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WtliMv M AWe« ÄliiMiimli Nr. 137. zu Nr. 61 des Hauptblattes. 1924. Beauftragt mit der Herausgabe: RegierungSrat Brauße in Dresden. Landtagsverhandlungen. (Fortsetzung der 8«. Litzuug von Donnerstag, den 6. März.) Punkt 7 der Tagesordnung: Beratung über die Eingaben der Gemeinnützigen Deutschen Hausratwcrke, G. m. b. H., in Leipzig und des Vorstandes des Heim- Aussteuer-Vereins in Dresden, betr. Darlehns- gewährung. (Mündlicher Bericht des Haushalt- ausschusses Drucksache Nr. 465.) Es wird ohne Bericht einstimmig beschlossen, die Eingaben ans sich beruhen zn lassen. Die nächsten beiden Punkte der Tagesordnung wer- den miteinander verbunden: Zweite Beratung über den Antrag des Abg Hof mann u. Gen., die Zuwanderung nnd Einbürge rung von Ostjnden betr. (Drucksache Nr. 253). (Münd- kicher Bericht des Haushaltansschusses ä, Drucksache Nr. 527.), und Zweite Beratung über den Antrag des Abg. Borner u. Gen., betr. Entziehung von Wohnungen gegenüber fremdstämmigen Ausländern (Truck fache Nr. 549). (Mündlicher Bericht des Haushalt- ausschusses Druchache Nr. 601.) Berichterstatter Abg. Zitter (Dtschnat.): Fast alte Staate»; Europas, namentlich die Schweiz, England, später anch Belgien sowie die Vereinigten Staaten von Amerika haben Gesetze erlassen, um die Zuwanderung von unerwünschten fremden zu unterbinden. Teutsch- land hat bisher eine solche Sperre nicht besessen. In folgedessen ist eine solche Zuwanderung ganz besonders in Deutschland, insbesondere anch in Sachsen zu ver zeichnen. Wir leiden besonders unter dem Zuwachs vom Osten her, nnd cs ist im Ausschüsse von allen Seiten darauf hingewiesen worden, das; der Ostjude Leine wünschenswerte Einwanderung darstellt, nnd zwar deshalb, weit er seine Eigenart und seine.st ultur biszum heu tigen Tage erhalten hat nnd dadurch besonders geeignet ist, für die Zersetzung des Gastvolkes in völkischer Hinsicht zu sorgen. Ein Zweifel über diese Auffassung hat weder im Ausschüsse bestanden, noch besteht er sonst im allgemeinen. Namentlich konnte man sich im Ausschuss auch stützen auf Erklärungen und Kundgebungen der Reichsregierung und des prcnstischcn Innenministers, die sich in dieser Richtung bewegen. Auch die nationalen Juden haben in verschiedenen Kundgebungen zu erkennen gegeben, das; sie wünsche», das; die Emwandernng von Östjuden beeinträchtigt und zurückgewiesen werden mochte. Es kann bei der Erörterung der Frage auch das Wirtschafts leben und der Arbeitsmarkt im deutschen Polke nicht beiseite geschoben werden. Im Ausschuß ist nun von einer Seite verlangt wor den, man solle doch gegenüber den Klagen, die vom Anstand zn uns herübcrlommen, eine gewisse Toleranz üben. Demgegenüber ist mit Recht betont worden, daß dieser Standpunkt eine völlige Verkennung der Ver hältnisse darstellt, weil erstens unsere Wirtschaft selbst leidend und deshalb die Zufuhr von sremdstämmigen Elementen nicht notwendig ist und weil wir selbst Er werbslose in Hülle und Fülle haben, die es verbieten, daß wir auch noch Erwerbslose von drüben herüber bekommen. Und endlich ist auf den Wohnnngsmarkt hinzuweisen; wir leiden selbst unter Wohnungsmangel, und es ist geradezu ein Vergehen am Volke, wenn wir unsere Wohnungen für diese fremdländischen Elemente freimachen müßten. Man hat nun im Ausschuß versucht, sich auf eine Verständigungsformel zu einigen. Zu dem Antrag Hoffmann u. Gen. beantragt der Ausschuß: Der Landtag »volle beschließen: die Regierung zu ersuchen, Maßnahmen gegen die nnerwünschte Einwandernng von