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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.07.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-07-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191207073
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19120707
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19120707
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-07
- Tag 1912-07-07
-
Monat
1912-07
-
Jahr
1912
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«ez«-s-Preis Ar AM»it« »nd Boron« d»rch miler» IrSaer »nd Eoedtteur« 2mal tügltch too vau, grbracht: »Bk. MonatsL.7UMl. oienettLhrl. Bei unser» ßiUalen ». An» «ohmeftellen abaehott: 7S P!. monatb. L» «k. »tetteltahrf. »nrch di. Voll . (»nerhald Deutschland» «nd der deutschen Aolonten »tertrlsährl. 8.M M»., monatl. 1L> Mk. ausjchl. PosrbestrUaeld. Seiner in Velgien, Dänemark, den D-naustaaten, Italien, Lurembura, Niederlande, Nor» w^en, Oesterreich-Ungarn, Nudland, Schweden und Echwei». In allen übrigen Staaten nur direkt durch die Geschäft»- stell» de» «latte, erhältlich. Da» Leipziger Tageblatt erscheint 2mai täglich. Sonn- «. FeieNag» nur morgens. Adonnements-Annahm«: Johanni,gasse 8, bet unseren Trägern, Filialen, Spediteuren »nd Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Einr«lo»rkauf»pr«t» 10 Pf. iWMr Tageblatt Postscheckkonto Lei»»!, «8. Postscheckkonto Leipzig AS. 1 Allgemein, Deutsch, Lredit. Lanlikanto: i D,ut"che"B?nEsttial^ Leipzig s Dev.-Nass» Gnimn. Stelnweg A e-i..A«»chi.jrE .Handelszeitung Amtsblatt des Aales «nd des Notizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS silr Inserat, au» Leipzig »nd Uing-.ung di» llvaltig« Petit,eile LSPs. di»Reklame» »etle t Mi. von auewätt, sti> Pf. Neklomen i.Ä> Ml Inserat« von Behörden im amt lichen Teil di, Petitjeil, «> Pf. G»ichäst,an»eig«n mit Plahvorlchrtite» im Dreis, erhöht. Nadatt nach Tarts, «etlagegeblldr Gesamt auslag, Mk. p Tausend erkl. Postgebühr. Teildrilaa« höher. Festettellt« Auftrage können nicht «urilck. gezogen werden. Für da» Erscheinen an bestimmten lagen «nd Pläuen wird kein« Garantie übernommen. Anzeigen »Annahme: I,h,am,g«ss« 8, bet sämtlichen Filialen n. osten Annoncen» Eroedttlonen de. In» «nd Auslandes. Druck uu» Beel«» ,»» Fisch«, ch Xürfte« Inhaber: Paul «ürsten. Redaktion und Geschästsstell«: Iohanntsgass« 8. Haupt »Filiale Dr«,»eu: Seestrag, «. l (Telephon Eilt Nr. 342. Unsere gestrige Abendausgabe umfahr 10 Seiten, die vorliegende Morgennummer 32 Seiten, zusammen 42 Leiten. v«s Mürllglte. * Das Wolffsche Telegraphenbureau verbreitet über den Verlauf der Kaiserbegegnung in Baltisch-Port ein offizielles Communi- que. fS. Letzte Dep. Seite 3.) * König Friedrich August besuchte gestern die E rz g e b i r g i s ch e Ausstellung in Frei berg. (S. Hofnachr. Seite 2.) * In Düsseldorf wurde gestern der 1. Deutsche Ntarinekongreh eröffnet. (Siehe Dischs. R. Seite ? j * An der italienisch österreichischen Grenze wurden zwei italienische Soldaten auf österreichi schem Gebiet verhaftet. (S. Letzte Dep. Seite 3.) * Helmuth Hirth stellte gestern einen neuen Höhenrekord mit 4100 Meter auf. (2. Letzte Sportnachr. Seite 3.) * Theatcranzcigen siehe Seite 29 und 30. Italien unü Oie Ksiler- begegnrmg. Unser römischer Korrespondent schreibt uns: Unzweifelhaft haben die offiziösen Blätter von der Regierung schon vor einiger