Volltext Seite (XML)
Ae Wirkung -er Tribute auf die Reichsbank Sin Goldstrom von L««ov« Kilogramm ging im Fahre isr» über die deutsche Grenze hinüber und herüber Ein interessanter Bericht Dr. Schachts .Rißtrauenkmtmg" »er NeirtebraiwaltS Winter Berlin, 16. Febr. Reichsbankpräsident Dr. Schacht machte tn der heutigen Generalversammlung der Reichsbank Ausführungen zu den Ziffern der Bilanz nebst Gewinn- und Vertu st rechnung. Er wies auf die sehr grobe Goldbewegung des Jahres 1929 hin. in dem über 1.6 Milliarden Reichsmark, das heibt mehr als 699 999 Kilogramm Gold, in beiden Richtungen über die deutsche Grenze gegangen seien. Er erwähnte die bekannten Vor- gänge, die zu dieser starken Goldbcwegung geführt haben, und betonte, bah diese Bewegung ein Zeichen dafür sei, wie sehr noch Krifenansätze dnrch di« Reparationen «ad dnrch die internationalen Verschuldungen und Kapitalverlage» rungen die internattonale Lage dauernd bennruhigte«. Die Notenbanken mübten alle bestrebt sein, die Be. unruhigungen und die Unwtrtschaftlichketten dieser Gold- bewegungen zu beseitigen. Dr Schacht gab der Hoffnung Ausdruck, tatz besonders dt« vanL für internationalen Zahlungsausgleich sich dieser Aufgabe widmen werbe. Sr behandelte dann die Schuld »es Reiche» an die Netchsbank. bet der es sich insbesondere um zwei Forderungen aus der Zeit vor der Stabilisierung handele» die in 15 Jahresraten getilgt werden sollten und noch in einem Betrage von 8« Millionen RM. vorhanden seien. Dem Reich sei die Tilgung dieser 8" Millionen RM. durch Streckung aus einen längeren Zeitraum bis zum Jahre 1988 erleichtert worden zur Entlastung des NeichshauShaltes. Bezüglich des Umlaufes an Rentenbank scheinen erwähnte Dr. Schacht, datz bis Endp 1929 rund 1.S Milliarde RM. Rentenbankscheine getilgt worben seien, und dab sich am 1. Januar 1930 noch 489 Millionen RM. in Umlauf befunden haben, von diesen im Sondergewahrsam der Netchsbank 79 Millionen RM. Es sei beabsichtigt, die Tilgung, die eigentlich 1984 beendet sein sollte, bis zum Jahre >942 zu strecken, um dadurch di« Landwirtschaft von der Rentenmarkumlage befreien ,« können. Anderseits sei auch dann der Etat des Reiches entlastet, der lediglich aus seinem Anteil am Reingewinn der Reichsbank die Tilgung vornimmt. Dr. Schacht kam dann aus den Grundbesitz der Reichsbank zu sprechen, insbeson dere aus die Ausgaben, die die Instandhaltung der Gebäude und vor allem die Ausmerzung der noch immer bestehenden JnflationSschädcn notwendig mache. Dr. Schacht wies in diesem Zusammenhänge besonders auf die Notwendigkeit eines Nenbancs in Berlin hin, für dessen Kosten bereits ein Baureservekonto (siehe Bilanz) bestehe. Die schlechten Räumlichkeiten der Reichsbank in Berlin behindern die Rationalisierung und Mechanisierung und erschweren den Verkehr mit dem Publikum. Durch die Ausdehnung des Giroverkehrs ist eine neue Belastung ent- standen, da die Reichsbank die Ueberweisungsanzeigen vor nimmt, wodurch allein eine Portoausgabe von über 1 Million Reichsmark entstanden ist. Er ging dann aus die Entwicklung des Personalbestandes ein. der zeige, baß von den Ende 1923 22 991 Beschäftigten bet der Reichsbank idavon 8879 Beamte» nur noch 42 Prozent ttbriggeblieben seien. Anderseits mache sich die Ucberaltcrung des Äeamtenapparates bemerkbar. 