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Ketter-Pr«g«»se für Freitag, den 19. August: Veräadxrlich, Temperatur weuig^verSu-ert, abuehmeude Niederschläge. md Tageblatt. AMsblatt siir die königlichen und Müschen Behörden zu Freiberg und Bund. Verantwortlicher Redakteur Iuliu» Brau« iu Freiberg. ^S191. Erscheint irden »ochentag Abends S Ahr für den andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2b Pf., »weimonatUch 1 M. bO Pf. u. einmauatl. 7S Pf. 33. S»hr«a»g. Freitag, den 19. August. —-1- Inserate »erden bi» Bormittag» 11 Uhr angenom men und beträgt der Brei» für die gespaltene Zeile oder deren Raum 1b Pfennige. 1881. Zur Wahlbtweguuz. Es scheint nicht, daß sich aus der gegenwärtigen Wahl bewegung mehr Klärung, Sammlung und Durchsichtigkeit der politischen Parteibestrebungen ergeben werde. Ein zelnen Wahlkreisen, in denen die Verhältnisse klar und scharf sich herausgebildet haben, stehen weit mehr andere gegenüber, in denen ein Gähren und Wogen herrscht, dessen schließliches Resultat vorauszusehen auch dem scharfsichtig sten Kenner der politischen Stimmungen und Strömungen nicht gelingen kann, weil es von ganz zufälligen unbe rechenbaren Entscheidungen abhängen wird. Mit dem ein zigen Worte der völligen „Unberechenbarkeit" ist die Physiognomie der herrschenden Wahlbewegung am besten gekennzeichnet. Wenn wir die massenhaften Stimmungs- und Wahlbe richte in den Zeitungen durchmustern, so tritt uns freilich bei allen Parteien große Siegeszuversicht entgegen; allein es ist nicht viel Scharfblick erforderlich, um zu erkennen, daß dieselbe sehr häufig mehr zur Schau getragen, als aufrichtig gemeint ist. Auch das gehört zur Wahlagitation. Bei aller Unberechenbarkeit aber glauben wir doch die jenige Ansicht als wenig wahrscheinlich bezeichnen zu müssen, welche von den bevorstehenden Wahlen eine ganz fundamentale und umstürzende Aenderung unserer Partei verhältnisse erwartet. Die drei großen politischen Rich tungen, welche unser Parteileben beherrschen — die liberale, konservative und ultramontane — haben alle drei feste Wurzeln i« weiten Volksschichten und werden ohne Zweifel sämmtlich wieder in bedeutender Stärke auf dem Platze erscheinen. Wir wollen nicht versuchen, das Horoskop zu stellen, wie viel Wahlkreise von einer dieser drei großen Parteien auf eine andere übergehen werden, oder gar wie sich die feineren Nuancen innerhalb jener Gruppen gestalten, welche Richtung bei den Liberalen, welche bei den Konservativen das Uebergcwicht erlangen wird. ES mag im Einzelnen manche Ueberraschung Vorbehalten sein- Allein schon der bisherige Lauf der Wahlbewegung wird auf allen Seiten die Hoffnung erheblich eingeschränkt haben, es werde ge lingen, die große» gegnerischen Richtungen in so entschei' dendem Maße aus ihrer bisherigen Machtstellung zu ver drängen, daß mit ihnen nicht mehr zu rechnen ist. Ma» kann in dieser Beziehung eben so ost auf einen ganz unberechtigten, sich selbst täuschenden Optimismus als auf einen unnöthigen Pessimismus stoßen. Es ist nicht wohlgethan, die fernere Entwicklung unseres politischen Lebens auf Voraussetzungen aufzubauen, für deren Ein treten wir in den Thatsachen keine hinlängliche Bürg schaften erblicken; Enttäuschungen können alsdann nicht ausbleiben. Die Behauptung, daß die liberale Sache im Volke den Boden verloren, ist ebenso unrichtig und leicht fertig als die entgegengesetzte, daß die reaktionäre Bewe gung eine künstlich von oben genährte Pflanze ohne Wur zeln in den Massen des Volkes sei. In der Wahlagitation wögen solche Behauptungen hingehen; besonnene Politiker jeder Richtung aber werden sich darauf gefaßt machen müssen, auch in der Zukunft noch eben so stark mit der konservativen Partei zu rechnen, wie mit der liberalen, von dem eigenartigen Gebilde des Zentrums ganz zu schweigen. Diejenigen mögen wohl Recht behalten, welche meinen, daß aus dem chaotischen Wogen dieses Wahl kampfes sich ein Resultat ergeben wird, welches im Großen und Ganzen