Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.01.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-01-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120116027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912011602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912011602
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-01
- Tag 1912-01-16
-
Monat
1912-01
-
Jahr
1912
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VezuqS Preis iß, L«ip,ta und Bororte durch unser, Träger und Evediteur« Lmal täglich In, Hau» gebracht: *> Pl. monatl., L7U Ml. »terteliäkrl. Bet unkern Filialen u. An» uahmeftellen abaeholt 74 Vs. monatl.. r.rs Ml. otertelsährl. »und die Pett: innerhalb Deulkchland» und der deutschen Kolonien vtertrljährl. S.M Ml., monatl. ausichl. Postdeftellaeld. Ferner in Belgien, Dänemark, den Donaustaaten, Italien, Uu;emdurg, Niederlande. Nor wegen. Österreich - Ungarn, Nuhland, Schweden. Schwei, u. Spanten. In allen übrigen Staaten nur direkt durch di» G«kchäft»ftell« de» Btatte» erhältlich. Da» U«u»»ig«r Tageblatt erscheint Lmal täglich. Sonn» u. Fetertag» nur morgen». Vb»nn«ment».Annahm« 2»h«»nt»,»ls« S, dot unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Bnnahmestellen, sowie Pogämtern und Briefträgern. Vt»t«lo,rkauf»pr,t» 10 Vs. Abend-Ausgabe. UchMtrIllMalt f 1« 8S2 lNnchtnnschlu» _ V 2 . s««2 iNachtunschlu« «-l.-A»,ch>.!»«>3 Handelszeitung. Ämtsvlatt des Nates und des Nalizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeige«-Prei- für Inserat« au» Uetpzta und Umgeh»«, di« llpalttg« Pettuetle SPt.dteNektanw- »etl« I Ml. von «»»wärt» oll Pt, Nekiame» UM Ml. Inserat« von Behörden im amt» lichen Teti d„ Pettt.eil« 80 Pt <b«Ichäst»ani«tgen mit Planoorschrtfle» im Preis« erbädl Rabatt nach Tarts BrUogegedühr Gesamt» auslag« b Ml. p Tausend »rlt Postgebühr. Teildeilag« hoaer. Fefterteilt, Lusträa, tönnen nicht ,urück» aezogen werben Für da» Erkcheinrn an beittmmten Togen und Plauen wird lein« Garantie übernommen. Lnjetgen - Annahme: 2od»nui»,ass« bet sämtlichen Filialen u. allen Annoncen» E,p«dttion«n d«, 2» and »»»landen Druck »,d Verlag von Fischer ck Ktirste» Inhaber: Paul Kürst«». Kidaktton und V»schtst»It«I»r 2ohanni»gasse 8. -auvt - Filiale Dre»d«n: beeftrakie 4, l (Teleptzon 4Ü211 Nr. 28. 106. Ishrgsny Vtenstsg, üen l6. Isnusr l9l2. Die vorliegende Ausgabe umfaßt 8 Setten. Dss Wichtigste. Das amtliche Ergebnis der Reichstags wahl in Leipzig-Stadt ergibt folgende Ziffern: es erhielten Dr. Junck 18 190. Cohen 17 S2S, Wange mann 3424. Erzberger 195, Polen 23. Peenert 7, zer- splitterr 25; abgegeben waren 39 518 Stimmen, von denen 217 ungültig waren. * Das amtliche Ergebnis der Reichs- tags Hauptwahl wird von derRcgierung veröffentlicht. (S. Leitart.) * Nach einer Wiener Zeitungsmeldung steht der Rücktritt Graf Aehrenthals für das kommende Frühjahr bevor. (S. Letzte Dep.) * In Peking wurde gegen Auanschikai ein Bombenattentat verübt. Auanschikcu. blieb unverletzt. (S. bes. Art.) * Der englische Spion Kapitän French hat auf der Festung Glatz einen Selbstmord versuch gemacht. (S. Tageschr.) * In Duisburg platzte ein Hochofen. Acht Personen wurden getötet. (S. Tageschr.) Die smtllchen Grgednille üer Reichstsgsmslfi. In zwei Tabellen gibt nunmehr die Regierung nach den vorläufigen amtlichen Ermittlunaen