1924 habe das Bcamteu- durchschnittsalter 87^ Jahre, 1929 42 Jahre betragen. Die jährlichen Mehrunkosten durch Höherrücken von Beamten in höhere Gehaltsstufen beliefen sich aus ungefähr 1 Million Reichsmark. Die Reichsbank konnte in der Reduktion der Un kosten nicht die gleichen Erfolge ausweisen, wie das private Bankgewerbe. Nach Eröffnung der Aussprache wurde von dem bekannten Aufwertungsverfcchter, Betriebsanwalt Winter, bezweifelt, baß die Hauptversammlung überhaupt berechtigt sei, über eine Aenderung des Bankgesetzes abzustimmen. Hierüber entspann sich später eine lebhafte Aussprache, au der Rechtsanwalt Frtebmann und Wimpfheimer und Betrtebsanwalt Winter teilnahmen. Dr. Däumer von der Reichsbank gab eine ausführliche Begründung der allgemeinen Aenderungen des Bankgesetzes und Dr. Schacht ging ans bi« Aenderung der Gewinnverteilung ein. Die Aussprache wurde schließlich so heftig, baß Betriebs» auwalt Winter unter teilweiser Heiterkeit und geringem Bei, fall einen Mißtrauensantrag gegen den Neichsbankpräfidenten einbrachte» der als gcschästsordnnngswidrig znrttckgewiesen wnrde. Ein Antrag aus Vertagung um vier Wochen verfiel der Ablehnung. »Jahresbericht der Reichsbank stehe HaudelSteil) Schachts Kritik am Wohlfahrtsstaat Bremen, 15. Febr. Auf der am Freitag im Hause der Seefahrt abgehaltenen „S ch a s s e r m a h l z e i t", an der eine Reihe führender Persönlichkeiten aus der hanseatischen und binnenländischen Wirtschaft teilnahmen, dankte Rcichsbank- präsident Dr. Schacht im Namen der Gäste und führte dabei u. a. aus: „Wir sprechen allezeit vom Schassen. Wir wissen aber, dab es nicht nur aus das Schassen anlommt, sondern auf den Willen, der hinter dem Schassen steht. In dem Mangel an Willen, der durch das deutsche Volk geht, empfinde ich die ganze grobe moralische Krise unseres Volkes. Wir haben nirgends mehr das Gefühl in der Bevölkerung, dab der einzelne für sein Schicksal verantwortlich ist, dab er alles einsetzen mub, wenn er etwas im Leben erreichen will. Unser Ideal tn Deutschland ist das Ideal des Sozial rentners» der mit dem Augenblick, wo er tn die Wiege gelegt wird, sämtliche Versorgungsschetne — einschltcblich der Sterbekasse — mitbekommt. Wir fühlen uns nicht als Bürger des Staates, sondern wir fühlen uns als Fürsorge empfänger eines uns fremden staatlichen Organismus» der irgendwo in der Luft schwebt. Hier in Bremen atmet man etwas vom Wagemut des Seefahrers, der aus der engeren Heimat hinqusgeht, sein eigenes Schicksal in die Hand nimmt und im idealsten Sinne des Wortes mit uns sein Leben einsetzt, um das Glück nach Haufe zu bringen. Ich hoffe, dab von hier aus der Geist ins Binnenland hinaus getragen wird, daß jeder Deutsche von sich sagt: Bon mir und meinem Willen hängt das Schicksal Deutschlands ab." Das Ei -es Kolumbus Der kommende Dienstag bringt für das Land Sachse» eine überaus wichtige Entscheidung. Sein oder Nichtsein ist die Frage für die aus den Maiwahlen hervorgegangene Ne gierung. die erste rein bürgerliche, seit es etyen „Freistaat Lachsen" gibt. Und so wie die Dinge liegen, ist die Frage schon nahezu sicher im Sinne des Nichtseins entschieden. Aber sonderbar! Je mehr sich die an der Entstehung der Krise beteiligten Parteien darüber besinnen, desto klarer wird cS ihnen, dab sie richtig „hinetngeschltddert" find, so wie Lloyd George den Ausbruch des Weltkrieges charakterisiert hat. Oder so. wie Goethes Fischer ins Wasser gefallen ist: halb hingezogen, halb htngesunken. Gewiß hatten sie alle etwas auszusetzen, wollten sie alle etwas erreichen, aber diesen Effekt wollten sie eigentlich nicht. In den entscheidenden Stunden vor und während der letzte» LanbtagSsitzung liefen die Fäden wirr durcheinander: ziierst platzte die kommunistische Sprengmine, bann kam die scharfe Erklärung der Deutschnationalen gegen die Boungplan- Politik der Regierung, und beide Vorgänge zusammen'mußten