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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.06.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-06-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120603026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912060302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912060302
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-06
- Tag 1912-06-03
-
Monat
1912-06
-
Jahr
1912
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«chme! »ft »»»: ft««rtzalt Tftutschland, und d«r dotschrn vftrftliährl. »M Mt„ ««aatl. IM Ml. Eicht. P»ftb«ft«llgelL. tz«r»«r tu Belgien Dauemarl, d«n Donauftaaten, Italft», Luxemburg. Rtedrrlaude. Rar» w«a«n. Oekrrretch. Uaoar», Slukla»». Echw«d«n Schwelt. 2» alten übrige« Staaten nur direkt b»rch die (LelchLnä- ftell» de» Blatte» erhältlich. D— Leiprtger Tageblatt «lchetat r»al täglich. San» «. Feiertag, «er morgen». LbonnemenwoLnnahm« Iab»»«i»,»Ii« 8. »et mrleren Träger«. Filialen, Spedit eiere« »«d llmrahmektellemlowt» Pojtämier» «» Briefträger«. « Br Bezugt-Pret- m» gebracht:» Vi. monatig L7V Ml. lläbrl. «et nnser« Ftliala« w An- strüen «übaeheU: 7» Pl. »»«atl, LMM«, oietteltährü Abend Ausgabe. NWgcr T agtblaü » . s"W2 l«acht.e>chUch) Lel.-Anschl.r 14 6« l 14894 Handelszeitung. Sankkonto: allgemein« Deutlch« Trebtt- «nltal, «rüdl 75/77 Deutsche Lank, Filiale Leipzig Dep.-Itals« lvrimin. Steinweg ä. WML' . Ämtsökatt des Nates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. W.«--.» Lnzeiftm-Preis ft, Inserat, ane 2ett»zta «ltd Umaebu^ di, lspalttge Petttzetl« ÄPs-dteXeklam» zeit« l Mb oan auewärt» aO Ps. Reklamen iÄ Mk Inserate oon Behörden im amt lichen Teil di, Petitzeii« SD P». Selchäsl-anzetgen mit Plagvorschttfte» im Preis, erhöht Rabatt nach TarN «eilagrgedübr »«saml. auslage L Mk. o. Tausend erkl. Postgebühr. Teildeilag» höher Feftettetlt« Aufträge können nicht zurück, gezogen werden. Für da» Lrlcheinen an belttmmien Tagen and Plagen wird ket«e tbarantt« übernommen. «nzetgen. Annahme: 3»d«»,>»g»Ne «. bei sämiltchen Filialen u. allen Annon««» Troedittonen de» 2n» and Au»land»». Druck »ad Verl», «»» Fisch«, ck KAftft» Inhaber. Pani ltürst««. «ed,M.» »ab »eschöft,»«»«: 2odanni»gass« a. Haupt-Atlinle Dr«»de«: Seeitraft« «. l ilelephon <8211. M. 279. lilonlsy, gen z. Juni ISIS. 106. Zshrgang. Die vorliegende Ausgabe umfaßt 10 Seiten. Oss Wichtigste. * Bei einem Ausfall aus Fez hatten die Franzosen zwölf Tote und 31 Ver wundete. bes. Art.) * In Belgien fanden am Sonntag die Mammerwahlen statt. (S. bes. Art.) * Die Italiener sollen an der tunesi schen Grenze durch die Araber eine Schlappe erlitten haben. (S. bes. Art.) Die Srgebnikle üer chlnelilchen Revolution werden von unserem früheren Gesandten in China, M. von Brandt, im Iunihefte der „Deutschen Rundschau" als „sehr ungünstig" beurteilt. Selbst wenn man von den andauernden Soldatenaufständen und Plünderungen absehe, könnten die Ergebnisse der scheinbar mm Abschluss gelangten Bewegung keine andere Beurteilung finden, obgleich weite Kreise, namentlich im Ausland«, auf die schönen Warte der Revolutionäre hereingefallen seien. DasHeer, in der eine gewisse Sicherheit für die ruhige Entwickelung Chinas gelegen habe, wäre auf Jahrzehnte hinaus ruiniert und verdiene kein Vertrauen-, denn was geschah, könne wiederum geschehen. Die Finan zen seien durch die Zerstörung von Werten sowie durch die Aufhebung aller Steuern und die damit ins Land gebrachte Unruhe ebenfalls für längere Zeit ruiniert. An die Stelle einer möglichen konsti tutionellen Monarchie, für deren gedeihliche