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Erscheint täglich »ach«, mit «uSnahme der Eonn. und Festtage. >»<Zab« L mtt .Die Zeit in Vor« und Bild' vierteljährlich F l" In DreSben durch Boten »,4<» In ganz Deutschland frei Hau» »8» in Oesterreich 4 4A L * »«»gal »b« »ohne Uluitrterte Beilaae vierteljährlich I, ^ Dresden durch Boten »,10 -c. In ganz Deutsch!, ,» ».»» in Oesterreich 4.-7^. - Linzel 'K tschland srei »0 3 Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« werden die »gespaltene Petitzetlc oder deren Raum mit LS ^, Reklamen mit SN ^ die Zeile berechnet, bei Wiederholung«, entsprechenden Rabatt. Buchdrucker«», Redaktion nnd tSeschäftSstelle - Dresden, Ptllottzer Ltrahe 4». — Fernsprecher litt»« Für Ritckgabe unverlangt. Schriftstücke keine Berbtodltchlet. RedaktionS-Sprechslunde: 1L bis LH Uhr. Die Gemeindewahlen in Belgien. <Von unserem LpszicNkvrrespondcnten.) Brüssel, den 15. Oklober 1911. Mit großer Spannnng seih man im ganzen Lande den diesjährigen Ergänzungstvahlen in die Gemeindcratsver- tretungen der Städte nnd Landgemeinden entgegen. Hatten doch dieselben insofern eine große Bedeutung, als man aus ihrem Ausfälle die Stimmung der Bevölkerung gegen über der jetzigen katholischen Regierung zu ersehen erhoffte, wobei die vereinigten Liberalen nnd Freimaurer, sowie So zialdemokraten von der lebhaften Hoffnung beseelt waren, das; diese Stimmung sich gegen die bestehende Negierung kehren werde. Zn dem Zwecke war denn auch in den meisten Städten des Landes ein Wahlkartell zwischen den gesamten Gegnern der Katholiken gebildet worden. Hierbei rechnete man damit, daß gemäß der belgischen Gemeindewahlord nung diejenige Liste vollständig gewählt erscheint, die. die absolute Mehrheit der Stimmenzahl auf sich gereinigt. Durch Aufstellung einer gemeinsamen Liste hoffte man da her, in den meisten Städten die Mehrheit der Stimmen zu gewinnen und zu siegen. In Wahrheit bedeuten nun die soeben vollzogenen Ergänzungswahlen eine arge Ent täuschung für unsere vereinigten Gegner. Wohl Perm sch ien sie in einzelnen Orten den Kathoiiken Mandate zu c.tt- reißen, die Stimmenzahl aber, die sie auf ihre Kandidaten vereinigten, ist mancherorts gleich geblieben mit jener des Jahres 1007, vielfach aber sogar zurückgegangen, »nährend die Katholiken beinahe überall eine nicht unbeträchtliche Zunahme der auf ihre Kandidaten entfallenden Stimmen zu verzeichnen haben. — Bekanntlich hatten die antiklerikalen Parteien bei Vorbereitung dieser Wahlen das Bestreben an den Dag gelegt, den Wahlkampf einen politischen Anstrich zu geben. Liberale und Sozialisten hatten in den bedeu tendsten Gemeinden des Landes untereinander ein Abkom men getroffen, teils zum Sturze der katholischen Mehr heiten, teils zur Ausschaltung jeglichen Einflusses derselben auf die Gemeindegcschüfte und hatten als Begründung ihres Verhaltens die Absicht knndgegeben, ans den Ge meindewahlen einen Protest der „öffentlichen Meinung" zu machen gegen die Regierung, ihr Schulprojekt und ihre Weigerung, durch Unterdrückung der Plnralwahl das all gemeine gleiche Stimmrecht einznführen. Der Vorstand der liberalen Linken des- Senates nnd auch jener der Kam mer hatten eine in diesem Sinne gehaltene Kundgebung an die Wähler gerichtet. Man konnte kaum im Zweifel sein darüber, daß die gemeinsame Liste der Liberalen und Sozialdemokraten, namentlich in den größeren Städte», glatt durchgehen werde. Dies war nun auch in Brüssel nnd seinen Vorortgemcinden der Fall. In diesen Gemeinden waren infolge des Wahl kartells die katholischen Kandidaten nichts anderes als lediglich „Zählkandidaten". Trotzdem ist auch vier der Ausgang der Wahlen, der auf den ersten Blick vielleicht als schwere Niederlage der Katholiken erscheinen könnte, nicht ungünstig zu nennen. Sie bedeutet eigentlich trotz der Nichtwahl der katholischen Kandidaten eine moralische Nie derlage der Antiklerikalen, da dieselben im Vergleiche zum Jahre 1007 an