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MMfferMeblatt XI für.Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Nr. 49 — 90. Jahrgang Wilsdruss-Dresden Freitag, den 27. Februar 1931 Postscheck: Dresden 2640 Telegr.-Adr.: »Amtsblatt Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Naumzeile 20 Npfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 4ON«ichL- pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgebühr 20 Reichspsennig«. B«- geschriebeneErscheinungs- —, . , tage und Platzvorschriften werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen annahme bis vorm.10 Uhr. —— Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Radattanspruch erlischt, »en» derBetrag d«ch Klage eingezogev »erden mutz oderderAuftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Tageblatt» erscheint an allen Werktagen nachmittags s Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in -«wejqsstistelle und den Ausgabestellen 2 SiM. im Monat, bei Zustellung durch dir Boten 2,3» RM., bet Postbestellung lLR^l Abtrag. . gebühr. Einzelnummern 2Bochenbltl11 für 26tlsbruff u. tlmarüenb Postboten und nnsereAus« tvrichös,»stellen —bl u nehmen ,n jeder Zeit Be- aruungea entgegen. Im Falle HSHerer Gemalt, Krieg oder sonstiger BetriebsstSrungen besteht kein Anspruch aus Lieferung " »kttung »der Kürzung de» Bezugspreise». — Aüchsendung eingesandter Lchriststüeke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Was kostet unsere Außenpolitik? Alljährlich wie die Schwalben kommen bei der Be ratung des Haushalts unseres Vielbekrittelten und nur selten gelobten „A. A.", des Auswärtigen Amts, im Reichstage die Beschwerden. Das Amt selbst ebenso wie unsere diplomatischen und konsularischen Vertretungen kosten nach Ansicht des Reichstages zuviel, man beschränke sich hier wie draußen nicht auf das wirklich und unbedingt Notwendigste an persönlichen und sachlichen Ausgaben, sondern immer wied<r fänden „Vorgriffe" auf den nächstjährigen Haushalt, also Etatsüberschreitungen, statt. Da diese Beschwerden zum großen, vielleicht zum allergrößten Teil der Berechtigung nicht entbehren, ist das Auswärtige Amt in sich gegangen und hat gegen über dem Vorjahre die Ausgaben um 7 Prozent gekürzt, — aber im Haushaltsausschuß des Reichs tages, wo man das „A. A." zurzeit sozusagen „durch hechelt", wird ihm gesagt: „Das ist noch viel zu wenig!" Es müsse hier noch viel mehr gespart werden, vor allem an den Kosten der Repräsentation. Der Reichstagsabgeordnete Dr. Schnee, bekanntlich einst Gouverneur von Deutsch-Ostafrika und auch sonst ein viel gereister Mann, hat da ein sehr hübsches und recht — empfehlenswertes Wort im Ausschuß gesprochen: Er sei vor dem Kriege in der ganzen Welt herumgereist und habe bei den deutschen Konsulaten stets Entgegenkommen gefunden und sachliche Informationen erhalten, „ohne daß damit persönliche Einladungen verbunden gewesen seien"; heute aber „werden Beschwerden laut, wenn eine auf Reisen befindliche Persönlichkeit von den Konsuln nicht sofort zum Frühstück eingeladen wird". Es mag darüber wohl ein stilles Schmunzeln über die Gesichter der Ausschußmitglieder gelaufen sein, denn derartige „Be schwerden" sind ja sogar so „laut geworden", daß es dar über zu Verhandlungen im Reichstage kam, und zwar nicht bloß im Ausschuß. Wobei übrigens gleich auch noch hinzugefügt werden muß, daß vor 1919 die General- und sonstigen Konsuln keinerlei Aufwandsentschädigungen er hielten, wie das jetzt der Fall ist. Es will uns ja nicht so recht in den Kopf, daß Deutsch lands auswärtiger Dienst daheim und draußen heute nicht bloß weit mehr als das Doppelte, fast das Dreifache der Vorkriegszeit ko st et, sondern daß diese Summe ebenso hoch ist wie jene, die England und die Frankreich für diesen Zweck aufwenden; ja, es