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«1. Jahrgang. O LSI. Mittwoch, 1L. September 1V17. L8SS 10. !4s. Drahtanschrift: Nachricht«» Dre»d«r. Fernsprecher-Sammeinumm«: ÜLL41. Nur für Nachtgelprüche: LOOU. »t»rt«IIL-rItch in Dnoden und vowrtni »«> poelmolig» Zutrapln, <on Sonn- und M-nt-^n n»u einmal) loste tet ,timiall,cr Zustillun, durch die Post »ohne Bestell g^d) ».«> M., monatlich l.sa M. «»»eigen-Vr^s«, Dt« «tntpaUI,« Zeile tet», I Stlden)» Pf. Borpi,»pt»tz« u. «n,el,«n tn Hummern nach >»»»-u. Koiert«,«» Ir. larlf. tü°/» Tc»erun,»p»lchla». — Luow. >uftr-»«». «»rauobezahl. — Bete,dl. »0«t. Schrtstleftung und Hauptgeschäftsstelle: Marlenstrafte 38/4«. Druck u. Verlag von Liepsch L «eichardt in Dresden. Nachdruck nur mit deutlicher Quellenangabe t.Dreodner Nachr.^) pUilistg. — Unoerlan^e Schriftstücke «erden nicht aufbewahrt. Siegreicher Abschluß der 11. Jsonzoschlacht Italienische Mitzersoige an der ganzen Lront. — 4! italienische Divisionen am ftamdie deteiligt. — Sir italienischen »erlöste ani MM Mann geschStzt. — Kerensii ermordet? — iiornilowr ViltatnrvlSne. — Nochmal» der Kaiser und der Zar. ' Der deutsche Abendbericht. Berlin, 11. September. abends. (Amtlich. W. T. B.j Bisher keine Meldung über gröbere Kampfhandlungen. Sefteneichisch-nn,arischer Kriegsbericht. 88 ie ». 11. Sept. Amtlich wird verlantbart: veMcher Kriegsschauplatz. Bei Solls in ber Bukowina drückte ei« russischer An griff unsere Linie etwas zurück. Am Prnth und in Ost» «alizien beiderseits lebhafte ErkundungStätigkeit. Italienischer Kriegsschauplatz. Die Kampfpause am Isonzo dauert an. Mögen die Italiener immerhin noch weitere Angriffe beabsichtigen, so kann das bisherige Ergebnis der am 17. August entbrannte« elften Jsonzoschlacht doch dahin festgestellt werde«, dass auch diese neue Kraftprobe keinerlei Aendernnge« ber Kriegslage i» Südwester» herbeiznführe» vermochte »ab daß die Schlacht bis zur Gtnnde zweifellos einen neue» Mißerfolg der Italiener bedeutet. Auf der Karst-Hochfläche bildet die Einnahme des Dorfes Selo, das zu Beginn der Kämpfe an unserer vorderste» Linie lag. den einzigen Borteil, der dem Gegner znficl. Was wir am Sttdflügel der Karst stellungen an einzelne« Gräben vorübergehend verloren hatten, ist bnrch Gegenstöße zurückgewonne« worden. Hatten unsere Führer und ihr Generalftab in rastloser grüudlicher Anweudung ber Kriegserfahruuge« für die siegreiche Ab wehr die Vorbedingung geschaffen, so errangen unsere braven Trnppe« — ihnen wie immer voran die Infanterie als ruhmreiche Trägerlu schwerste« Kampfes — in beispiel gebendem Heldenmut neuerlich dauernden Ruhm. Gleiche» Erfolg bringend, verliefe» für unsere Tapfe ren Kämpfe im Wippach-Tale und bei Görz. wo nicht ein einziger schmaler Grabe« in Feinbeshaud verblieb. Auf der Hochfläche von Bainsizza — Heiligcgcist war de« Italiener« ein Anfangserfolg vergönnt, der unsere Führung veranlaßtc. 18 Kilometer der Frontlinie auf 2 bis 7 Kilometer znrückzunchmen. Von da an scheiterte« alle Versuche des Feindes, durch mächtige Angriffe aus de« Monte San Gabriele und gegen den Abschnitt nord östlich davon, de« «nter große« Opfern errungenen erste« Raumgewinn zu einem operativen Erfolge auszubancu. Die Kriegslage am Jsonzo ist durch die Ereignisse bei Vrh «nh Bainsizza in keiner Weise bccinslnßt worden. Das Ringen um de» Monte Sau Gabriele im besondere» wird stets bann anznftthren sein, wenn es Beispiele zähen ruhm vollsten Berteibigungskampfes hervorzuheben gilt. Das italienische Sraftanfgebot in der 11. Jsonzoschlacht — 18 Di- » i s i o n e u ans kaum ebensoviel Kilometer angcsestt — sucht an Masseneiusaß in alle« Angriffsschlachte« des Weltkrieges seinesgleichen. Die italienische» Berlnste entspreche« dieser Gefechtsführung. Sie betrugen — 20 00« Gefangene mit, gezählt — nmh strengster Berechn«»« 2SV «Oll Manu, alst, fast ein Biertel einer Million. Die Heeresgruppe des