Stimmenzahl keine Fortschritte zu verzeich nen haben, »nährend die Liste der Katholiken um 3000 stim men oder 30 Prozent gegenüber dem Jahre 1007 mehr ans sich zu vereinigen vermochte. Im Jahre 1007 erhielt näm lich die liberale Liste 10 000, die sozialdemokratische Liste 0200, Vie katholische Liste 10 200 Stimmen, im Jahre 1011 kie Liste des Kartells 27,215), die katholische Liste 1315,3 Stimmen. Aehnlich liegen die Verhältnisse in den Pro vinzstädten, in denen die Katholiken den« vereinigten Geg ner unterlagen. Es sind dies nicht viele, aber auch hier machte sich ein Rückgang od?r Stillstand der liberalen nnd wzialdemokratischen Stimmen und ein Aufschwung der ka tholischen Stimmen bemerkbar. In einzelnen Städte», wo selbst die Gegner getrennt marschierte», wie zum Beispiel in Jrelles und in Mollenbeck, wurden sie von den Katho liken anfs Haupt geschlagen. sin der Mehrzahl der Städte der Provinz Brabant vermochten die Katholiken ihre Stel lungen zu behaupten, zum Teil mit großer Mehrheit, so in Wavre, St. Lambert, Villeronr, Tilbeck, Nivelles n. a. m. in anderen gelrannen sie Mandate den Liberalen ab, so in Auderghem, Hal, oder stürzten die liberale Mehrheit, wie in Waterloo, Jnconrt, Mellin, Bonsval u. a. m. Aehn- licl»e Erfolge sind auch in den Städten der anderen Provin zen, so namentlich in Flandern und Namnr zu verzeichnen. Die Landgemeinden des Landes haben beinahe durchwegs katholisch gewählt. Ans diesen wenigen Feststellungen geht bereits zur Ge nüge die Tatsache hervor, daß die Gemeindewahlcn in un serem Lande nichts weniger denn als eine niederschmetternde Niederlage der Katholiken bedeuten, wie die Telegramme in den deutschen Zeitungen begeistert berichteten. Die Gegner hatten darauf gerechnet, durch die Ausschaltung der Katholiken ans den Genieinderäten der großen Städte im Lande einen großen Eindruck hervorzurnfen. Nun ist ihnen dies nur in wenigen Orten gelungen. Abgesehen davon haben sie ganz die Tatsache übersehen, daß die großen Städte nur einen Bruchteil der Bevölkerung des Landes beherbergen. Tie Landgemeinden haben aber, wie bereitS erwähnt, fast durchweg katholisch gewühlt. So ist die große antiklerikale Manifestation nnd der große antiklerikale „Sinn", näher betrachtet, nichts anderes, als ein Fiasko der vereinigten Gegner und ihrer Kartellpolitik. Der italienisch-türkische Krieg Es sind an 30 000 Mann in Tripolis gelandet worden. Tie Häfen von Bomba nnd Marsa Tobrnk sind schon vor her von 3000 Mann okkupiert »norden. Derma nnd Benghasi dürsten eS jetzt auch bereits sein. Die militä rische Okkupation der .Küstenzone ist also dnrchgefnhrt. Die türkischen Truppen sind nach den Hügeln znrückgegangen. Sie haben zweimal in Nachtgefechten den Brunnen von Bn- Meliani, wo die äußerste italienische Vorpostenkette steht, angegriffen nnd sind znrückgewiesen worden. Was sie sonst zu tun beabsichtigen, ob sie kapitulieren wollen, wie die Korrespondenten ans Tripolis nach Rom melden, oder ob sie zum Widerstande anfs äußerste entschlossen sind, wie man in Konstantinopel sagt, das weiß mit Bestimmtheit niemand. Es ist aber auch für die Friedensfrage insofern gleichgültig, als die Kapitulation die Italiener nicht der Mühsal der Unterwerfung der Beduinen im Innern ent hebt. während der Widerstand der türkischen Truppen zwar ihre Waffenehre rettet, nicht aber das Schicksal der okkupier ten Provinzen retten oder ändern kann. In diesem Augenblicke hat eS die italienische Regie rung noch einmal für angezeigt gehalten, ihren Standpunkt in der Friedensvermittelungssrage in Giotittes Leiborgan, dem „Popolo romano", zu veröffentlichen. Das Blatt sagt, daß es zwar das Recht des Königs von Italien und seiner Minister sei, auch einen Friedensvertrag zu schließen, der süjr Tripolitanien die Anfrechterhal,tn»g der nominellen Souveränität des Sultans enthalte, aber daß sie sich im vor liegenden Falle praktisch klar machen müssen, daß ein sol cher Vertrag vom Parlamente