den nationalsozialistischen MibtrauenSantrag auSlüsen. Die Sozialdemokratie lieb sich bei diesem Streit der Koalitions- gcnossen natürlich nicht die Gelegenheit entgehen, im trüben zu fischen, und so hatten sich die Parteien im Handumdrehen in Stellungen festgerannt, die st« ohne Schaben für ihr An- sehen nicht mehr aufgeben zu können glauben. Die Folge ist eine unnatürliche marxistisch-nationale Mehrheit gegen das BNngerkabinett tn etner Frage, deren Schwerpunkt eigentlich in der ReichSpoltttk liegt. Freilich, so einfach ist die Ursache des Konfliktes nicht, das, man sie mit einer Handbcwegung aus der Sphäre der sächsischen Landespolitik ausschalten könnte. Und darin, dab sie mit allzu kühnem Schwung über diesen Stein des An stoßes, den der Boungplan nun einmal bildet, htnweggesprnn- gcn ist. liegt die ursprüngliche Schuld der sächsischen Regte- rung. Gewiss ist die Entscheidung über die Annahme der neuen Tribntregelung eine Angelegenheit der Neichstnstan- zen. Aber die Folgen davon werden wir auch und vielleicht zuerst tn Sachsen, in unserer fein gegliederten und be sonders empfindlichen Wirtschaft, zu spüren bekommen. Dar um war es nicht gleichgültig, in welcher Richtung der be scheidene Einfluß ausgeübt wurde, den Sachsen im Reichsrat hatte. Und die Kräfteverhältnisse in der sächsischen Koali tion haben die -»stimmende Erklärung des sächsischen Ge sandten im Sinne rein volkSparteilichcr Politik durchaus nicht gerechtfertigt, zumal neben den Deutschnattonalen und den Nationalsozialisten auch die Wtrtschafts- und die Volksrecht- partct eindeutig gegen den Boungplan Stellung genommen haben: also ein Block von 32 Abgeordneten In der losen Mehrheit von 49 Stimmen, über die das Kabinett Bttnger verfügte. Man mag dagegen etnwenden, dab eine gegenteilige Ab gabe der sächsischen Stimmen das Ergebnis des Nekchsrats- votumS nicht geändert hätte: aber diese praktische und für die Lösung der Krise vielleicht noch bedeutsame Erwägung be freit die Rechtsparteien nicht von ihrer moralischen Pflicht, gegen die Annahme des Boungplanes mit Einsatz ihrer letzten Kräfte zu kämpfen. Wo man doch bei uns über alle mög lichen Kleinigkeiten der inneren Politik oft wochenlang ver handelt. wäre auch tn dieser deutschen Schicksalsfrage ein Kompromiß — nach dem Beispiel der bäurischen Stimm enthaltung — der politischen Weisheit höchster Schluß ge wesen. Den Beweis dafür erhält die Regierung durch das Verhalten der Sozialdemokratie, die sich kein Gewissen dar aus macht, sie zu stürzen gerade über diese Frage, in der ihr das Bttngerkabinett einen Gefallen getan hat. Solche Betrachtungen kommen allerdings reichlich post sie können an der entstandenen Lage wohl nichts mehr ändern. Aber sie zeigen den Weg. der am besten aus der Krise führt. Bisher ist in der Presse nur von zwei Möglichkeiten die Rede gewesen: von der Links- orientierung mit dem Ziele der Großen Koalition und von einer sonst notwendig werdenden Auflösung mit Neuwahlen Jede dieser Lösungen ist «m Sinne der bürgerlichen Politik schlechter als das RegierungSsustem. das nun acht Monate lang Sachsens Schicksal gemeistert hat. Für die Grobe Koalition ist eigentlich nur die Vicrmännergrnppe der Demo- kraten restlos begeistert. In der Sozialdemokratie hat der Gedanke an die Machtergreifung in Verbindung mit der bürgerlichen Mitte wohl einige Anhänger gefunden, aber sie sind In hoffnungsloser Minderheit. Bei der großen Mehr heit ist nach wie vor ein regierungSunmöglicher Radikalis mus Trumps, sie arbeite» im Reich mit allen Kräften gegen die dort bestehende Große Koalition und würde in Sachsen