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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.04.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-04-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110427011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911042701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911042701
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-04
- Tag 1911-04-27
-
Monat
1911-04
-
Jahr
1911
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BezuaS-PrriS tür Letp,ia ««» v«r«t» »«ch «M« Iraaer »i»d Eo.dit««« r»«l ti,ltch >nz Hau» gebracht: SüPt. »«««tt., r.7it Mk. nierteljährl. Bei unler« Filialen «. An nahmestellen abaehaU: 7t Pt. »onotl^ L»«k. »ierteliLtzrl. r«ch bt« P»K: innerhalb Deuychland» und der tentschen Noloniea vierteljShrl. SS» Btt., »onatl. 120 Mk. aussckil. Poftbestrllgrld. Ferner in Belgien, Dänemarl. den Doaauftaoten, Italien, Lureindura, Niederlande, Nor wegen, Oesterreich-Ungarn, Nutzlond. Schweden. Schwei» ». Epanieu. In alle» übrigen Staaten nur direkt durch di« Selchästrstell, de» Blatt«, erhältlich. La, Leipziger Tageblatt erscheint 2»al täglich. Sonn- u. Feiertag, nnr »arge«. rldonnement».Lnnahm«: 2»d«,»t»,»ls« S, bei unseren Trägern. FUialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Vries träger«. «t«,«l»«rka»s»»r,i» »Pf. Nr. 1l6. Morgen-Ausgabe. MpMerTaMM Handelszeitung. Amksvkatt des Rates und des Nakizeiamtes der Lta-t Leipzig. 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Ztg." veröffentlicht eine offiziöse Mitteilung über den Antrag auf Beisetzung des Erzbischofs Lcdochowski in Gnesen. (S. Dtschs. R.) * Die Berliner Geistlichen, die an der Iathovcrsammlung teilgenommen haben, er hielten vom Konsistorium einen Verweis. (Siehe Dtschs. R.) * In Kronstadt wurden 18, in Peters burg 1 Personen wegen revolutionärer Pro paganda verhaftet. (S. Ausl.) * Nach einer Meldung aus Washington steht in Nicaragua eine neue Revolution bevor. * In Buenos Aires sind infolge einer Ueberschwemmung 500 Familien obdachlos. (S. Letzte Dep.) Lin Dramaturg -es Zukunksltsats. Karl Schönherr kann sich des wohlver dienten Ruhmes, den ihm seine Tragödie eines Volkes „Glaube und Heimat" in reicher Fülle brachte, nicht ungestört freuen. Erst schlägt der mackere, ehrwürdige Pater Expeditus Schmidt auf ihn los und verwirft in einem dem Papst wohlgefälligen Sinne die Dichtung, weil sie ein „Tendenzstück" sei. Dann „entlarvt" ein Herr Paul Liebe den österreichischen Dichter durch einen höchst philiströsen Vergleich von dessen Schöpfung mit einem Roman der Handel-Manzetti als „Plagiator" und glaubt natürlich.ihm dadurch den literarischen Todesstoß versetzt zu haben. Der härteste Schlag hat den bedauernswerten Dichter aber erst in den jüngsten Tagen getroffen. Es ist ihm das bittere, herbe Schicksal wider fahren. von Heinz Sperber, der literarisch dramaturgischen Kapazität des „Vorwärts", nach allen Regeln der Kunst zerlegt und nun auch noch ästhetisch vernichtet zu werden. Herr Sperber eröffnet dem Dichter schonungs los, daß er „auf den Salut der Proletarier verzichten" müsse, denn er weiß ja so genau, daß bisher jeder eingeschriebene Sozialdemokrat, der „Glaube und Heimat" gesehen, höchst unbe friedigt und angewidert das Theater verlaßen hat. Es dünkt ihn unglaublich, daß der Dichter „in unserer kühlen, aufgeklärten, klaren Zeit den Zusammenprall der Religionen noch jo bedeutungsvoll findet, ihm ein Drama zu weihen"! und dem Dünken Sperbers muß natür lich das Denken der zielbewußten Proletarier entsprechen. Gerhart Hauptmann hat in seinem „Florian Geyer", auch einem Volksdrama aus der