Zeit die Weisung erhalten, keine allzu große Hoffnungen für den Frieden auf die Kaiserentrevue von Baltisch-Port zu setzen. In diesem Punkt be gegnen sich die Betrachtungen der maßgebenden italienischen Blätter in seltsamer lleberein- stimmung mit dem Urteil der deutschen Presse, das die „Kölnische Zeitung" mit den offiziösen Auslassungen dahin abgab, daß Deutschland keinen Anlaß sieht, die Initiative für eine Friedensvermittelung zu ergreifen. Es war wohl kein bloßer Zufall, daß der Ka binettschef Eiolitti bei der Verab schiedung des Parlaments erklärte, dem italie nischen Unternehmen erwüchsen bedeutende Schwierigkeiten infolge des wenig wohl wollenden Verhaltens der Mächte, aber Italien würde der Schwierigkeiten um jeden Preis Herr werden! Die italienische Re gierung gibt sich also keinerlei Illusionen über eine Frieden vermittelnde Aktion aus Anlaß der Kaiserzusammenkunft hin und läßt ihre Illusionslosigkeit in allen ihr zur Verfügung stehenden Organen mit starkem Nachdruck her Sonnmg, üen vorheben. „Aber, so heißt es in einem inspi rierten Artikel, in Baltisch-Port kann der Samen gelegt werden, der in der Folgezeit Früchte bringen kann. Das gibt der Zusammenkunft eine besondere Veoeutung im Hinblick auf die italienischen Interessen." Hier keimt ganz ersichtlich die Hoffnung auf, daß es dem Zaren gelingen wird, Kaiser Wilhelm noch mehr ins italie nische Fahrwasser zu leiten. Wie mir ein angesehener Abgeordneter in einer brieflichen Auslassung mitteilt, läßt die Regierung ihre Aktion im Aegäischen Meere nicht zum wenigsten mit Rücksicht auf die Kaiserbegegnung einstweilen ruhen. Offiziös versichert man zwar, diese Rücksicht gelte in erster Linie der Ver hütung des Balkanbrandes infolge der inneren Wirren in der Türkei, eine Rücksicht, gegen die der sozialistische Deputierte Bissolati heftig opponiert, aber in Wirklichkeit scheint man mit der momentanen Jnaktivitüt einem persön lichen Wunsche des Zaren gefolgt zu sein, auf dessen Worte man heute in Italien schwört. Ganz im Sinne der obigen offiziösen Auf fassung schreibt der bekannte Deputierte Prof. Torre in dem „Lorrier? della Sera": „Wir sind überzeugt, daß, wenn die Faktoren, die die gegenwärtige Situation der drei verbündeten Atächte und Rußlands bilden, eine genaue Prüfung vornehmen, dann würden sich viele Vorurteile, viele Antipathien, viele Streit punkte und Differenzen ausmerzen lassen. Die politischen Gemüter dieser vier Reiche sind noch nicht zu dieser Fähigkeit gelangt, aber es wäre vernünftig, wenn sie sich darauf vorbereiteten und dann dahin kämen. Die Zusammenkunft in Baltisch-Port gewönne dann geschichtliche Bedeu tung ersten Ranges, wenn sich wenigsten^ ein Weg zu diesem Streben öffnete." Torre verficht mit diesen Worten den in Italien immer lebhafter werdenden Wunsch eines Zusammengehens des Dreibundes mit Rußland, ein Wunsch, den ich bereits vor 14 Tagen auf Grund einer langen Aus sprache mit einer sehr maßgeblichen Persönlich keit der Consu lata signalisieren konnte. Man klammert sich heute in Italien an den Ge danken eines Zusammengehens der vier Mächte, das als Vorbedingung durchaus nicht die Ver einigung in einem Vierbund zu haben braucht, fester an, als man gemeiniglich in Deutschland glauben möchte. Ob hier der italienische Wunsch eifrige Unterstützung finden wird, mag dahingestellt bleiben. Dagegen verdient größte