Ausländern nicht deutschen Stammes zn treffen. Zn dein Antrag Börner n. Oien, beantragt die Minderheit des Ausschusses: Der Landtag »volle beschließen: die Regierung zu ersuchen, den in den letzte»; fünf Jahren zugewanderte»; sremdstämmigen Ausländern, falls diese nicht eine Ersatzwohnung durch Neubau bis Ende 1924 zur Verfügung halten, obwohl sie hierzu in der Lage sind, die benntzten Wohnungen zu entziehen, soweit es mit dein allgemeinen Fremdenrecht vereinbar ist, in Zukunft aber eine Sperre von Wohnungsnachweisen au solche Ausländer zu erlassen. Ich bitte, beide Anträge auzunchmen. Ministerialrat Nr. Münkler: Gegen den Zuzug und die dauernde Niederlassung von Ausländern ist schon infolge der Rot der Wirtschaft und insbesondere der Not, die auf den; Wohnungsmarkt herrscht, ohnehin seit den; Kriege ein besonders scharfer Standpunkt der Zurückdrängung eingenommen worden, der über die Anforderungen hinauSgeht, die vor den; Kriege bei der Niederlassung von Ausländern gestellt worden sind. Es wird i»; jedem Falle, bevor die Genehmigung zur dauern de»; Niederlassung eines Ausländers ertestt wird, neben den;, »vas früher schon Voraussetzung dasür war: da» er einen einwandfreien Lebenswandel geführt habe und mit dem Strafgesetzbuch nicht in Konflikt gekommen sei, jetzt auch verlangt, das; dieser Zuzug weder eine Belastung des Wohnungsmarktes darstellt noch auch m wirtschaftlicher Hinsicht unerwünscht oder belastend «st. Ich glaube anch, daß dies der einzige und allgemeine Gesichtspunkt fein könnte, nnd das; damit auch den Interessen Rechnung getragen sein sollte, die der An trag verfolgt, daß es aber nicht möglich ist, daß die Regierung bei der Genehmigung der Zulassung eines Ausländers Gesichtspunkte der Rasse oder der Reugwn anwende (Abg. I)r. Dehne: Tas ist doch gar nicht verlangt.) Es ist aber wohl anders möglich, diese»; Kreis abzugrenzen. (Abg. He. Dehne: Sie müssen doch die Anträge richtig lesen!) Wenn der Antrag lediglich auf die sremdstämmigen Ansländer abgestellt ist, so wird ihm mit der Politik, die gegen die Ansländer cingeschlagen wird, auch ge nügend Rechnung getragen: denn es wird, wie gesagt, bei jeder Zulassung eines Ausländers geprüst, ob da durch der Wohnungsmarkt belastet wird oder auch der Zuzug des Ausländers in wirtschastlicher Bcziehnng eine Belastung darstellt. (Zuruf: Was ist Belastung?) Es werden bei Genehmigung der Zulassung eines Ausländers insbesondere anch die Handelskammer nnd ebenso das Wohnungsamt gesragt, nnd regelmäßig wird, wenn vo»; der einen oder anderen Stelle erklärt wird, daß die Zulassung des Ausländers nicht erträglich sei, diese Zulassung versagt, ohne daß man deswegen auf die Eigenschaft des fremdslämmigcn Ansländers besonderes Gewicht zu legen braucht. Was die Zulassung von Ausländern in Gestalt der Einbürgerung angeht, so ist dazu nach dein Reichsgesetz über die Reichs- und Staatsangehörigkeit die Zu stimmung der Länder notwendig, es ist »licht möglich, eine einseitige Politik vor; feite»; eines einzelnen Landes einzuschlagen. Was die i»; den; einen Anträge ausgesprochene Be dingung angelst, daß den schon hier niedergelassenen Ausländern die weitere Genehmigung zum Anscnthalt nur dmn erteilt »vird, wenn sie für die Beschauung der Wohnung sich zu besonderen Leistungen verpflichten, so wird mir vom Landeswohnungsamt, das ich zwar nicht vertrete, mitgeteilt, daß dazu eine gesetzliche Hand habe nicht geboten sei. Tiese Erklärung ist vom Landes- wohnungsamt, wie aus den Akten ersichtlich ist, ja anch im Ausschuß abgegeben worden. Ich