Generalobersten v. Boroevic bars ans den jüngsten Erfolg die beste Zuversicht festen. Laß an ihrem siegreiche« Wider stand auch fernerhin alle Anstürme des n« Länderranb Krieg führende« Feindes zerschelle« werben. Albanien. Der Feind ging gestern nachmittag gegen unsere Ge» birgsstellnngen östlich von Fogradec zum Angriff vor «yd wurde überall geschlagen, an zwei Stelle« durch schnei dige« Gegenstoß österreichisch-ungarischer Bataillone. Im Raume südlich von Berat wiesen unsere Siche» rnngstrnppen feindliche Streifabteilnngeu in lebhaften Kämpfe« zurück. Ein italienisches Dchiffögeschwader be schoß in der Gegend nördlich der Bojnsa-Mitndnng das alte, an geschichtlichen Erinnerungen reiche Kloster Pojanr. Dieses wnrde gleichzeitig von Flieger« bombardiert, welche mehrere Einwohner tötete«. sW. T. B.j Der Chef des Generalstabs. Schleichende innere Krise in Frankreich. Das schnelle Ende des kurzlebigen Ministeriums Ribot bedeutet mehr als eine bloße Augenblicks erscheinung. die keine tieferen Spuren zurückläßt. Es ist ein erneutes bemerkenswertes Anzeichen dafür, daß die all gemeine inner« Lage in Frankreich sich immer mehr zu- sHtzt und sich deutlich dem Punkte nähert, wo eine Wendung eintreten muß, so oder so. Der scharfe Gegensatz, ber die Geister scheidet, tritt in dem Erstarken ber Friedenssehnsucht auf der einen und ber mit allen Mitteln ber Gewalt und Verhetzung arbeitenden Agitation der poincaristtschen Krtegspartei auf der anderen Seite zutage, und in dieser tisferen Ursache wurzelt auch die Krise des Kabinetts Ribot, deren äußeren Anlaß der Fall Almereyda bildet. Alme reyda war ein ins Anarchistische schillernder Sozialist und eiper der Leiter des neugegrttndeten Blattes „Bannet Rouge", das sich in den Dienst der Friedensbewegung ge stellt hatte. Tr diente zugleich ber Regierung als Agent zur lleberwachung der im neutralen Ausland, insbesondere in der Schweiz betriebenen französischen Spionage, war also ein sogenannter Gegenspion, und hatte in dieser Eigenschaft viel mit dem Minister des Innern Malvy zu tun, der ihm Instruktionen erteilte und aus den ihm zur Verfügung stehenden Geheimfonds die notwendigen Geldmittel be willigte. Malvy scheint sich nun aber bei seinen Aufträgen an Almereyda nicht auf bas Gebiet der auswärtigen Politik beschränkt, sondern ihm auch Winke und Anweisungen in bezug auf die innexen Verhältnisse gegeben zu haben, und bei seinen Forschungen nach dieser Richtung war Almereyda offenbar in den Besitz wichtiger Aufklärungen gelangt, die sich auf die Absichten ber mit Poincars unter einer Decke steckenden Rechten zur Beseitigung der Republik und Wiederherstellung der orleanisttschcn Monarchie bezogen und bas ganze poinearisttsche System arg blobstellten. Kaum hatte die Rechte hiervon Wind bekommen, als sie flugs einen Plan schmiedete, um Almereyda und Malvy unschäd lich zu machen, und das geschah durch das zurzeit in Frank reich mit unfehlbarer Sicherheit wirkende Mittel, daß man beide Männer des Landesverrats bezichtigte. In der ge samten Presse ber Rechten wurde auf Kommando in allen Tonarten die Beschuldigung erhoben, daß Almereyda so wohl wie Malvy im deutschen Solde die Friedensbewegung in Frankreich organisiert hätten. Almereyda fand dann aus rätselhafte Weise im Gefängnis einen schnellen Tod, und Malvy wurde von Ribot aus dem Ministerium ausgcschisst, der nach der Erledigung Malvys noch einen letzten Versuch macht«, Poinearä zu decken, indem er sich zur erneuten Uebcrnahme der Kabinettsbildung bewegen ließ.' Rtbots Plan ging dahin, durch Berufung einiger Mit glieder der sozialistischen Partei in die Negierung die sozialistische Opposition kalt zu stellen. Er scheiterte aber an der glatten Weigerung der sozialistischen Kammerfrak tion, sich mit Ribot iveiter einzulassen, da dieser nicht die nötigen Bürgschaften für die Durchführung des von der Linken geforderten Reformprogramms biete, in