Beachtung, was der genannte Deputierte in dem größten und angesehensten italienischen Blatt in dem Augenblick über die deutschen Interessen im Orient schreibt, wo die große Mehrzahl der übrigen Blätter eine scharfe 7. JuU l912. Polemik nicht nur gegen Frhrn. von der Goltz, sondern auch gegen die ihn nicht rektifizieren wollende Berliner Regierung führt, Prof. Torre, der in Italien eine ähnliche Stellung einnimmt, wie in Deutschland etwa Prof. Schmoller oder Prof. Wagner, erkennt freimütig an, daß „Deutschland gigantische Interessen" in der Türkei zu vertreten hat und ein großer Teil seiner Weltmacht zerstört werden könnte, wenn es sein Programm in den Teilen ausführen könnte, die von den deutschen Eisenbahnen bis zum Persischen Golf durchquert werden. Wenn Deutschland die Gebiete wieder fruchtbar gemacht haben wird, die einst sehr reich waren und die wieder sehr reich werden können inMesopotamien, wenn die Eisenbahnnetze Syriens sich mit der großen Linie vereinigt haben werden, die von Haidar Pascha über Bagdad nach dem Persischen Eolfführen wird,wenn von Hamburgbis zudiesem Golf Deutschland eine der größten Weltlinien in seiner Gewalt haben wird, .... dann wird ein großer deutscher Traum verwirklicht sein. Aber das kann er nicht, wenn die Türkei nicht die deutschen Unternehmungen erleichtert, wenn sie sich nicht der deutschen Initiative anvertraut und politisch ihre ganze Gunst der Berliner Regierung schenkt." Es ist lange her, daß wir aus Italien eine so gerechte Würdigung unserer orientalischen Interessen zu hören bekommen. Spät kommt ihr, doch ihr kommt. Am Ende wird man auch in Italien einsehen lernen, daß ein wirtschaft lich und politisch gestärktes Deutschland auch für Italien in seinem Ringen um den Platz am Mittelmeer von großem Nutzen sein kann. Das Organ des Ministerpräsidenten Kiolitti, die „Stampa", hält es für wenig wahrschein - lich, daß in Baltisch-Port irgendwelche Ab machungen zuungunsten Italiens ge troffen jein könnten. Sowohl Kaiser Wilhelm wie Zar Nikolaus seien erprobte Freunde Italiens. „Wir brauchen nicht die geringste Sorge zu haben. Denn wie auch immer die Entscheidungen der Mächte ausfallen mögen, sie würden unwirksam bleiben, solange sie nicht unsere Zustimmung haben. Wie die Versuche einer internationalen Konferenz gescheitert sind an unserer resoluten, hartnäckigen Haltung, so würde auch jede andere Initiative scheitern, die nicht von der Anerkennung unserer absoluten Souveränität über Lybien ausginge." Zur llsilerbegegnung in Lnltilüi-Port. Zwischen deutschen und russischen Staats männern schweben, wie aus Baltisch-Port dem „B. L." gemeldet wird, noch Erwägungen über die A u s g a b e c i n e s gemeinsamen Eo m- los. Jahrgang. muniqu 6 s, in dem das Resultat der Mon ti r ch e n b e ge g n u n g und die hierbei gepflo genen Besprechungen festgestellt werden sollen. Weiter verzeichnen wir folgende Meldungen: Baltisch-Port, 6. Jul i. Gestern abend nach dem Diner hielten die Majestäten Eercle ab, wobei die Monarchen miteinander eine an geregte Unterhaltung pflogen und wobei der Kaiser von 'Rußland den Reichskanzler, Ivie schon am ersten Tage, abermals in ein längeres Gespräch zog. Heute vormittag 1OV- Uhr empfing der Kaiser auf der „Hohenzollern" das Offi zierkorps des Regiments Wyborg Nr. 7ö. Den Herren wurden Erfrischungen gereicht, während die Kapelle der „Hohenzollern" konzertierte. Tie A b s ch i e d S f r ii h st ü ck s t a f e l war an Bord der „Standard". Nach der Tafel geht die „Hohen zollern" mit den Begleitschiffen in See nach Swine mün de, wo die Ankunft siir morgen abend vorgesehen ist. Baltisch-Port, 6. Juli. Kaiser Wil helm gedenkt sich Montag vormittag zu kurzem Aufenthalt nach dem Neuen Palais zu begeben, am Dienstag nacki Slvinemünde znrnrkzukehren und von dort die N o r d l a n d re i s e anzutreten. Der Reichskanzler mit dem Wirkt. Lega tionsrat Grafen Mirbach-Harff und dem Adju tanten Freihrn. von Sell begibt sich heute von hier über Reval nach Petersburg. Weitere französische Preßstimmen. Heber die Kaiserzusammenkunft in Baltisch-Port berichtet der Korrespondent des „G a u l o i s" noch folgendes: „In Pariser russischen politischen Kreisen ist man davon überzeugt, daß die Wilhelm st raße einen Coup vorbereitet, indem sie hofft, mithilfe Ssasonows die Taktik zu erneuern, die seit der Entreoue in Potsdam in gewißem Maße von Erfolg begleitet gewesen ist. Man kommt wieder auf die alte Behauptung zurück, daß das Kabinett von Berlin der Türkei empfehlen werde, den nörd lichen Teil von Persien im Austausch Mit Tripolis anzunehmen und Rußland als Kompensation die vollständig« Aktionsfreiheit in der Mandschurei und Mongolei vorschlagen werde. Deutschland zeigt sich immer generös, wenn es sich darum handelt, über Gebiete zu verfügen, die ihm nicht gehören. Unter diesen Umständen würde diese Kombination den Vor teil haben, Rußlands Aufmerksamkeit auf den äußersten Osten zu lenken, vom Mittelmeer und Baltischen Meer dagegen abzuziehen." Der Korrespondent des „Echo de Paris" in Baltisch-Port äußert sich nocb folgendermaßen: „Di« deutsche Presse versucht, die Bedeutung der Entreoue von Baltisch-Port zu übertreiben: ihr Spiel ist aber im voraus gekennzeichnet. Man muß den Engländern glauben, daß Deutschland, indem es den kleinen Finger hebt, Rußland nach Indien lancieren kann, und das ist das Ziel der deutschen Politiker, aber keinesfalls das Ziel des Kaisers. Man verkennt hier nicht, daß die Entreoue von Baltisch-Port nur das Vorspiel der englisch russischen Verhandlungen ist." * Englische Erwartungen. London, 6. Juli. Im Zusammenhang mit der Zu sammenkunft in Baltisch-Port meldet der „Times"- Aebrr das Frauenstimmrecht. Eine Rundfrage. II. "1 Die Reih« der heute zu veröffentlichenden Ant worten auf unsre Rundfrage nach Berechtigung, Ausgestaltung und Zukunft des Frauenstimm rechts möge wiederum eine der Kapazitäten unserer nllua wutor, Seine Exzellenz Geheimrat Professor Dr. Wilhelm wunür beginnen. Er führt aus: Leipzig, 6. Juni 1912. Sehr geehrte Redaktion! Sie wünschen mein« Ansicht über „Berechtigung, Ausgestaltung und Zukunft des Frauenstimmrechts" kennen zu lernen. Di« Frage enthält meines Be- dllnkens zwei Hauptfragen, deren eine dahin geht, ob die Einführung des Frauenstimmrechts als einer allgemeinen Institution der Kulturstaaten in irgend einer näheren oder entfernteren Zukunft mutmaß lich bevorsteh«, während sich di« zweite auf die sub jektive Billigung oder Wertschätzung bezieht, die etwa der Gefragte einer solchen Einrichtung zuteil werden läßt. Beides ist, wie ich meine, um so strenger auseinanderzuhalten, je weniger das gemeinhin bei politischen und namentlich sozialpolitischen Fragen zu geschehen Pflegt. So sehr wir aus unserer alltäg lichen