glaube, vom Standpunkt des Jmienmiiüsteriums würde es nicht möglich sein, wenn der Antrag über diese Praxis, die ich mitgeteilt habe, noch hinausgeht und weitere Maßnahmen gegen sremdstämmige Ausländer verlangt, ihm zu folgen. Ich g'aube aber, das; den Interesse»; sowohl des Wohnungsmarktes wie der Wirt- schast und insbesondere den Interessen der Einheimischen inbezug die Beschaffung einer Wohnung mit der dar gelegten Einwanderungspolstik genügend Rechnung ge tragen ist. Abg. 1>r. Dehne: Tie Anssuhrungen des Herr»; Re- gierungsvertreters habe»; uns einigermaßen verwundert. Wir haben im Ausschuß schon mit Zuziehung der Regierung diese Tinge behandelt und habe»; Auskünste erhalte»'., auf Grund deren die ursprünglichen Anträge eine wesentlich andere Fassung erhalte»; haben. T»c Rede des Herr»; Regierungsvertreters hörte fick» so an, als wenn er gegen die ursprünglichen Anträge polemi sieren wollte, die ja nicht mehr Vorhände»; sind. Wenn er sich aber den Minderheitsantrag vor Ange» hält, so hätte er von Religion, Rasse nnd ähnliche»; Dingen nicht spreche»; könne»;, den»; die Anträge haben vo»; diesen Dingen nichts mehr in sich. Ministerialrat Nr Küntler: Ich muß allerdings be kennen, daß nur der nähere Verlauf der Beratungen in; Ansschuß entgangen ist, an denen ich selbst nicht teilgcnommen habe. Es bleibt aber, daß anch jetzt ein besonderes Kriterium gestellt ist, wenn auch nur in dem Worte „fremdstämmige Ausländer". Das soll doch immer besondere Kreise gegenüber Ausländer,; in; allgemeine»; bezeichnen. (Zuruf: Nichtdeutsche!) Wenn »na»; von sremdstämmigen Ausländer»; spricht, will man, sei es abgcstellt auf die Rasse oder aus etwas anderes, wie es der ursprüngliche Antrag wollte, eine besondere Verschärfung gegenüber der Praxis, die sonst cin- geschlagen wird. Und das ist, glaube ich, nicht zu ver treten. Ich nehme auch an, daß die Praxis, die ich mitgcteilt habe, anch vo»; feite»; der Regierung i»; de»; Ausschußberatungen nicht anders dargestcllt worden ist. Abg Schnirch (Soz ): Ich bitte, den Mehrheitsantrag anzunchmen, aber de»; Minderheitsantrag abzulchnen, weil er lediglich die Konsegnenz dessen ist, was »vir im Ausschüsse mit der Regierung vereinbart haben Berichtererstatter Abg. Ziller (Dtschnat ): Ick, muß meiner Verwunderung darüber Ausdruck gebe»;, daß ei»; Regierungsvertreter derartig unorientiert vors Plenum tritt, wie es diesmal geschehe»; ist. Wir habe»; die Frage unter Mitwirkung von Regierungslommissaren nack» allen Seite»» hin ausführlich beleuchtet und sind zu der Entschließung gekommen, die unter Nr. 600 nnd Nr. 601 vorgeschlagen wird. Ich bedauere auch, daß in dieser Unorientiertheit der Herr Regierungsvertreter zurückgreift auf früher vorliegende Anträge, die mit de»; Anträgen des Ausschusses nichts zu tun haben. ES wird richtiger sein, daß die Regierung i»; Zukunft ihre Vertreter so instruiert, das; sie nicht die Verhandlungen im Landtage aufhalten und Erklärungen abgeben, die in; Gegensätze zu de»; in; Ausschüsse gegebenen Ec klärungen stehen. (Sehr richtig!) Ministerialrat Dr.Künkler: Meine Tamen und Herren! Ich bedaure sehr, Ihre Ausmerksamkeit noch einmal i»; Anspruch nehmen zu müssen, aber ich kam; es nicht als gerecht empfinden, das; der Herr Berichterstatter in seinen; Schlußworte in dieser Weise die von mir ab gegebene Erklärung kritisiert hat, in dem er mir vor wirst, daß ich, ohne mich genügend über die Verhand lungen unterrichtet zu haben, die Zeit des Landtages in Anspruch genommen habe. Ich konnte und kann nicht anders, als in dem