unsere parlamentarischen Verhältnisse beim Alten läßt. Man wird jedenfalls beim Ausmalen der po litischen Zukunft diese Eventualität nicht außer Acht lassen dürfen, sondern sich auch darauf cinrichten müssen. Gefährdet kann das liberale Prinzip allerdings werden, aber nur durch diejenige» Männer, welche fortwährend politische und wirthschaftliche Grundsätze in ein und den selben Topf werfen und anstatt Liberalismus und Frei handel auseinanderzuhalten, beides mit einander verquicken. Die Freihandelspartei nimmt ihre Beweisgründe sonst immer mit Vorliebe aus dem Auslande. Auf das Bei spiel Englands werden wir bei jeder Gelegenheit verwiesen. Sonderbar, daß die Kenntniß fremder Verhältnisse sich nur auf England beschränkt und die Organe dieser Partei gar nichrs von den wirthschaftspolitischcn Verhältnissen Frankreichs und Nordamerikas zu erzählen wissen. Frank reich ist doch gewiß kein Land, welches reaktionär regiert wird. Und in diesem freisinnigen Staate herrscht längst das Schutzzollsystem. Niemand fällt es dort ein, selbst dem eingefleischtesten Radikalen nicht, darin etwas Freiheit- feindliches zu erblicken. Die nordamerikanische Union ist gleichfalls ein Land, welches sich der Sympathien aller Freisinnigen erfreut. Noch in letzterer Zeit war in verschiedenen deutschen Blättern zu lesen, daß die zunehmende Auswanderung aus Deutschland neben dem Schutzzollsystem auch in der Re aktion, die bei uns herrsche, ihre Ursache habe. Die Aus wanderer zögen eben vor, die freie Luft Amerika's zu athmen. Nun, dieses freie Amerika bekennt sich gleichfalls zum Schutzzollsystem und befindet sich dabei sehr wohl. Noch ist keine irgendwie in's Gewicht fallende Klage über dieses angeblich mit der politischen Reaktion so eng ver bundene System dort laut geworden. Die Amerikaner haben infolge ihrer Zölle die Wunden geheilt, welche ihne« der Bürgerkrieg schlug, ihren Kredit wieder hergestellt und ihre Schulden bezahlt; sie sind eben praktische Leute, die ganz genau wissen, was ihnen Vorthcil bringt. Zur Geschichte der sächsischen Laudwirthschaft. m. Der Beschluß der Versammlung sächsischer Land- und Forstwirthe vom 3. Juli 1874, welcher auf Errichtung von Altersversorgungs-Kassen für ländliche Dienstboten nach einem vom landwirthschaftlichen Verein zu Oschatz ausgearbeiteten Statut abzielte, ist bisher ohne praktische Folgen geblieben. 1873—1879 betrug die durchschnittliche Jahresernte bei Weizen 1491931 Zentner mit 16536595 Gcldwerth, — 371 Mk. Rohertrag pro Hektar, bei Roggen 5987393 Ztr. mit 53287797 Geldwerth, — 254 Mk. pro Hektar, bei Gerste 1106008 Ztr. mit 9732870 Geldwerth, 259 Mk. pro Hektar, bei Hafer 5092680 Ztr. mit 42269244 Geld werth, — 249 Mk. pro Hektar, bei Kartoffeln 24042325 Zentner mit 40872052 Geldwerth, — 378 Mk. pro Hektar. Zusammeu 37720337 Ztr. mit 162603583 Geldwerth, — 285 Mk. pro Hektar. Die innerhalb des Königreichs erbauten Körnerfrüchte genügen kaum für die Hälfte der Bevölkerung, die Einfuhr übersteigt die eigene Produktion und muß mit dem weiteren Wachsthum der Bevölkerung unaufhaltsam zunchmen. Ganz anders aber liegen die Verhältnisse hinsichtlich der Kartoffeln. Erachtet man neben 460 Pfund Produkten der Körnerfrüchte noch pro Jahr und Kopf 200 Pfund Kartoffeln erforderlich, so ist die Jahresernte durchschnitt lich 24134540 Zentner, Her Bedarf 5691040 Zentner, die Mehrproduktion also 18443500 Zentner. Diese Mehrproduktion gestattet nicht nur den Ersatz eines großen Theils der Körnernahrung, wie solcher ins besondere auf dem platten Lande thatsächlich in erheblichem Umfange statthabcn wird, sondern auch eine starke Aus fuhr und umfangreiche Verarbeitung auf Branntwein be hufs der Verwerthuug der als Abfall sich ergebenden Schlempe als Mast- und Milchfuttcr. Hinsichtlich des Verbrauchs der Fleischartcn tritt ein zunehmendes Uebcrwicgcn des Schwcinefleischgcuusses zu Tage; nachdem der Verbrauch desselben von 41,8 Prozent im Jahre 1843 plötzlich im folgenden Jahre auf 52,3 