihen, Begebung kurzfristiger Sclxttzanweisungen in ungeheuren Beträgen, Inanspruchnahme der Neichsbantmittel durch schwebende Schulden und durch das System der „gestunde ten Matrikularbeiträge" haben den deutschen Geld- und Kapitalmarkt immer wieder aufs neue ungünstig beein flußt, die Kurie der deutschen Staatspapiere innerhalb kur zer Frist um 10 bis 14 Prozent heruntergedrückt, und noch ist der Tiefpunkt nicht erreicht. Wir haben die Folgen der Bülowschen Weltpolitik vor ausgesagt, die sich jetzt für unsere gesamten wirtsclxrftlicl>en Zustände so unangenehm bemerkbar machen, jedoch ohne Er folg. Seit der neuesten Aera, das heißt seitdem für unsere politischen, wirtschaftlichen und finanziellen gesetzgeberischen Maßnahmen nur noch ein Gesichtspunkt maßgebend ist: die Erhaltung des sogenannten Blocks und die Ausschaltung der größten Partei im Deutschen Reiche von jedem Einflüsse auf die Gesetzgebung, lmben sich diese Zustände' nicht ge bessert, sondern eher noch verschlimmert. Wenn Herr Marburg den jetzigen Zustand als eine ungenügende finanzielle Kriegsbereitsclxn't bezeichnet, so müssen wir ihm durchaus Recht geben. Wir sind auch weit davon entfernt, die von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen, insbesondere die bessere Regelung des Geldumlaufes und die Beseitigung von törichten Beschränkungen des deutsch» Kapitalmarktes (der Börse) zu untcrschtzen, jedoch wird es mit diesen Maßregeln allein nicht getan sein. Vor allem wird man wieder geordnete Verhältnisse im Neichshaus- halte schaffen müssen, Verminderung der schiebenden Schul den und Beschränkung der Anleihewirtschaft für unproduk tive Zwecke, dagegen Beschaffung ausreichender Betriebs fonds für das Reich. Das Beispiel Oesterreich-Ungarns und Italiens lxit gezeigt, wohin die permanente Schuldcnwirtschft und ins besondere das System der schwebenden Schulden und chroni sch» Defizits führen. Als diese Staaten dazu übergingen, ihre Ausgaben und Einnahmen ins Gleichewicht zu brin gen und Anleihen nur noch für produktive Zwecke zu kon trahieren, besserten sich ihre finanziellen Verhältnisse derart, daß sie heute in dieser Hinsicht dem Deutsch» Reiche uxnt voraustehen und die Kurse ihrer Anleihen sich permanent heben konnten. Die kirchenpolitisri e Lage in Frankreich. Dr»Sd«n, den 26 Tep-ember 1-«07. Mehr als sechs Jahre sind verflossen, seitdem der fran zösisch Radikalismus und Sozialismus im Dienste der Freimaurerei den Kampf auf Leben und Tod gegen die Kirche ausgenommen hat. Ta ziemt es sich, einen Rückblick zu halten, und er bietet kein erfreuliches Bild, weder für die Kirche noch für den Staat. Gesiegt hat keine von den bei den Parteien; der Staat bat die Schlacht verloren, aber die Kirche lxü sie nicht gewonnen. Freilich ist für ihre Zu kunft höchst bedeutsam, daß sie nicht unterlegen ist; denn das Ueberwinden der ersten harten Schläge gibt Hoffnung auf die Zukunft. Doch darf man diese nicht übertreiben, weil nie zu vergessen ist, daß die Masse in Frankreich eben nicht nur der katholischen Kircl>e den Rücken gekehrt hat. sondern vom positiven Christentume überhaupt nichts mehr wissen will. Wäre der Kampf ein Jahrzehnt später aus- gebroclx'n, hätte der Modernismus unter