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Dresdner Journal : 13.07.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-07-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189107135
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18910713
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18910713
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1891
-
Monat
1891-07
- Tag 1891-07-13
-
Monat
1891-07
-
Jahr
1891
- Titel
- Dresdner Journal : 13.07.1891
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15S. Montag, den 13. Juli, abends. 1891. »«»»»pr«»» r Tar V,«r^«I)LtlrUeU 1 K. b<r kr, lx» Uoul»<:U«L ^»«1^1- jUUrlivi» > !U. »a»xrtxld <to« ä«vt»<:dea kviet»»» dntt ko»t- a»<1 8tswp«lLQ»cti^ üüxa. Lüxslix ttununsro: 10 kt L»UNi>ai8i»»ss»UekNkre»r tNr ae» 8»>ro» «u»«r 2»N« ^leiser kvüritt tO ?L Hst« „Lu»8S«u»6t" Ui« bv kk. 8« 1HxU«o- ixä 21UvrQ»»t» «vt»pr. ^ak»cUl»8 Lesekel»»» r l^iiok aut ^aiaatuue Usr So»»- a. Leiert»^ »bsaä». ^«»»pr»ok-A»«:KI»x: Ur. IMS. DresdncrImrnal. ^ür bi« Gesamtleitung verantwortlich: Hofrat Otto Banck, Professor der (Literatur- und Kunstgeschichte. L»»»k»e r«, L»kk»sl8»»xe» »»nUrtsr ^r Lraa^kttee, UoauruxiouLr <1e» Ore«l»«r 2oor»»t»; U»»d«r« L«rilL Vi«» l^>p«8 >»—i vr««I»» rr»»t^r< ». ».: «aa«M»te»» ^oAtrr/ Nsrlt» VX» N»»»d»rU kr»U r«ix«U - r,-»-«. N.NLL-L»»: A»«i. L/o««,- k»ri» Lo»L« >«U» rnxLIar» ». U.-Il»tt8»rt: Da»-« <7o , L*rU>: , Lr—I»«: A'aLat-z SE-ve: e. Sek«i«t-e, N»U» «. U- Laeet F 0». Ser»»»Uelxrr Löoisl. Lrpe<litio» 6e« Vrextver ^oor»»I». Orexle», ^Mio^erstr. SV. Ler»»preek-A»»cktix«: tlr. I28b. Amtlicher Teil. Bekanntmachung. Ter Postrath Klihm aus Oldenburg (Grßhzth.) ist vom 1. October dieses Jahres ab zum Postrathe bei der Kaiserlichen Ober-Postdirection in Dresden ernannt worden. Nachdem Se. Majestät der König von Sachsen auf Grund von Art. 50 der Verfassung des Deutschen Reiches zu dieser Ernennung die landesherrliche Be stätigung ertheilt haben, w rd Solches hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Dresden, am 9. Juli 1891. Finanz-Mini st erium. von Thümmel. Bekanntmachung. In der Lukasparochie zu Dresden ist mit Ge nehmigung des evangelisch-lutherischen Landesconsisto- riums ein zweites Diaconat als dritte geistliche Stelle errichtet und mit einem Jahreseinkommen von 3000 M, sowie einem Wohnungsgeld von 900 M. ausgestattet worden, was mit dem Bemerken andurch bekannt gemacht wird, daß das Patronat und Colla- turrecht der neubegründeten und demnächst zur Be setzung gelangenden Stelle dem Stadtrath zu Dresden zusteht. Dresden, den 7. Juli 1891. Tas evangelisch - lutherische Landesconsistorium. U. Meier. Schnell. Nichtamtlicher Teil. Hetegrapöische und tetepSonische Aachrichten. London, 13. Juli. (Tel. d. Tresdn. Journ.) Ihre Majestäten der deutsche Kaiser und die Kai serin trafen nebst Gefolge gestern nachmittag gegen 6 Uhr in Hatfield, dem Landsitze Lord Salisburys, ein. Lou Londcn war eine große Volksmenge hex- beigeströmt, welche die Kaiser!. Majestäten aufs herzlichste begrüßte. Auf drm Babnhofe batte sich Lord Salisbury zum Empfange eingefunden. Paris. 13. Juli.*) Ter Kriegsminister beab sichtigt, während der Parlamentsfernn Kortifika- tionen am Mittelmeer, und zwar zwischen Eette und der italienischen Grenze, vorzunchmen, sowie die iu gegenwärtigem Manöver etwa nötig erschei- ncnden neuen Befestigungen aufzustellen. Paris, 13. Juli. < Tel d. Dresdn Journ.) Auf dem Nordbahnhof stießen mitternachts zwei Er preßzüge zusammen; 1d< Personen wurden verwundet. Mailand, 13. Juli.