nnd Volk in Stücke zerrissen werden würde. Jede italienische Regierung, die anders handeln wollte, würde weggefegt werden und es muß von vornherein damit gerechnet werden, daß die Annerion von Tripolitanien eine definitive ist. Tie Vorpostengefechte bei Tripolis haben keiner von beiden Parteien irgendwie neunenslverte Vorteile gebracht, doch teilt das Kriegsministerinm mit. daß die Italiener »lehrfache Verluste erlitten. Blättermeldnngen besagen, General Eaneva habe der »regen Konterbande festgehaltenen Kamelkarawane erlaubt. Tripolis zu verlassen nnter Belassnng der zur persönlichen Verteidigung notwendigen Waffe», »vas auf die Eingebore nen einen günstigen Eindruck gemacht habe. Kundschafter seien auf einige türkische Patrouillen gestoßen. Die „Tribnna" meldet: Mnnir Pascha hat den Ober befehl an Oberst Nidschat Pascha Bei abgetreten. Die Tür ken bemühen sich vergeblich, die einheimische Bevölkerung anfzuwiegeln, die im Gegenteil in mehreren Orten die Tür ken angegriffen haben. Politische Rundschau. Dresden: den 17. Oktober 1S11. — Der Reichstag nahm am Dienstag seine Arbeiten in gntbesetztem Hause wieder auf. nachdem er am 31. Mai in Ferien gegangen war. Wie üblich hielt der Präsident seinen Nachruf für die verstorbenen Abgeordneten Hug und Frank-Natibor tZtr.), sowie den Antisemiten Liebennann v. Sonncnberg. Dann kam die Tagesordnung mit Peti tionen. Tie Petition um Gleichberechtigung der Antigua- schrist wurde mit großer Mehrheit durch liebergang zur Tagesordnung erledigt. Dann folgte eine Reihe anderer Eingaben. — Heute Neichsvercinsgesetzinterpellation. — Liuicnschiff „Prinz-Regent Luitpold". Außer der Mitteilung an den König von Sachsen, daß das Linienschiff Ersatz „Aegir" den Namen „König Albert" erhalten solle, hat der Kaiser ein Telegramm an den Regenten des Königreichs Bayern gerichtet, worin er die Absicht bekannt gibt, den Namen „Prinz-Regent Luitpold" dem Linienschiffe Ersatz „Odin" zu geben, das im Lause dieses Winters auf der Germaniawerft in Kiel vom Stapel läuft. — Der Flottenverein setzt seine Agitation für ein neues Flottengesetz fort. Die Ortsgruppe München des deutschen Flottenvereins hat dem Reichskanzler eine Resolution telegraphisch übermittelt, in der es heißt: „Die Ortsgruppe München richtet in ernster Besorgnis um die durch die gegenwärtige Mächtepoiitik bedrängte Sicherheit unseres Volkes an Ew. Erzellenz die dringende Bitte, den Ausbau der Wehrmacht zur See zu beschleunigen und eine ent sprechende Vorlage noch für den Etat iiu Jahre 1912 den gesetzgebenden Faktoren zugchen zu lassen." Ueber die Auf bringung ller Mittel für die von ihr gewünschte Vorlage Marokko, Tripolis und die deutsche Zukunft. (Nachdruck verboten.) (ffort ctznng.f Vorwurfsvoll fragt man uns aber: Sollen wir denn etwa festbleiben auch ans die Gefahr hin, daß cs zu einer bewaffneten Anseinandersetznug, die ja zweifelsohne ;nm Weltkrieg sich entwickeln wird, kommt? Liegt es »icbt in unser aller Interesse, daß der Frieden erhalten bleibt? Gewiß, wenn die Frage so stünde, daß unser Zurück- weichen in Marokko den Frieden, d. h. den wirklichen dauernden Frieden bedeutete, so ließe sich der Standpunkt der Berliner Staatsmänner perstehe» und vielleicht sogar teilen. Nur ist es leider gerade umgekehrt. 'Nicht dauernden Frieden bedeutet dieser Ausgang des Marokkobcnidels, son dern die Erhöhung der latenten Kriegsgefahr und vor allem die Verminderung der Möglichkeit eines deutsche» Sieges in dem später doch losbrechenden Wettkampf. Welcher denkende Beobachter glaubt denn heute noch ernstlich daran, daß die ungeheuere Spannung, die zwischen den europäischen Staaten herrscht, eine friedliche Lösung finden werde? Hilft aber alles nichts. Wir gehen lieber cm den unsere»»: Volke das Mark ans- pressenden Rüstungen zugrunde, um unsere Hände in Un schuld »vaschcn zn können, »vir ersticken an unserer Ueber- völkernng mit all ihren schlimmen Folgen, statt, wie einst nnsere