den französischen Theologen noch länger ungestört sich verbreiten können, so wäre für die Kirche das Kampsfeld weit ungünstiger gewesen. Betrachten wir die Lage der Orden lind Kongregatio nen, so überblickt man heute ein großes Trümmerfeld. Die Orden, die in der Missionsgeschichte der Kirche eine so her vorragende Nolle cinnehmen, sind heute nicht mehr in der Lage, die Missionsstationen zu halten: sie haben keine Zög linge und kein Geld. Es ist Aufgabe der Deutschen, in diese Lücke zu treten, el)e das große Missionswerk Schaden leidet. Namentlich in Indien und China treten schon große Lücken auf. Erfreulicherweise haben die deutschen Katho liken diese Aufgabe erkannt. Eine Anzahl von Kongrega tionen sind in alle Welt zerstreut. Tie Katholiken der Welt diaspora (zum Beispiel Norwegen) haben einen Vorteil aus dieser Austreibung gezogen, sie hätten sonst kaum Ordensgesellschasten erhalten. Aber wo bleibt der Vorteil des französischen Staates an diesem Kulturkämpfe? Tie Schule hat er nun ganz in seiner Hand; aber die Früchte derselben sind der Anti militarismus (Hervinismus und Freimaurerei) und eine ganz entsetzliche Zunahme der Verbrechen Jugendliclx'r. Aber die Milliarde der Klöster? Wo ist sie geblieben? Tie Arbeiter sind betrogen um die Altersversicherung, die man damit einführeu wollte. Das Geld floß in die Tasäxm der Rechtsanwälte, welche die Liquidation zu vollziehen bitten. Da eine Milliarde Vermögen nicht vorhanden n>ar, so ergibt die Schlußrechnung, daß nicht nur nichts übrig bleibt, son dern daß der Staat noch sechs Millionen Frank darauflegen muß, damit alle Liquidatoren ihre Honorare erhalten tonnen. Das ist die traurige Bilanz des Vorgefechtes zum großen Kampfe. Dann kam 1007» die zweite Etappe im Kampfe — die Trennung von Kirche und Staat der entscheidende Schlag. Wie ging es hier? Auch nur Trümmerfelder über blicken wir. Der Liberalismus n»ar ja immer groß im Zerstören: schreibt doch selbst die Koineivative ..Krenzzeitq. (Nr. 447 vom 24. September 1007): „Tie heutige Situa tion läßt sich in dem Satze zusammenfassen, daß der Staat die Partie verloren, die Kirche sie aber nicht gewonnen hat. Wem das Paradox erscheint, den maclxm wir auf die unge heuren Nachteile aufmerksam, die der Kirche durch das Ge setz zugefügt worden sind. Alle nicht unmittelbar für den Gottesdienst bestimmten Güter von 000 Millionen Frank Wert hat sie schon jetzt definitiv verloren. Tie Gottes häuser sind ihr ztvar noch nicht tatsächlich weggenommen, aber rechtlich in den Staatsbesitz übergegangen. Tann sind ihr 7iO Millionen Frank jährliche Zuschüsse für Kultus zwecke, Gehälter »sw. entzogen, in vielen Gemeinden Inn der Gottesdienst ganz aufhören müssen, da sich niemand fand, die Priester zu besolden. Eine solclx' Lage ist gewiß nicht als ein Sieg zu bezeichne». Tie Kirche hat ibre Auto- uomie gerettet, aber ihre gesamte Habe verloren und befin det sich dadurch in der schlimmsten äußeren Bedrängnis. Beiläufig bemerkt, hat sich der Staat nicht einmal „nobel" gegen diejenigen Bischöfe (Staatsbischöfe) benommen, welche vom Papste wegen ihrer Zustimmung zur Politik der Re gierung zum Rücktritte gezwungen wurden, denn er gibt ihnen nur 1500 Frank Pension. Wie