Erfahrung wissen, daß sich unsere individuellen Schicksale durchaus nicht immer nach unseren Wün schen richten, so sehr find wir geneigt, die künftigen Wandlungen der allgemeinen Kultur ausschließlich im Sinne einer Erfüllung unserer subjektiven Wünsche zu beurteilen. In wie geringem Grade beide Moment«, da» der objektiven Wahrscheinlich- keil und das der subjektiven Wertschätzung, in Wirk lichkeit Zusammentreffen, lehrt uns aber die Ge- schicht« der letzten hundert Jahre auf allen Gebieten des wirtschaftlichen und politischen Lebens von dem 1 «ergl. »«««»latt 8M. Eisenbahnverkehr und dem Zeitungswesen an, von dem sich die Großväter und Urgroßväter der heu tigen Generation noch sehr unzulängliche und nicht selten mit Mißbilligung gemischte Vorstellungen machten, bis zu dem allgemeinen Wahlrecht, in dem heute noch mancher deutsche Staatsbürger ein be denkliches, wenn nicht verfehltes politisches Ex periment erblickt. Mit dem Frauenstimmrecht steht es, wie ich glaube, nicht anders. Unsere Groß mütter würden den Gedanken, selbst an die Wahl urne zu treten und unabhängig von ihren Eheherrn ihr Stimmrecht auszuüben, vermutlich mit Ent rüstung zurückgewiesen haben. Aber die Frauen von heute sind nicht mehr dieselben wie die Frauen von vor hundert Jahren. Sie sind in ihren Gedanken über das Frauenstimmrecht wohl selbst noch etwas geteilter Meinung. Aber niemand wird sein Auge der Tatsache verschließen können, daß die in dieser Richtung gegenwärtig bei allen Kulturvölkern ver breitete Bewegung zunrmmt, und daß sie schließlich doch nur einen integrierenden Bestandteil einer all gemeineren Bewegung bildet, di« auf die völlige Rechtsgleichheit der Geschlechter ausgeht. Und so gut im Lauf« weniger Jahre di« Studentin aus einer nicht selten unter dem Spott ihrer männlichen Kam- militonen leidenden Ausnahme zu einer alltäglichen und beinahe bereits selbstverständlichen Erscheinung geworden ist, ebenso wird sich ein« künftig« Genera tion voraussichtlich rasch daran gewöhnen, die Frau an der Wahlurne erscheinen oder als gewählte Ver treterin kommunaler oder politischer Interessen auf treten zu sehen. Daß auf Grund dieser Eleichberechti- gung die Frau nicht Berufe ergreift, die ihrer phy sischen oder geistigen Eigenart widersprechen, das wird man aber wohl ebenso der Selbstregulierung der Bedürfnisse und der Hilfsmittel zu ihrer Befriedigung überlasten können, wie dies überall sonst der Fall ist, wo sich Befähigung und Leistung einander anpasten müssen und, wenn e» auch an Mißgriffen nirgends fehlt, schließlich wirklich anpasten. Halte ich demnach da» Frauenstimmrecht für «ine Sache, die kommen wird, weil der ganze Gang unse rer sozialen Kultur diesem Ziel entgegengeht, so ver hält es sich freilich etwas anders mit meiner Stellung zu der Frag« der subjektiven Wertschätzung dieser allem Anscheine nach unabwendbaren Eniwicklung. Ich gestehe nicht nur jedem das Recht zu, di« Zeit, da unseren Frauen der Gedanke an das Frauenstimm recht fernlag, für die Frauen selbst wie für ihre Um gebung als die glücklichere anzusehen, sondern ich bin bis zu einem gewissen Grade geneigt, mich selbst auf die Seite dieser „I-auckatorvs lomporis aati" zu stel len. War es doch dieselbe Zeit, der auch das Elend der weiblichen Fabrik- und Konfektionsarbeitcrin noch unbekannt war. Daß sich der Frau bei den heute bestehenden Verhältnissen des