*) Eine Versammlung der Arbeiterpartei wurde durch Anarchisten g-fiört und auseinandergetrieben. Nachdem ,s zu einem Handgemenge gekommen, schritt die Polizei ein und nahm zahlreiche Verhaflungcn vor. New-Aork, 13. Juli. (Tel. d Dresdn. Journ.) Nach Meldungen aus Guatemala beginnen die in den Bergen bei Guezaltenanzo vereinigten zahl- reichen politisch Unzufriedenen sich ru organisieren, Vorbereitungen für kriegerische Unternehmungen zu treffen und Proklamationen revolutionären In halts zu verbreiten. Präsident Bafillas hat nach dem Lereinigllngspunkte der Revolutionäre Trup- Nachdruck verkoken Luntt und Wissenschaft. Lajos, daS Findelkind. Erzählung von A. Marby. 41 (Fortsetzung.) Plötzlich auf den Balkon weit vortretend, um sein Gesicht dem forschenden Bruderauge zu entziehen, sagte Ludwig mit klangloser Stimme: ,Ach kann nicht, Bern hard, ich kann nicht! Schon oft kam ich in der Ab sicht zu Dir, das entscheidende Wort zu sprechen; aber so wie ich vor ihr stand und in ihre unschuldsvollen Augen schaute und denken mußte, wie jene groß sich öffnen und verwundert fragend blicken würden, ob der alte Onkel etwa närrisch geworden, sank mir der Mut und daS bereits auf der Lippe schwebende Wort er starb. Und nicht um ein Haar anders würde es mir heute ergehen " „Du Armer! Tein Herz ist wahrhaft gefährlich krank und bedarf schleunigst eines heilkräftigen Bal sams. Schüttle nicht den Kopf, mein Ludwig, schau'! Wir tauschen einmal die Rollen; Dein sonst so klein mütiger, trostbedürftiger Bernhard ,st heute so glück lich, seinem geistig löwenstarken Bruder nicht allein mit Rot, sondern auch mit That beizustehen, wenn Tu mir die nötige Vollmacht erteilst. Erinnerst Du Dick, wie ich jüngst mich erbot, Deinen Freiwerber zu machen? Run. die Zeit scheint gekommen, daS im halben Scherz Gelobte iu Ernst zu verwandeln. Ludwig! Soge Ja und Amen dazu!" Der Freiherr rang sichtlich mit sich; er empfand et als eine seiner unwürdigen Schwäche, einen anderen peu entsandt. Bisher scheint die Bewegung jedoch ohne eine weitergehende Bedeutung zu sein. Melbourne, 12. Juli. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Infolge anhaltender Regengüsse ist der Kluß Aava- Nava ausgetreten und hat die Stadt überschwemmt, den Eisenbahnverkehr ankerbrochen und mehrere Straßen der Vorstädte unter Wasser gesetzt. Etwa 1VW Personen find obdachlos, die Not ist groß und der Schaden bedeutend. Seit 1863 hat keine gleich starke Überschwemmung stattgefunden. Dresden, 13. Juli. Die Jungtschechen auf dem Scheidewege. Als wir anläßlich der Erörterung der Tragweite und des Schicksals der letzten russenfreundlichen Rede des jungtschechischen Abgeordneten Vasaty, die allent halben in der Tagespreise viel Aufsehen erregt hatte, die leitenden Kreise ob der herzerhebenden einmütigen Kundgebungen des reichs- und kaisertreuen Patriotis mus aller ReichSratsparteien, wie sich derselbe in den Verwahrungen ihrer Wortführer geäußert, beglück wünschten, waren wir allerdings weit entfernt davon, die Haltung des jungtschechischen Klubs, soweit sie in der Erklärung des Obmanns desselben ihren unzwei deutigen Ausdruck gesunden hatte, hinsichtlich ihrer Aufrichtigkeit uvd Ehrlichkeit in Zweifel zu ziehen. Nicht als ob wir die eigenartige Stellungnahme des leitenden jungtschechischen Organs zu der Rede des Abg Vasaty unbeachtet gelassen hätten, das sich in einem publizistischen Eiertanze zwischen dem Russentum Vasaiys und dem Asterreichertum der Herren Herold und Tilscher durchzuwinden versuchte, um ja nicht in seiner Beliebtheit als