die Resultate der Wahlen vom 12. Januar bekannt. Danach wurde in 207 Wahlkreisen endgültig gewählt während in 190 Kreisen Stichwahlen erforderlich find. Auf die Parteien verteilt, ergibt sich das nach stehende Bild: ') Hierunter der Präsident Graf Schwerin-Löwitz. ') Hierunter ein erledigtes Mandat. Parteien Bisherige Partei« klärte Endgültig gewählt darunter I Gewinn L In Stich- I wohl j Konservative Reichspartei Deutsche Reformpartei Wirtstyaftl. Vereinigung, und zwar: Deutsch-sozial?) .... Christlich-sozial . . . Bund der Landwirte . Sonstige Zentrum Polen Natconalliberale .... Fortschrittt. Volkspartei . Demokrat. Vereinigung . Sozialdemokraten . . . Elmsser Lothringer Welfen Dänen Unbestimmt (Wilde) . . 59') 25 3 5 2 4 7 103 20 51 49 53 5 3 1 1 6 27 5 'l 2 81 15 4 64 5 1 'l 1 2 2 'l 1 . 2 25 2 'l 9 9 2 '5 7 15 12 2 1 'l 4 45 19 3 4 3 2 3 29 10 67 55 1 121 2 2 5 9 Summe 397?)! 207 380 Die Verteilung der Stimmen, die am 12. Januar abgegeben wurden auf die ver schiedenen Parteien, ist aus der folgenden, gleichfalls auf vorläufigen amtlichen Ermittlungen beruhenden Zusammenstellung ersichtlich: 1912 1907 Konservative 1149 916 1060 209 Reichspartei 365 087 471863 Deutsche Reformpartei 46 882 — Wirtschaft!. Vereinig., und zwar Deutsch-sozial 47 287 — Christlich sozial 85371 — Bund der Landwirte 61412 — Sonstige Bayerischer Bauernbund Zentrum Polen Nationalliberal Deutscher Bauernbund Fortschrittliche Volkspartei Demokratische Vereinigung Sozialdemokraten Elsässer Lothringer Welfen Litauer Dänen Wilde Unbestimmt Zersplittert 123171 — 48775 — 2012 990 2 179 743 438807 453 858 1671 297 1637 048 28535 — 1556 549 1233 935 28 557 — ,238 919 3 259 020 84113 — 36 390 — 76 922 — 6228 —— 17 295 —— 12376 — 38 252 — 13 206 — 12 188 337 Die Anzahl der Wahlberechtigten betrug 14 236 722 l1907: 13350 698). Gültige Stimmen wurden abgegeben: 12188337 (1907: 11262 775). Demnach Wahlbeteiligung 85,6 Prozent (gegen über 84,7 Prozent bei der Wahl 1907). Die Verschiebung in der Stimmenzahl zugunsten der Konservativen und zuungunsten des Zentrums dürfte daraus zurückzuführen sein, daß am 12. Januar rund LOO 000 Zentrumswähler für konservative Kan didaten gestimmt haben. Zählt man die Stimmen aller rechtsstehenden Parteien und Gruppen mir denen des Zentrums zusammen, so ergibt sich eine Eesamtziffer von 4 664 480 Stimmen, während die bürgerliche Linke mit ihrem Anhang und die Sozial demokraten im ganzen 7 523 857 Stimmen aus- gebrkcht haben. Zur Stlchwshlkrsge. Der sozialdemokratische Parteivorstand wendet sich in einer an die „Genossen" gerichteten Kundgebung nochmals gegen den schwarzblauen Block, zu dessen Beseitigung er unter den Jenaer Stichwahl bedingungen und „unter Würdigung der Persönlich keit der in Frage kommenden Kandidaten" auffordert. Im Sinne dieser Kundgebung bemüht sich der „V o r- wärts", den Liberalismus auf die sozialdemo kratische Seite zu ziehen, wobei er ihm einzureden sucht, daß die mehr als zwei Dutzend Mandate, die er schon in der Hauptwahl an die Sozialdemokratie ver loren hat, keine liberalen Niederlagen seien. Mit solcher Darstellung kann naturgemäß dort der er wünschte Eindruck erzielt werden, wo Liberalismus und Sozialdemokratie als gleichwertige Bestandteile einer „Linksmehrheit" miteinander identifiziert wer den. Demgemäß beschwört das „Berliner