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Egidien, Ehrsnhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen- »ruba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. Dienstag, den 12. Februar M 36. 1895. Witterungsbericht, ausgenommen am 11. Februar, nachm. 4 Uhr. Barometerstand 753 IUM. reducirt auf den Meeresspiegel. Thermometerstau- — 8" 6. (Morgens 8 Uhr — 19".) Feuchtigkeitsgehalt der Luft nach Lambrechts Polymeter 66"/o. Thaupnnkt — 14 Grad. Windrichtung: Nord. Daher Witterungsanssichten für den 12. Februar: Trübe mit Neigung zu Niederschlägen. Bekanntmachung, Ausleihung von Kaffengeldern betreffend. Ansang Mai dieses Jahres sind aus Mitteln der hiesigen Stadtkasse 320b Mk. ganz oder getheilt mündelmäßig auszuleihen. Waldenburg, den 2. Februar 1895. D er Stadtrat h. Kretschmer, Bürgermeister. Tschm. ^Waldenburg, 11. Februar 1895. Graf von Hoensbroech, der frühere Jesuit, erhebt in einer Schrift „Der Jesuitenantrag des Centrums" (Ber lin, Hermann Walther) in zwölfter Stunde seine war nende Stimme wider die Rückkehr der Jesuiten. Mit Recht rügt Hoensbroech, daß unsere Politiker den Ernst der Jesuitenfrage meist verkennen. Die Lehre und Mo ral des Ordens hat nicht bloß ein historisches, sondern auch heute noch ein actuelles Interesse. Um des Cen trums willen meint man all die Absonderlichkeiten der Jesuiten, diesen „Ouark", einfach mit in Kauf nehmen zu müssen und vergißt ganz, daß Bismarck 1885 erklärt hat — es sind freilich seitdem schon zehn Jahre vergan gen —: „ich habe das gelernt in den letzten Jahren, daß mit den Grundsätzen der Politik des Centrums we der das Deutsche Reich noch der preußische Staat auf die Dauer existiren kann." Den preußischen Grundsatz „Je dem das Seine" in allen Ehren, aber die Zulassung der Jesuiten würde diesem Grundsatz geradezu widersprechen, denn sie würde den Bestand eines seinem Wesen nach evangelischen Staates in Gefahr bringen. Doch man sagt: der Jesuitenorden gehört zur römi schen Kirche. Aber dieselbe hat geblüht und kann auch noch blühen ohne denselben. Kein Papst hat in einem einzigen der sogenannten mit den Staaten abgeschlossenen Concordate den Jesuitenorden auch nur erwähnt. Da mit fällt die Behauptung, daß das Jesuitengesetz ein Ausnahmegesetz sei, dahin. Und gerade um der von den Ultramontanen so stürmisch geforderten „Parität" willen müssen die Jesuiten ausgeschlossen bleiben; sind sie doch die ärgsten Störer des confessionellen Friedens. Das zeigen die gehässigen Aeußerungen der älteren Jesuiten in der bekannten Jubiläumsschrift Imsxo krimi sus- ouli über Luther und die Reformatoren; das beweisen die giftigen Machwerke der heutigen Jesuiten, wie Gott liebs „Briefe aus Hamburg" und die Flugschriften „Zur Lehr und Wehr." Ein „deutscher" Jesuit, von Hammer stein, hat ohne weiteres erklärt, ein atheistisches Volk (wie das französische) sei ihm lieber als ein evangelisches, wie das deutsche! In den Kriegen von 1866 und 1870 haben mehrere Jesuiten den frommen Wunsch geäußert: „wenn doch das lutherische Preußen zertrümmert würde!" Noch 1890 hat ein einflußreicher „deutscher" Jesuit ge standen: für den evangelischen deutschen Kaiser zu beten, sei ihm unmöglich! Und als Papst Leo XIll. sich der deutschen Regierung näherte, wurde die Stimmung der „deutschen" Jesuiten gegen den Papst so gereizt, daß sie wiederholt