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chimbnM CahiÄlM Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich L Mk. SV Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Sonntag, den 19. März 65. 1882. Bekanntmachung. Das Tabak- und Cigarrenrauchen in Scheunen, Ställen, auf Böden und in anderen Räumen, welche zur Aufbewahrung feuerfangender Sachen dienen, in gefährlicher Nähe von feuerfangenden Sachen überhaupt, sowie in Wäldern oder Haiden wird für den hiesigen Verwaltungsbezirk bei Geldstrafe bis zu 60 Mark —- oder Haft bis zu 14 Tagen verboten. Waldenburg, den 17. März 1882. Der Stadtrath. Cunrady, Bürgermeister. Auction. Künftigen Montag, den 20. d. M-, soll die Mauer um den alten Friedhof zum Abbruch aufs Meistgebot verkauft werden. Zusammenkunft am alten Friedhof Vormittags 10 Uhr. Die Bedingungen sind vor Beginn der Auction zu erfahren. Waldenburg, den 18. März 1882. Der Bauausschuß des Kirchenvorstaudes. *Waldeuburg, 18. März 1882. Der Zusammenhang der inneren und äußeren Colonisation mit dem Tabaks monopol. Von allen Bedenken, welche dem Tabaksmonopol entgegengestellt wurden, hat die Reichsregierung bis jetzt nur ein Bedenken nicht beseitigen können, nämlich dasjenige, welches den Mangel an Ersatzgeschäften für die Abgesundenen zum Gegenstände hat. Nur in diesem einen Punkte verließ den begabten, sach kundigen und schlagfertigen Unterstaatssekretär von Mayr seine sonstige Kraft zu überzeugen vollständig, denn seine Versicherung, „daß die Entschädigten auf derselben Stelle mit ihrem Kapital neue Geschäfte anfangen könnten" schwebt leider ganz und gar in der Luft. Eine solche Möglichkeit scheitert in Deutschland an der absoluten Ueb-rfüllung aller Geschäftsbräuchen und wo sie besteht, kann sie nur auf der winhschaftlichen Leiche eines durch die über legene Kapitalkraft des Eindringlings ruinirlen Nebenbuhlers zur Wirklichkeit werden: eine Chance, welche auf Grund der landesväterlichcn Kaiserbot schaft vom 17. November v. I. socialpolitisch ver worfen werden muß. Diese landesväleiliche Bot schaft, wie die ganze socialreformatorische Logik, ver langen gebieterisch, daß unsere Staatskunst in dem selben Augenblick, wo sie eine große Anzahl Ge schäftsleute aus ihrem Berufe herausdrängt, nach Möglichkeit für Ersatzansiedlungen sorgt, und zwar aus derselben neuen Finanzquelle, welche sich die Re gierung durch die Enteignung erschließt. Concret ge redet würde das in dem vorliegenden Falle folgendes heißen: Das Tabaksmonopol winde nur unter der Bedingung ins Leben treten dürfen, daß aus dem finanziellen Jahreserlrag von ca. 150 Millionen vorab auf die Dauer von 10 Jahren alljährlich 30 Millionen zu Schaffung neuer Beschäftigungsge legenheiten und Ansiedlungsstellen benützt werden, und zwar: zehn Millionen für Anlegung deutscher Ackerbau- Colonien in Südamerika, zehn Millionen für Anlegung tropischer Plantagen in Central-Afrika behufs der selbstständigen Versorgung Deutschlands mit Colonialwaaren, Rohstoffen und Getreide, sowie endlich zehn Millionen für die Zwecke der inneren Colo nisation, sowohl der landwirthschaftlichen wie der industriellen. Werfen wir auf alle drei Verwendungsarten und ihren Zusammenhang mit dem Tabakmonopol ein schnelles Streiflicht. Mil jährlich 10 Millionen Mark lassen sich in Südamerika zahlreiche Heimalhstätten gerade für solche kapitalschwache Existenzen schaffen, welche in Deutschland schon seither dem geschäftlichen Kampf ums Dasein nicht gewachsen waren, aber wie lobte Liegen m issenhafl zu Boden stürzen würden, wenn sbnen plötzlich wie eine zermalmende Klappe aus ven Monopolabfindungen ein Concurrenzkapital von mehreren Hunden Millionen und ein damit aus- gerüsteter Schwarm neuer Concurrenten auf den Kopf fallen würde. Eine systematische Ansiedlung in Südamerika würde das wirhschaftliche Schlacht feld in Deutschland höchst wohlthätig evacuiren und manchen Leicht- und Schwerverwundelen aus der ökonomischen Lebensgefahr befreien. Dasselbe läßt sich von einer tropischen Cullivation in Centralafrika sagen. Auch diese würde in Deutsch land insofern Lust schaffen, als bei ihr zahlreiche Menschen für Administrationszwecke Beschäftigung finden könnten. Vor allen Dingen aber böte sie durch ihre ungewöhnlich reichen Finanzerträgniffe eine Möglichkeit, dasjenige „Patrimonium des Ar men" für die Zwecke einer Altersversorgung zu schaffen, welches in den Ideen des Reichskanzlers ursprünglich das sociale Ziel des Tabaksmonopols bildete, während es neuerdings dem fiskalischen Egoismus und der Majorilälsspekulation zum Opfer fiel, so daß davon nur eine wehmülhige Erinnerung übrig blieb. Tropische Staats-Plantagen können das im Tabakmonopol visionsartig entschwindende „Patrimonium des Armen" zur Wahrheit machen, denn es handelt sich um jährlich eine ganze Milliarde, welche Deutschland gegenwärtig