Neformationszeit, das sozial-agrarische Moment auf Kosten des religiösen Moments in den Vordergrund geschoben und damit die Handlung kompliziert. Karl Schönherr hat in seiner Volkstragödie diesen Zwiespalt glücklich vermieden, hat lediglich auf das religiöse und das bodenständige Gefühl den Nachdruck gelegt und dabei ein Werk geschaffen, dessen schlichte, ergreifende Handlung in ihrer allgemeinen Menschlichkeit packt und erschüttert. Auch vom herkömmlichen dramaturgischen Standpunkte ist nichts gegen Schönherrs Tra gödie einzuwenden. Herr Sperber freilich stellt in dieser Beziehung weit andere Forderungen, als Männer wie Lessing, Freytag, Bult haupt, Otto Ludwig und andere begründet haben. Für ihn sind ja auch unsere Meister-Dichter „Tendenz-Dichter im geringschätzigsten Sinne des Worts"; er glaubt für die Zukunft Goethes „Faust" als „Kuriosum" einschätzen zu dürfen, und er wird bei dieser grandiosen Höhe seiner literarisch-ästhetischen Auffassung von den uner schütterlichen Marxisten zweifellos blutig ernst genommen. Daß irgend ein kümmerlicher Revisionist in den „Sozialistischen Monats heften" ihn einmal als „unfreiwilligen Witz bold" bezeichnet hat, dürfte nur zur Erhöhung der Achtung beitragen, die die unentwegten Genossen dem wunderbaren Genie Sperbers darzubringen sich verpflichtet fühlen. Für ihn ist natürlich ausgemachte Sache, daß lediglich wirtschaftliche Momente, nicht aber seelische Bewegungen den Wert der Ge schichte und der Menschenschicksale ausmachen, und daß darum auch sie allein zum Vor- wurf eines Dramas dienen dürfen. Er will bei den Dramatikern des Zukunftsstaates offen bar alles Gefühlsmäßige ausgeschaltet wissen. Er wünscht lediglich eine dichterische Verherr lichung nacktester Jnteressenkämpfe. Sein Ideal ist die „fröhlich endende Tragödie, wenn das Proletariat zum Siege gelangt, das Verdorrte und Verlebte abschneidet und über die Be griffe Glaube und Heimat, die die Menschen in fatale und dumme Rubriken ver teilt und nichts anderes als ungeheures Elend hervorgerufen haben, hinwegschreitet". Diesem typischen Zukunftsphantasten gelten also alle Heimatsgefühle, alle religiösen Erregungen nichts. Die Heimwehlieder, die Erbauungs lieder unserer besten Lyriker laßen ihn kalt, aber feuertrunken schwärmt er für die blaße Losung: „Proletarier aller Länder vereinigt euch! — vereinigt euch über Glauben und Heimat hinweg!" Er ist jedes Empfindens sür die natürlichen Zusammen hänge, die die menschlichen Gemeinschaften mit ihrem Heimatsboden, mit ihren Sitten und Gewohnheiten, auch auf religiösem Ge biet, verbinden, völlig bar. Er verschließt sich absichtlich gegen die starken ethischen Gedanken, die die Handlung in „Glaube und Heimat" tragen. Er glaubt sogar, die starke Selbstbezwingung, die der Rottbauer am Ende des Dramas übt, als die „verderbliche Parole des christlichen Arbeiters" abtun zu können, „der fortwährend in allen Ländern den Spalt pilz in ökonomischer und wirtschaftlicher Be ziehung darstellt". Sperber ist eben Ak arxist von reinstem Wasser; das erklärt und entschuldigt alles, und wird ihm bei allen denen, die in dieser extre men Wirtschaftsauffaßung nimmermehr das Heil der Zukunft zu erblicken vermögen, mildes Verzeihen für das kurzsichtige literarische Urteil oder herzliche Dankbarkeit für die willkommene Erheiterung sichern. Auch in Zukunft werden jedenfalls gute Dichter, die die großen geistigen Angelegenheiten der Menschheit poetisch ver klärend behandeln, Tausende und aber Tausende von empfänglichen Volksgenossen begeistern, ohne daß die dramaturgischen Voraussetzungen des Herrn Sperber erfüllt worden sind. Die Menschheit