das gelesenste tschechische Blatt Schaden zu erleiden; durchaus nicht — aber wir leg ten den Verlegenheitskrämpfen des Leiborgans der Ge brüder Gregr Gründe der journalistischen Lpportuni- tätspolitik unter, die in eingeweihten tschechischen Kreisen stets als das <-,um, aus dem das Jungtschechentum sich zu seiner gegenwärtigen „Größe" Herausgearbeitel, in Anschlag gebracht wurden Nur glaubten wir nicht, daß auch diesmal der auf Einheimsung reichlicher Subskriptionsgelder berechnete Radikalismus der jung- tschechischen Druckschwärze über die bessere Einsicht und maßvolle Vorsicht der „tschechischen Delegation" im Reichsrate einen Sieg davon tragen werde. So weit, d. h. zur vollständigen Verdrängung der seit herigen tschechischen Parteileitung, der man nicht mit Unrecht eiue gewisse politische Umsicht und Rücksicht nahme auf die parlamentarische Lage nachgerühmt hatte, durch die Vertreter des nahezu unzurechnungs fähigen Radikalismus eines Vasaty — sind die Dinge allerdings noch nicht gediehen, wenn auch Wiener und Prager Zeitungsberichte dies als das vorläufige Er gebnis der letzten „Vasatiade" im Wiener Reichsrate verzeichnen. Auf Grund unserer eigenen Wahrneh mungen, deren Stichhaltigkeit auch nicht durch die vor zeitigen Lobeshymnen der schlecht beratenen russischen Blätter in Frage gestellt werden kann, vermögen wir vorläufig nur die Thatsache einer inneren Krisis im jungtschechischen Lager festzustellen, deren Austragung im Sinne einer endgiltigen Entscheidung über die fernere Haltung der „tschechischen Delegation" im Reichsrate angestrebt wird, indes sie allem Anscheine nach nur in einer dauernden Spaltung derselben in mehrere Frak tionen erfolgen dürfte. Tie Wahrscheinlichkeit eines solchen Ergebnisses der gegenwärtigen innern Friktionen im jungtschechischen Klub, das auf die parlamentarische Lage und die fernere Ausgestaltung des Regierungssystems in Öster reich von wesentlichem Einfluß sein würde, nicht aber die an und für sich keineswegs beachtenswerten Streitig keiten in der „sonderbaren Gesellschaft" der Jung- für sich sprechen zu lassen; er war sick aber auch nicht minder sicher bewußt, daß taufen: erlci Bedenken ihm wieder und wieder die Lippen versiegeln würden. „Sei es denn!" stieß er nach minutenlanger Pause in ge waltsam beherrschtem Tone hervor. Er erhob den ge senkten Kopf und mit gehaltenem Ernst in Blicken und Mienen den freudig aufleuchtrnden Augen des Bruders begegnend, fügte er ruhiger, entschlossener hinzu: „Tiese entnervende Ungewißheit muß ein Ende nehmen, so oder so! Tritt vor sie hin als mein Freiwerber; ich weiß, Tu wirst meinen heißen Herzenswünschen der beredteste Anwalt sein. Toch eines versprich mir: Übe keine zwingende Überredungskunst! Sylvias Herz soll allein entscheiden — völlig unbeeinflußt; darum bitte ich Dich!" „Selbstverständlich, Ludwig! Aber nun läßt mir's auch nicht länger Ruhe!" „So gehe in Gottes Namen und, Bernhard" — Langenecks Stimme klang bewegter — „Tu wirst mich nicht auf die Folter eines endlos langen Wartens spannen?" „Bewahre Gott! Ich gedenke noch heute meines gesegneten Auftrages mich zu entledigen und Tu er hältst dann schnellstens Nachricht — hoffentlich die beste, beglückendste!" Fünfzehntes Kapitel. Ganz allmählich, aber unaufhaltsam, wie von einer unsichtbaren Riesenhand ^schoben, rückte eine dunkle, dichte Wolkenwand unheildrohend höher und höher. Die Luft wurde immer drückender; kein Blättchen be wegte sich, kein Vogel zwitscherte; die Schwalben, auf ihrem lautlosen Fluge fast den Erdboden streifend, tschechen — veranlaßt uns zur heutigen Betrachtung über die laufenden Erscheinungen in der Politik dieser reichSrätlichen Fraktion, soweit sie mit der von der Presse bereits mehr als überschwenglich breitgetretenen Angelegenheit Vasatys in einem ursächlichen Zusammen hänge stehen. Man muß dabei, ohne Berücksichtigung einseitiger tendenziöser Berichte der Parteiblätter von der Thatsache der Meinungsverschiedenheit ausgehen, die bei Behandlung des in Rede stehenden Zwischen falles im Reichsratc zwischen drm genannten Gregrschen Organe und der Wochenschrift „Czas", welche der pudli- . zistlsche Vertreter jener Abgeordneten darstellt, zu Tage getreten ist. Diese Meinungsverschiedenheit ist von so grundsätzlicher Natur, daß, sofern es cuf die wohl bekannte Charakterfestigkeit jener Abgeordneten an kommt, von einem Ausgleiche im Sinne einer allge meinen Anerkennung der Richtigkeit und Ersprießlich keit der extrem radikalen Polin! des Hrn. Vasaty nicht die Rede sein kann. Hatte doch das Leidorgan dieser Männer, als deren geistiges Oberhaupt Prof. Masaryk nach der Versicherung des deutsch böhmischen Parteiorgans „Bohemia" auf allen Seiten deS Reichs rats anerkennender Hochachtung begegnet, in der Num mer vom 27. Juni den Rusienfreund Vasaty in einer Weise „beleuchtet", daß eine fernere Thätigkeit dieses Abgeordneten mit jenen in einer gemeinsamen parla mentarischen Vereinigung so gut wie ausgeschlossen ist, es sei denn, daß Männer wie Kaizl, Masaryk und deren nächste Gesinnungsgenossen, nur um der Gefahr zu entgehen, daß sie von der Mehrheit der Klubs in die Lage einer einflußlosen Fraktion gedrängt würden, über sich die Schmach ter Entsagung von ihren politi schen Grundsätzen ergehen lassen werden. Eine solche Annahme widerspricht aber allem, was seither als ideelle Unterlage ihrer politischen Thätigkeit gegolten hatte. Sie waren es doch, die den jungtschechischen Klub in die Bahnen einer der parlamentarischen Lage angemessenen Polnik gedrängt haben. Ihrem Ein flüsse konnten die Tschechen es zuschreiben, daß weder die Polen noch die Vertreter des tschechischen Groß grundbesitzes und der einzelnen slawischen Frak tionen im Hohenwartklud grundsätzlich jede Jdeen- gemeinschast mit der jungtschechsschen Vertretung des tschechischen Volkes von sich gewiesen haben, und daß man dem jungtschechischen Klub nicht den Vorwurf machen durfte, er entziehe sich der Pflicht, an der Gesetzgebung thäligen Anteil zu neh men. Sollte nun innerhalb der „tschechischen Dele gation" jene Richtung Oberwasser bekommen, welche die Ersprießlichkeit eines Radikalismus, wie ihn Vasaty und das jungtschechische Prager Hetzorgan predigt, zum Bewußtsein der Mehrheit derselben zu benutzen sucht, dann ist es allerdings um die politische Laufbahn jener jungtschechischen Parteiführer geschehen, wenn sie sich nicht zu der Entschlossenheit aufzuraffen vermögen, die ihnen ihr patriotisches Gefühl diktiert, und nicht in einer abgesonderten, vom jungtschechischen Klub unab hängigen Parteivereinigung ihren nationalpolitischen Grundsätzen Geltung zu verschaffen suchen werden. Tenium non üstur. So wie die Tinge stehen ist es kaum glaublich, daß ein Kaizl, dem man eher alles andere als die Tugend der Entsagung und Selbst losigkeit zuerkennen darf, nochmals, wie er es im Jahre 1887 nach einem ähnlichen Fehlschlage seines politischen Strebertums im Riegerschen Klub gethan hatte, von tem politischen Schauplatze sich zurück ziehen und zum zweiten Male eine abwartende Haltung der politischen Unthätigkeit einnehmen werde. Tamals