das Chaos enden wird, kann niemand wissen, denn die Lage ist so, daß beide Parteien keinen Schritt zurück tun können. Genaue Ken ner der Verhältnisse nehmen aber an, daß noch viele Jahre vergehen werden, bis Frankreich und der Papst sich »nieder verständigen — wenn es überhaupt jemals der Fall sein wird. Tenn da keine von beiden Parteien in der Lage ist, die andere niederzuzwingen, haben sie es beide nicht eilig mit deni Friedensschlüsse und dem Einlenken. Zu einem offenen Kampfe dürfte es nur kommen, wenn die Regierung in eine kritisch Lage geriete oder gar die Republik selbst bedroht würde. Tenn dann, wäre mit Sicherheit auf eine Mobilmachung des ganzen Klerikalismus zu rechnen, um der „regierenden Franc-Maconneric" das Lebenslicht aus- zublasen, vorläufig sitzen aber die Regierung und der Radi- kalismus noch sehr fest inr Sattel." — Man wird dieses Bild des protestantischen Blattes als zutreffend anerkennen Sus»»»te werden dl» «gelvall- Petttzi-tle od-t"»''Raum «UI» 4. «eklami-ii mit Sv I di» Zeile berechn„ bei «iederü. bedeut. RadaA. «,chdru«r»r1. Steda-tto« »ud «»sck,ä1t«ft»ll», Dresd«, Pillnitz»» Et»atz»^4». —Lkrulprecher^Rr^SK^^^ müssen, und es ist um so bedeutungsvoller, als es von^dieser Seite stammt. Weshalb aber der Mißerfolg für den >Ltaat? In Amerika haben wir auch Trennung von c^taat und Kirche und letztere blüht und erfreut sich einer Wien Wirk- samkeit und allgemeiner Hochscl)ätzung? Das genannt: Blatt gibt wohl die richtige Antwort mit den Sätzen: „Wenn man der Kirche jede Hilfe entzogen und sie entstaatlicht, aber sonst völlig in Ruhe gelassen hätte, so wären alle Frau- zosen zufrieden genasen. Daß man aber die Gotteshäuser beschlagnahmte, uxrr säpn zu viel, und daß man unter dem Vorgeben, die Kirck-e besonders zu schützen, ihr allerhand Fesseln anlegte: war erst recht ..rollenwidrig". So ent- nahm man der amerikanischen Gesetzgebung den Grundsatz, daß der Staat offiziell keine Kirchengemeinsäxüt kenne und sie deslxüb in keiner Weise unterstütze. Ta man aber auch die Kirche zwingen wollte, sich in staatlich festgesetzten For- men in das Privatleben, nämlich in die Kultusvereine zu rückzuziehen, zwingen durch Androhung vermögensrecht licher 'Nachteile für den Fall der Weigerung, so sah man der preußischen Gesetzgebung die im kirchlichen VermögenSMr- nxütungsgesetz vorgesehene Kirchenvorstände ab. Diese aber wurden weiter ausgebaut und in „Krütgenossenschaften" umgestaltet, in die man den Schwerpunkt des ganzen kirch lichen Apparates legte, so daß nach Annahme des Gesetzes durch den Papist die katholische Kirche Frankreichs eine Arl Synodalverfassung erhalten hätte. In Preußen lxü der Staat einen nicht unerheblichen Einfluß auf das katholische Kirchenwesen, aber dafür zahlt er auch: in Amerika zahlt ec nichts, läßt indessen der Kircl>e absolute Freiheit. Die fran- zösisclx'n Gesetzgeber glaubten nun besonders schlau zu sein, indem sie aus der amerikanisckx'n und preußischen Gesetz gebung komponierten, nxrs für die Kirche am wenigsten günstig war, und nachher beschwerten sie sich lebhaft, daß der Papst in Frankreich nicht zugestehen wolle, was er in Ame rika und Preußen anstandslos bewillige." — Wir freuen uns. daß inan auch