Anträge immer noch eine»; besonderen Kreis vo»; Ausländern heransgehoben zn sehe»; (Zuruf) — von Ausländer»; nichtdeutschen Stammes —, und jeder, der die Ausländerpraxis kennt, weiß, welch ein besonderer Kreis tatsächlich damit allein getroffen »vird. (Sehr richtig! links.) Worauf ich Hinweisen wollte, war, daß es nicht angängig sei, diese»; besondere»; Kreis in der in; Anträge verlangten Weise dein; Zuzuge oder der dauernde»; Niederlassung zn treffen. Auch aus dein Schlußworte des Herrn Berichterstatters habe ich nicht erkennen können, wie dieser Kreis in einer andere»; als der angedeuteten Weise abgeqrenzt werde»; soll. Abg. Renner (Kom.) zweifelt, bevor zur Abstimmung verschritten wird, die Beschlußfähigkeit des Hauses au. Ter Namensaufruf ergibt, daß 47 Abgeordnete au wesend sind, nach Meinung des Präsidenten die Hälire der tatsächlich möglichen Abgeordneten, »veil infolge Ausschlusses der Abgg. Ellrodt und Ziviel tatsächlich nur 94 da sein könne»;. Abg. Renner bestreitet die Auslassung des Präsiden ten. Nach der Geschäftsordnung muß die Hälfte der gesetzlich bestimmten Zahl der Abgeordnete»; anwesend sein. Ter Präsident stimmt de»»; zu und beraumt, da das Haus beschlußunfähig ist, um die Abstimmung über die beide»; Anträge »»och zu erledigen, im Einverständnis des Hanfes eine neue Sitzung an auf 9 Uhr 5 Minute»» (Schluß der Sitzung 8 Uhr 48 Minuten abends.) 87. Sitzung. Donnerstag, de»; 6. März 1924. Nachdem die Sitzung um 9 Ubr 16 Minute»; wieder eröffnet worden ist, zweiselt der Abg. Renner aber mals die Beschlußfähigkeit des Hauses an. Durch Auszählung der Schriitsührer wird sestqestellt, daß 51 Abgeordnete anwesend sind. Abg. Schnirch (zur Geschäftsordnung): Es scheint gerade so, als ob »na»; jetzt ei»; System daraus machte, einzelne der Abgeordnete»; bis ins unendliche hie; sitzen zn lassen, während andere glauben, sich der Sache dadurch entziehe»; zu können, daß sie abreisen. Aus diesen; Grunde beantrage ich, über die beide»; An träge Nr. 600 und 601 namentlich abzustimmen. Hierauf »vird der Mehrheitsantrag in namentlicher Abstimmung mit 49 gegen 5 Stimmen — 40 Abgeord nete fehle»; —, der Minderheitsantrag »»ach Verzicht des Abg. Schnirch auf namentliche Abstimmung in gewöhnlicher Abstimmung mit Mehrheit angenommen. Nach einigen Mitteilungei; über Veränderungen in der Besetzung einer Anzahl Ausschüsse schließt der Präsident 9 Ubr 31 Minuten abends die Sitzung. 88. Sitzung. Dienstag, den 11. Mär; 1924 Präsident Wrnkler eröffnet die Sitzung 1 Uhr 9 Minuten nachmittags. Am Rcgicrungstisch Ministerpräsident Heldt mit sämtliche»; Ministern und einer Anzahl Regiernngs- vertretcrn. Pnnkt 1 der Tagesordnung: Knrze Anfrage der Abgg. Dr Kastner, Gunther u. Gen. (Den;.). (Druck sache Nr. 718.) Sie lautet: Durch Verordnung des Ministeriums des Jnucrn von; 28. November 1923 ist de»; Gemeinde»; aus- gegeben worden, das Verrragsvcrhältnis mit de»; selb ständige»; Rabrnngsmittelchemikern für de»; 3O.Juni 1924 zu kündigen, da von» 1-Juli 1924 die gesauste Lebens- Mittelüberwachung ausichließlich an die beide»; staat liche»; Untcrsnchungsstellen Leipzig und DreSde»; über gehe»; soll. Dieser Erlaß bedeutet für die seit Jahr zehnte»; in der Nahrungsmittelüberwachung tätigen selbständigen Nahrungsmittelchemiker eine außer ordentliche. Härte, weil sie mit einen» Schlage hier durch brotioS gemacht werden Vor alle»; Dinge»; aber hat auch die breite Offentlichkest an d;eser Um gestaltung ei»; besonderes Interesse. Durch den Er- laß werde»; die i»; langjähriger praktischer Arbeit ge-