für Colonialwaaren, Rohstoffe und Getreide dem Ausland zahlt, weil es verabsäumt hat, sich diesen Ungeheuern, zudem von Jahr zu Jahr steigenden Bedarf in eignen über seeischen Plantagen zu sichern. Was ferner die dritten 10 Millionen Mark für die Zwecke der landwirthschaftlichen und industriellen Colonisation im Jnlande betrifft, so denken wir da bei an die Schaffung solcher neuen Arbeitsstellen, wie noch kürzlich die Herren Jannasch, Hessel und Koch darauf aufmerksam machten. Im Club der Landwirlhe betonte Or. Jannasch die Möglichkeit, auf dem Wege der industriellen Colonisation, bei spielsweise in den nothleidenden Bezirken Schlesiens eine blühende Holzindustrie, in Pommern und West- preußen eine Thonwaaren- und Glasindustrie schaffen zu können. Im preußischen Volkswirthschaftsrath hob Herr Hessel hervor, daß sich in Deutschland noch Arbeitsstellen für Millionen schaffen ließen. „Wenn durch Canalverbindung vom Rhein bis zur Oder die Bergbauindustrie des Westens auch dem Osten zugänglicher werde, müßte es leicht sein, auch unsere Moore in Cultur zu bringen, welche Erträge bis zu 45 m pro Morgen abwerfen." Aehnliche Anregungen giebt Herr Bergwerksdirector Koch im Düsseldorfer Anzeiger sehr häufig. Das Thema bildet einen weil ausspinnbaren Faden. Es ist nur erforderlich, daß ihn die Negierung einmal fest in die Hand nimmt. Jnsgesamml besteht auf der Grundlage der landes väterlichcn Kaiservolschast uno der ganzen socialre formatorischen Logik zwischen der geschäftlich depla- cirenden und revolutionirenden Wirkung des Tabaks monopols und den vorbeugenden und heilenden Möglichkeit der inn.rn und äußern Colonisation ein inniger Zusammenhang, auf welchen mir hiermit aufmerksam machen wollten. "Waldenburg, 18. März 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Prinz Karl, der einzige noch lebende Bruder un seres Kaisers, soll jetzt häufig besorgnißerregenden Schwächeanfüllen unterliegen. Der Prinz steht bekanntlich im 82. Lebensjahre. Zu des Kaisers Geburtstag wird auch Prinz Georg von Sachsen in Begleitung des Kriegsmi nisters v. Fabrice in Berlin einlreffen. Fürst Bismarck soll beim Kaiser die Nobilitirung des Unlerstaatssecretärs Busch beantragt haben. Die Erfüllung Vieser Bitte soll nichts entgegenstehen. Die Eisenbahncommission hat für den preußischen Landeseisen bah nralb eine Zusammensetzung vor geschlagen, die derjenigen des Volkswirthschaftsraths ähnelt. Der Landeseisenbahnralh soll bestehen aus 42 Mitgliedern, von denen je IO von den Ministern (der Vorsitzende und dessen Stellvertreter vom König) und die übrigen dreißig von den Bezirkseisenbahn- räthen ernannt werden sollen. War schon die schleunige Anerkennung des König reichs Serbieu durch die Cadinete von Berlin und Wien ein sehr bedeutungsvoller Wink nach Petersburg und eine Antwort auf die Ueberhebung des Panslaoismus in Skobelew's Brandreden, so dürfte in nächster Zeit eine weitere Thalsache sich vollziehen, welche den Beweis liefert, daß man in Wien und Berlin Wollens ist, im Or ent nach dem wohlverstandenen eigenen Interesse und ohne Rück sicht auf die panslavistischen Tendenzen der russischen Politik vorzugehen. In wohlunterrichteten Kreisen verlautet, daß in Bertin mit dem Grafen Wolken stein die Frage der formellen und definitiven Ein verleibung von Bosnien und der Herzegowina in den österreichisch-ungarischen Kaiserstaat verhan delt worden ist. In Berlin sprach im Deutschen Bürgerverein am Dienstag Abend der Akg. Cremer über „Sleuer- verhältnisse in Preußen" vor einer großen Versammlung. Das preußische Steuersystem müsse im Vergleich zu den Verhältnissen anderer Staaten mindestens als außergewöhnlich bezeichnet werden. Während z. B. in Enüand nur 13 pCt. dlrecte und 87 pCt. indirecte Steuern gezahlt werden, sei man mit dem Besteuerungsmodus in Preußen bei 46 pCt. directen und 54 pCt. indirecten Steuern in der Thal zu dem Punkte angelangt, der eine weitere Erhöhung der direcien Besteuerung absolut nicht mehr vertrage, und ooch erfordere das Be- dürfniß des Staates neue Einnahmequellen. Eine gesunde indirecte Besteuerung sei um so empfehlens- werlher, weil sie neben der finanziellen Einnahme quelle auch als Schutzzoll zugleich die nationale Arbeit heben und zu einer concurrenzfähigen, wohl geordneten Macht im Staate gestalten soll. Der permanente Ausschuß des preußischen Volks- wirlhschaflsraths begann am 17. d. die Berathung des Unfallgesetzes. Baare sprach, für Kalb gegen den Entwurf. Der von Sünendahl eingebrachte, durch Henkel, K 'ds, Hessel, Vanderbrügge und Wolff bekämpfte Entwurf wird einer siebengliedrigen Com mission überwiesen. Betreffend die Versicherungs pflicht wollen Henkel das Jahreseinkommen auf 1500 Mk., Landsberg, Kochhann und Kalb auf 2000 Mk. ftxirt wissen, im übrigen bildeten in die ser Beziehung die landwirthschaftlichen Arbeiter bis