auf protestantischer Seite schon einsieht, daß das französiscl>e Experiment für den Staat eine ver lorene Schlacht bedeutet: da werden sich manche Leute hüten, es für TeutsMand nachzumachen. Oder reizt es sie, lveil auch die Kirche ihre Schläge erhält? Leider gibt es Poli tiker, die gern dem Staate 100 Hiebe ausmessen, wenn nur die Kircl>e auch 25 erhält. Jedoch müssen diese bei ihrer Rechnung in Betracht ziehen, daß die deutschen Katholiken im privaten und öffentlichen Leben eine ganz andere Macht darstellen als die französischen. Tie Glaubenstreue der deutschen Katholiken würde die Schlacht für den Staat zn einer Niederlage gestalten und die Kirche als Siegerin her vorgehen lassen. Mit Gottes Hilfe und dem Glaubens fonds unserer Mitbrüder sind die deutschen Katholiken un überwindlich. so lange sie in Einigkeit zusammenstehen! am 25. Politische Nundschau Dresden, den 26 September :sa?. Tic Kaiserin und Prinzessin Viktoria Luise sind September in Groß-Nominten eingetrosfen und vom Kaiser am Bahnhofe empfangen worden. - Ter Zustand des Grvßherzvgo von Baden ist unver ändert. Cr hat den gestrigen Tag in großer Ruhe, zeit weilig auch schlafend, verbracht. Tie Nahrungsaufnahme ist ausreiclx'nd. Tas Abschiedsgesuch des Ministerialdirektors Alt- hoff wnrde genehmigt. Ter Verabschiedete wurde zum Mit- gliede des Herrenhauses und zum Kronsyndikus ernannt. Ter Wirkliche Geheime Oberregierungsrat 'Naumann wurde an seiner Stelle zum Ministerialdirektor im Kultus ministerium ernannt. — Tie „Nordd. Allgem. Zeitg." schreibt: In einigen Zeitungen begegnen wir der Notiz, von der Ordcnslcitung drr Franziskancrmönchc sei bei dem Minister der öffent- liehen Arbeiten ein Antrag eingegangen, Mönchen, denen nach ihrer Ordensregel die Berührung von Geld verboten sei, die Zahlung der Fahrpreise gegen Gutscheine zu gestat ten. Von einem neuerlichen Anträge dieser Art ist, wie wir hören, im Ministerium nichts bekannt. Vor 20 Jahren, im Jahre 1887. wurde einmal ein solcher Antrag gestellt, aber von dem damaligen Minister der öffentlichen Arbeiten „mit Rücksicht auf die bestehenden Vorschriften und Einriclp tungen" ablehnend beschieden. — Verschiedene Domänen sollen an die AnfiedrlungS- Kommission verkauft werden Der Kaiser bat. wie ver schiedene Blätter melden, hierzu selbst die Anregung ge geben in dem Bestreben, durch Aufteilung der Komplexe zahlreichen Landwirten die Gelegenheit zu bieten, eine kleine Besitzung zu günstigen Bedingungen zu erwerben. Erst vor einiger Zeit wurde zu diesem Zweck die Domäne Althausen in Westpreutzm an die Kommission verkauft, die sie an kleine Landwirte aufteilte. Für eine solche Auf- teilung sollen vorläufig insgesamt neun Königs. Domänen vorgemerkt sein. Das bayrische Budget, das am Sonnabend dem Landtage vorgelegt wird, balanciert mit 504 453 851 Mark, das ist ein Mehr von 00 277 511 Mark gegen das Vorjahr. Hauptsächlich zur Durchführung der Gehaltsaufbesserungen für Beamte und Bedienstete ist ein Neservebctrag von 0 728 380 Mark vorgesehen. Die Einnahmen aus den direk ten Steuern sind um 2 710 000 Mark höher angesetzt. Die Uebertveisungen seitens des Reiches weisen einen Minder- crtrag von 1 427 531 Mark auf. Die Staatsschuld erfor-