gesellschaftlichen Lebens der Zugang zu Berufen eröffnet, die ihr bisher ver sagt waren, das erscheint mir jedoch eben darum als ein Gebot sozialer Notwendigkeit, das sich in steigen dem Maße durchsetzen wird. Und daß mit den neuen sozialen Pflichten, die sie damit auf sich nimmt, auch der Umfang ihrer öffentlichen Rechte zunehmen muß, erscheint mir nicht minder als ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit. Deshalb werden wir, wie ich weiß, gut tun, unser Urteil über die politischen Rechte der Frau nicht durch verschwundene Ideale bestimmen zu lasten, sondern durch di« Bedürfnisse der Gegenwart, und da wir nun einmal auf sittlichem Gebiet ohne Ideale nicht auskommen, durch di« aus diesen Be dürfnisten entstehenden sozialen Ideale der Zukunft. Hochachtungsvoll W. Wundt. Auf den großen Leipziger Philosophen folge der große Leipziger Künstler dec jetzige Meininger Generalmusikdirektor Hofrat Professor Dr. Msr Reger: Sehr oerehrlich« Redaktion! Selbstredend müssen die Frauen das Frauen stimmrecht erhalten; nur wenn es sich um Klaviere hanoelt, dann bitte ich um «ine Gehörprüfung der jenigen Damen, die auch dieses „Stimmrecht" aus üben wollen. Rezer. Einer der ersten Kriminalisten unserer Zeit, oec in vielen Zeitscagen berufene Staatsanwqlt De Erich Wulsten in Dresden gab uns auf unsere Anfrage zur Ant wort: Den 7. Juni 1912. Ich halte die Zeit des vollen Frauenstimmrechtes noch nicht für gekommen; weder die Frau selbst noch der Mann sind dafür reif. Ob das volle Frauen stimmrecht den Völkern zum Segen gereichen wiro, ist erst noch zu erweisen. Zweifellos yaben aber die soziale Stellung und die Leistungen der Frau sich so außerorocntlich gehoben, daß ihr schon jetzt zu nächst «in Anteil an bestimmten Gegenständen der Gesetzgebung und Verwaltung eingeräu.nt werc-en sollte. In allen Angelegenheiten, die Mutter- uno Kinrerschutz, Armen- und Krankenpflege, Alkchol- oerbrauch, die Wohnungsfrage, Prostitution, Er ziehung, Schule, Jugendgericht usw. betreffen, müßte oie Frau von einem bestimmten Lebensalter an dis aktive und passive Gemeindewahlrecht besitzen, um zunächst in diesem engeren Kreise praktisch wirksam werden zu können. Ich habe also für die Frauen ein S o n d e r Wahlrecht in der Gemeinde im Sinne. Wenn die Frauen sich hier, wowon ich überzeugt bin. bewähren, wird dieses Sendcrwahlrecht sich von selbst zum vollen politischen Wahlrecht in ltzemeinde, Staat und Reich herausbilöen. Aber dieser Weg der Ent wicklung erscheint mir notwendig. Daß die Frau jetzt in der Gesetzgebung (Fannlicnrecht, unehelich.' Mutterschaft. Prostitution, Abtreibung, Kindes tötung usw.s dem Manne gegenüber benachteiligt wirs, kann kein ehrlicher Mann bestreiten. Staatsanwalt Dr. Erich Wulfsen. Nunmehr hat ein Parlamentarier das Wort, der bekannte Reichstagsabgeordneic Generalleutnant z. D. Exzellenz Ernst von Lledert schreibt uns: Ich bin der Ansicht, daß die Bewilligung des Frauenstimmrechts unheilvoll auf oas Ehe-, Fami lienleben und die gesamte Kultur unseres Volkes wirten würde. Halten wir di« Frauen fern von der politischen Agitation uno der widerwärtigen Ver hetzung, wie ge das allgemein« Wahlrcchk über uns gebracht hat. Den Frauen winken edlere, höhere Ziele in der nationalen Jugenderziebung und der ideellen Ausgestaltung de» Familienleoens. Interesse
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