Entwicke lung alle Elemente vorhanden gewesen wären, sei der Schemen einer Republik getreten, für die nach der Ansicht der meisten fremden Chinakenner und auch der meisten urteilsfähigen Chinesen in China qar kein Boden vorhanden wäre. Man habe freies Feld für ungezügelten, jeder Vorbildung er mangelnden Ehrgeiz dort geschaffen, wo nichts leichter gewesen wäre, als ihn in geordnete Verhältnisse ein- zufüge«. Die Phrase habe in China während der Unruhen wahre Orgien gefeiert, und das Ausland werde noch viel unter diesen Phrasen zu leiden haben. v. Brandt denkt in letzterer Beziehung an alle möglichen Zugeständnisse, die die Republik China, unter Hinweisen auf die ruhmreiche Revolution, be treffs der erinnerten Gerichtsbarkeit und die Exter ritorialität der Fremden mutmaßlich beanspruchen würde. Ob aber derartige Forderungen tatsächlich erhoben werden, muß man mindestens abwarten. Und das gleiche gilt von der angeblichen Erklärung des Dr. Sunjatsen, daß er nach der glücklichen Be endigung der politischen Revolution jetzt daran gehen würde, durch Ausführung der Lehren von Henry George die größte soziale Revolution in die Wege zu leiten, die die Welt je gesehen; auch in bezug hierauf bleibt abzuwarten, ob Dr. Sunjatsens an gebliche Zukunftsmusik praktische Bedeutung erlan gen werde. Für di« unmittelbare Gegenwart aber scheint Herr von Brandt allzu schwarzseherisch zu ur teilen. Was insbesondere sein Verdikt über Ehinas Finanzen anbetrifft, so bestätigen freilich die gerade heute bckanntgewordenen Zahlen über das chinesische Defizit für das Jahr 1912 von Brandts Ansicht, daß die Beschaffung der für China unumgänglichen Sum men während der nächsten Jahre viele Schwierig keiten und Sorgen bereiten werde. Anderseits aber ist die sprichwörtliche Gewissenhaftigkeit des Chine sen in Geldsachen ein Faktor, mit dem auch die Gläu biger des chinesischen Staats bisher selbst unter den schwierigsten Verhältnissen haben rechnen dürfen. Dieser Umstand und die Internationalität der chine sischen Anleiheoperationen wird zur Erleichterung der finanziellen Sorgen Chinas in demselben Maße beitragen, in dem das neue Regiment jüngst be gangene. inzwischen wieder gutgemachte Mißgriffe bei der Aufnahme von Anleihen vermeidet. Oie belgischen Wahlen. Bis Sonntag abend 11 Uhr lag das Resultat für Brüssel noch nicht fest. Es waren gezählt 23 250 Liberale, 21095 Klerikale und 80 946 sozialistische Stimmen. Es stehen noch eine ganze Anzahl von Distrikten aus. so daß das Gesamtbild nicht feststeht, doch steht es jetzt schon fest, daß sowohl die Libe ralen wie die S o ia ti st e n mehr Sitze in Brüssel gewinnen, wie sie bisher inne hatten. In Antwerpen hat das liberal-sozialistische Kartell, das eine gemeinsame Liste ausgestellt hatte, mit 50 500 Stimmen gegen 36 049 klerikale Stimmen gesiegt. Wie sich diese Majorität auf die Anzahl der Sitze verteilt, ist allerdings noch nicht zu sagen, da die Ausrechnung infolge des Proportional systems eine außerordentlich schwierige und zeit raubende ist. In Charleroi, Mons und Ium « t hat die sozialistische Liste disher einen großen Vor sprung. Vor heute mittag ist das endgültige Wahlergebnis unmöglich genau fe/tzustellen, da aus den ländlichen Bezirken die Resultate nur sehr spärlich einlaufen und die Zusammenstellung und die Berechnung außer- ordentlich mühselig ist. Es scheint jedoch jetzt schon festzustehen, daß die Klerikalen eine ganz ge. ringe Majorität im Abgeordnetenhaus« be haupten werden. Die neuen Wahlkreise werden un- gefähr zur Halste den Klerikalen, zur Hälfte den Liberalen und Sozialisten zufallen. Weiter wird