so gesalzene Bedingungen stellen, daß sich keine bürgerliche Partei, die diesen Namen verdient, ihnen unterwerfen könnte. Diese Erkenntnis spricht auch aus dem gestern von der Deutschen Bolkspartet gefaßten Entschlub. der von der Möglichkeit etner LinkSregterung als von etner „Gefahr" spricht. Et« Beweis, daß die Deutsche Volkspartei nicht, wie manchmal behauptet wird, z» einem RegierungSexperiment mit den Roten innerlich geneigt ist. Und auch die Demo kraten werben zu der Einsicht kommen müssen, daß die Er füllung ihres Sehnsuchtstraumes nun einmal in Sachsen un möglich ist. Die Landtagsauslösung und Neuwahlen kann aber unter den gegenwärtigen Umständen keine Partei ernstlich wünschen. Natürlich ist man aus allen Seiten verpflichtet, sobald diese Frage auftaucht. Löwenmut zu markieren und voll Kampf- begetsterung zu glühen. Sonst würde man ja allen Kredit verlieren. Wie sind aber die Aussichten tn Wirklichkeit? WaS ein Wahlkampf bringt, das weiß man: zunächst erheb liche Kosten und dann Verhetzung der Massen unter Aus peitschung aller politischen Leidenschaften. Gerade tn Ver bindung mit der wachsenden Wirtschaftskrise und der Er- werbslvscnnot mub die Aussicht jeden vernünftigen Men schen abschrecken. WaS dabei herauSkommt. weiß man aber nicht — ober vielmehr, man kann «» sich denken: wahrschein lich nichts. Denn wenn bi« eine oder die andere Partei auf der Rechten ober auf der Linken au» der politischen Augen- bltckskonjunktur mit ein paar der Nachbargruppe abgetagten Mandaten Nutzen ziehen sollte, so wäre doch an der par lamentarische» Gcsamtlage nicht» geändert. Man stünde wie der mit einigen Stimmen aus der Klippe zwischen recht» und links, und der ganze Aufwand an politischer Energie und Geld wäre nutzlos vertan. Darum mub schon setzt — wo da» Schicksal der Regierung Banger bereits al» besiegelt gilt — eine dritte Lösung in» Auge gefaßt werden^ die Nächstliegende und wohl auch im Lanbeöinteresse die richtigste: nämlich die Neubildung de» alten Kabinetts auf der gleichen Grundlage mit der personellen Veränderung, die sich aus dem Anlaß und dem Verlaus der Krise zwangsläufig ergibt. Abgesehen von diesem Zwischenfall, hat doch keine der die Negierung stützenden Parteien so schwere Bedenken gegen ihre Arbeitsweise, baß sie nach Klärung dieses Punktes nicht weiter amtieren könnte. Im Gegenteil: sogar die skeptische demokratische Presse hat die Tätigkeit der beiden Fachmänner im Innen- und im Justizministerium gerühmt, und es läge anderseits auch im Sinne der nationalsozialistischen Forde- rungen, wenn bet dieser Gelegenheit der Beamtencharakter des Kabinett» verstärkt würde. Freilich, ein großes Maß von Selhstbeschcidung bei allen Koalitionspaneten ist bei dieser Operation notwendig. Die Deutsche Volkspartei müßte etnsehen, datz die Stellung de» Ministerpräsidenten als des Verantwortlichen tn der Boungplansrage erschüttert ist, was ihn aber nicht verhindern würde, das Kultusreffort weiter zu betreuen. Und die VolkSpartel brauchte daraus durchaus keine Ptestigefrage zu machen, »m so weniger, als ihr Ein fluß sicher nicht geschwächt wird, wenn ein ihr nicht fernstehen der hoher Beamter die Führung übernehmen würde. Sachsen hat glücklicherweise noch mehr geeignete Männer wie Richter und Mannsfelb, die an dieser Stelle nützliche Arbeit leisten können. Bet der für die gesamtbürgerliche Sache so wichtigen Entscheidung kommt e» nur darauf an. mit festem Willen zur Einigung in dieser schwierigen vage unter Zurück- ftellung persönlicher Empfindlichkeiten da» Richtige zu tun. Am besten nach der Art des alte« Kolumbus, der sei«