Prozent des Gesammtfleischverbrauchs gestiegen war, hat er sich stetig auf gleicher Höhe erhalten und ist in den letzten Jahren noch erheblich gestiegen. Die Ursache« )ürsten mehrfacher Art sein, hauptsächlich aber wohl die Verallgemeinerung der Fleischkost auf dem platten Lande, die größere Leichtigkeit der Mästung von Schweinen auch durch kleinere Besitzer, gegenüber der Mästung von Rind vieh, und die gleichzeitige Nutzung des Schweinefettes als Schmalz. Die deutlich ausgesprochene Vorliebe für das Schweinefleisch giebt zugleich den Landwirthen einen Fingerzeig für die von ihnen in Bezug auf die Fleisch produktion einzuhaltende Richtung. Der Schweinefleischverbrauch ist in den kleineren Städten und auf dem platten Lande verhältnißmäßig weit stärker als in den größeren Städten; aber auch iu den letzteren ist dieser sowohl als der Gesammtfleifchverbrauch sehr verschieden. Im Ganzen ist eine gewisse Regel nicht zu verkennen, indem der überwiegende Genuß des Rindfleisches an den wohlhabenderen und solchen Industrie orten vorherrscht, wo die Bevölkerung einer anstrengenderen Arbeit obliegt und der Fleischverbrauch überhaupt ein größerer ist. Eine Ausnahme machen hiervon nur Leipzig, wo indessen neben dem stärksten Verbrauch an Schweinefleisch zugleich ein solcher an Rindfleisch vorhanden ist, Annaberg und bis zu einem gewissen Grade Reichenbach, wo auf den Kopf jähr lich die ungewöhnlich hohe Ziffer von 54 Pfund Rindfleisch kommt, während dort der Verbrauch von 45 Pfund Schweinefleisch pro Kopf niedriger ist, als der Durchschnitt in den Städten ähnlicher Größe. Der Bedarf an Fleisch ist in allen Fleischgattungen weit größer, als die Erzeugung von solchem rm Lande selbst, mit einziger Ausnahme an Kalbfleisch. Der Werth der durch den Mehrbedarf an Körner früchten und Fleisch alljährlich erforderlich werdenden Ein fuhr ist ein sehr beträchtlicher. Es ist deshalb umsomehr von der höchsten Bedeutung für das Wohlbefinden der Gesammtbevölkerung, mit allen Mitteln die Vermehrung der Produktion durch Steigerung der Ertragsmengen auf der vorhandenen Fläche anzustreben, als auch in anderen Theilen des deutschen Reiches die Erscheinung der Unterproduktion immer deutlicher zu Tage tritt und dadurch mehr und mehr die Abhängigkeit vom Auslande hinsichtlich der nothwendigsten Lebensmittel bs- wirkt wird. Ls kann nicht bezweifelt werden, daß auch im Königreich Sachsen, insbesondere in de» kleineren Wirthschaften, ungeachtet der im Allge meinen weit vorgeschrittenen Kultur, die Erträge an Feldfrüchten und Viehprodukte» noch einer erhebliche« Steigerung fähig sind. In den Händen der landwirth schaftlichen Vereine liegt die wichtige Aufgabe, durch richtige Verwendung ihrer eigenen und der ihnen von der Königlichen StaatSregierung zur Verfügung gestellten Geld mittel einen rationellen LandwirthschaftSbetrieb immer mehr zu verallgemeinern. Eine wesentliche Unterstützung werden sic dabei in der Mitwirkung von Angehörigen anderer Berufskreise und insbesondere in einer wohlgepflegten Agrargesetzgebung und richtigen Wirthschaftspolittk finde», welche nicht unbeachtet läßt, daß von der Förderung der Landwirthschaft das Wohl der Gesammtbevölkerung ab hängig ist. Tagesschau. Freiberg, 18. August. Wie man aus Berlin meldet, sind die letzten rauhen Tage dem Aufenthalt des Kaisers auf Schloß Babels berg nicht besonders günstig gewesen. Der Kaiser hat noch keine der Abcndspaziersahrtcn gemacht, die er sonst während des August-Aufenthaltes an der Seite der Kaiserin zu unternehmen pflegte. So lieb dem hohen Herrn das Verweilen auf Babelsberg ist, so schmerzlich vermißt er an seiner Seite die Gemahlin. Auch hört man aus seiner Umgebung, wie schwer es ihm geworden, sich von Koblenz zu trennen, wenn eben diese Trennung nicht mit Rücksicht auf den Zustand der Kaiserin geboten gewesen wäre. Der Einsamkeit, in welche so der hohe ^Herr versetzt ist, sucht er durch Arbeit zu begegnen, die nur durch Spaziergänge im Park unterbrochen wird,.