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Deiblatt zur „Sächsischen Elb-Zeitung". Verantwortlicher Redacteur und Verleger r Ludwig Donath in Schandau. Motto: Bist du nicht redlich gegen dich selbst, so betrügst du auch Andre. Wahrheit redet der Mund nur, wenn daö Herz sic beschwort. Douterwck. Das steinerne Bild. Erzählung von Viktor Änek,*) Brigitte war ein armes Mädchen, und der strenge Winter dcS Jahres 1682 gar fühlbar für die nvthlcidendcn Bewohner von Prag. Nur sel ten verließ Brigitte ihr stilles Kämmerlein, denn sie hatte dahmn eine alte kranke Mutter zu Pflegen und mußte mit den Spinnrocken sich den nothdürf tigsten Lebensunterhalt verdienen, und ost drang eine schneidende Kälte durch das armselige Gemach, in welchen man nur selten auf dem Kamin ein er- wärmendes Feuer erblickte. Uber Brigitte ertrug geduldig die Leiden der Armuth, die schmerzvoller noch sind, als das zehrende Gift der Krankheit, die mit grimmiger Zerstörung in das innncre Leben eingreifcn, die erstarrend die rege Thatkraft erfassen, und mit den Bildern des Wahnwitzes den Schlum mer von der Lagerstätte des Unglücklichen jagen. Doch Brigittens Herz schauderte nicht zusammen in dieser eiskalten Umarmung, denn der Trost der Unschuld ruhte in ihrem Busen, und in das heilige Asyl des Glaubens flüchtete die geängstigte Seele. Wer das gute Mädchen kannte, hatte Mitleid mit ihr, denn sie war so sittsam und fromm, und klagte niemals über ihr trauriges Loos. Mann nannte sic nur die schöne Spinnerin, denn die schöne Schöp ferische Hand der Natur hatte mit üppigen Reizen die arme Brigitte geschmückt, und erst sechszchn Lenze waren über das zarte Roth ihrer Wangen geweht. Und mancher Jüngling fühlte banges Lwbcswch in seinem Herzen, wenn er das holde Antlitz des Mäd chens gesehen, wenn ihr schönes Auge ihm freund lich begegnet, und ihr himmlisches Bild seine Traum welt plötzlich erfüllte. Doch Brigitte lebte still und zurückgezogen, denn die Armuth suhlt sich beengt in dem Gewühle, nur in der Einsamkeit findet sie ihr einziges Glück. Darum vermied sic die Nähe der Jünglinge und verschloß ihr Ohr den süßen Wor ten der Schmeichelei, die den Keim der Tugend *) Ost und West. vergiften und mit eitlen hoffärtigen Gedanken die Seele erfüllen. Doch in dem stillen Reich der Träume weilte gar oft daö schöne, Auge der Jungfrau und die zarte Saite der Liebe zauberte Klänge voll sanf ter Wehmuth hervor, denn in Brigittens Herzen hatte der himmlische Genius bereits die schlummernde Blüte der Liebc gewrckt. Und yaS schöne Bild ihrer Träume, eö hatte Bedeutung unv Leben, cs stillte den Säuszer der Noth und drängle mit zauberi scher Kraft zurück die Schreckgestalten der Armuth von dem Auge der Jungfrau. — Mit der reinsten Glut der ersten Liebe war ihr Herz einem Jüng ling ergeben, denn ein kühner feuriger Geist beherr schte, der mit rastloser Thätigkeit sich aus dem Dun kel der Niedrigkeit emporzuraffcn bemüht war. Er hatte sein Leben den Künsten gewidmet, angefeucrt durch das Beispiel jener großen Meister, die damals den Rühm bes Vaterlandes durch ihre unsterblichen Werke.verherrlichten. Und Brigitte war das Ideal des jungen Bildners geworden, ihre Liebe entflammte ihn zuisi muthigcn Streben, ihr himmlisches Bild entzückte die schöpferische Seele und in die tobten Formen hauchte er den Geist seiner Liebe. — Aber schon lange sah er nicht mehr das freund liche Auge der Jungfrau, hinweggezogen war er aus dem lieben Vaterlande, um in dem gepriesenen Italien sich in der Bildhasierkunst zu vervollkommn. Denn es verachtet der kühne Geist des Künstlers die engen Schranken des Lebens, hinaus in die Ferne treibt cs ihn mit mächtigen Sehnen, und Ottokar kämpfte nicht allein um die Palme des Ruhmes, er kämpfte auch noch um ein höheres Glück, um den Besitz eines Wesens, daS ihn so unendlich liebte, und seines Strebens schönstes Ziel war der Gedanke, Brigitte einst sein Weib, seine treue Pilgerin auf Erden nennen zu können. — Schmerzvoll war für das Mädchen jener Au genblick, wo der Jüngling sich auf lange Zeit ihren Armen entwand. Denn wer verbürgt dem trauern den Herzen die Rückkehr des Freundes? Feindselig greift die Trennung in das Leben der Menschen ein, allmählig löst sie die schönen Bande auf, die der