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Nr. 11. XXXIII. Jahrgang. LEIPZIGER Leipzig, 15. November 1918. jYionatschrift für Jextil-lndustrie Illustrierte Fachzeitschrift für die Woll-, Baumwoll-, Seiden-, Leinen-, Hanf- und Jute-Industrie sowie für den Textil-Maschinenbau; Spinnerei, Weberei, Wirkerei, Stickerei, Färberei, Druckerei, Bleicherei und Appretur. LEI PZI ü*’B h n>n”iest* 9. Verl,,: | Herausgegeben von Theodor Martins Textilverlag in Leipzig. | Organ der Sächsischen Organ der Vereinigung Organ der Norddeutschen Textil-Berufsgenossenschaft. Sächsischer Spinnerei-Besitzer. Textil-Berufsgenossenschaft. Seite 30 Jt>, */s Seite 22,50 M, */ I2 Seite 15 M, 1 / le Seite 12 Jt. Bei Jahres aufträgen (16 Einschaltungen) werden 20 °/ 0 Rabatt gewährt Jährlich 16 Hefte (einschließl. 4 Sondernummern). Bezugspreis bei den Post- Anzeigenpreise: l /i Seite 150 Jt, Seite 75 Jt, Seite 50 Jl, ’/ t Seite 40 .X, ämtern und Buchhandlungen pro Halbjahr (einschl. 2 Beiblättern): für Deutsch- t,, Seite 30-A ’/s Seite 22,50.4!, ’/ 12 Seite 15 M, l / 16 Seite 12 Jt. Bei Jahres land und Österreich-Ungarn 8 für alle übrigen Länder 12,50 Jl. Bei di- aufträgen (16 Einschaltungen) werden 20 °/ 0 Rabatt gewährt rekter Zusendung unter Streifband erhöht sich der Preis um die PortospeSen. j Nachdruck, soweit nicht untersagt, nur mit genauer Quellenangabe gestattet Adresse für sämtliche Zuschriften und Geldsendungen: Leipziger Monatschrift für Textil-Industrie, Leipzig, Brommestr. 9. Über Zellulon- und Kunstseidengespinste. Von Dr. Arthur Kramer. Schon seit vielen Jahren vor dem Krieg ist man bemüht, brauchbare Papierfäden zu erzeugen, doch konnte sich diese In dustrie bis in die neueste Zeit nicht so recht entwickeln, da die verhältnismäßig billig auf dem Markt zu habenden Faserstoffe dem neuen Material eine nicht zu überwindende Konkurrenz boten. Durch den nun schon 4 Jahre lang tobenden Krieg wurde durch das vollkommene Abschnüren des Importes eine vollständig ver änderte Lage geschaffen. Ganz besonders ist es die Holzfaser, die zur Herstellung von spinnbarem Fasermaterial Verwendung findet. Durch Anwendung mehrerer neuerer Verfahren werden Zellulon und die sogenannte Stapelfaser hergestellt, die viel von sich reden machen. Beide Verfahren erwecken nach den Ausführungen große Hoffnungen, sind aber noch immer im Versuchsstadium begriffen. Hoffentlich gelingt es den Anstrengungen der Textilindustrie, uns in ihnem ein allen Ansprüchen entsprechendes Webmaterial aus heimischen Rohstoffen zu geben. Unter dem gesetzlich geschützten Namen „Zellulon“ erscheint ein Gespinst der Zellstoffspinnerei Rohr in Thüringen, Firma Türk-Gesellschaft m. b. H. in Hamburg und Zellulon-Ge- sellschaft m. b. H. in Berlin im Handel. Gustav Türk er warb schon im Jahre 1891 für die Erzeugung von Papierstoffgarnen ein Patent, doch hatte dieses Verfahren vor dem Krieg infolge Mangels von Absatz der erzeugten Waren keinerlei Erfolg. Auf Veranlassung der Zellstoff-Importfirma Max Schüler & Co. in Ham burg wurde im Jahre 1913 die Türk-Gesellschaft m. b. H. in Ham burg gegründet, die in Rohr in einer größeren Versuchsanlage nach dem Türkschen Naß-Spinnverfahren brauchbare Spinnfasern her stellen sollte, welche zur Anfertigung eines gebrauchs- und kon kurrenzfähigen Webmaterials benutzt werden konnten. Das Türksche Naß-Spinnverfahren besteht darin, daß deutsche Sulfitzellulose oder schwedische Natronzellulose mit oder ohne Zusatz von Baumwoll- und Leinenhalbstoffen ohne jeden Zusatz von Leim, Harz oder anderen Chemikalien auf den Mahlhol länder gemahlen werden, wie dies bei der Papierfabrikation ge schieht. Der gemahlene Zellstoff wird alsdann