gemeldet: Brüssel, 3. Juni. Das Ministerium des Innern gibt folgendes CommuniquL, das das Wahlergebnis bis 10'/4 Uhr folgendermaßen dar stellt, aus: Die Katholiken, die in der Kammer sechs Stimmen Mehrheit hatten, gewinnen je einen Sitz in Courtrai, Tengres, Hasselt, Nivelles und Huy. Das wären 16 Stimmen Mehrheit für die Regierung. Da aber vermutlich in Brüssel ein .zwölfter Katholik gewählt wird, könnte die Mehrheit der Regie rung auf 18 ste i ge n. Wahlkrnwalle in Brüssel. Aus Brüssel wird gemeldet: Vor Sen Hauptquartieren der verschiedenen Par. teiorganijationen sammelten sich am Sonntagabend große Menschenmengen an, um die Verkündigung des Wahlresultates entgegenzunehmen. Vor dem Maison du pcuple an oer Place Notre Dam« de la Chapelle, sowie vor der Brassen« Flamandc am Börsenplatz so wie vor dem Gebäude des National in der Rue Montagne des Herbes Potagdres kam es zu wie derholten Zuiammenstö ßen zwilchen der Polizei und den Menschenansammlungen. Auf bei den Seiten gab es Verwundete, doch gelang es der Polizei, bis 9 Uhr abends die Ordnung wiederherzu stellen. Oer Vulgsrenkönig in Wien. Wien, 3. Juni. Gestern vormittag machte die bulgarische Königsfamilie Besuche bei den Mitgliedern der kaiserlichen Familie. Mittags fand beim Erzherzog Franz Ferdinand ein Dejeuner statt, an dem auch die beiderseitigen Minister des Neuster«» tcilnatzmen. Die "hohen Gäste waren überall Gegenstand herzlicher Kundgebun gen der Bevölkerung. Königin Eleonore stat tete nachmittags der Gemahlin des Ministers des Acustcrn Grafen Berchtold einen halb stündigen Besuch ab. Abends fand zu Ehren der fürstlichen Gäste ein Gal ad iner in Schön brunn statt, an dem der Kaiser, die Mitglieder der kaiserlichen Familie, die hier anwesenden Prinzen von Sachsen-Koburg und Gotha, der Minister der Auswärtigen Angelegenheiten Graf Berchtold und Minister des Aeustcrn Geschow sotvie die übrigen Minister und eine Reihe von Hof- und Staatswürdenträgern teilnahmen. Kaiser Franz Josef brachte folgenden Trinkspruch aus: Es gereicht mir zur lebhaften Freude, Eure Majestäten und Ihre Königlichen Hoheiten, den Kronprinzen und den Prinzen Cyrill willkommen zu heißen. In einigen Wochen, Sire, tvcrden 25 Jahre verflossen sein, seit dem Tage, da die Vorsehung Ew. Majestät die Geschicke Bulgariens anvertraute. Indem Ew. Majestät vom An tritt der Regierung an eine Politik der Weis heit und Mäßigung verfolgten, haben Sie Ihrem Volke die Wohltaten des Friedens ge wahrt und mächtig beigetragen zu dem unaus gesetzt wachsenden Gedeihen Ihres Landes. Meine wärmsten Wünsche begleiten die friedliche Ent wicklung Bulgariens, das Dank der hohen Weis heit Ew. Majestät ein Element der Ordnung und Ruhe auf dem Balkan bildet. Ich bin glück lich, die Anwesenheit Eurer Majestäten und Ihrer Königlichen Hoheiten unter uns als ein neues Unterpfand der ausgezeichneten Beziehungen ansehen zu können, die zwischen unseren Staaten bestehen. Ich erhebe mein Glas zu Ehren Eurer Majestäten und der ganzen königlichen Familie. Der König von Bulgarien erwiderte: Sire! Die gnädigen Willkommengrüße, die Ew. Kaiserliche, Königliche und Apostolische Ma jestät soeben an uns richteten, rühren tief an mein Herz und ich sage Ew Majestät dafür in meinem Namen sotvie in dem der Königin und meiner Söhne meinen aufrichtigen Dank. Das sympathische Interesse, das Ew. Majestät nicht aufhörten, dem Werke, das die Vorsehung mir anvertrautc, und der Entwicklung meines Landes entgegenzubringen, wofür Ew. Majestät Worte mir einen neuen kostbaren Beweis geben, hat es mir zur angenehmen Pflicht gemacht, Ew. Majestät als Souverän an der