erklärten, der Papst verdiene wegen dieses Verhaltens nicht, daß die deutschen Katholiken sein Prie sterjubiläum feierten! Einer der einflußreichsten französischen Jesuiten hat Boulanger bedeutende Geldsummen verschafft, und Hoens broech hat auf Grund seiner jahrelangen Bekanntschaft "nt dem Orden die Ueberzeugung, daß die Jesuiten alles daran setzen werden, das protestantische Preußen und das evangelische Kaiserthum zu vernichten. Die Ausrede, daß der Jesuitenorden nach seinen Sa tzungen sich gar nicht in die Politik einmischen dürfe, wird schon durch die Geschichte Lügen gestraft, welche eine Anzahl einflußreicher jesuitischer Beichtväter und Po litiker aufweist. Ueberhaupt ist auf die Satzungen des Jesuitenordens nicht viel zu geben; sie stehen lediglich auf dem Papier. „In der Theorie heißt es Nein, in der Praxis Ja." So zeigt auch die Jesuitenmoral und in Folge dieser Moral der einzelne Jesuit ein Janusge sicht. „Liebenswürdig und warmherzig auf der einen Seite, kalt und herzlos auf der anderen; selbstlos und egoistisch; stolz und demüthig; einfältig und verschlagen zugleich. Nach Hoensbroech ist die Jesuitenmoral „Bos heit, aber geheimnißvoll, verhüllt, verschleiert; zwar fühlbar und wirksam, aber ungreifbar, undefinirbar, mehr geahnt als erkannt." Das Urtheil wird bestätigt durch den Stifter des strengsten Ordens, des Trappisten- Ordens, ferner durch den Dominikaner Concina, durch den Augustiner Berti, durch den berühmten Kanzelredner Mabillon, durch Papst Jnnocenz XI., ja durch Jesuiten selbst. Vor allem kennzeichnet den Orden sein maßloser Hochmuth und seine unablässige Selbstverherrlichung. Und doch hat er bei so vielen glänzenden äußerlichen Erfolgen überall völlige Mißerfolge, namentlich auf dem Gebiete der Mission zu verzeichnen. Auch mit der so gerühmten jesuitischen Pädagogik ist es, bei Lichte besehen, nichts: „Es ist keine Uebertreibung, daß fast die gesammte katho lische Jugend der einflußreichsten Stände in Italien, Frankreich, Spanien, Deutschland, Belgien während des 17. und 18. Jahrhunderts von den Jesuiten erzogen wurde, und gerade diese Jahrhunderte weisen gerade in jenen Ständen die schrankenloseste Frivolität in sittlicher und religiöser Beziehung auf." Die Gründe davon liegen auf der Hand. Ein angesehener Prälat des Papstes Alexander Vlii. meint: Der geile Horaz und der wollüstige Tibul sind, mit dem Jesuiten Sanchez vergli chen, für Mädchenschulen geeignet." Die Jesuitenmoral giebt geradezu Anleitung zum Wühlen im Schmutz und entweiht die Heiligkeit des Beichtsakraments. Und wie wenig die Jesuiten wider den Umsturz leisten, haben sie in Belgien bewiesen. Hoensbroech faßt seine Ergebnisse dahin zusammen: Der Jesuitenorden ist weder an und für sich, noch be sonders in Deutschland ein unbedingtes Erforderniß für die römische Kirche. Der Jesuitenorden ist seinem Wesen nach international, und wenn ein in Deutschland ge borener Jesuit verlangen würde, in Deutschland leben und sterben zu dürfen, würde der Jesuitenorden der erste sein, dies Verlangen als unjesuitisch zurückzuweisen. Zwei hervorragende Ultramontane, Görres und Philipps, haben bitter über den „Egoismus" des Jesuitenordens geklagt, „der aus Allem, was geschieht, ein exklusives Ordens monopol machen möchte und keine andere unabhängige Thätigkeit neben sich duldet." Was sind aber gegen Philipps und