Volltext Seite (XML)
Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und dis Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zn Waldenburg. Mittwoch, den 16. Februar 1881. ^Waldenburg, 15. Februar 1881. Getreidezoll und Noggenpreis. Gegenwärtig liegt ein Bericht zur Bewegung der Getreidepreise im Jahre 1880 und deren Ursachen vor, welchen der vereidete Makler Herr Emil Meyer „über den Getreide-, Oel- und Spiritushandel in Berlin und seine internationalen Beziehungen im verflossenen Jahre" veröffentlicht hat. Interessant ist darin der Verlauf des Noggengeschäfls und die angebliche Einwirkung des Zolles auf denselben. In dieser Beziehung constalirt nun der in Frage stehende Bericht, daß der Geschäftsgang im Roggen Anfangs vielfach die gehegten Erwartungen getäuscht habe. „Nachdem mit dem Beginn des Jahres 1880 die Grenzen durch einen Eingangszoll von 10 Mk. abgeschlossen waren, glaubte man allgemein an eine sofortige bedeutende Wertherhöhung. Die selbe blieb aber aus; im Gegentheil trat sogar eine weichende Tendenz ein, als die vor Einführung des Zolls angehäuftsn Waarenmaffen bei ihrer Ausschüttung zum Frühjahr einen empfindlichen Druck austtbten, der erst zu Hall und Umschwung gelangte, als die Anfangs glänzenden Ernteausfichten durch die Maifröste und schlechtes Erntewetter sich in ihr Gegentyeil verkehrten. Der Preis des Rog gens hob sich hiernach auf ein seit 1867/68 nicht dagewesencs hohes Niveau, ohne daß dadurch die wieder nothwendig gewordenen großen Zufuhren angelockt wurden, welche durch ähnliche Preisver hältnisse in anderen Jahren unsehlbarherbeigezogen wurden. Jetzt erst rächte sich in vollem Maße der schwere wirthschaftliche Fehler, den mau mit der Wiederherstellung der Getreidezöüe begangen halte. Deutschland mußte an leinen Bezugsmärkten anderen Bedarfsläuderu nachstehen, die nicht mit Zöllen zu rechnen hotten und deshalb bessere Preise anlegen konnten. Als die Noth uns schließlich zwang, die weitgehendsten Forderungen zu bewilligen, waren die Vorräthe an jenen Bezugsplätzen fast vollständig geräumt. Während in der ersten Jahreshälfte eine von allen Seiten verlangend an unseren Markt tretende Bedarfssrage zu relativ billigen Preisen be friedigt werden konnte, waren wir später selbst ge zwungen, zu Surrogaten für Roggen zu greifen und Ersparnisse aller Art anzuwenden. In erster Linie stand dabei der durch Regen in der Ernte enlwerthete Weizen, welcher in beträchtlichen Partien an den Markt gelangte; aber auch Versuche, Roggen mehl mit Mais-, Kartoffel- und Erbsenmehl gemischt zu verbacken, wurden mit Erfolg gemacht. Auf diese Weise wurde eine Einschränkung des Roggen verbrauchs erzielt, die schließlich auch in einer kleinen Herabsetzung des Preisstandes zum Ausdruck kam." Der Eingangszoll auf Roggen bewirkte also an fangs nicht allein keine Preissteigerung, sondern es trat sogar eine „weichende Tendenz" ein. Der Grund dieses Rückgangs waren eben die da mals sehr günstigen Ernte-Aussichten. Die Herren Speculanten, denn diese kümmern sich sehr wenig um das billige Brod des armen Mannes, würden wahrscheinlich auf die angehäufkn Waarenmaffen ohne Weiteres den Zollzuschlag gemacht haben, wenn sie nicht die Besorgniß gehegt hätten, daß die in Aussicht stehende günstige Ernte noch stärkere Rück schläge bringen würde. Erst als die günstigen Ernte- Aussichten sich in ihr Gegentheil verkehrten, began nen die Roggenpreise zu steigen, und daß diese stei