scheint sogar aus der Kritik, die Dr. Schnee an einer Denk schrift des Auswärtigen Amtes mit einer Vergleichung der deutschen, englischen und französischen Aufwendungen übt, hervorzugehen, als seien die Kosten Deutschlands doch noch größer als die jener beiden anderen Staaten, sicherlich aber als die Frankreichs. Dabei ist der Haus halt des deutschen Auswärtigen Amtes heute gegen das Vorjahr auf 56 Millionen ermäßigt, wovon übrigens mehr als die Hälfte, nämlich 30 Millionen, allein auf „die Wilhelmstraße" entfällt, — und das ist gegen die 11 Mil lionen der Vorkriegszeit eine recht erhebliche Steigerung. Gegen damals hat sich auch die Zahl des in der Zentrale beschäftigten Personals ganz beträchtlich gesteigert, und angesichts dieser Tatsache verlangt man im Rcichstags- ansschuß weitere Ersparnisse bei diesem „reichlichen Etat" und es wurde z. B. empfohlen, das englische Beispiel nachzuahrnen: England hat für eine Reihe kleinerer Staaten an der Ostsee — Litauen, Estland, Livland — und sDs^kamerika immer nur eine „Sammel"- gesanotfchg -^E^m^^^rtiqen" Interessen sind wesentlich wirt schaftlicher Art; Zeitalter des Telegraphen, Telephons, des Schnellschreibers sind die „politischen" Interessen ra sehr viel stärker nach der Berliner Zentrale hin zusammengezogen nnd ist damit auch die amtliche Tätigkeit der Botschaft^, Gesandten usw. natürlich sehr viel abhängiger von don geworden, wurde deren politische Selbständigkeit und Betätigung stark eingeschränkt. Äußer lich kommt das aber durchaus nicht zur Wirkung, kosten uns diese Auslandsvertreinngen gleichfalls das Doppelte, ln Paris z. B. das ^"'fache wie in der Vorkriegszeit; in der französischen -^uptsmdt rst das Personal der deutschen Botschaft gegen l913 von 18 anf heute 55 Köpfe ange schwollen! Hier zu """ auch hei den Konsuln er scheint dem Reichstagsau-ichuß auch deswegen wichtig, weil die vorgeschlagenen Streichungen beim Haushalt des Auswärtigen Amtes leider und tief bedauerlicher weise gerade die Aufwendungen treffen, die bisher für die wirtschaftliche und namentlich dw kulturelle Pflege des Deutschtums gemacht worden stnd. So hat sich schon jetzt eine tculie von Kritik von neuem u^er unseren auswärtigen Dienst ergoßen; anderes wird noch folgen. Nnd dies offenbar nicht ganz „üt Un- recht Bei der allgemeinen Stellung Deutschlands in der t — erfreulich ist sie ja nicht — müßen wir aber gerade ^unserem Auftreten nach außen hin be- vorsichtig und — zurückhaltend l w gerade in finanziellen Dingen. Und sparen müssen wir an sich schon, müssen uns bei jeder Ausgabe persön- ucher und sachlicher Art fragen, ob sie sich auch wirklich m auswärtigen Dienst Deutschlands aber sollte an solche Fragen gleich zweimal stellen! * Curtius sagt, es wird gespart. Haushaltsausschutz des Reichstages wurde die -oeratung des Haushaltes des Auswärtigen Amtes fort- Ein Mstch gegen w AgMWWW Der Handelspolitische Ausschuß für zollfreie Einfuhr von Gefrierfleisch. Im Handelspolitischen Ausschuß des Reichstages wurde der sozialdemokratische Gesetzent Wurf über die Einfuhr von G c s r i e r f l e i s ch mit elf Stimmen der Sozialdemokraten und Kommunisten gegen acht Stimmen bei zwei Enthaltungen zweier Zentrums abgeordneter angenommen. Die Regierung hatte sich gegen die Annahme dieses Gesetzentwurfes erklärt. Nach dem Gesetzentwurf soll zur Versorgung der minderbemittelten Bevölkerung mit billigem Fleisch vom 1. März ab jährlich ein Kontingent von 50 000 Tonnen Gefrierfleisch zollfrei zur Einführung zugelassen werden Wenn dieser Beschluß Gesetz werden sollte, so würdi das ein schwerer Schlag gegen die Agrar politik der Regierung sein. Oie Inkraftsetzung -er Agrarvorlage. Der Deutsche L a n d w i r 1 s ch a f 1 s r a t fordert Beschleunigung. Der Ständige Ausschuß des Deutschen