Görres die anonymen Artikelschreiber der ultramontanen Presse und die Wortführer im Centrum? Politische Runs-chau. Deutsches Reich. Der Kaiser empfing am Sonnabend den Reichscom- missar Or. Karl Peters, welcher sein Werk über unser südwestafrikanisches Schutzgebiet übergab. Abends wohnte der Monarch einem Mahl beim ersten Garde-Regiment in Potsdam zur Erinnerung seines Eintritts in dieses Regiment am 9. Februar 1869 bei. Der Kaiser über nachtete «im Potsdamer Stadtschlosse und besuchte am Sonntag die Garnisonkirche dort. Um 11 Uhr reiste der Kaiser über Eberswalde nach Jagdschloß Hubertusstock, wo er bis Dienstag verweilen wird, um auf Hirsche zu pürschen. Fürst Bismarck hat sich bereit erklärt, den ihm zu Ehren von dem Reichstagswahlverein in Hamburg ge planten Fackelzug am ersten April anzunehmen. Ob der Fürst alle die angekündigten zahllosen Deputationen wird empfangen können, steht aber noch dahin. Zur Feier der Einweihung des Nordostseecanals im Juli wird eine Einladung an alle großen seefahrenden Nationen ergehen; bisher steht schon fest, daß ein öster reichisches Geschwader unter dem Erzherzog Stephan an wesend sein, und ein Riesenmanöver der gesammten deut schen Flotte folgen wird. Der Kaiser wird mit seinen Gästen auf den Pachten „Hohenzollern" und „Kaiser adler" den Canal durchfahren und bei Brunsbüttel in die Elbe einlaufen. In geheimnißvoller Weise wird angedeutet, es werde versucht, des Kaisers Ohr zu gewinnen, um den Monarchen einer Rückkehr des Jesuitenordens günstig zu stim men. Daß in dieser Sache der Kaiser keinen anderen Standpunkt, als die Reichsregierung, einnehmen kann, ist doch selbstredend. Das preußische Staatsministerium hielt Sonn abend Nachmittag unter Vorsitz des Fürsten Hohenlohe eine Sitzung im Reichstagsgebäude ab. Die Verhand lung soll der Umsturzvorlage, deren Erledigung noch in weiter Ferne liegt, gegolten haben. Fünf Reichstagsmandate hatder Reichstag am Sonnabend für ungiltig erklärt; es wird also an interessanten Ersatzwahlen nicht mangeln. Bei der soeben stattgehabten Ersatzwahl im Kreise Mörs wurde der Centrumscandidat Fritzen mit 12,787 Stimmen gewählt. Der freiconservative Or. Hanicl er hielt 10,432 Stimmen. Der Gesetzentwurf betr. Abänderung des Brannt weinsteuergesetzes vom 24. Juni 1887 ist, wie die „Post" hört, nunmehr fertiggestellt. Der Bundesrath dürfte sich in seiner nächsten Sitzung damit beschäftigen. Zu einer Verhaftung ist es am Sonntag Vormittag in einer anarchistischen Versammlung in Berlin ge kommen. Ein Tischler Wächter äußerte sich folgender maßen: „Wenn die Arbeiter wirklich etwas erringen wollten, müsse es auf der Straße im Kampfe errungen werden. Die Menschen müssen ganz frei produciren und genießen können, und die demokratische Herrschaft als die schlimmste von allen von sich abwehren. Die Verhältnisse seien nun einmal unhaltbar und müßten, gleichviel auf welche Art, umgestaltet werden. Friedlich oder durch List werde es wohl schwerlich gehen, daher werde man den Kampf aufnehmen müssen." Der Redner wird von dem überwachenden Beamten für verhaftet erklärt und abge führt. In der Versammlung kam es dann noch zu lan gen Auseinandersetzungen über die Maifeier rc., ohne daß aber sonst noch eine Unterbrechung von Belang eintrat. Die Kadetten der großen Anstalt in Lichterfelde bei Berlin haben schlimme Examentage bekommen.