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ilsömfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter "n allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholuug in r«M rurüAusgabestellen 2 RM. im Monat, der Zustellung durch die Boten 2,30 AM., bei Postdestellung Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend An,ei,«NPrrir: di« 8 ,cspa»«ne Raumzcile A) Sipfg., die I grspall«»« Zeile der amtlichen Bek<>n»imachm»,en 10R«tch«, pseunix, die 3 gespaltene Sieklamezeile im textlichen Seil« I Sikichrmart. Nachweisuvgrgedühi LV Sieichrpsennig«. Eime- geschriebene Erscheinung!,. —, . . _ tage nnd Platzuorschrift«, merden nach Mdgiichkkit Kernsvrecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 derilchfichttgt. «nxei^». II I - nehmen zu jeder Zeit Be. annahmebisvorm.lOUHr. —— Für die Richtig KM dar derzeit*.».*" JmFalle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung durch Fernruf übermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. 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Denn die finanzielle Gegenwart ist so unerfreulich, daß man eben nur auf die Zukunft hoffen kann. Im Dezember vorigen Jahres sind vom Vorgänger des jetzigen Reichsfinanz Ministers auch allerhand Versprechungen über Steuer senkung gemacht worden und sie mußten beerdigt werden, aber trotzdem — „am Grabe noch pflanzt er die Hoffnung auf", der arme geplagte Steuerzahler nämlich, auf dessen Schicksal man gleichfalls ein etwas abgeändertes Dichter wort anwenden kann: „Zahlen sollst du, sollst bezahlen!" Vorläufig jedenfalls sind die Ausgaben für 1930 noch mehr als eine Milliarde höher, als man sie für 1929 an- setzte oder vielmehr glaubte ansetzen zu können; denn es war ja notwendig, im Nachtragsetat noch 900 Millionen nachzufordern, und trotzdem weist der Reichshaushalt für das vergangene Jahr immer noch einen Fehlbetrag von 360 Millionen auf. Das „Kreuz" im Haushalt des Reiches ist aber nicht der ordentliche, sondern der außerordentliche Teil des Etats, in dem weit über eine Milliarde schweben der, also kurzfristiger, überaus teurer Schulden stecken. Der frühere Reichsbankpräsident hat ja nun aber das Reich oder vielmehr den Reichstag gezwungen, an die Bezahlung dieser Schulden beranzugehen; außerdem wird ein Teil dieser schwebenden Schuld durch die zweite Tranche der „Kreuger"-Anlcihe in langfristige umgewandelt, so daß das Reich dann nicht mehr allein 500 Millionen an Zinsen für die kurzfristig geliehenen Gelder zu bezahlen braucht und alle paar Monate damit rechnen muß, diese Schuldsummen ziirückzuerstatten. -r- Das Ziel der künftigen Steuer- und Finanzpolitik ist aber — wie das schon in den Reformvorschlägen des Dezembers 1929 entwickelt wurde — immer dasselbe: EntlastungdesKapitalertragesderWirt- schäft, um der Kapitalneubildung nicht viel zu große Teile zu entziehen. Nach dieser Richtung hin will das Reich zunächst einmal, und zwar sehr bald, einen Anfang machen mit der Vorlage eines Gesetzentwurfs, der die Kapitalver lehrssteuer beträchtlich herabsetzen soll. Allerdings ist das nur eine Maßnahme, wodurch die steuerliche Belastung der Kapitalsanlage erleichtert wird und die das Reich nicht allzuviel kostet; auch im „Hilferding-Programm" des Vorjahres war ein derartiger Vorschlag enthalten. Damals wie in den jetzigen Ausführungen Dr. Mol denhauers hat sich aber mit besonders zwingender Not wendigkeit ein anderes „Kreuz" in den Vordergrund ge drängt: die Frage eines endgültigen Finanzausgleichs zwischen dem Reich auf der einen, den Ländern und Ge meinden auf der anderen Seite. Ein bißchen