Landwirt- schaftsrates erläßt eine Erklärung, in der er erwartet daß Reichsrai und Reichstag die Agrarvorlage schleunigst verabschieden und daß dann das Kabine« ungesäumt dik erforderlichen Maßnahmen trifft. Werden diese Maß nahmen nicht in dem erforderlichen Ausmaß und mit de, nötigen Beschleunigung getroffen, so würde die Land wirtschaft in der Agrarvorlage nur sine wirkungslosc Geste erblicken. Brünings „Miitelkurs". Was Hugenberg dazu sagt. In einer deutschnationalen Versammlung in Hannover wies Geheim rat Hugenberg ebenso wie in B' mn- schweig auf die Abneigung des Zentrums und der übrigen Mittelparteien hin, in ehrlichem Bündnis mit Rechts und gegen Links zu regieren, und fuhr dann fort: Der Glaube an einen Mittelweg wird Brünings Verhängnis sein. falls er ihn wirklich haben sollte. Daß mit diesem Mittel- kurse, weil er in Wahrheit ein Kurs zur Rettung der Sozialdemokratie ist, weder die Rettung der Landwirt schaft noch Wehrpolitik noch Auswärtige Politik noch irgendeine andere erfolgreiche Politik möglich ist, haben wir Tausende von Malen immer wieder gesagt. Ich — das darf ich hier persönlich bemerken — habe bewiesen, daß ich, obwohl Parteiführer, kein Mann des Parteiklüngels bin. Ich habe um der Sache, um des politischen Zieles willen in einem kritischen Augenblick meine ganze Partei aufs Spiel gesetzt. Und sie ist innerlich dadurch stärker geworden und wird es auch äußerlich wieder werden. Wenn Herr Brüning notsalls in ähnlicher Weise seine Partei aufs Spiel setzen wollte, so könnten wir das ihm angeblich vorschwebende Ziel einer wirklichen Rcchtsregierung innerhalb weniger Wochen mit Leichtigkeit erreichen. Daß die heutigen Deutschnationalen nicht unvernünftig sind, wenn sie regieren — das dürften die Fälle beweisen, in denen wir heute an ausgesprochenen Rechisregierungen beteiligt sind. Gehören etwa Br a u n sch w e i g, das einen deutschnationalen Minister Präsidenten hat, Thüringen und Mecklenburg nicht heute zu den bestregierten Ländern Deutschlands? Hat nicht Württemberg, das seit Jahren einen deutschnationalen Finanzminister hat, die bestgeordneten Finanzen von allen deutschen Ländern? Wir haben keine Sehnsucht nach Minister sesseln. Rettende Arbeit ist das, worauf es ankommt. Sie Verölungen des Reichsrals. Im Reichsrat brachte der Vorsitzende, Reichsfinanzminister Dietrich, den Hinterbliebenen der bei den, letzten schweren Bergwerksunglück verunglückten Bergleute das herzliche Bei leid des Reichsrals zum Ausdruck. Weiter teilte der Minister mit, daß der sächsische Ministerialdirektor von Sichart, der 23 Jahre dem Bundesrat und dem Reichsrat als Bevollmächtigter angehört hat, wegen Erreichung der Altersgrenze aus dem Reichsrat ausscheidet. Der Minister sprach ihm für seine lang jährige Mitarbeit am Wiederausbauwer? den Dank des Reichs rates aus. Der Ergänzungshaushall zum Reichshaushalt für 1931 wurde mit einigen Änderungen angenommen. Von der Annahme der Novelle zum Pressegesetz durch den Reichstag nahm der Reichsrat Kenntnis, ohne Einspruch zu erheben. Thüringen und Braunschweig enthielten sich jedoch der Stimme. — Angenommen wurde auch eine Novelle zuni Gesetz über die privaten Versicherungsunternehmungen, die eine verschärfte Aufsicht über die privaten Versicherungs- gesellschaften bringt und die Bausparkassen neu in das Gesetz einfügt. Eine Verordnung über F i n a n z st a t i st i k wurde bei Stimmenthaltung der Länder Bayern und Baden gegen die Stimmen der Stadt Berlin angenommen. Annahme fand auch eine Novelle zum Gesetz über die Pfandbriefe und verwandte Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten. Da durch soll dieses Gesetz in Erweiterung der schon darin enthal tencn Ausnahmevorschrist auch aus die Grundrentcnbriese und die ihnen zugrunde liegenden Reallasten