Wende des 25. Jahres meiner Regierung die Gefühle meiner Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen. Mit be sonderer Genugtuung erfülle ich heute diese Pflicht und nehme gleichzeitig Gelegenheit, die wahren Gefühle zu bezeigen, die ich für Ew. Majestät hege, deren erhabene Person sich in einer langen historischen Regierung den höch sten Anspruchauf Bewunderung und Achtung ganz Europas erwarb. Ebenso glück lich ivie Sie, Sire, in diesem denkwürdigen 'Augenblicke ein Unterpfand mehr für die ausge zeichneten Beziehungen zu setzen, die zwischen unseren beiden Staaten bestehen, erhebe ich mein Glas zu Ehren Eurer Majestät und der ganzen ^kaiserlichen Familie. Nach dem Tiner hielten die Fürstlichkeiten Cercle ab. Marokko im klukruhr. Die Lage in Fez. Die letzten Nachrichten aus Fez lauten etwas günstiger. In Fez selbst soll augenblicklich alles ruhig sein. Auf der Karawancnstraße Fez—Mekines wurde ein Angriff auf den französischen Postwagen unternommen, wobei die militärische Be gleitung, die aus 30 Soldaten bestand, nieder, gemetzelt wurde. Die gesamten Postsachen fielen den Räubern in die Hände. Die Kolonne des Generals Girardet hatte neuerdings einen heftigen Angriff der Marokkaner abzuwehren, wobei mehrere Soldaten verwundet wurden. General Lyautey be nutzt die augenblickliche Ruhe dazu, um seinen Truppen die wohlverdienten Ruhetag« zu gönnen. Lange scheint diese Ruhe aber nicht dauern zu sollen, denn im Norden und Nordwesten der Stadt machen sich neuerdings bedenkliche feindliche An« sammlungen bemerkbar. Rif1euke vor Fer? Der Korrespondent des „Matin" meldet aus Tanger, man habe mit Ueberraschung wahrgenom men, daß die Fez bedrohenden Harken zum großen Teil aus den Rifstämmen beständen, die noch jüngst gegen die Spanier gekämpft hätten. Man frage sich, welcher Anstiftung diese Stämme gehorcht hätten, um den langen Marsch nach Fez zu unternehmen und die Franzosen anzugreifen. Die Franrosen in der Offensive. General Lyautey sandte an den Minister des Aeußern folgendes Telegramm aus Fez: Die Kolonne des Obersten Iouraua, welche fünf Bataillone Infanterie, sechs Abteilungen Ar tillerie und zwei Eskadrons Kavallerie umfaßt, rückt« um 5 Uhr früh gegen den Feind vor, -er sich zehn -y Heimliche Liebe. Roman von Konrad Ärmling. /Nachdruck verboten.) Einmal nur hob sie die Augen, als Pastor Friedrich von dem stillen, friedlichen und so kurzen Eheleben des Verstorbenen sprach und dabei ihren Mädchennamen nannte: leer, ausdruckslos, todes starr ließ sie den Blick über die Versammelten und über den blumenbedeckten Sarg gleiten und ließ als dann den Kopf noch tiefer sinken, während nun zum «rstenmal das Zucken ihrer Schultern den Seelen schmerz verriet. Pastor Friedrich sprach noch immer; eine Ewig keit dünkte es Hellldorf schon; der Klang seiner Stimme schmerzte HellLorf, tat ihm geradezu körper lich weh; dieses bereits brüchige, nicht mehr voll klingende Ogan des alten Mannes klagt« mehr, als daß es getröstet hätte; es riß an den Nerven und verursacht« Herzklopfen. Bisweilen sank es herab zu einem heiseren Flüstern, um sich dann wieder zu erheben zu ein paar harten, dumpfen Lauten, aus denen man nur noch die Vokale heraushörte, die seelenlos durch den Raum hallten, sich an den Säulen brachen und kraftlos zu Boden sanken. Endlich schwieg der Pastor. Ein Augenblick lautloser Stille, dann ein allgemeines, unterdrücktes Räuspern, Husten, ein Aufatmen. — Körperbe wegungen, Stiefelknarren. — Dazwischen eine flüsternde Männerstimme vom Hausflur her durch die weit geöffneten Flügeltüren, und die frischen, jugendlichen Stimmen der Denziner