originell, aber nur zu billigen ist es übrigens, daß diesmal im Etat bei den Einnahmen und Ausgaben gleich jener Teil der Steuereinkünfte nicht eingesetzt ist, der gesetzlich an die Länder überwiesen werden muß, ein Betrag, der rund drei Milliarden hoch ist. Aber der ständig verlängerte „vorläufige Finanzausgleich" mutz unbedingt zu einem endgültigen gemacht werden besonders deswegen, weil das von Dr. Moldenhauer angekündigte Steuer senkungsprogramm die Finanzen der Länder und Gemeinden direkt und indirekt auss stärkste berührt. Am interessantesten für den Steuerzahler ist hier jedenfalls der Satz — der übrigens auch für das Reich selbst Geltung haben soll —, daß für die Ausgaben eine Höchstgrenze festgesetzt werden soll, über die hinaus sie nicht steigen dürfen. Skeptisch murmelt aber auch hier wieder der ge plagte Steuerzahler: „Das ist zu schön, um wahr zu sein," — und denk: dabei an die hemmungslose „Bewilligungs freudigkeit" der Volksvertretungen in Reich, Landern und Gemeinden. * Und er nimmt, „bleich, aber gefaßt", die Kunde ent gegen, daß die Reichsbahn nun doch Wohl ihre Tarife heraufsetzen darf. Daß dies jetzt, zu Beginn der Reisezeit, erfolgt, das macht diese Pille beson ders bitter. Natürlich müssen auch die Gütertarife daran glauben, aber die Beschlüsse des Eisenbahnrates er öffnen doch die Möglichkeit, daß man auch einmal zu einer Herabsetzung der Tarife kommen kann: wenn nämlich die Konkurrenz der Reichsbahn, also die Kraftwagen im Über landverkehr, „entsprechend" besteuert werden und wenn sich das Reich dazu entschließt, von den Schultern der Reichs bahn die Last der Beförderungssteuer zu nehmen, deren Ertrag über 300 Millionen ist. Kuch bei dieser Mehr belastung spricht das „Muß" ein zwingendes Wort. Aber auch hier wird es gerade darum zur doppelten Pflicht der Verwaltung, alles daranzusetzen, um zu einer Senkung der Ausgaben zu gelangen. Denn die Reichsbahn soll auch ^n „nach kaufmännischen Grundsätzen geleiteter Betrieb" lein und für einen solchen ist und bleibt die Hauptregel: Man muß sich nach der Decke strecken; man darf nicht mehr ansgeben wollen als man einnimmt. Das Trümmerfeld der ReWnanzea Molden-mr über RiMMlitik md MWast Auf der Jubiläumstagung des Westfälisch-Lippeschen Wirtschaftsbundes in Bad Eilsen sprach als Haupt redner Reichsfinanzminister Moldenhauer über das Verhältnis der Finanzpolitik zur Wirtschaft. Ausgehend von der schwierigen Lage der deutschen Wirt schaft im allgemeinen führte der Minister u. a. aus, die Krise der Landwirtschaft seit mit verursacht durch eine Überproduktion in der Welt. Die zweite Ur sache für die Wirtschaftskrise liege in dem Kapital mangel. Die mangelnde Kapitalbildung habe ihre Ursache vornehmlich in dem außerordentlichen Steuerdruck, der nicht zum geringsten Teil auf Reparationslasten zu rückzuführen sei. Aufgabe der Finanzpolitik müsse es sein, diesen Steuerdruck zu mildern. Sie müsse begleitet sein von einer verständigen Sozialpolitik. Ehe die Finanzpolitik zur Steuersenkung schreite, habe sie die große Aufgabe zu erfüllen, zunächst in ihrem eigenen Gebiet Ordnung zu fchaffen. Ich habe, so führte der Minister weiter aus, bei meinem Amtsantritt ein Trümmerfeld vorgefun- dcn und habe geschworen, daß dies nicht mehr Vorkommen darf. Wir können in außenpolitischer Beziehung nicht ohne eine gesunde Finanzwirtschast arbeiten, aber auch nicht aus innenpolitischem Gebiet. Erstes Erfordernis war daher, die schwebende Schuld soweit abzudecken, daß sie die Steuergebarung nicht mehr ernstlich bedroht. Möglich war dies nur durch eine so fortige starke