mit Wasser aufge schwemmt, über einen Rundzylinder geführt, der je nach der ge wünschten Fadenstärke mit einer geringeren oder größeren Anzahl vorstehender undurchlässiger Streifen besetzt ist, die aus Metall oder Vulkanfibre hergestellt sind. Auf diesen Siebstreifen bilden sich durch Zerlegung der Fasermasse sofort Streifchen oder Bändchen. Diese werden teilweise entwässert zu Vorgarnfäden umgebildet, in dem man sie auf sogenannten Nitschel- oder Würgeiwerken würgelt oder nitschelt, ihnen also einen sogenannten falschen Draht gibt. Auf langsam laufenden Ringspinnmaschinen, welche 5—600 Touren in der Minute machen, werden die erhaltenen Vorgarnfäden dann weiter verarbeitet und in Trockenapparaten langsam getrocknet. piese Faserstoffgarne, jetzt auch Zellulongarne genannt, wer den also direkt aus Zellstoff hergestellt, ohne erst Papier zu bilden, welches dann zerschnitten werden muß, wie es bei der Her stellung der Papiergarne erforderlich ist. Der Zellulongarnfaden entsteht durch richtiges Verspinnen der Fasern, wie beispielsweise in der Baumwollabfallspinnerei. Gegenüber den Papiergarnen, die eine Reißlänge von 3—6000 m besitzen, haben die Zellulongarne eine wesentlich größere Reißfestigkeit, 7—10000 m. Ein weiterer Vorzug ist der geringe Verlust beim Verspinnen desZellulons während des Verspinnens gegenüber dem Papier. Bei letzterem muß man mit 30—50 Proz. rechnen, bei ersterem nur mit 5 Proz. Gegen über dem Wasch- und Kochprozeß zeigen die Zellulongarne eine große Widerstandsfähigkeit. Zellulon hat sich selbst nach 10 stün digem Kochen nicht verändert, während Papiergewebe bei längerem Kochen der vollkommenen Auflösung unterliegen. Auch in der Bleicherei und Färberei verhalten sich die Zellulongarne vorteil hafter als die Papiergarne, denn sie lassen sich sehr gut durch bleichen und durchfärben. Ganz entschieden haben die bisher hergestellten Zellulongarne in Fachkreisen beifällige Aufnahme gefunden, und sind außer der An lage in Rohr in Thüringen von deutschen Großindustriellen ver schiedene Gesellschaften gegründet worden, die sich mit der Her stellung von Zellulon befassen sollen. Auch im besetzten Gebiet ist auf Befehl des Oberbefehlshabers Ober-Ost eine Großanlage im Bau, ebenso sollen in Osterreich-Ungarn sich einige Großindustrielle mit der Herstellung von Zellulongarnen beschäftigen. Da an guten, haltbaren Garnen aus einheimischen Rohstoffen unbedingt ein großer Bedarf vorliegt, so darf man wohl damit rechnen, daß dieser neuen Fabrikation eine große Zukunft vorbe halten ist. Verwendung finden wird das Zellulongarn wegen seiner großen Reißfestigkeit vor allen Dingen als Ersatz des Hanfes zur Herstellung von Treibriemen, Gurten, Schläuchen, Bindfaden aller Art usw. Die Kunstseide hatte schon in den letzten Jahren vor dem Krieg für die Textilindustrie eine große Bedeutung und während der Kriegszeit wurde viel Kunstseide für den freien Handel und die Herstellung bezugsscheinfreier Gewebe verarbeitet, denn die Gewebe aus Kunstseide oder aus Gemischen von echter Seide und Kunstseide hergestellt, werden gerne gekauft. Die Kunstseide wird hauptsächlich nach vier verschiedenen Verfahren hergestellt: 1. Nach Verfahren Chardonnet wird in ein Gemisch von kon zentrierter Salpeter- und Schwefelsäure Baumwolle oder Holzzell stoff eingetragen, wodurch Nitroverbindungen der Hydrozellulose entstehen. Diese werden entsäuert und bis zu einem bestimmten Wassergehalt getrocknet. Das so erhaltene Produkt wird in einem Äther-Alkoholgemisch (3 :2) zu Kollodium gelöst, welches filtriert und durch kapillare Glasröbrchen, sogenannte Spinnschnäbel oder Düsen, in Wasser ausgepreßt, wobei es sofort in Form von