hatte er angesichts der Verhält nisse im alttschechischen Klub und im Hinblick auf die parlamentarische Lage keine andere Wahl. Zu jener Z it hätte er mit seinen drei Gesinnungs genossen im alttschechischen Klub, die seinen Antrag auf grundsätzliche Bekämpfung der berüchtigten Lrdon- strichen in immer engeren Kreisen wie toll hin und her; eine fast unheimliche Stille brütete über der Natur. Auf der breiten, blumengeschmückten Rampe war Sylvia, leise ein Liedchen summend, beschäftigt, die letzte ordnende Hand an den einladend arrangierten Theetisch zu legen, ohne daß sie gewahr wurde, wie aus geringer Entfernunb ein Paar dunkle Augen voll bewußter Vaterzärtlichkeit auf ihr ruhten. Je länger Graf Tornburg die schlanke Mädchen-' gestalt betrachtete, deren voller Liebreiz ihm noch nie so aufgefallen, wie in dieser Minute, desto erklärlicher dünkte ihm Bruder Ludwigs mächtige Leidenschaft für die junge, holde Menschenblume Erst als er die Rampe betrat, ließ das leise Knirschen des Kiessandes Sylvia sich umschauen Eie eilte dem Kommenden freudig entgegen. „Guten Abend, liebster Papa! Du kommst allein? „Onkel Ludwig läßt sich entschuldigen, Kleine: er ist noch dringend beschäftigt." „Wie jetzt immer tage-, nein, schon wochenlang!" schmollte Sylvia „Und heute rechnete ich doch be stimmt auf sein Erscheinen; ich ließ schon ein Couvert für ihn auflegen. Fast fürchte ich, Onkel Ludwig nimmt gar keinen Anteil an unserer Freude, sonst würde er doch wohl vorziehen, über die großen Er eignisse mit uns zu plaudern, statt bei dieser Hitze durch angestrengte- Denken und Berechnen sich zu plagen Ich bin wirklich auf ihn recht döse, Papa!" Den Grasen erfüllte Sylvias sichtlicher Unmut mit stiller Befriedigung „Meine Lle ne wird hoffentlich nicht unversöhnlich sein, wenn der arme Ludwig Ab bitte leistet?' versetzte der Graf lächelnd „Seine nanzen des Unterrichtsministers v. Gautsch entgegen der maßvollen Haltung des Riegerschen Heerbannes unterstützt haben, den damals nur viergliedrigen jung- tschechischen Klub nur unwesentlich gestärkt, dagegen hätte er nach der damaligen Lage der Dinge in dieser ohnedies politisch ohnmächtigen Parieivereinigung sei nen Ruf als hervorragender Parlamentarier auf lange Zeit untergraben gesehen, damit damals der Kampf zwischen den beiden nationalen Parteien unter dem Schlagworte: „Hier Rieger — hier Gregr!" geführt wurde, und neben diesen beiden Parteiführern kein Platz für anderweitige Parieihäupter vorhanden war. Außerdem galt Rieger zu seiner Zeit noch immer als der allgemein anerkannte Träger des Volkswillens, und die Opposition — als landespreisgeberischeS Strebertum, dem man die Fähigkeit, jemals die Stel lung einer politisch berechtigten „kriegführenden Partei" zu erringen, aberkannt hatte. Heute stehen die Dinge ganz anders. Thatsächlich sind Kaizl, Masaryk und ihre nächsten Gesinnungsgenossen so wohl von den jungtschechiichen Wählermassen als auch von der Mehrheit der Anhänger der alttschechischen Parieirichtung als die Bahnbrecher einer unter den gegenwärtigen Verhältnissen einzig möglichen und ersprießlichen tschechischen Politik in hohem Ansehen. Ein Austritt derselben aus dem jungtschechischen Klub, begründet durch die Unmöglichkeit, mit Leuten wie Vasaty, die als die reine Verkörperung der politischen Unmündigkeit und sinnlosen Hetze veranschlagt werden, an einem Strange zu ziehen, würde ihnen die Sym pathien aller Stammesgenosien sichern, die sich in den letzten erbitterten Kämpfen noch die Fähigkeit, die Dinge nach ihrem wahren Werte zu