Steuererhöhung, wobei die direkten Steuern nicht mehr herangezogen werden konnten, sondern nur die indirekten. Für die Lastensenkung ständen zur Verfügung zunächst die Beträge, die jetzt im Haushalt zur Abdeckung der schwebenden Schuld und einmaliger Ausgaben stehen. Es fei anzunehmen, daß 600 Millionen Mark mindestens auf diese Steuersenkungen verwandt werden könnten. Dabei fei auf die große Gefahr verwiesen, die von seiten der Arbeitslosigkeit drohe. Diese Dinge müßten noch vor der Sommerpause erledigt werden. Ebenso wichtig sei die Durchführung eines großen Agrarpro- gramms und einer wirklichen Hilse für den Osten. Die Steuersenkung soll sich nicht auf die Kapitalertragssteuer beschränken, sondern es sollen schon jetzt die Gesetze in Angriff genommen werden, die im kommenden Jahr die Steuerfenkungen bringen. Hier stehe in erster Linie die Senkung derRealsteuern, also der Grundvermögens steuer und der Gewerbesteuer, in Frage. Damit rolle sich aber auch die Frage der Finanzpolitik der Ge meinden auf. Auch auf sie müsse sich die Finanz reform erstrecken. Man komme nur dann ernstlich weiter, Wenn in allen Teilen, Reich, Ländern und Gemeinden, der starke Wille zur Ausgabensenkung vorhanden sei. Ein Ausgaben senkungsge setz soll hierzu die Vor aussetzung liefern. Es fei auch nicht notwendig, daß den Krank en- kaffe n bei einer Einnahme von 2,3 Milliarden Mark ein Zuschuß von 30 Millionen zugebilligt werde. Ohne harte Eingriffe werde es daher nicht abgehen. Zum Ftottenvau Programm betonte der Minister, daß bei der Einstellung der Rate für das Panzerschiff L die Grundsätze der alten Regierung nicht umgeworfen worden seien. Man müsse über alle Spar maßnahmen nicht vergessen, auch für die Verteidigung des Landes Sorge zu tragen. Zum Schluß wies Finanzminister Moldenhauer auf das große Beispiel des Reichspräsidenten hin, über die Sorgen der Gegenwart nicht die großen Zukunfts fragen zu vergessen. Es wurde sodann eine Entschließung des Vorstandes angenommen, in der cs n. a. heißt: Die bürgerlichen Parteien sollten ungeachtet sonstiger verschiedener Auf fassungen in rein politischen, kulturellen und weltanschau lichen Fragen mehr als bisher Wege suchen und be schreiten, die zu einer wirtschaftspolitischen Querverbindung führen mit dem Ziel einer plan mäßigen Zusammenarbeit im Kampf für die Erhaltung der seit Jahren in steigendem Maße bedrohten Indivi dualwirtschaft. Zweck der Gemeinschaftsarbeit dieser Parteien sollte auch sein, eine geschlossene Abwehr gegen über der sozialistischen und kommunistischen Ideenwelt herbeizuführen. Dieser Entschließung stimmten alle anwesenden Parteien, Deutschnationale Volkspartei, Deutsche Volks partei, Wirtschaftspartei, Zentrumspartei und die Deutsche Demokratische Partei zu. Dis ErMis dkl UM« MdiMW« Paris. Der Brüsseler Korrespondent des Temps berich tet: Die am Sonnabend abgeschlossene Tagung der Bankiers hat folgende Verteilung der 300 Millionen Dollar betragenden Youngplananleihe in Aussicht genommen: Frankreich und die Vereinigten Staaten übernehmen 80 Millionen Dollar. England habe den ihm angebvtenen Anteil von 50 bis 60 Millionen Dol lar abgelehnt und anfangs nur 30 Millionen Dollar, schließlich aber 40 Millionen Dollar zugestimmt. Die englischen Bankiers hätten schließlich jedoch noch besondere Garantien, vor allem eine Art Hypothek aus die Reichsbahn (!) gefordert. Die übrigen Länder sollen sich in folgendem Verhältnis an der Zeichnung der Anleihe beteiligen: Deutschland 5 bis 10 Millionen, Holland 30 Millionen, Schweden 25 Millionen, die Schweiz 15 Millionen, Italien und Belgien je 