dem als Hauptpunkt bas Verlangen nach einer kräftigen, klaren und ziclbewußten „demokratischen Aktion" vorkvmmt, d. h. einer Politik, die alle ihre Kräfte in den Dienst der Re publik stellt und sich mit voller unzweideutiger Energie gegen die von der Rechten betriebenen monarchistischen Machenschaften wendet. Diese unnachgiebige Haltung ber Sozialisten, durch die ein neues Ministerium Ribot unmöglich gemacht wurde, ist wesentlich mit auf die tiefgehende Verstimmung über die Treibereien gegen Malvy zurückzuführen, der bisher in allen französischen Kriegskabinetten als der besondere sozialistische Ver trauensmann tätig gewesen ist. Als ein geeigneter Nach, folger RibotS im Ginne der radikalen und sozialistischen Linken ist von dieser Seite der bisherige Kriegsministcr Painleve bezeichnet worden, und wenn dieser tatsäch lich die Neubildung des Kabinetts übernehmen und durch führen sollte, so wäre das eine Entwicklung, die der Stellung -er Linken einen verstärkten Rückhalt gewähren und in entsprechendem Maße die Aussichten Poincar«s verschlechtern würde. Die Gestalt Pvin eures taucht bei den ganzen Schwierigkeiten, die sich in der inneren Politik Frankreichs zusehends häufen, immer wieder im Hintergründe auf und läßt sich nicht bannen. Poineare ist der böse Geist des Landes, in dem sich die fanatische, blindwütige, alle wahren Interessen Frankreichs mit Füßen tretende Kriegspolitik mit allen ihren Greueln verkörpert und von dem auch die rücksichtslose Vergewaltigung der Friedensbewegung aus geht. Während alle übrigen Führer der Krtegspartei, Briaub, Delcasse, Viviani und nunmehr auch Ribot, sich ver braucht haben und in die Wolfsschlucht gestürzt worden sind, hat sich Poineare, die im stillen mit unheimlicher Geschäftig keit wirkende eigentliche Triebkraft, fortgesetzt zu behaupten vermocht, und die schon oftmals angcsagte Präsidcntenkrise läßt noch immer auf sich warten. Dabei kann gar kein Zweifel darüber herrschen, daß der gesamte RepublikaniS- muS ihn zu allen Teufeln wünscht und wie von einem Alp druck erlöst aufatmen würde, wenn er dieses hinterhältigen Staatsoberhauptes, das seine Wahl durch einen im letzten Augenblick heimlich mit der Rechten geschlossenen Pakt zu erschleichen verstand, endlich los und ledig würde. Poin cars hat sich tatsächlich wider den Willen der republikani schen Linken ins Elusee hineingeschmuggelt. Als er in Vce satlles mit dem von der Linken auf den Schild erhobenen Landwirtschaftsminister Pams. dem Kandidaten ElSmen ceauS, in Wettbewerb stand, nahm der Kongreß am Tage vor der Hauptwahl eine Probemahl vor, bet der unter Stimmenthaltung der Rechten Pams die Mehrheit auf sich vereinigte. Aus Grund dieses Ergebnisses begab sich ein republikanische Abordnung zu Poincars. um ihn unter Anrufung seines Patriotismus zum freiwilligen Rücktritt zu bewegen. Er antwortete aber mit einem kalten und höhnischen „Nein!", weil er damals schon ,'eiu Abkommen mit der Rechten in der Tasche hatte und genau wußte, Satz diese für ihn den Ausschlag geben würde. Seitdem datiert die unerbittliche Feindschaft Clsmenceaus gegen Poineare, und es hat in der ganzen Zeit seiner Präsidentschaft auch nicht einen Augenblick gegeben, wo die republikanische Mehrheit ihm Vertrauen entgcgengcbracht hätte. Sie fand allerdings auch nicht die Kraft, sich seiner verhängnisvollen Politik, die Schritt um Schritt planmäßig dem Kriege zu trieb, nachdrücklich zu widersctzen, sondern ließ sich schließ lich willenlos in den Strudel mit fortrcißcn, und daß dies geschah, daran ist vor allem der bürgerliche Radikalismus unter der Führung Clsmcnceaus schuld, der im Punkte des Deutschenhasses genau so verblendet war wie Poincars selbst. Neuerdings hat aber die Friedensbewegung in Frankreich solche Fortschritte gemacht, daß auch die radi kalen Kreise davon nicht unberührt geblieben sind. Clömcnccau selbst hat vor einiger Zeit eine stark von