Tage blatt" den Liberalismus, sich mit insgesamt dreißig Mandaten zu begnügen, der Sozialdemokratie jedoch mehr als ein volles Hundert Mandate in der Stich wahl zu verschaffen, damit er so das „Zünglein an der Wage" werde. Das „Verl. Tagebl." mutet dem Liberalismus eine derartige Selbstpreisgebung zu, obgleich es die Nachahmung der von ihm empfohlenen Taktik durch Konservative und Zentrum als „Narrenspaß" bezeichnet. Für den Liberalismus aber soll der Narrenspaß" deshalb der Weisheit letzter Schluß sein, weil damit „zum ersten Male in allen großen Fraaen des Reiches das Wort des Libe ralismus entscheidend sein wird". Zu den großen Fraaen des Reiches gehören in erster Linie die Wehrvorlagen. Wenn das „B. T." in bezug auf sie behauptet, „jedes Kind weiß ja genau, daß schon heute für alle vernünftigen und nötigen Forderungen zur Sicherung unserer Wehr fähigkeit eine Mehrheit im neuen Reichstag existiert", so ist das in formaler wie in sachlicher Hinsicht falsch. In formaler Hinsich. da erst rund 130 Abgeordnete gewählt sind, deren Parteien grundsätzlich für die Bewilligung von Wehrvorlagen eintreten, in sachlicher Hinsicht, da «ine Linksmehrheit nach dem Herzen des „Berl. Tagebl." di« Bewilligung von Wehrvorlagen keineswegs verbürgt. Dafür läßt sich zahlenmäßig der Nachweis erbringen. Denn bestehl die Linksmehrheit, wie das „B. T." sie sich ausgesprochenermaßen denkt, aus 170 Sozial demokraten und 30 Liberalen, dann sind die 20 Polen, das Dutzend elsaß-lothringischer Klerikale und Protestler, der Däne, der Welfe samt einigen bayrischen Zentrumsmitgliedern durchaus in der Lage, eine Wehrvorlage in llebereinstimmung mit der Sozialdemokratie abzuiehnen. Man erinnere sich nur, daß im vorigen Februar bei der Abstimmung über den 8 1 des Gesetzentwurfs über die ^riedenspräsenz- stärkc des Deutschen Heeres die Zentrumsabge ordneten Dr. Heim, Häusler und Dr. Will mit „Nein" gestimmt, die Abgeordneten Baumann sKitzingen) Beck (Aichach) Hebel, Irl, Kohl. Ranner, Schefbeck, Sir, Stamm, Steindel und Delsor sich der Abstimmung enthalten haben. Angesichts dieser Haltung einer beträchtlichen Zahl von Zentrums abgeordneten ist die klerikal-sozialdemo kratische Abwehrmehrheit auch auf dem Gebiet der Wehrfraqen keineswegs ausgeschlossen. Die Rolle des Züngleins an der Wage bei an deren Fragen steht aber für den Liberalismus nicht entfernt so fest, als das „Berl. Tagebl." vorgibt. Ganz abgesehen davon, daß es an sich der Natur der parlamentarischen Dinge widerspricht die Minder heit zum entscheidenden Faktor der Gesetz gebung zu mack>en, hat weder die Sozialdemokratie noch das Zentrum noch Vie Rechte die Natur «ln vadlamentarisches Verhältnis solcher Art auf die Dauer einfach hinzunehmen: die Parteien würden sich oft genug lieber unter sich einigen, als die libe rale Minderheit das entscheidende Wort sorechen kaffen. Von der Sozialdemokratie aber zu erwarten, daß sie dem liberalen Bestandteil der Linksmehrheit zuliebe liberal« Politik treiben werde, zeugt von einem Optimismus, der beide Augen vor der Tat sacke verschließt daß die Sozialdemokratie min destens ebenso „begehrlich" „tyrannisch", .kultur feindlich" ist. wie der „schwarzblaue Block". Und was würde vollends aus der Zukunft des Liberalismus, wenn dieser sich jetzt den ..Narrenspaß" leistete, die Sozialdemokratie