ausgedehnt werden. Schließlich nahm der Reichsrat noch Kenntnis von der An nahme zweier Gesetze durch den Reichstag. Dabei handelt es sich um den Übergang der Unterwarnow-Wasser st ratze, der Seewasser st ratze bei Wismar und des Kraffohlkanals aus das Reich und um die Novelle zum Gesetz über die Errichtung der deutschen Rcntenbankkreditanstalt. Bei letzterem Gesetz enthielt sich Bayern der Stimme. gesetzt. Reichsautzenminister Dr. Curtius betonte, die Ersparnisse in seinem Haushalt seien in einem solchen Maße durchgeführt worden, daß die berechtigte Sorge be stehe, ob sie das für einen ordnungsmäßigen Geschäfts betrieb zulässige Matz nicht schon überschritten hätten. Bei den Bezügen der Beamten im ausländischen Dienst seien Kürzungen bis zu 41 Prozent erfolgt. Der Minister wies mit aller Schärfe die Behauptung zurück, als würde im Auswärtigen Amt nicht mit der größten Sparsamkeit gewirtschaftet. Das Auswärtige Amt diene dem Wohl aller Deutschen; deshalb hätten auch alle deutschen Steuerzahler ein Interesse daran, den als falsch festgestellten Behauptungen entgegenzutreten. Sie Gewerkschaftsführer bei Hindenburg. Wünsche der Arbeiter und Angestellten. Reichspräsident von Hindenburg hat es nicht leicht in diesen bewegten Zeiten bei seinem ohnehin schwierigen Amt. Von allen Seiten kommen die Wün schenden, Bittenden und Fordernden zu ihm und sie wissen, daß sie stets ein williges Ohr für ihre Vorstellun gen finden und, soweit diese sich dem Wohl der All gemeinheit einfügen lassen, auch möglichste Berücksichti gung bei der Durchführung der praktischen Maßnahmen. Sind es heute die I n d u st r i e l l e n, die zu Hindenburg kommen, so morgen die Landwirte, die Hand werk e r, die K a u f l e u t e, die Vertreter der Kriegs beschädigten und so weiter fort. Bitter Weh mag es oft seinem gütigen Herzen tun, nicht überall helfen zu können, aber das Allgemeinwohl verlangt weise Ab wägung aller Sonderwünsche und ihre Zurückführung auf das praktisch Erreichbare. Daß .Hindenburg aber nicht nur auf die Stimme der kalten Staatsraison hört, son dern auch den Geboten des Herzens und des Ge mütes Nachdruck zu verleihen versteht, das hat er bereits mehrfach bewiesen. Jetzt hat der Reichspräsident die Gewerkschafts vertreter aller Richtungen, die Führer der freien Arbeiter und Anaestelltenverbände, der Christlichnationalen Gewerk ¬ schaften und des Freiheitlich nationalen Gewerkschaftsrtnges empfangen. Für die Gewerkschaften trug der Vorsitzende deF Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes, Theodor L e i - part, dem Reichspräsidenten eine Erklärung vor, in der die Aufmerksamkeit zunächst aus die überaus gedrückte Lage der deutschen Arbeitnehmer gerichtet wird. Die Hauptsorge, so heißt es weiter, sei die um das Schicksal der unfreiwillig Arbeitslosen. Es sei notwendig, daß innerhalb der für Deutschland gegebenen Möglichkeiten mit äußerster Energie an der Beseitigung aller Störungen der Wirtschaft gearbeitet werde. Unausgeschöpfte Möglichkeiten zur Konsum belebung seien noch vorhanden. Die Erhöhung des Jnlandsverbrauchs als eines der bedeutendsten Mittel zur Er höhung des Beschäftigungsgrades bedinge eine kaufkräf tige Landwirtschaft, deren Schutz aber innerhalb der Grenze zu bleiben habe, die von der Rücksicht auf unsere indu strielle Ausfuhr und auf die Lebenshaltung der breiten Massen gezogen werden müsse. Die gegenwärtig vorliegenden argrarpolitischcn Pläne ainnen über diese Grenre teilw-ite binons und müssen ab Die Gewerkschaftsführer nach ihrem Besuch bei Hindenburg. Von links: Leiparl, Graßmann, B c ch l t, Deut scher Gewerkschastsbund — Schneider, Gewerkfchafts- ring, I ni b u s ch, Deutscher Gewerkschastsbund — Steer, Allgemeiner Freier Angestelttenbund — Reichsarbeits- minister 2 I c g e r w a l d.