genden Preise dessen ungeachtet, keine gesteigerten Zufuhren herbeizogen, erklärt sich dadurch, daß unser bisheriger Haupt-Noggenlieferant, Rußland, eben sehr wenig oder nichts zu versenden hatte. Aus diesen Vorgängen kann man die Lehre ziehen, daß der Getreidezoll gegenüber dem Ausfall der Ernte eine verschwindende Größe ist, daß wir aber mit den Mißernten unserer Getreidelieseranten zu rechnen haben und daß wir gar nichts Gescheidteres tbun können, als uns von unseren bisyerigen Liefe ranten durch Hebung der heimischen Landwirthschast möglichst unabhängig zu machen. *Waldenburg, 15. Februar 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Se. Kaiser!. Hoheit der deutsche Kronprinz ist am Freitag einer großen Gefahr entgangen. Als derselbe in Begleitung seines persönlichen Adjutanten, Hauptmanns v. Pfuhlstein, Nachmittags seine Equi page bestiegen und auf seiner fast täglich unternom menen Spazierfahrt kurz nach der Abfahrt von sei nem Palais in die Französische Straße eingebogen war, scheute, wie tue Vossische Zeitung berichtet, plötzlich das eine der Pferde und machte durch einen heftigen Seitensprung das Nebenpferd so unruhig, daß der Leibkutscher nicht mehr im Stande war, die beiden prachtvollen jungen Trakehner Rappen zu zügeln und diese in Carriere mit dem Gefährt davonjagten, obgleich auch der Lakai auf dem Bock mit in die Zügel griff. Der Kronprinz, die Gefahr erkennend, warf schnell entschlossen seinen weiten Pelzmantel ab, um freie Bewegung zu haben, und sprang, den Säbel an der Seite, mit großem Ge schick aus dem Wagen hinaus, ohne sich glücklicher Weise bei dem gefabrvollen Sprung zu beschädigen. Hauptmann v. Pfuhlstein that ein Gleiches nach der entgegengesetzten Seite. Endlich gelang es, die kräf tigen jungen Pferds zum Stehen zu bringen. Der Kronprinz beruhigte durch Streicheln die Thiere, nahm nach geraumer Zeit wieder Platz in seinem Gefährt und setzte dann, lebhaft von der herbeige eilten Menschenmasse begrüßt, seine Spazierfahrt nach dem Thiergarten weiter fort. Am Hochzeitstage des Prinzen Wilhelm sollen auch umfangreiche Begnadigungen stattfinden. Neben politischen Verurtheilten sollen auch noch solche Personen begnadigt werden, deren Verhallen im Gefängnisse wirkliche Besserung verspricht. Am Freitag waren die Mitglieder des permanen ten Ausschusses des Volkswirthschaftsraths nach Be endigung ihrer Beratungen zu einem Diner beim Fürsten Bismarck versammelt. Dabei wurde auch der deutsch-österreichische Handelsvertrag be sprochen. Bismarck bemerkte, daß die innige poli tische Freundschaft, die uns mit Oesterreich verbinde, auch auf das wirthschaftliche Gebiet übertragen werden müsse. Was den Abschluß des Handels vertrages mit Oesterreich betreffe, so verlange Oester reich nach Bismarcks Bemerkung nicht unbedeutende Ermäßigung für Zölle auf Getreide und Holz. Dagegen verzichte es auf eine Ermäßigung des Weinzolles. Auf die Bemerkung eines Mitgliedes des Volkswirthschaftsrathes, daß durch die mit Frankreich eingegangene Meistbegünstigungsklausel das Zustandekommen eines Handelsvertrages Deutsch lands mit Oesterreich verhindert werde, hob Bismarck hervor, dies sei durchaus nicht der Fall, da Oester reich nur an drei Einfuhrartikeln: Holz, Vieh und Getreide, ein Interesse habe und für diese von Deutschland eine Ermäßigung des Zolles verlange. Ueber die Chancen eines baldigen Zustandekommens des Handelsvertrages mit Oesterreich sprach sich Bismarck