Friedcnsgedankcn durchhauchtc Rede gehalten, die dadurch aufficl, daß er Elsaß-Lothringen überhaupt nicht erwähnte, und in der radikalen Presse wurde die in der jüngsten Rede Nibots auf dem Schlachtfeld« der Marne an Deutschland gerichtete Drohung des wirtschaftlichen Boykotts abfällig kritisiert. Ein radikales Blatt fand sogar den Mut, auch die Einmischung Nibots in die innerdeutschen Angelegen heiten unzweideutig zurückzuwcisen. Es sein „peinlich" für eine französische Regierung, den Deutschen immer wieder Ratschläge zu geben, wie sie sich regieren sollten. Mit Recht antworte man daraus jenseits des Rheines: „Das geht euch nichts an!" Sache ber Franzosen sei es, zu sagen, mit wem sic den Friedcnsvertrag unterzeichnen wollten, es sei aber nicht ihre Sache, dem Feinde ein be stimmtes RegierungSsystcm aufzuzwingcn. Vor einem Jahre hätte die radikale französische Presse eine solche Sprache noch nicht gewagt. Wenn sie sich heute dazu aus rafft, so ist das ein Beweis, wie sehr die Neigung, wider den Stachel des Poincarismus zu locken, inzwischen zu genommen hat. Auf der anderen Seite darf aber auch nicht vergessen werden, daß Poincars und sein Anhang immer noch die Macht in Händen halten, und daß die von dieser Seite drohende Gefahr eines Staatsstreiches wie ein Damoklesschwert über der Republik hängt. Die Frage, ob Fortsetzung des Krieges oder endlicher Friede, kann für Frankreich nicht eher im Sinne des Friedens als ent schieden gelten, bis Poincars selbst von der Bildfläche ver schwunden ist. Kerenski ermordet? b. Während man in Stockholm mit größter Spannung! die Petersburger Meldung erwartet, ob der frühere Gene ralissimus Kornilow Kercnskis Befehls sein Kommando dem General Klembowöki zu überlassen, Folge geleistet hat oder an der Spitze der Gegenrevolution wagen wird, Kerenski die Stirn zu bieten, meldet „AstonblaLet" aus Haparanda, daß Kercnskiangeblich ermordet worben sei. Iw der russischen Gesandtschaft ist bisher darüber nichts be kannt. Der Vertreter der Peterölburger Agentur, der von Swenska Tellegrammburrau über die Richtigkeit der Mel dung gefragt wurde, schenkt diesem Gerücht keinen Glauben und findet es ntcht der Mühe wert, darüber Erkundigungen in Petersburg einzuziehcn. Auffallend ist jedoch, daß seit K>10 Uhr morgens, wo Kerenskis Proklamation aus Peters burg ankam, bisher weder an die russische Gesandtschaft, noch an das Swenska Telcgrammburean Depeschen ein- gelaufen sind. Ter Vize-Kriegs- und Marineminister Sawinkow, Kornilows rechte Hand, soll seine De mission eingereicht haben. d. Aus Kopenhagen wird gemeldet: Der dortige englische Gesandte soll die Nachricht erhalten haben, daß Kerenski auf der Straße von Kosaken überfallen und getötet worden sei. Angeblich stamme die Nachricht deS englischen Gesandten aus Petersburg selbst und sei in einem Telegramm Buchanans enthalten. Jedenfalls sei cs Tatsache, daß der Bürgerkrieg in Rußland bereits entbrannt sei. Kornilow soll entschlossen sein, die Ne gierungsgewalt an sich zu reißen, die provisorische Regie rung zu entlassen, die Arbeiter- und Soldatenräte aufzu lösen und. gestützt auf die ihm ergebenen Truppen, die! Militärdiktatur zu verkünden. Petersburg amüsiert sich. Die in Stockholm cingctroffenen russischen Zeitungen berichten, daß in der Hauptstadt ganz unglaubliche Zustände herrschen. Die Vergnügungssucht ist ins Un- gemessene gestiegen. Petersburg befindet sich zur Nacht zeit in einem wahren Taumel. Die Weinlokale und Kaba-> rette sind die ganze Nacht geöffnet, Wein und Sekt fließen in Strömen. Je verzweifelter die innerpolitische und mili tärische Lage wirb, desto mehr nehmen die Ausschweifungen, zu. Die von der Front zurückgckehrten Offiziere und die durch die Revolution an die Oberfläche gekommenen Kreise feiern alle Nächte hindurch wahre Orgien. Alle Verord nungen ber Kriegszeit werden überschritten, ohne baß -ie Behörden einzugreifen wagen.