Schulkinder setzten ein mit ihrem Hellen, hohen Diskant, der so gar nicht hineinzugehören schien in die dumpfe Trauer dieser Stunde; der volle, etwas rauhe Bariton des Lehrers vermischte sich mit ihnen, schien gegen sie anzukämpfen, führte sie und hielt sie wieder zurück, wenn die Melodie sich hob. In diesem Augenblick brach Hanna von Warnow zusammen, der Nelkenstrauß glitt von ihrem Schoß zur Erde, sie barg das Gesicht in die Hände und be gann zu weinen — schluchzend, halüos, in herz zerreißendem Schmerz. .Fassung, gnädige Frau . . . verehrte Frau Baronin, Fassung!" . . . Pastor Friedrich nahm Hannas Arm und verließ als erster mit ihr -en Saal. Nun standen sie all«, die do gekommen waren, Rudolf von Warnow di« letzte Ehre zu erweisen, um das offene Grab, über dem Pastor Friedrich den Segen sprach. Hanna weinte nicht mehr. Bevor sie das Haus verließ, hatte sie einen langen, faltigen Mantel umgeworfen und den Krcpphut aufs Haar gesetzt, dessen langer, wallender Schleier vom Lufthauch hin und her geweht wurde. Mit sinem kurzen, hastigen Händedruck und ein paar leise geflüsterten Worten versicherte ihr jeder einzelne noch einmal seine Teilnahme, die Schwestern Kramsdorff küßten ihr die Wairge, und Herr von Halbach beugte sich mit seiner etwas steifen und un geschickten Ritterlichkeit auf ihre Hand. Auch Georg von Helldorf trat heran und reichte ihr di« Hand, kürzer noch und hastiger als die anderen und ohne ein Wort dabei zu sprechen. Sie sah wohl kaum, wer vor ihr stand; sie hob nicht ein mal di« Aug«n. Und dann war er schon wieder zurückgetreten und hatte sich unter die anderen ge mischt. Nkkn warf dem Toten drei Handvoll Erde auf den Sarg. Georg von Helldorf zögerte. Aber dann hatte er plötzlich das Gefühl, als ob aller Augen auf ihn gerichtet wären, als ob sie ihn ansähen — fragend, forschend, - wißend, «»klagend und ver urteilend. Und er beugte sich auch dieser Sitte. Dann war alles vorüber. Man ging auseinander. Das Grab Rudolf von Warnows wurde zuge schaufelt, und eine Stunde später wölbte sich schon der feuchte, graugelbe Erdhügel darüber, den Kränze, Blattgrün und Blumen deckten, über den der nebel feuchte, kalte Wind strich und auf den ein bleigrauer, wolkenschwerer, trostloser Winterhimme-l herabsah. * * * Als Georg von Helldorf acht Tage nach dem Tode seines Freundes Warnow in den Denziner Gutshof fuhr, fand er ihn leer und beinah« ausgestorben. Förster Brandt, der zugleich — oder eigentlich im Hauptamts — die Geschäfte eines Inspektors ver sah, trat erst nach längerer Zeit aus der Tür seines Hauses, um ihn zu begrüßen. „Wünschen der Herr Baron, daß ausgespannt wird?" fragte er in ziemlich gleichgültigem Tone und ohne jede Zuvorkommenheit oder Freundlich, kett. Sein „Brotherr" war tot. das Gut würde wohl über kurz oder lang in fremde Hände übergehen; ! dann war seines Bleibens hier nicht länger. Und I andere Interessen hatte er hier ja auch nicht; viel leicht Liebe zu der Scholle, an deren Bewirtschaftung er seit Jahren sein Teil mitgeholfen hatte? Du lieber Gott! Er war ja kein „Herr", kein Besitzender. Wo sollte diese Liebe da Herkommen? Uno senti mental war er noch viel weniger. Dazu kam, Laß er gerade diesen Herrn von Helldorf sehr wenig liebte. An «inen Unglücksfäll beim Tode seines armen Herrn glaubte er schon längst nicht mehr. Er hatte dock) Augen im Kopfe gehabt und mancherlei ge sehen — Wer weiß, wie die Dinge da lagen. Man sprach ja darüber nicht; man war vorsichtig. Aber jetzt auch noch besonders freundlich sein und zuvor kommend einem Menschen gegenüber, der vielleicht schuld daran war — zum Teil und in irgend