mit 105 Mandaten auszustatten!? O Die nationalliberale Stichwahlparole. Ueber die von der nationalliberalen Partei aus zugebende Stichwahlparole wird in einer besonderen Konferenz, die heute in Berlin stattfindet, beraten. Wei verlautet, soll die N e i ch s r e g i e r u n g sich mit der Absicht tragen, auf die maßgebenden Führer der liberalen Parteien, nament lich der nationalliberalen, im Sinne der von dem Reichskanzler ausgegebenen Stichwahlparole einzu - wirken, um eine direkte oder indirekte Unter stützung der Sozialdemokratie zu ungunsten des Zen trums (in Rl-einland und Westfalen) oder der Konservativen zu verhindern. Von die sem Wechsel in der Frontstellung gegen rechts erhoffe die Regierung einen günstigen Ausfall der Stich wahlen und der Verminderung der sozialdemokrati schen Mandate. Das Zentrum gibt keine Stichwahlparole au». Die Zentrumsfraktion des preußischen Abge ordnetenhauses versammelte sich gestern abend zu einem gemeinschaftlichen Abendessen in den Restau rationsräumen des Abgeordnetenhauses. Während der Tafel hielt der Vorsitzende der Zentrumsfraltion, Dr. Porsch, eine längere Ansprache, in der er auch die Reichstaaswahlen berührte, bei denc* schon in der Hauptwahl das Zentrum sich wieder als der feste Turm bewährt habe. Aus seinen Ausführungen über das Verhalten der Zentrumspartei bei den Stichwahlen ging der „Germ." zufolge hervor, daß die oberste Leitung dar Zentrumspartei keine allgemeine Stichwahlparole ausgeben wird. „Ihrer bis herigen Stellungnahme entsprechend wird sie dagegen tunlichste Unterstützung der rechtsstehenden Parteien wünschen. Mit anderen Parteien erscheint eine feste Abmachung für die Stichwahl nur auf Grund be sonderer auf Gegenseitigkeit beruhender Vereinbarun gen angezeiat. Mit der Sozialdemokratie dagegen sollen keine Wahlabmachungen ge» troffen werden." * Die erste Mandatsniederlegung. O i. Breslau, 16. Jan. (Priv.-Tel.) Im Wahl kreise Pleß - Rybnik legte Graf Mir lz vnski, der auch in Samter-Birnbaum gewählt wurde, sein Mandat nieder. Die Polen beabsichtigen, für die Nachwahl den ehemaligen Abgeordneten Kor» fanty aufzustellen. Dss neue SMsgeletz üer UnsteülungspalUik. In der Eröffnungsrede zum preußischen Landtag wird angekündigt, daß in einer neuen Gesetzesvorlage Geldmittel zur Ausdehnung der in den Provinzen Westpreüßen und Posen bewahrten Festigung und Entschuldung de» ländlichen Grundbesitzes auf einige andere Länderteile angefordert werden. Wie wir hören, handelt es sich hier um einen Gesetzentwurf, her als em Hilfsaesetz der Ansiedlung»' Politik zu betrachten ist, nämlich um ein soge nanntes Reaulierungsgesetz, dessen Aufgabe es ist, die Besitzstandsfestigung des ländlichen Grund besitzes in national gefährdeten Gebieten durchzu führen. Schon durch das Ansiedlungsgesetz vom Jahre 1908 wurde ein Fonds von 75 Millionen bereitgestellt zur Besitzstandsfestigung bäuerlichen Grundbesitzes und außerdem ein besonderer Fonds von 50 Millionen für Regulierung von Großgrundbesitz. Dieser Auf gabe haben sich seit dem Jahre 1904 bzw. 1906 die Deutsche Bauernbank und die Mittelstandskasse mit gutem Erfolg gewidmet, so daß die Absichten, die das Ansiedlungsgesetz mit diesen Fonds erreichen wollte, auch tatsächlich erreicht sind. Da nun aber polnische Grundbesitzer, die ihre Güter in Posen und West preußen verkauft haben, vielfach in eng an grenzenden Provinzen, in Teilen von Schlesien, Pommern und Ostpreußen sich neu anzukaufen suchen, ist dorr der deutsche Grundbesitz gefährdet, soweit er sich in wirt schaftlich schwachen Händen befindet. Aus diesem Grunde dürfte die Vorlage Kredite beanspruchen, Rus erriet kde. Roman von H. Lourths-Mahler. 