ist nun einmal so boshaft, nicht nach marxistischem Rezept künstlerisch erbaut und erhoben werden zu wollen. Dss Jubiläum -er SnlieülungskomimMvn. Vor fünfundzwanzig Jahren, am 26. April 1886, wurde die Königliche Ansiedlungskommission sür Westpreußen und Posen durch Gesetz ins Leben ge rufen, um durch die Ansiedlung deutscher Bauern und Arbeiter das deutsche Element in den Ostmarken zu vermehren und zu stärken. Es dürste deshalb wohl angebracht sein, der Bedeutung des großen Koloni sationswerkes des preußischen Staates einige Worte zu widmen. Wie die aus kleinen Anfängen ersprossene Tätig- keit. der staatlichen Ansiedlungsbe- höröe von Jahr zu Jahr rasch wuchs, erweist der Umstand, daß die Geschäfte dieser Behörde 1886 außer dem Präsidenten nur vier obere Beamte und eine kleine Zahl von Kanzleibeamten erheischten, während heute 01 Oberbeamte, vier landwirtschaftlich« Sach verständige und etwa 500 mittlere und untere Beamte tätig sind. Wohl waren reiche Mittel, 100 Millionen, zur Verfügung gestellt, die dreimal bis auf 175 Millionen aufgefüllt wurden, aber das Feld, auf dem sie verwendet werden sollten, war keineswegs günstig. Einmal mußten den neuen An siedlern Verhältnisse geboten werden, unter denen sic wirtschaftlich vorwärts kommen konnten, und dann mußte das Hauptaugenmerk darauf gerichtet werden, die Ansiedler nicht zu zerstreuen, sondern möglichst große und geordnete neue Gemeinden zu gründen und unter Liesen wieder einen Zusammenhang zu schaffen, damit deutsches Leben sich ungehemmt durch polnische Einflüsse entfalten konnte. Die erste Aufgabe der Behörde war und ist, das zum Kolonisieren erforderliche Land zu er werben, wobei vor allem der freihändige Ankauf in Betracht kam. Anfangs wurden wegen der Klein heit des zur Verfügung stehenden eigenen Apparates die angekauften Güter bis zur Besiedlung der Domänenoerwaltung übergeben, seit 1888 jedoch eigene Eutsverwaltungen eingerichtet und die Güter nach den Bedürfnissen der Besiedlung bewirtschaftet. Um brauchbaren Grund und Boden zu schaffen, nahm die Ansiedlungskommission vor allen Dingen die Ordnung für Vorflntoerhält nisse in die Hand, und drainierte während des Großbetriebes überall, wo cs notwendig schien. Mit rund 50 000 Hektar drainierter Fläche auf 519 Gütern und einer Ausgabe von 9'4 Millionen steht di« Ansiedlungs kommission jedenfalls vorbildlich da. Eine weitere schwierige Frage war die Festlegung der Stellengröße, vor allem aber die Frage, auf welche Weise die größtmögliche Zahl lebensfähiger Stellen aus einem Gute geschnitten werden können. Man kam auf die Normalgröße von 10 bis 20 Hektar als Rückgrat für die bäuerliche Besiedlung; rund 55 Prozent aller Stellen halten sich, wie wir «in«m äußerst lehrreichen Aufsatze des Oberregierungsrates Heinrich von Both-Posen in der Zeitschrift „Aus dem Posener Lande" entnehmen, in dieser Größe, etwa Prozent sind kleine'', 15 Prozent gehen über 20 Hektar hinaus. Bei der Anlage des Aufteilungs planes, des Grundrisses für die Dorflage, richtete man sich anfänglich möglichst nach den Wünschen der Be werber; später geht die Tendenz aus Zweckmäßig keitsgründen aus möglichsten Zusammenhang sämt licher Gehöfte hin. In den Ansangsjahren war naturgemäß die Werbekraft der Ansicdlungskommißion nicht groß, und gar manche abenteuerliche Existenz suchte im Osten Unterschlupf. Auch herrschte in den bäuerlichen Kreisen des Westens manches unbezwingliche Vor urteil, ja mitunter geradezu ein gewißer Horror vor der Gegend, wo angeblich noch die Wölfe hausten. Erst als eine planmäßige Propaganda ein setzte durch Vortragsreisen und Vertrauensmänner gelang es, besonders