einer Weise sicherlich — daß es nun bald mit seiner In- spcktorherrlichkeit zu Ende sein würde? . . . Nein — es verlohnte sich, weiß Gott, nicht. Georg von Helldorf hatte ernste Dinge im Kopfe, die ihn gewiß vollauf beschäftigten, aber das ver änderte Benehmen des Försters fiel ihm dock) auf. „Nein. Danke!" sagte er deshalb kurz und be stimmt. — „Aber — die Frau Baronin ist doch wohl zu Hause?" Herr Brandt hatte sein« Mütze wieder aufgesetzt. Früher hatte er das nicht getan, sondern stets die Aufforderung dazu abgewartet. „Das schon", entgegnete er nun gedehnt, „aber sie empfängt niemanden. Das heißt" — und nun kam ein häßlicher Ausdruck in seine Augen, den er nicht einmal zu verbergen suchte — „beim Herrn von Hell dorf ist das wühl etwas anderes. Wenn sich der Herr Baron einmal ins Haus bemühen möchte." Georg brauste bei den letzten Worten auf, aber er bezwang sich noch. „Was heißt das, Herr Brandt?" Der Förster war in der Tat kein „Herr", er lenkt« sofort wieder ein; aber auch dabei wußte er noch sei nen Worten einen bitteren Beigeschmack zu geben." „Der Herr Baron waren doch der beste Freund -es verstorbenen gnädigen Herrn. Vielleicht ist es für die arme Frau Baronin sogar ein gewißer Trost, sich einmal auszusprechen . . . Darf ich den Herrn Baron also anmelden?" „Danke! Ich werde selbst gehen." Georg sprang vom Wagen und ging ins Haus. Auch hier war dieselbe Leere und Oeide wie aut dem Hofe. Kein Mensch ließ sich sehen, niemand kam ihm entgegen. So mußte er sich denn selbst helfen. Er ging den halbdunklen Hausflur entlang und klopfte an die Tür, die in Hannas Zimmer führte. Keine Antwort. Er wartet« noch einen Augenblick und ging langsam weiter zum Arbeitszimmer seines verstorbenen Freundes. Hier rief eine Stimme auf sein Klopfen: „Her ein!" Er öffnete, betrat das Zimmer und blieb an der Tür stehen. Hanna saß am Schreibtisch ihres Mannes, den Rücken der Tür zugewandt — wie damals Warnow, als Georg seinen ersten Besuch machte. „Guten Tag!" sagte Georg auch jetzt, aber nicht freudig und erwartungsvoll, wie er es damals getan, und Hanna stand auf. „Guten Tag!" sagte nun auch sie, aber sie kam ihm nicht entgegen, sie bot ihm nicht die Hand, son dern fügte nur gewohnheitsgemäß hinzu: „Willst . . . wollen Sie nicht nähertretcn und Platz nehmen?" „Darf ich ablogen, Hanna?" Seine Frage klang befangen und hilflos, aber er hatte doch wenigstens etwas gesagt und war über di« ersten peinlichen Augenblicke hinweg. „Bitte. Aber — war denn niemand da, -er Ihnen behilflich sein konnte? . . . Verzeihen Sie . . . Sie müssen schon Rücksicht nehmen. Es ist alles noch nicht wieder im rechten Gleise." Die letzten Worte sprach sie ins Leere, ohne es zu bemerken. Georg hatte draußen abgelegt und kam nun wieder. Er setzte sich auf den Platz, den sie ihm mit einer Handbewegung angewiesen hatte, und be gann nach ein paar einleitenden Worten zu suchen. „Sie empfangen sonst niemanden, sagte mir der Förster?" „Nein. Wer sollt« auch kommen?" „Haben Sie mich nicht erwartet?" „Ja. Aber nicht so bald. Doch nun ist es ja gut. Wenn es . . . wenn es überhaupt nötig war, daß wir uns noch einmal gegcnübertreten." „Ich kann nicht wieder gehen, Hanna!" Er seufzte und schwieg. „Nein. Ich sage das auch nicht. Es ist wohl nötig, daß wir noch einmal miteinander sprechen." Sie begann, im Zimmer auf und ad zu gehen, ohne zunächst «in weiteres Wort an ihn zu richten. Sie war merkwürdig ruhig, und weder ihre Haltung noch ihre Stimme verrieten etwas von dem, was in ihrem Inneren vorging. tFortsetzung in der Morgenausgabe.)
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