Altvordern einen heiligen Le»z hinans zu schicken, der unS Luft zu schaffen und den dringend benötigte,: Bo den, an den: andere Ueberflus; leiden, zu öffnen vermöchte. Es ist ja tieftranrig, daß es soweit gekommen ist in Deutschland: aber für Männer schickt es sich nicht, zu jammern und die ganze Kraft und die ganze Weisheit zu verpuffen in den: Satz, daß alles anders und besser sein würde, wenn an der Stelle eines Bethinann Hollweg wieder ein Bismarck stünde. Ich sage vielmehr: Nicht das ist schuld, daß »vir heute keinen Bismarck haben, sondern eben die offen cingestandene Tatsache, daß die ganze Neichs- macht ans Bismarck zngeschnitten war und daß das ganze deutsche Volk in der Zeit der Bisinarckschen Herrschaft darauf verzichtet hat, in den Angelegenheiten der ans- wärtigen Politik iiiitziireden und mitziihandeln. Es war das ein schweres Verschnlde» unseres Volkes, nnd ich weise barsch die Ausrede zurück: Bismarck habe diese auswärtige Politik eben in eine: >o niwergleichlich großartigen Weise geführt, daß wir die Leitung ihm ruhig überlgssei: konnten. Der Staatsmann soll noch von» Himmel fallen, der allein nnd ohne Fehl die Angelegenheiten eines so großen mit so viele»: anderen Völker»: verschlungenen Volkes zn führe» vermöchte. Ich ninß aufs bestimmteste dagegen protestieren, daß man heute die Staatssekretäre Schön nnd Kiderlen-Wächter, oder den Reichskanzler, oder eine andere an angeblich leitender Stelle stehende Persönlichkeit vcr antwortlich macht für die unglückliche Leitung der reichs- dentschci: Anßenpolitik. Es handelt sich hier — ich wiederhole, »vas ich schon vor viele»: Jahren gesagt habe — nin ein System, welches schwer zn erschüttern ist, weil es eng mit Entstehung nnd Wesen des nendeiitschei: Reiches verknüpft ist. Tcigegei: hilft auch nichts, »venu ein nnd der andere deutsche Publizist daraus hinwcist, daß dieses System doch eigentlich gegen die geschriebene und beschworene Verfassung des Reiches verstoße, wie z. B. der Verfasser der Flugschrift: „Marokko-Rückzug", welcher ausruft: „Angesichts all dieses muß, den uns verhängnisvollen Glauben draußen zu zer- streuen, dies gesagt sein: Das Ausland befindet sich in einem Irrtum, wenn es meint, der Kaiser sei der a lleini g e He rr über die d e n t s ch e A »Islands- Politik. Wir leben im Deutschen Reiche nicht in einer Monarchie, sondern in einem Bundesstaate. Der Kaiser ist als solcher nicht Monarch, sondern lediglich ..das Präsidium" mit genau umgrenzten nicht sehr zahlreichen Rechten. Die auswärtige Politik des Deutschen Reiches isr verfassungs mäßig zn leiten von» Bnndesrate durch dessen Ausschuß für answärtige Politik, de» Bayern präsidiert. Vera nt- wvrilich für die auswärtige Politik des Deutsche» Reiches ist der Reichskanzler: veraiitwortlich de»: Bnndesrate nnd dem deutsche» Reichstage, also den: deutschen Volke." Das ist alles ganz richtig: aber es ist doch nur gräns Theorie: tatsächlich wird die auswärtige Politik heute von Wilhelm II. bestimmt, wie sie einst von Bismarck bestimmt wurde. Die übrigen deutschen Fürste»: werden nicht gefragt und der „Ansschnß für auswärtige Angelegenheiten" war, wie schon der zentralistisch nnd großprenßisch gesinnte Staatsrechtslehre»' Triegel lobend von ihm bemerkt, von Anfang an nur als Dekoration gedacht. In dem Augenblick nun, wa die Marokkoangelegenheii: ! in: wahrsten Sinne des Wortes versnmpst ist, kommt nnZ der teinperainentvolle Drcibiindgenosse in: italienischen Stiefel zu Hilfe nnd bringt durch seine»: mehr als nnüher- lcgten Ränberziig auf Tripolitanien wieder Leben in dis Politik. Für de»: staatsmännisch denkenden nnd urteilenden Deutschen kann cs im Tripolishandcl nur eine Stellung geben, nämlich die ans seiten der Türkei. Wenn dabei das Bündnis mit Italien in die Brüchs geht, um so besser. Wir wissen dann wenigstens, wie wie mit diesen: Bundesgenossen in Gänsefüßen dran sind, wäh rend wir »ins heute noch immer ans ihn verbissen, ohne z»i