beurteilen, be wahrt haben Auch die Zustände im jungtschechischen Klub müßten ihnen die Gewißheit eines Erfolges nahe legen, wenn sie vorziehen sollten, ihr und ihres Volkes Heil in der Loslösung von dem Parteiverbandc mit dem von allen Seiten nach Gebühr zurückgewiesenen Zelotentum eines Vasaty zu suchen. Ihre Gefolgschaft bildet allerdings eine kleine Minderheit des jung- tschechischen Klubs, da von den 35 Mitgliedern des selben nur etwa 8—9 sich zu ihren Grundsätzen be kennen, allein diese jungsschechischen Abgeordneten re präsentieren gerade durch ihre Kenntnisse und parla mentarische Begabung den aktionsfähigen Teil der „tschechischen Delegation", die ohne dieselben zu einem Zerrbilde einer parlamentarischen Einheit —, zu der buchstäblich „sonderbaren Gesellschaft", als welche sie seiner Zeit von Allerhöchster Stelle bezeichnet wurde, heruntersinken müßte. Dagegen hätten die jung tschechischen Parteiführer alle Aussicht, durch die drei „wilden" — ehemals alttschechischen Abgeordneten und durch die mährischen Tschechen und Vertreter de- tschechischen Großgrundbesitzes sich verstärkt zu sehen, und in dieser Parteibildung auch numerisch den jung- tschechischen Klub als Vertretung des tschechischen Volkes in den Hintergrund zu drängen, ohne Gefahr zu laufen, daß die tschechischen Volksmassen sie vor kommenden Kalles im Stiche lassen würden. Ohne daß gerade diesen Vorgängen im jungtschechischen Lager eine ungewöhnlich hohe Bedeutung zukäme, fordert ihr weiterer Verlauf doch das lebhafteste Inter esse heraus Lagesgeschichte. * Berlin, 12. Juli. Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin nahmen gestern das Tejeuner bei dem deutschen Botschafter Grafen v Hatzfeld eia. Allerhöchstdieselben wohnten heute vormittag dem Gottesöienste in der St. Paulskathedrale bei. — Der „Reichsanz." meldet amtlich die Ernennung der Reichsgerichtsräte vr v. Hahn, vr. Wiener und D ähnhardt in Leipzig >u Senatspräsidenten bei dem Reichsgericht, sowie der Königl preußischen Ober- schwicrigen Berechnungen gehen heute zu Ende; von morgen an wird er sich Dir in seiner gewohnten ritter- lichrn Weise vollständig widmen und hofft, Tu wirst ihn wieder zu Gnaden aufnehmen" „Tas wird darauf ankommen, ob er wieder als der alte liebe Onkel erscheint und nicht wie ein rechter Griesgram, der ihm übrigens herzlich schlecht zu Ge sicht steht" „Wenn Du ihm dies morgen vorhältst," sagte der Graf heiter, „wird er sich vor ähnlichen Hypochonder- launen in acht nehmen Aber, Kind, wie ist denn das ?' sein Auge flog prüfend über den Tisch, „ich er blicke doch nur drei CouvertS?' „Ach, die leidige Migräne zwang die arme Tante Sophie, sich niederzulegen" „Schade," äußerte Graf Dornburg, obgleich ihm die heutige Abwesenheit der von ihm hochgeschätzten Dame durchaus nicht unlieb war; ergab sich doch nun ganz von selbst eine ungestörte Zwiesprache mit Sylvia. Die beiden Tafelgenossen mußten sich mit ihrem Abendessen beeilen, denn der Himmel verfinsterte sich von Sekunde zu Sekunde; bald verkündeten kurze, hef tige Windstöße den nahen Ausbruch des Donner wetters, und noch während deS Nachtisches fielen bereits vereinzelte schwere Regentropfen; aus der Ferne erklang dumpf grollender Donner. Vater und Tochter begaben sich in den Garlensaal. Trotz der weit offenstehenden Fenster war e- heute hier fast noch schwüler als im Freien. „Wird e» ein sehr schlimmes Wetter geben, Papa ?' fragte Sylvia, mit bedenklichen Blicken den düster drohenden Himmel betrachtend.
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