nicht aus. In der Bundesrathssitzung am 12. d. wurden sestgestellt für Nächstjahr zu erwartende Erträge aus den Zöllen auf 188,250,000, aus der Tabak steuer 4,578,000, aus den Aversen für Zölle und Tabaksteuer 3,829,500. Die Ueberweisungen an die Bundesstaaten sollen betragen 66,657,000. Der Anleihebcdarf ist 53,369,221 Mk. Das Zahlenverhältniß der Fractionen im Reichs tage stellt sich augenblicklich wie folgt: Centrum 101, Nationalliberale 68, Conservative 50, Reichs partei 48, Fortschritt 27, Secessionisten .17, liberale Gruppe 15, Polen 14, Socialdemokraten 10. Wilde 37. Ein Mandat ist erledigt. Aus den Besprechungen bereits in Berlin einge troffener Reichstagsmitglieder verlautet bestätigend, v. Arnim würde von einer conservativ-klerikalen Mehrheit keine Präsidentschaslscandidatur annehmen, aber die Wahl durch eine conservativ- liberale Mehrheit acceptiren; als erster Vicepräsident wird in diesem Falle vermuthlich Benda, als zwei ter Ackermann oder ein Mitglied der deutschen Reichspartei vorgeschlagen. Deutschland und Frankreich haben je einen höhe ren Offizier nach Luxemburg entsendet, um sich von dem nunmehrigen Stande der ehemaligen Festung Luxemburg zu überzeugen. Preußen gab seiner Zeit einen Beweis großer Friedensliebe, als es dem Londoner Vertrage beipflichtete und dadurch auf sein Besatzungsrecht, sowie auf die Zugehörigkeit des Großherzogthums zu Deutschland zu Gunsten Frankreichs verzichtete und durch seine Zustimmung zur Schleifung der Festung viel deutsches Kapital preisgab. Deutschland hatte sehr erhebliche Summen zum Ausbau und zur Unterhaltung der Festung Luxemburg verwendet. Die laufende Dotation aus Bundesmitteln für Luxemburg betrug im Jahre 1865 65,310 Gulden, wozu noch an außerordentlichen Bewilligungen 505,297 Gulden kamen. Militärisch hat jetzt nach der Ansicht unserer Militärverwaltung Luxemburg, nachdem Deutschland Straßburg, die Vogesen und die wichtige Festung Metz besitzt, keine irgend bedrohliche Bedeutung mehr und bietet nicht einmal Schutz dar zur Anlegung eines verschanzten Lagers. In Berlin wird die Gründung eines Vereins beabsichtigt, dessen Tendenz sich direct gegen die Wucherer der Stadt Berlin richtet. Die Mit glieder des Vereins und auch Nichtmitglieder sollen beim Vorstande alle diejenigen Fälle zur Kenntniß bringen, in welchen sie oder Andere durch Wucherer geschädigt sind. Der Verein glaubt dadurch Material für eventuelle richterliche Entscheidungen sammeln zu können, da aus mehreren Fällen leichter das Vorhandensein eines gewerbsmäßigen Wuchers nach gewiesen werden kann. Ferner soll der Verein der Verwaltung der Reichsbank vertraulich die Namen der Wucherer mittheilen, damit die Reichsbank Wechsel aus solcher Quelle nicht mehr diskontire. Eine Antisemiten-Petition ist jetzt von Schneidemühl aus an das preußische Abgeordneten haus gerichtet worden. Dieselbeverlangt: 1) Juden dürfen nicht Redacteure von Zeitschriften sein. 2) Juden sind von allen autoritativen Aemtern und Beamtenstellungen auszuscheiden. 3) Juden dürfen kein Leih- und Nückkaufsgeschäft betreiben. 4) Bei dem Vergeben von Lieferungen durch Behörden sind nur christliche Lieferanten zu berücksichtigen. 5) Den Juden ist das Mäklersein zwischen Christen verboten. 6) Zum Besuche höherer Schulen darf nur eine gewisse Zahl jüdischer Schüler zugelaffen werden. 7) Juden aus fremden Ländern dürfen nicht einwandern. Oesterreich. In dem nunmehr beendigten Hochverraths-