51) ^Nachdruck verboten.) Aber ebenso unmöglich war es auch, mit dieser Gewißheit im Herzen in der alten Weise neben ihm hinzuleben, Unwissenheit heuchelnd. Unmöglich, sich den Anschein zu geben, als glaube sie an seine Liebe. Und tausendmal unmöglich — o furchtbarer Gedanke — sich seine erlogenen Zärtlichkeiten länger gefallen zu lassen. — Aber was dann? Fortlaufen? Nach Woltersheim — sich dort in den stillen Weiher werfen und nie, nie mehr erwachen? Wie das lockte, wie gut das sein mußte, still zu werden, nicht mehr von diesem wahnsinnigen Schmerz die Brust zerfleischen zu lassen. Was lag ihr noch am Leben, wenn sie seine Liebe nicht besaß? Aber nein, — auch das durfte nicht sein. Ihr Vater, — ihre Mutter! — Sie würde ihnen sehr wehe tun; und dann er, — er? Mußte er nicht ahnen, was sie in den Tod getrieben hatte? Und dann war auch sein Leben ver nichtet, so schlecht war er nicht, um danach unbekümmert weiter leben zu können. Und sie liebte ihn zu sehr, um ihm das anzutun. Ach, — zu ihrer Schmach liebte sie ihn heißer, schmerz licher als zuvor. WaS sollte, was mußte sie tun? Wo fand sie einen Ausweg aus diesem Wirrsal ihres Herzens? Wo sollte sie sich bergen mit ihrer Scham und ihrem Herzeleid? Wo sollte sie hinfliehen, um der Qual zu entgehen, seine lügnerischen Zärtlichkeiten zu dulden? Götz, — Götz! Sie wimmerte in höchster Seclenqual seinen Namen und richtete sich auf, wild und verstört um sich blickend. Die Sonne war schon im Untergehen be griffen. Ihre schrägen Strahlen sielen in das Zimmer und bekämpften noch die in den Ecken lauernde Dämmerung. Eva sprang auf und strich sich mechanisch glättend über das Haar. Sie hielt es nicht länger aus in dem engen Zimmer; die Mauern schienen sie erdrücken zu wollen. Wie sie ging und stand, lief sie hinaus. Ihre Zofe begegnete ihr draußen auf dem Korridor und fragte, ob sie Befehle hätte. Eva schüttelte den Kopf und ging an ihr vorüber. In der Halle saß in der Ecke ein Diener. Er war eingenickt und sah nicht, daß sie hinaus ging. So bemerkte niemand ihr Fortgehen. Die Zofe ging hinunter in das Souterrain und neckte sich mit dem Lakaien; sie vergaß ihre Herrin schnell. Eva lief den Berg hinab in den Wald. Wie eine Nachtwandlerin, den Blick starr geradeaus gerichtet, schritt sie auf dem Waldweg weiter. Und dann verließ sie den bequemen Pfad und drang in das Dickicht ein. Es war ihr fast eine Wohltat, daß ihr die Zweige in das Gesicht schlugen, daß sie sich mühevoll Bahn brechen mußte. Wie,lange sie so gegangen, wußte sie nicht. Sie hatte keine Ahnung mehr, wo sie sich befand. Müde und erschöpft hielt sie end lich inne und warf sich, das Gesicht nach unten, auf den weichen, rasenbewachsenen Waldboden nieder. ' Hier lag sie in völliger Erschöpfung, stumpf und teilnahmslos, wie ein verwundetes Tier, das einen einsamen Fleck zum Sterben aufge sucht hat. Zeit und Ort kamen ihr nicht zum Bewußtsein. Sie schrak erst auf, als ein furcht barer Donnerschlag prasselte und ein orkan