10 Millvnen Dollar. Der Korrespondent bestätigt, daß die Anleihe zu 5 jL v. H. einer Laufzeit von 35 Jahren auferlegt werden soll, daß aber die Amerikaner eine tz- prozentige Verzinsung verlangt hätten. Vor der Annahme der Bankiers- bedinguvgen für die Tributanleihe Paris, 4. Mai. Am Montag vormittag treten in Paris die Vertreter der Finanzministerien der Hauptgläubigerstaaten einschließlich der Vertreter des deutschen Finanzministeriums zu sammen. Der Direktor der B. I. Z. wird auf dieser Sitzung die in Brüssel im Zusammenhang mit der Auslegung der Young-An leihe von den Bankiers angenommenen Vorschläge zur Weiter leitung an die einzelnen Regierungen unterbreiten. Die Bespre chung wird voraussichtlich einige Tage dauern, da die Finanz vertreter die Bedingungen der Bankiers nachprüfen müssen. Mr Einschränkung des Roggenbaues. Maßnahmen zur Hebung des Roggenpreises. Der preußische Landwirtschaftsminister hat mit den Vorsitzenden der Landwirtschaftskammern das Roggen problem erörtert. Hierbei ergab sich Übereinstim mung, daß zur Ergänzung der handelspolitischen und sonstigen Maßnahmen zur Hebung des Roggenpreises eine Einschränkung des Roggenbaues er forderlich ist, um die Roggenernte, soweit möglich, dem Roggenbedarf anzupassen. Es ist notwendig, daß die Roggenanbaufläche, soweit die mit Roggen bestellten Böden auch für andere Fruchtarten, insbesondere für Weizen oder Futterpflanzen, geeignet sind, zu gunsten dieser Fruchtarten eingeschränkt wird. Hierbei werden sich westlich der Elbe größere Umstellungsmög lichkeiten als im Osten ergeben. Im Interesse dieser Umstellung sollen im Einvernehmen mit dem Reiche eine Reihe von einzelnen Maßnahmen durchgeführt werden, die eingehend besprochen worden sind. D-Zug fährt in eine Arbeiterkolonne. Drei Tote. Wie die Pressestelle der Reichsbahndirektion Han nover mittcilt, fuhr der D-Zug 141 (Hamm—Hannover— Berlin) beim Block 132 zwischen den Bahnhöfen Rheda und Gütersloh in eine am Gleise arbeitende Rotte. Drei Arbeiter wurden sofort getötet. Die Schuldfrage ist noch nicht geklärt. Das „Herz Europas". Schober bei König Georg. Bundeskanzler Dr. Schober ist in Begleitung des Londoner österreichischen Gesandten von König Georg in Audienz empfangen worden. Aus der Umgebung des Bundeskanzlers wird betont, däß der Kanzler mit seinem Londoner Besuch durchaus zufrieden ist und ihn als einen vollen Erfolg in jeder Hinsicht bewertet. Schober hatte vorher Besprechungen mit dem englischen Außen minister Henderson, die fast eine Stunde dauerten, und später auch mit dem Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt. Auch diese Besprechungen sollen sehr zufrieden stellend verlaufen sein. Bei einem Presseempfang betonte der Bundeskanzler, daß die alte traditionelle Freundschaft zwischen Groß britannien und Österreich nunmehr glücklich wiederher gestellt sei. Die auswärtige Politik Österreichs müsse stets von dem Standpunkt aus betrachtet werden, daß die Auf gabe einer jeden österreichischen Regierung in der Haupt sache eine wirtschaftliche fei. Durch die Erfolge Österreichs auf der Haager Konferenz sei ganz Europa ein guter Dienst erwiesen worden. Denn Österreich liege an der Grenzscheide zwischen Osten und Westen und ihren Kulturen. Es sei ein wichtiges Bindeglied zwischen Norden und Süden und gewissermaßen das Herz Europas. Die österreichische Wirtschaftspolitik sei ge tragen von der Überzeugung der Schicksalsgemeinschaft aller Kulturvölker und der Notwendigkeit des innigen Zu sammenwirkens einerseits mit allen Nachbarn, anderer seits insbesondere auch mit den führenden Mächten