aus Westfalen und Hannover, tüchtige und brauchbare Leute als Kolonisten zu ge winnen, die die ihnen in der Heimat sehr erschwerte Gelegenheit nutzten, sich Bauernstellcn zu erwerben. Zur Ergänzung der Arbeit der Ansiedlungskom- mißion traten vor etwa sechs Jahren die Besitz- befestigungsbanken ins Leben, und zwar die Deutsche Mittelstandskasse in Posen und die Deutsche Bauernbank in Danzig. Sie regulieren die Schulden deutschen e'rundbesitzes, ersetzen die ost hochverzins lichen und kurzfristigen Hypotheken durch unkündbare tilgbare Hypotheken und eine Abtragrente für die Ansiedlungskommission, wandeln die Grundstücke in Ansiedlungsrentgüte: und unterwerfen sie dem Wiederkaufsrechte des Staates. Dem großen Vorteile der Erleichterung der Schuldenlast entspricht öle Bindung für die deutsche Hand. Auch mit dem Bau von Arbeitermiethäusern ging im Verlaufe der Jahre die Ansicdlungskommißion vor, um Arbeiter und Kleinbauern anzusicdeln. Gegen wärtig werden jährlich Hunderte von Landarbeiter familien, ferner Maurer. Zimmerleute und kleine Handwerker seßhaft gemacht. Natürlich sorgt die An siedlungskommission auch dafür, daß neugebildete Gemeinden wohl ausgestattet und zur Erfüllung kommunaler Aufgaben fähig gemacht werden; je nach Bedarf werden auch neue Schulen und Kirchen ge baut. Bis Ende 1910 wurden gebaut 47 Kirchen und 50 Bethäuser. 50 Pfarrgehöfte, 421 Schulen. 494 Armen und Spritzenhäuser für mehr als 15'4 Millio nen Mark. Auf den genossenschaftlichen Z n s a m m e n s ch l u ß der Ansiedler wurde besonders Bedacht genommen: fast in jeder Anliedluna besteht beute eine Spar- und Darlehnskasse. Molkereigenotzen- schaften, Kaufhäuser. Müllereigenossenschaften, Vieh- verwertungsgenosssnschaften und Zuchtstieraenoßen- schaften sind über das ganze Ansiedlungsgebiet ver breitet. Zum Schluß mögen noch einige Zahlen verzeichnet sein, um den Umfang der Besiedlungstätigkeit zu kennzeichnen. Es sind dis jetzt 295 Dörfer neu gegründet, davon in der Provinz Posen 218, in der Provinz Westpreußen 77. In 500 alten Ge meinden und 40 Städten sind Ansiedlungen geschaffen und die deutschen Grundbesitzer vermehrt worden. Von den 19 000 bis jetzt angesiedetten Familien ent fallen 13 000 auf die Provinz Posen, 6000 auf West- oreußen. Zu wünschen ist. daß, allen Widerwärtig keiten zum Trotz, die Besiedlung in der Ostmark die jenigen Fortschritte macht, die zur weiteren Stärkung des "Deutschtums unerläßlich sind. Dazu muß aber vor allen Dingen die preußische Reai r.: g rührig sein. Die Srilis in -em jungtiirkilchen Komitee. n. Konstantinopel, 22. April. Schon seit längerer Zeit verlautete, daß es in der jungtürkischen Partei zu Meinungsverschie denheiten gekommen sei, wie denn manches sich schon in dek letzten Zeit und auch bereits früher er eignet hat, was auf eine gewisse Uneinigkeit innerhalb der führenden Partei schließen ließ. Jetzt hat nun eine Gruppe des genannten Komitees eine Reihe von Forderungen gestellt, nach denen das Programm reformiert werden soll. Diese Forderungen lauten: 1s Die Mitglieder der Partei sollen künftig weder Ministerportefeuilles noch andere hohe Ver waltungsstellen annehmen. 2) Die Deputierten und die Regierungsbeamten sollen nicht berechtigt jein, sich in ihrem Namen um Konzessionen zu bewerben und sich an finanziellen und industriellen Unter nehmungen zu beteiligen. Auch soll es ihnen unter sagt sein, Mitglieder der Derwaltungsräte von Banken und Aktiengesellschaften zu werden. 3) Die historischen Ueüerlieferunqen der Nation sollen nicht angetastet werden. 4) Die heilige Würde des Kali fats soll nicht herabgesetzt, sondern in das rechte Gleichgewicht zur Volkssouoeränität gebracht werden. 5) Die geistigen und materiellen Errungenschaften des Okzidents sollen eingeführt werden, soweit sie nicht zu den Sitten und Gewohnheiten der Moham medaner in Gegensatz treten. 6) Die Ernennung und die Absetzung der Beamten soll eine gesetzliche Rege lung erhalten. 7) Zum Zweck der Befestigung der Einheit unter den Bevölkerungsklassen sollen be sondere Maßregeln ergriffen werden. 8) Die Mi nisterverantwortlichkeit soll einer Kontrolle unter stellt werden. 9) Den Mitgliedern der Partei soll trotz der Beschlüße durch Zweidrittelmajorität die freie Meinungsäußerung in der Kammer erlaubt sein. Die Ursache zu diesen Forderungen ist wohl in der Beschuldigung zu suchen, die ein Teil der Iunqtürken erhebt, daß ihre Führer eine persönliche Poli- t i k betrieben und die Ausführung des Programms ihren persönlichen Interessen unterordneten. Gegen wärtig finden im Schoße des Komitees Beratungen über die angeführten Forderungen statt. Talaat Bei. der Vorsitzende des Komitees, sucht die hervor getretenen Differenzen nach Möglichkeit auszu« gleichen und hat in diesem Sinne auch ein be schwichtigendes Eommuniquü der Preße übersandt. Indessen glaubt man nicht an eine baldige Beilegung des Zwistes. Daß die Differenzen schon seit längerer Zeit bestehen, divau' deutet auch der Umstand, daß der einflußreichste Mann der jungtürkischen Partei, der Kriegsminister M a h m u d S ch e f k e t Pascha, seine Reise nach Saloniki, die er wegen der alba- nesischen Wirren schon vor 14 Tagen ausführen wollte, noch immer nicht angctreten hat. Die ausgestellten Forderungen sind teilweise ganz u n m ö g l i ch e r fü l l b a r. So ist es undenk bar, daß das Komitee darein willigen sollte, daß seine Parteigenossen keinen Minister oder cnrderen Staats posten bekl-iden dürsten. Würde dieser Punkt akzcp tiert, so würde man dahin kommen, daß in der Türkei die jeweiligen Minister aus den Oppositionsparteien genommen werden müßten. Ebenso unsinnig ist das Verlangen, daß die Deputierten auf jede finanzielle oder industrielle Betätigung Verzicht leisten sollen Man würde dann bald niemand mehr finden, der geneigt wäre, sich in das Parlament wählen zu lassen. Auch die übrigen Forderungen enthalten manches, was zur Kritik herausfordert, und der reaktionäre Pferdefuß guckt hier und da hervor. Der Ansturm scheint sich auch gegen den verdienten Finanzminister D j a o i d B e i zu richten, den man zum Rücktritt zwingen will. Von einer Seite verlautet sogar, daß Djaoid Bei, müde der fortgesetzten Kämpfe, bereits zum Rücktritt entschlossen sei. Im Publikum sind wegen des Ausbruches dieser Krisis manche Be furchtunqen verbreitet. Indessen sind diese, soweit sie eine Wiederholung der blutigen Apriltage von vor zwei Jahren in Aussicht stellen, sicher übertrieben, da die Armee woblgeschult, fest diszivliniert und in der starken Hand Mahmud Schefkct Paschas einig ist. Ringe kontra Bücher Die Ausführungen Professor Büchers über das Projekt einer Universität in Frankfurt a. M. haben den Freiburger Literaturhistoriker Professor Kluge zu einer Entgegnung auf den Plan gerufen. Er führt in der „Franks. Ztg." etwa folgendes aus: Der Standpunkt des „G roß betriebe s", sür den Professor Bücher so warm eintritt, sei über raschend neu im Bereich des akademischen Unter lichtes. Gerade in der übermäßigen Zentralisation liege eine große Gefahr, wie sich das z. B. in Frank reich an P a r i s zeige. Wenn zwar die großen Uni verntäten in Spezialfächern besser ausbilden könnten, so seien deskolb kl-ine Universitäten doch nicht übe- Nußrg. Anregungen in Lvlgcnicyafl uno vuoung. in Poesie und nationalem Empfinden könne die lernende Jugend hier ebenso gut haben. Auch der Gedanke an eine Konkurrenz, die Frankfurt den umliegenden Universitäten machen werde, sei eine Illusion. Als Straßburg gegründet wurde, hahe- man in'Fre» bürg ähnliche Befürchtungen gehegt — und sie waren doch unbegründet. Die p« k u n i ä r e Seite des Pro jektes, die sür Professor Bücher weiterhin einen Stein des Anstoßes bildet, lasse sich auch anders beurteilen. Wenn auch Leipzig jährlich mehr als 3 Millionen n?r brauchte, so falle eben dafür in F r a n k f u r t die theologische Fakultät weg. Daraus, daß Tübingen, Breslau, Bonn und Straßburg sogar zwei theologische Fakultäten, eine protestantische und eine katholische, aufweisen, geht deutlich hervor, daß durch den Fortfall der Urologischen Fakultät die Kosten des Projektes sich bedeutend herabsetzen. Zum Schluss? heißr es: „Wenn Bücher zu keinem günstigen Schluß ergebnis in bezug aus die Frankfurter Universität kommt, so ist daran die unbedingt falsche Prämisse schuld, von der er ausgehk. und die er gegen Schluß seines Aufsatzes in die Worte zusammen faßt: „Die neue Frankfurter Universität wird der jo wünschenswerten Konzentration des akademischen Lebens an wenigen großen Anstalten entgegen arbeiten — damit verliert meines Erachtens der Plan jede Berechtigung" Die in diesen Worten offenbarte Anschauung ist verblüffend und unerhört zugleich. Mit der Kalamität der zahlreichen kleinen Universitäten Italiens darf man uns nicht kommen. Gerade Deutschlands kleinere und mittlere Universi täten tragen alle den Stempel der Lebensfähigkeit. Nicht erst ein« Zahl von 4000 Studenten macht eine Universität zu einer wahren Universität. Wenn Büchers Anschauungen an unfern größten Universi täten Berlin, Leipzig, München noch Vertreter haben sollten, so haben wir übrigen Professoren die Pflicht, gegen die „so wünschenswerte Konzentration des aka demischen Lebens an wenigen großen Anstalten" Einsprache zu erheben. Das gerade Gegenteil ist wünschenswert!" Die Einwendungen Kluges gegen die Darlegungen Büchers können darum nicht überzeugend wirken, weil sie gerade in einem der wichtigsten Punkte, der Verfassungsfrage, völlig versagen. Bücher hat das Bedenkliche der Institution eines Verwaltung? ausschusses klar gekennzeichnet, Kluge hält es gar nicht erst der Mühe für wert, darauf näher cinzu gehen. Schon dieser Mangel ist für die Anfechtbar keit der Klugcschen Deduktionen von großer Bedeu tung. Unseres Erachtens genügen sie jedenfalls durch aus nicht, den Vorschlag Büchers, anstatt einer Uni versität lieber Forschungsinstitute in Frankfurt ein zurichten, irgendwie zu entkräften. Rückzugsgefecht. Die „Post" versichert in einem besonderen Leit artikel, daß die Konservativen, vor allem aber die freikonservative Partei nicht das mindeste Interesse daran habe, die Stellung Dr. Delbrücks zu er schüttern. Dagegen seien die demokratischen Gegner des Zustandekommens der Rcichsversiche rungsordnung erheblich daran interessiert, dem Staatssekretär des Innern ein Bein zu stellen. Die Gerüchte, daß Staatssekretär Delbrück vom Reichs kanzler wegen der elsaß-lothringischen Verfassungs frage ausgebootet werden würde, seien sicher nur ein Glied in der Reihe der Machenschaften, durch die die demokratische Opposition die Erledigung der Reichs versicherungsordnung verhindern wolle. Ganz in dem selben Sinne sind die Ausführungen gehalten, die der Freiherr von Zedlitz, der Führer der Freikonser- oativen im preußischen Abgeordnetenhause, im „Tag" veröffentlicht. Nur schade, daß sich seine Kritik im
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