artiger Sturm losbrach. Erschrocken hob sie den Kopf und blickte um sich. Es war finstere Nacht ringsum. Der Regen begann in schweren Tropfen zu fallen. Langsam richtete sie sich vollends empor und tastete mit den Händen um sich, wie eine Blinde. Wieder krachte der Donner, und ein greller Schein blitzte zugleich auf. Donner und Blitz folgten aufeinander. Und der Regen rauschte hernieder und durchnäßte sie bald bis auf die Haut. Instinktiv tastete sie sich weiter. Sie stieß sich oft, stolperte und griff nach einem Halt. Tausend unheimliche Stimmen erwachten im Walde. Ein Reh streifte an ihr vorbei, und ein Eichkätzchen sprang über ihre Schultern. Die tiefe Dunkelheit ringsum war ihr unheimlich Eine nervöse Furcht erfüllte sie. Hastig eilte sie weiter und suchte mit großen Äugen die Schrecknisse zu durchdringen. Sie schauerte zusammen. Ihre Kleider leg ten sich feucht und kalt um ihre Glieder, und ihre Schuhe waren gleichfalls völlig durchnäßt, denn sie waren sehr dünn und fein und nicht für solche Wanderung berechnet. Todmüde schleppte sie sich weiter. Und end lich fühlte sie, daß sie aus dem Walde heraus auf einen freien Weg kam. Schnell wollte sie weiter eilen; aber in demselben Augenblick wich der Boden unter ihren Füßen, und sie stürzte in einen Graben, — stürzte so unglücklich, daß sie vor Schmerz laut aufschrie. Sie wollte sich erheben, aber es ging nicht. Ihr rechtes Bein schmerzte ihr so sehr, daß sie sich nicht bewegen konnte. Stöhnend suchte sie sich wieder und wieder aufzurichten; aber schließlich mußte sie es aufgeben. So lag sie hilflos, eine Beute seelischer und körperlicher Schmerzen; und in ihrem Jammer betete sic, der liebe Gott möge sie sterben lassen. Eine wohltätige Ohnmacht umfing endlich ihre Sinne und entrückte sie auf kurze Zeit dem Grauen, das ihre Seele gefangen hielt. Götz hatte wider Erwarten schon um zehn Uhr in der Stadt aufbrcchen können. Man neckte ihn zwar von allen Seiten, daß er es so eilig hatte, heim zu kommen; aber er ließ sich nicht irre machen. Sein Schwiegervater, der ebenfalls die Versammlung besucht hatte und der Landrat begleiteten ihn bis WolterS- heim. Dann fuhr er allein weiter. Das Gewitter war inzwischen vorübergezo gen. Sternenklar wölbte sich der Himmel über der Erde, und der Mond schien hell hernieder. Götz hatte dem Kutscher befohlen, schnell zu fahren. Er hoffte, Eva noch wach zu finden und freute sich auf ihr frohes Gesicht, wenn er zeitiger wiederkam, als sie gehofft hatte. Plötzlich hielt der Wagen mitten auf der Straße. Götz fuhr aus seinen freundlichen Träumereien auf. „WaS gibt es denn, Seifert? Weshalb hal ten Sie denn?" Der Kutscher wandte sich um. „Der Herr Baron verzeihen; aber da drüben im Graben liegt eine weiße Gestalt." „Sie sehen wohl Gespenster, Seifert? Haben wohl ein bißchen zu tief ins GlaS gesehen?" „Nein, Herr Baron, ich bin ganz nüchtern. Bitte, schauen der Herr Baron nur selbst hin über. Es muß eine Frau sein; und als ich eben hielt, habe ich sie ganz deutlich stöhnen hören. Wenn da man kein Unglück passiert ist." Götz sprang schnell aus dem Wagen. Er sah nun auch etwas Weißes im Graben liegen. „Schnell die Laterne los, Seifert; leuchten Sie mal ein bißchen. Wollen sehen, WaS eS da gibt." (zortsetzuog io der Mokgroaa»gab«.i
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite