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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.10.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-10-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192310284
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231028
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231028
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-10
- Tag 1923-10-28
-
Monat
1923-10
-
Jahr
1923
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kinLvlnummsr 3 ^srn-^u»s«ds «l-rMAL-LKLKAML« NL°KKL «KW AW TLU R Id LUUHH mt,aaft« 8 <yerns»r.Or'Sarsvr.Gammel-Nr.: 70811. VW W WM mw-Zetle, io»ML. Mr au«w. 21» Mk Reklame». 425 ML. «ür au«w. -S17092); ebenda n. in allen Ftlialeu»n»ei«en. «nd S60«t. Alle» nnOl»<»liiis«1,ad1 18 «killt»«-», «u»l. Valuta. Annahme; auch nimmt lebe» Postamt Bestellungen an. aufschlag. Postscheckkonto Leipzig Nr. 3001. SriaSungSon Leip,«» Da» tiatl»»tg-ie r««e»U»tt »mtyLlt »t« <»«tch«r We>»«»t»»«<-»»«»» da» M»liHet»rLüdt>u»S Lotpzig Ur. 2S6 verantwortlich für den Text: Chefredakteur L. voldttet«. Leipzig, verantwortlich für Inserate: Oswald Müller, Leipztg-Raunhos. Eigentum, Druck und Verlag: Letpzlger VeriagSdruckerei «m. b.H. 8oo»1«g, äeo 28. Olcloder 1923 Berliner Schrtftlettung: Hochstraße 21 (Fernsprecher 3600-3663» FreSdnrr Dchriiiletwng: SIabel»drrgerstr. 24 (gcrnlorechrr 34793» ^alleschr Lchrtstleitung: Leipziger Straße 21 (vernsprecher 8588) 117. Ivdrg Arbeitszeit und Löhne ?7. Oktober. . ch p. Die deutschen Arbeitgeberverbände haben erklärt, u -bedingte Voraussetzung für jede Pryduktionssteig-rung sei die Wiedereinführung der vor dem Kriege üblichen Arbeitszeit. Gleich- zeitig wächst im Reiche unverkennbar die Net- gung der Arbeitnehmer, ihre Forderungen, vor allem Erhöhung und Wrrtbeständigkeit des Lohnes, mit den gewerkschaftlichen Kampfmitteln durchzuietzen. In dem Augenblick, wo alles von gemeinsamer Rettungsarbeit abhängt, stehen sich also die beiden Läger in Kampfstellung gegenüber und.die Befürchtung liegt nahe, daß sich die Gegensätze nicht leicht überbrücken lassen. Die Notwendigkeit einer Produktions steigerung ergibt sich aus den Folgen des Krieges, aus den Einsuhrbedürfnissen des ver- stümmelten deutschen Wirtschaftskörpers wie aus dem jahrelangen Unterkonsum ^es Volkes. Ein- seilig ist es aber, den Rückgang der Arbeits leistung allein dem Achtstundentag zuzu schreiben und von seiner Abschaffung alles Heil zu erwarten, zumal er doch wirklich e ne sozial- politische Errungenschaft allerersten Ranges war, die nur unter dem Druck äußerster Notwendigkeit aufgegeben werden darf. Die Mehrheit der Arbeitnehmer hat sich ja unzweideutig bereit er klärt, von sich aus auch in dieser Frage alles zu tun, was das Wehl des Ganzen verlangt. Um so weniger darf darüber die ungleich stärkere Ursache des Leistungsrückganges vergessen wer- den, der Krieg und seine verwüstenden Wirkun gen auf den Podukiionsapparat. Allein die Auf- blähung des Geldverkehrs als Folge der Wäh - rungszerrüttung verursacht ganz erheb- liche Mehrarbeit, der kein Mehrertrag gegenüber- steht. Die Zahl der unmittelbar produktiv Täti gen ist zurückgegangen gegenüber den nur bei Verwaltung und Verteilung Beschäftigten. Das zeigt nicht nur die ungeheuerliche Vermehrung des Personals der Banken und des Handel-, der Beamtensckxfft, sondern jeder einzelne Betrieb gleich welcher Art mußte sehr viel mehr Arbeits kraft auf. die Erledigung der Derwaltungsarbeit, der Lohn- und Steuerberechnung verwenden, als- vor dem Kriege. Wir arbeiten weniger als früher,' aber vor allem arbeiten wir in falscher Richtung. Darauf muß immer wieder aufmerksam gemacht werden,- um einseitigen und unzureichenden Heilungsvorschlägen vorzubeugen. Verlängerung der Arbeitszeit im gegenwärti gen Augenblick, wo die Arbeitslosigkeit und Kurz- arbeit in der allergefährlichsten Weise anwächst, ist eine verschleierte Form des Lohnabbaues, ein Mittel, den Lohnanteil in den Preisen der Produkte herabzumindern und damit den Preis selbst so zu erniedrigen, daß der Absatz sich steigern läßt. Gewiß ist eine Preisminde rung nötig, aber auch hier muß vor jeder Ein seitigkeit gewarnt werden. Die übrigen Bestand teile der Preise müssen mindestens in gleicher Weise herabgesetzt werden. Die Preisbildung ist heute ein äußerst heikles Problem, aber daß sie in weitem Umfang willkürlich ist und sich zum mindesten jeder genauen Kontrolle zu entziehen weiß, ist unbedingt feststehend. Es gibt doch bei spielsweise sehr zu denken, wenn ein so gemäßig- ter und auf die Wahrung des Arbeitsfriedens be- dachter Verband wie der Deutsche Gewerkschafts, bund seine Mitglieder aus den Kontrollaus- schüssen zurückzieht mit der Begründung, er wolle die Täuschung des Volkes nicht länger initmachen. -. Einigkeit muß vor allem darüber bestehen, daß alle Deutschen die Lasten des ver lorenen Krieges tragen müssen und daß diese keinesfalls einseitig den Schwachen zu gewälzt werden dürfen. Verluste an der Sub stanz des Volksoermögens sind unvermeidlich, noch schlimmer aber als die Verluste an mate riellen Gütern sind die an der Gesundheit und Kraft des Volkes, an der Substanz, der Arbeitskraft. Niedrige Löhne sind'durch- aus nicht unbedingt Ersparnisse am National, vermögen, und heute ist es unzweifelhaft so, daß eine weitere Lohnminderung nicht ohne die schlimmsten Folgen möglich erscheint. Bon dem unterernährten, abgerissenen deutschen Arbeiter sind Quautätsleistungen nicht zu erwarten, und in dem Komplex der Fragen einer Produktions- steigerung darf darum die Lohnfrage nicht über- sehen werden. Mit der nun kommenden UmstÄlung auf Lohnzahlungen in wertbeständigem Geld ist zweifellos ein kleiner Schritt vorwärts getan, wen« es auf diese Weise wirklich gelingen sollt«, die Geldentwertungsverluste an der Llchn- summe auszuschalten. Wer eine Erhöhung de» Lohnes, eixe Steigerung der Kaufkraft erfolgt damit nicht. In dieser Richtung muß «ach Mög. lichkett weitergearbsitet werden. Die Bertel- lung der sozialen Lasten darf nicht als Macht, frage auf der Linie des geringsten Widerstande» entschieden werden. Das soziale Ganze fShrt am besten, wenn die notwendigen Gntbchrungen »irklsih gerecht verteilt werden. Frankreich gegen die Wett Ein neues Verschleppungsmanöver poincares Paris, 27. Oktober. (Gig. Te l.) Zn Paris ist infolge strenger Geheimhaltung der lesmn franzö- fisch-englischen Besprechungen erst gestern bekannt ge- worden, daß Frankreich bereit ist, der VrL - fung der deutschen Leistungsfähig, keit durch einen internationalen Sach verständigenausschuß zuzustimmen, fall» dieser Ausschuß von der Reparations kommission ernannt werde und daß Frankreich weiter mit der Anhörung deutscher Vertreter durch' die Reparationskommission einverstanden ist, ohne auf vorheriger effektiver Wiederaufnahme der Sachleistungen durch Deutschland zu bestehen. Zu der in Aussicht genommenen .Anhörung" deutscher Vertreter wird am Quai d'Orsay bemerkt, die Kommission handle nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages, falls sie beschließe, deutsche Vertreter anzuhörcn. Diese Anhörung sei aber nicht als eine Verhandlung mit Deutsch land zu betrachten; an Verhandlungen mit Deutsch- land werde Frankreich nicht teilnchmcn, so lange die von Poincare wiederholt betonten Vorbedin gungen bezüglich der Beendigung des passiven Wider st andes nach französischer Auffassung nicht erfüllt seien. London, 27. Oktober. (Eia. Tel.) Der „Daily Telegraph" setzt in einer osfiziösenAnsormatio» aus einander, Vast die gestern in später Abend stunde im Auswärtigen Amt eingegan- geue französische Antwort noch viel enttäuschender ausgefallen sei, als man von amtlicher Seite zunächst ein gestanden habe. Potnearü umschreibe seinen lvorstehatt, dast der Sachverstltn- digenausschutz sich im Rahme« des AriedenSvertrages mit der Prü fung de» Skparationsfrage beschäftigen dürfe, folgender matze«: 1. Der Tachverständigeuansschutz wird von der ReparationSkommissio« ernannt und der der ReparationS- kommiffio» in jeder Hinficht unter geordnete deutsche sowie der neu trale Vertreter, wie solche a »den Be ratungen des Morgan-KomiteeS tetlgenommen haben, werden nicht als gleichberechtigte Mitglieder zugelas sen. (Anscheinend sollen deutsche Ver treter nur gutachtlich gehört werden.) 2. Der Sachverständigenausschutz soll seine Arbeit erst dann anfnehmen, wenn die Alliierten sich darüber geeinigt haben, datz der passive Widerstand vollständig beendet sei; 3. Der Sachverständigenausschutz wäre nicht befugt, eine Herabsetzung der im Londoner Ultimatum festgelegte« Schuldsumme von 132 Milliarden Goldmark vorzunehmen. Diese Herab setzung bleibt anSdrücklich einer herbei zuführenden Entscheidung der Alliier ten Vorbehalten; 4. Eine Prüfung der Leistungsfähig keit Deutschlands «nd der in Deutschland für Reparationszahlungen vorhandenen Quellen darf nicht z« einer Herabsetzung des französischen Anteils von 2« Mil liarden Goldmark führen. Die Unter- suchnngSkommission darf sich auch nicht mit dem umfassenden Problem der Sanierung der deutschen Ainch«- ze« und der Reform der deut schen Währung befassen. Die englischen Reqierungskreis« haben der Presse nicht verhehlt, daß die Regierung »ent täuscht darüber ist, daß Poincars eine groß, Re- parationskonferenz. bei der alle Regierungen, ein-, schließlich der Vereinigten Staaten, durch bevoll mächtigte Vertreter ihre Ansicht hatten zum Ausdruck bringen können, endgültig abqelehnt hat. Zn weiterem diplomatischen Meinungsaustausch mit Frankreich und den übrigen Alliierten sowie mit den Vereinigten Staaten müsse nun versucht werden, für den Sachverständigenausschutz der Reparations kommission «in Arbeitsprogramm »u ent werfen, das trotz der französischen Vorbehalte noch Aussicht auf brauchbare Ergebnisse böte. Ironisch bemerkt der .Daily Telegraph" in feine« Leitartikel, datz es nun darauf ankomme, durch sanfte Ueberredung, wie sie Baldwin anwend«, Frankreich zu einer vernünftigen Behandlung der Re- parattonsfroge zu veranlassen. Die .MorninaPoft" stellt den Gegnern Frank- reich» vor Lugen, datz Poinearö für feine Vorbehalte den besten Vorwand in der amerikanischen Verbal note an Turzon gefunden habe. Obwohl die Union genau wisse datz s« der Versuch, die Reparattonsfrag« unter den Alliierten zu regeln, daran scheitern werd». daß man mit Nordamerika nicht zu einer offenen Aus sprache über die Schuldenfrage gelangen könne, habe die Washingtoner Regierung auch diesmal wieder er- klärt, daß — gleiä)gültig, in welcher Form die ame rikanische Mitwirkung bei der Erörterung des Repa rationsproblems auch erfolge —, der amerikanische Vertreter niemals befugt sein werd«, die Schulden- frage zu erörtern. Er müsse anscheinend — so schließt die .Morning Post" —. wenn diese» heikle Thema im Sachverständigcnausschuß berührt werde, sich zurück- ziehen wie eine prüde Frau von einer Unter haltung, in der von schlüpfrigen Dingen gesprochen werde. Lloyd George, dem in Washington die fran zösischen Bedingungen vorgelegt wurden, soll sich in seiner charakteristischen Art folgendermaßen geäußert haben: Wenn es nur darauf ankommt, den französi- schcn Beamten Gelegenheit zu geben, gegenüber der Welt ihr Gesicht zu wahren, sollten wir es tun-, wenn aber gegen den Plan einer Sachverständigenkonferenz weiter Einwendru.aen erhoben werden, w'-d die Lag schwieriger. S In der französischen Presse hat sich eine leb hafte Auseinandersetzung über das Entgegen kommen entspannen, das PoincarS der englischen Anregung einer abschließenden Bereinigung des Reparationsproblems erzeigt haben soll. Tatsäch- l ch bedarf es aber nur eines Blickes, um zu er kennen, daß der französische Ministerpräsident auch nicht um Haaresbreite von dem Punkt gewichen ist, auf den, er bis jetzt gestanden hat. Seine Bereitschaft, einen Sachverständigen- ausschuß über die Leistungsfähigkeit Deutsch- lands befinden zu lassen — der Gedanke der Ein berufung einer allgemeinen Repara- tions Konferenz ist für Polnears selbstver- stündlich völlig «ndiskutadcl — ist an Bedingun gen aeknihist, die es jedem Zweifel entrücken, daß er eine sachliche und vernünftige Lösung auch weiterhin vereiteln will. Die französische Pol'tik, die dem Versailler Vertrag das Gepräge der Unerfüllbarkeit aufzudrücken wüßte, hat seit dem Friedensschluss alle Möglichkeiten einer Wiederaufrichtung Deutschlands planmäßig ver- schüttet, denn ihr Ziel ist und bleibt die Auf- lösung des Deutschen Reiches. Wenn in einem der vergangenen Stadien des sogenann ten Reparationsstreites der Finanzminister de Laste yrie in engerem Kreise der Befürchtung Ausdruck gab, dass Deutschland wirklich bezahlen könnte, so war diese Aeußerung durchaus nicht scherzhaft gemeint: Frankreich erstrebt eben weder Geld noch Waren, sondern Macht und wie derum Macht. Das mögen sich diejenigen Deutschen gesagt sein lassen, die noch immer glau ben, daß man mit wirtschaftlichen Vorstellungen einen französischen Staatsmann von der Linie der Machtpolitik wegzulocken vermöge! Leider deuten Londoner Meldungen darauf hin, daß die englische Regierung noch immer nicht die Entschlußkraft auf- bringt, gegen die Pariser Verschleppungs taktik offen anzukämpfen, obwohl deren Ziel, die Zerstörung Deutschlands, eben erst von dem Premierminister im Namen Eng lands verurteilt worden ist. Vollends empörend aber muß es auf uns wirken, wenn die Zerrüt tung Deutschlands, die Frankreich nur dank der englischen Duldung herbeiführen konnte, von amtlichen Stellen und Wirtschaftsgruppen Eng- lands immer wieder als Einwand gegen ^ine finanzielle Unterstützung unseres siechen Reiches herangezogen wird. Es ist nicht unsere Sorge, wie sich Großbritannien mit der französischen Hegemonie abfinden möge, die cs selber großzieht. Wir haben aber das Recht, gegen die Mattherzig- keit zu protestieren, mit der London der Ver wüstung Deutschlands noch immer zuschaut. ver hollSndifche Zlottenftrett Amsterdam, 26. Oktober. (Eig. Tel.) Die Zwei) «Kammer hat gestern das Gesetz, da» eine Verstärkung der Kriegsflotte besonders für Riede r- ländssch-In.dien verlangte, mit SO gegen 4V Stimmen abgelehnt. Die Abstimmung war mit ungeheurer Spannung im ganzen Lande er wartet worden, und e» fehlte gestern tatsächlich — und zwar entschuldigt — nur e i n Abgeordneter. Z« den letzten Tagen' haben in allen größeren Orte» Versammlungen gegen da» Flottengesetz stattatzfunden. Der Ministerpräsident de» recht» gerichtet-« Kabinett», Ruy» d« Beereabrouck, hatte* kürzlich erklärt, eine Ablehnung de» Flottengefetze» in der Zweiten Kammer würde «abr- scheinljch den Rücktritt der Regierung zur Folge haben. Schon bei der Einbringung ver Vorlage nahm der damalige Finanzminister de Geer seinen Abschied; sein Nachfolger wurde der bekannt« Oel- Magnat Lolyn, der Präsident der Royal Dutch. Viewahlen in Oesterreich (Don unserem Wiener Vertreter.) R. S Dien, 24. Oktober. Da» besondere Merkmal des Wahlkampfes, der am vorigen Sonntag in Oesterreich ausgefochten wurde, ist die beinahe der Vernichtung gleich, kommende Schwächung der Großdeutschen Partei; die neue Wahlordnung hat die Zahl der Mitglieder der Nationalrates von 183 auf ISS herab gesetzt. Bisher standen 114 Bürgerliche 6V So- zialdemokraten gegenüber. Im ncugewählten Hause werden 9S Bürgerliche S7 Sozialdemokraten gegenüberstehen. Der von den Sozialdemokraten er zielte Stimmenzuwachs beträgt rund 200 000, ein- schließlich der Stimmen von etwa 30 000 Klein- rentnern, die ein Abkommen mit den Sozialisten getroffen hatten. Die Christlich-Sozialen haben einen Zuwachs von 59 000 Stimmen zu verzeichnen. Die ziffernmäßige Verstärkung beider Parteien konnte nur auf Kosten der Großdeutschen erzielt werden. Zn der Tat sieht diese Partei die Zahl ihrer Mandate in einem Blaße verringert, für das es bezeichnend ist, daß selbst die namhaftesten Führer ihre Sitze ver loren haben und einige von ihnen, so der Obmann der Desamtpartei Kan dl, der bisherige Innen- Minister und Vizekanzler Dr. Frank und sogar der Vorsitzende der Fraktion und bisherige Vizepräsident des Nationalrats Dr. Ding Hof er, nur auf dem rühmlosen Umweg über die Reststimmen in da» Parlament zurückkehren können. Di« Ursachen solchen Mißgeschicks sind nicht schwer zu erkennen, sobald man weiß, daß sich der Wahl- kampf hauptsächlich um die von dem Bundeskanzler Prälat Seipel und seinen der Hochfinanz an- gehörigen Beratern in die Wege geleitete Sanie rung der Staatsfinanzen drehte. Wie immer man nämlich die in Genf angebahnte Aktion an sich be urteilen mag, soviel ist sicher, daß sie von dem irn großdeutschen Programm enthaltenen Gedanken d<» Anschlusses an das Deutsche Reich weit hinwegführt. Indem die Großdeutschen dem Genfer Sanierung», plan beitraten und ihn durch die Teilnahme an «m Ministerium Seipel unterstützten, wurden sie somit sich selber untreu, und die Masse der bisher groß deutschen Wähler verhielt sich durchaus folgerichtig, indem sie sich teil« den auf den Eeipelschen Plan ei»- geschworenen und demgemäß dem Anschlußgedanken offen entfremdeten Christlich-Sozialen, teil» den nach wie vor anschlußfreundlichen und dem Genfer System abgeneigten Sozialdemokraten zuwandten. In d^r Tat haben diese wie stne einen Stimmenzuwachs M verzeichnen, der nur auf Kosten der Großdeutsch«! gebucht werden kann. Dazu sprach freilich auch zu ungunsten der Groß deutschen, daß diese Partei, auf die geistige Qualität ihrer führenden Persönlichkeiten hin betrachtet, auf einer außerordentlich niedrigen Stufe stand. In Oesterreich, dessen politischem Leben es nicht an be- deutenden Köpfen fehlt, hatte die Großdeutsche Partei mit ihrem nahezu ausschließlich auf das Ausmaß des ödesten Kannegießertums beschränkten Häuptern einen doppelt schweren Stand. Man braucht sich nur die geistige Anspruchslosigkeit der Hitlerschen Kreise zu vergegenwärtigen, um ein Bild von dem groß deutschen Führertum in Oesterreich zu erlangen, dessen Kreisen ja Hitler selbst entstammt. Nur, daß di« Ware, die das Ursprungsland Oesterreich jetzt als allzu dürftig verworfen hat, noch gut genug scheint, um in Deutschland noch beträchtlichen Absatz zu finden. Als immerhin beachtenswerte Einzelheit ist die Niederlage des Grafen Ottokar Lzernin zu ver- zeichnen, der als angeblicher Vertreter des liberalen Bürgertums im Nationalrat gesessen hatte, wo er in Wahrheit für alle» zu haben war, was irgendwie nach Reaktion schmeckte- Mit seiner Ausschaltung au» dem Parlament, für das seine Abwesenheit keinen Verlust bedeutet, ist der in Wahrheit schon langst an der eigenen Unzulänglichkeit verstorbene bürgerliche Libe- ralismus auch formell aus der Oeffentlichkeit ver schwunden. Unter den sonstigen Linzelergebnissen ist etwa noch hervorzuheben, daß das Uvbcrgewicht in Wien — einschließlich der Herrschaft im Rathaus, dos zu gleich der Sitz der Regierung des „Landes" Wien ist — den Sozialdemokraten erhalten bleibt, die hin gegen in der Landesversammlung de« neu erworbe nen Burgenlandes um eine Stimme hinter den Christlich-Sozialen zurückbiieb:n während da» Ver hältnis bisher umgekehrt war. Der neugewählte Nationalrat wird am 20. No vember seine erste Sitzung abhalten. Zum Nachfolger seine» bisherigen ersten Vorsitzenden, Weiskirchner, Dollar In DerUn »Mil. «Itt-Iklli»: 6S ooo LUlUoaeil 1 Oolckmsrlcr ÜM Wmi W - UU »Mn M »»niittuilrGer «eu»«« Vrlcklnuv« cker Vordkr,«
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