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»77 ÄMliMv zm AAm Ächtitm« 127. zu Nr. 39 des Hauptblattes. 1924. Veanftragt mit der Herausgabe: RegierungSrat Brauße in Dresden. Landtagsverhandlungen. 8». Sitzung. Donnerstag, den 14. Februar 1SL4. Der Präsident Winkler eröffnet die Sitzung 1 Uhr 14 Minuten nachmittags. Am Regiernngstisch Ministerpräsident Heldt und sämtliche Minister sowie Regierungsvertreter. An Stelle des ausgcschiedenen vormaligen Abg. Leithold ist neu eingetreten nnd anwesend Abg !>r. Troll (Chemnitz), der einstimmig in den Prüfungsaus schuß delegiert wird. Aus der vorgetragencn Registrande geht u. a. hervor, daß Finanzminister Oe. Reinhold (Dem.) wegen Ar beitsüberlastung sein Abgeordnetenmandat nieder gelegt hat. Die Regierung wird veranlaßt, den Ersatz mann einznberufen. Die Regierung schreibt: In § 7 Abs 2 des Gesetzes über die Übertragung des staatlichen Kohlen- und Elektrizitätsunternchmens an die Aktiengesellschaft Sächsifche Werke zu Dresden vom 30. Januar 1924 (GBl. S. 51) ist ein Redak tionsfehler unterlaufen. Es muß dort statt „8 39 Abs. 2 Satz 2 und 3 des Staatswirtschaftsgesetzes" heißen „8 3t) Abs. 1 Satz 2 und 3 des Staatswirt- schaftsgesctzcs." Der Fehler findet sich bereits in dem Gesetzestext der Regierungsvorlage Nr. 103. Die Änderung wird einstimmig genehmigt. Punkt 1 der Tagesordnung: Erste Beratung über den Antrag des Abg. Dr. Kaiser u. Gen., Änderung deS Gesetzes über die Zusammenlegung von Grund stücken betr. (Drucksache Nr. 468) Der Antrag lautet: Der Landtag wolle beschließen: die Negierung um schleunige Vorlegung eines Ge setzes zu ersuchen, wonach die 88 2, 3 und 35 des Gesetzes über die Zusammenlegung von Grundstückcn vom 23. Juli 1861 und des 8 23 des Enteignungs- gesetzes vom 24. Juni 1902 dahin abgeändert werden, daß 1. bei Durchführung von Eisenbahnen oder Kanälen durch ländliche Fluren der Antrag der Beteiligten auf Zusammenlegung auch von dem Unternehmer gestellt und daß diesem Antrag auch gegen den Willen von Grundstückseigentümern und ohne Vornahme einer Abstimmung nach § 2 Abs. c des Gesetzes gefügt werden kann; 2. daß als Zeitpunkt für die Feststellung der Ent schädigung nicht der Zeitpunkt des Feststellungs- teimins oder des Enteignungstermins oder der Eröffnung der Enteignungsverordnung, sondern entweder der Tag der Zahlung festgesetzt wird, oder aber die Entschädigung, insbesondere für Nachentschädigungen, die erst nach erfolgter Ab rainung festgesetzt werden, auf wertbeständiger Grundlage zu berechnen ist. Abg. vr. Hübschmann (Dtsch. Vp. — zur Begrün düng): Tie Bestimmungen, deren Änderung der Antrag bezweckt, haben sich je länger, je mehr als unzureichend und als schädlich für die Flurbesitzer in den Fällen er wiesen, wo eine Eisenbahn durch die Gemcindeslur ge legt wird. Dasselbe gilt auch von einem Ka albau Bei der Enteignung für ein n Bahn- oder Kanalbau oder eine sonst im Interesse der Allgemeinheit liegende Anlage wird selbst dann, wenn eine ganze Gemeinde stur durchschnitten wird, in der Regel nur von einer Minderheit von Flurbesitzern die Landhcrgabe bean sprucht. Diese Minderheit muß von ihrem Grundeigen tum die erforderliche Gesamtfläche abtreten, sic muß, obwohl sie an der Herstellung der Anlage kaum ein größeres Interesse hat als die übrigen Grundeigentümer der Flur, allein Opfer bringen, während die übrigen Flurbesitzer zwar sämtliche Vorteile mit genießen, aber keine Opfer zu bringen haben. Handelt es sich um die Abtretung kleiner Flächen, so sind die Folgen für die beteiligten Grundstücksbesitzer im allgemeinen noch erträglich; werden dagegen größere Ländereien, oft oder noch mehr der Gesamtflän e deS Gutes be ansprucht, daun kann auch die höchste Geldcntschädigung in der Jetztzeit unter der Wirkung des noch näher zu bezeichnenden § 23 des EnteignungSgcsctzeS keinen Aus gleich für die Schäden bieten. Geradezu zum Ruin der Betroffenen kann die Durchführung einer größeren Anlage dann führen, wenn die landwirtschaftlichen Feldstücke durch Durchquerung dieser Stücke zer schnitten werden Dann bleibt jeder Teil deS ur- sprünglichen Stückes aus jeder Seile der Neuanlage liegen; zu ihm kamt der Grundeigentümer nach der Zusammenlegung nur auf einem mehr oder weniger großen Umwege gelangen; und da es unmöglich ist, für jeden einzelnen Feldstreifen einen Bahnübergang zu schaffen, besonders wenn die Bahn im Einschnitte geführt ist oder auf dem Damme angelegt werden muß; denn dann müßten entweder Brücken über die Bahn oder Unterführungen unter der Bahn angelegt werden. Reben den Umwegen bleibt als dauernder Schadei» die Zersplitterung deS Grundbesitzes bestehen. Diele kann, wenn eine Flur durch die eine größere Anlage durchgelegt wird, noch nicht zusammengelegt worden ist, zur Einleitung von Zusammenlegungsver handlungen sühren. Werden dagegen Fluren betroffen, die schon zusammengelegt sind, so steht die Sperrvor- schrift des 8 35 des Zusammenlegungsgesetzes entgegen, es kann dann eine nochmalige Zusammenlegung unter keinen Umständen erfolgen und wenn sie noch so drin gend notwendig wäre. Die Aufhebung des 8 35 ist allo notwendig, um durch große Anlagen zerschnittene Flnren erneut zmammenlegen zu können. Solche neue Zusammenlegungen sind unabweisbare Notwendigkeiten, wenn die Feldstücke nicht der Quere, sondern der Länge nach durchschnitten werden, weil die Schädigungen der Grundstückseigentümer dann noch weit schwerer sind als bei Querdurchschneidungen. Solche Schäden völlig ge recht durch Geld abzugelten, erscheint einfach unmöglich; selbst der bedeutendste Sachverständige dürfte außer stande sein, sie vollständig auszugleichen. Em Beweis dafür sind die vielen langwierigen Prozesse, die sich im Anschluß ar» die Enteignung wegen Ansprüchen aus Eutschädigungsvcrfahren entwickeln. Unser Antrag erstrebt weiter auch die Abänderung des 82» des Zusammenlegungsgesetzes dahingehend, daß der Antrag ans Zusammenlegung auch von dem Unternehmer, nicht nur von den Grundstückseigen tümern oder ihrer Mehrheit gestellt werden kann, also entweder vom Staate, vorn Reiche oder vom Ge- meindeverbande. Dieser Antrag soll erreichen, daß die oft langwierige»» Einleitungsverhandlungen vermieden werden. Das kann zunächst als ein Eingriff in die Rechte des Grundbesitzers erscheinen, als Härte, die un- gerechtfertigt ist. Aber den» ist nicht so. Jetzt liegt die Cache vielleicht so, daß diejenigen Grundstückseigen tümer, die von der Anlage der Bahn oder des Kanals betroffen werden, den Wunsch hegen, die Zusammen legung der Flur zu erreichen, sie können sie aber nicht, weil sie die erforderliche Stimmenmehrheit nicht aus zubringen verinögen, weil der ihnen gehörige Grund besitz iin Verhältnis zur Gcsamtslur nicht groß genug ist, »im die Zusammenlegung nach Abs. » des 8 2 zu betreiben. Hierzu kommt weiter, daß au der Zu- sammenlegung der Gesamtflur nur die unmittelbar von der Anlage betroffenen Grundstückseigentümer Inter esse haben, so daß die erforderliche Stimmenmehrheit noch schwerer, ja fast unmöglich ist. So bleibt nichts weiter übrig, als die Zerlplitterung des Grund besitzes weiter zu behandeln, der dann um die Fläche kleiner geworden ist, die zu der Anlage von dem inliegenden Grundstück gebraucht wird. Was erstreben wir nun »nit dem Anträge? Wird bei der Durchführung einer großer» Anlage durch eine Flur der Antrag aus Zusammenlegung der Gesamt stur vom Unternehmer — hier einmal so gefaßt, daß darunter derjenige verstanden wird, der das Ganze der Anlage aufzubllugen hat — gestellt, so wird das Ver fahren ohne weiteres eingeleitet. Tie Flur wird, loweit es nicht schon geschehen ist, vermessen und dem Unter- nehmer wird das nach der Planung erforderliche Land überivicien, und er kann den Bau beginnen. Nun kommt das volkswirtschaftlich wichtigste Moment der Regelung, das darin besteht, daß zu diesem Lande nicht nur die Minderheit der Grundstücksbesitzer, der Eigen tümer der Flur beiträgt, sondern die Gesamtheit, da die Ausbiingung des Landes für die Anlage nach den Vorschriften des 8 13 des Zusammcnlegungsgesetzes erfolgen muß. Damit wird vermieden, daß schließlich eine Minderheit einen Grundbesitz bebält, der jo ver- kleinert ist, daß die Wirtschaftsführung erheblich er schwert ist und daß Unzufriedenheit, ja Verzweiflung unter den Landwirten P atz greift. Was den zweiten Tc>l unteres Antrages an'.angt, so ist folgendes zu sagen. Anfang des Jahres 1920 wurde dem sächsischen Staate auf Grund des 8 1 des Enteignungsgcsetzcs vom 24. Juni 1902 zur He'stellung verschiedener Bahnen das Enteignungsrecht verliehen. Co geschah es für die Linie Wurzen—Eilenburg und Borna Großbothen. Nach §70 des Enteignm gs gesetzes wurde die sofortige Entziehung des Grund eigentums verfügt, ebenso Beschränkungen an solchen oder an Rechten an Grundstücken, soweit cs für den Zweck der Enteignung erforderlich war. AIS Stichtag für die Enteignung gilt der Tag der Eröffnung der Verordnung an die Grundstücksbesitzer und sonnigen Berechtigten, das ist der 15. Februar 1920. Von diesem Tage ab haben also die betroffenen Grundstücks besitzer das Berfügungsrecht über daS Areal ver lorcn. Zum Teil stand damals der Bebauungsplan noch nicht fest, so daß die Planfeststellungstcrminc erst im Oktober, November 1920 oder Februar 1921 statt- finden konnten. Tie Eröffnung der Entschädigung Hal zum Teil erst 1922 erfolgen können. Entsprechend den Vorschriften des § 23 des Enteignungsgewtzcs muß d e Entschädigungsfestsetzung nach dem Stande des Zeit punktes der Ei Öffnung der Enteignungsvcrordnung, im vorliegenden Falle also nach dein Stande vom 15. Fe brua» 1920 erfolgen, weil das Verfahren als dringlich nach § 70 Abs 2 bezeichnet worden ist. Nach § 23 Abs 2 dürfen Werterhöhungen und Wertvermindcrungen, die der enteignete Gegenstand erst infolge der Aus führung deS Unternehmens erfährt, nicht berücksichtigt werden. Un» einen Vergleich zu geben, wie sich die Mark in der Zeit vom 15. Februar 1920 bis Mitte Juni 1922 entwertet hatte, sei erwähnt, daß am 15. Fe bruar 19-0 die Goldmark gleich 24 Papiermark war, am 15. Juni 1922 rund gleich 25 478 M. Selbst wen»» man unterstellt, daß damals die Kaufkraft der Goldmark größer als im Friede»» war, bleibt noch immer em er heblicher Minderbetrag bestehen, um den die Enteignete»» infolge der Geldentwertung gebracht werden. Noch krasser wird sich die Sparbestimmung des 8 23 auswirken bei den Nebenschäden, die erst festgestellt werden können, wenn der Bau sertiggestellt und ab- geraint ist. Auch für diese Nebenentfchädigung muß, soweit die Verordnung ain 15. Feb uar 1920 eröffnet worden ist, dieser Tag als Stichtag genommen werden, d. h. den Betroffenen kann nur die Entschädigung in Papiermark gezahlt »verden, die an diesem Tage an gemessen war. Um welche Beträge es sich handelt und welche»» Wert diese Beträge heute oder in Jahren haben, bedarf keiner Darlegung. Sie sind einfach wert los. Das Enteignungsgesetz verlangt aber Schadlos haltung des Enteigneten und gewährt sie, solange wie wir stabile Geldverhältnisse hatten. Während der Jnflationsperiode »st der Grundsatz der Schadlos haltung beiseite gedrängt worden, da die Enteig neten für de»» Grund und Bode»» keinerlei Gegenwert erhalten konnten, denn der fest gesetzte Betrag war inzwischen wertlos geworden. Wen»» nun auch noch Nachentschädigungen nach 8 23 gezahlt werden müssen, dann ist es besser, das Verfahren wird abgeschlossen und die Beteiligten erhallen über haupt keine Entschädigungen, denn sie sind wertlos und decken nicht einmal die Kosten für den Zeitverlust, den der Besuch der Enteignungstermine »nit sich bringt, wie es vorgekommen ist, daß Beteiligte weniger Entschädi gung bekommen haben, als notwendig war, um eine Tasse Kaffee zu bezahlen, die sie in dein Versammlungslokale getrunken hatten. (Hört, hört!) A»is diesen Darlegungen dürste erhellen, daß eine Änderung der erwähnten gesetzlichen Bestimmungen in» Sinne des Antrages nicht nur dringend erforderlich, sondern unzweifelhaft geeignet ist, der Landwirtschaft zum Vorteile zu gereichen. Damit ist aber der Allge meinheit gedient. Bayern ist auf diesem Wege schon vorangegangen und hat in dem Gesetze zur Ergänzung des Gesetzes, die Flurberainigung betreffend, uns den Beg gezeigt, wie wir die Verhältnisse auch m Sachsen ordne»» könnten. Hoffentlich folgt unsere Regierung diesem Beispiele bald nach. Ich bitte, den Antrag dem Rechtsausichm'se zu über weilen. (Bravo! reckls ) Abg. Schreiber (Ttschnat.): Wir sind nicht in der Lage, so ohne weiteres dem Anträge zuzustimmen. Gerade die §§ 2 und 3 sowie 35 sind, das kann man wobl sagen, die wichtigste»» Paragraphen des ganzen Gesetzes überhaupt. Wir können nicht zugeben, daß ma»» jo ohne weiteres einzelne Paragraphen aus einem Gesetz bcransrcißt, weil s»ch hei ausgestellt hat, daß sie hier und da in einigen Fällen zu unliebsamen Zwischen fällen geführt haben. Es ist immer gefährlich, auf Grund einzelner Fälle nun gleich eine Abänderung be stimmter Paragraphen eines Geietzes zu beantragen. Es wäre vielleicht richtiger gewesen, der Herr Annag- steller rind seine politischen Freunde hätten überhaupt eine Revision dieses Gesetzes beantragt, die ich bereits in einer Rede hier in diesem Hause vor vielen Jahren gewünscht habe, denn das muß man ohne weiteres zu- gcben, daß das Zusammenlegungsgesey den heuiigen wirtschaftlichen Veihätnissen nicht mehr Rechnung tägt. Wir glauben aber, daß in den meisten Fällen die Grundstücksbesitzer sich einigen werden innerhalb ihrer Grundstückszusammenlegungs - Ge nossenschaft. Wir wissen, daß die wirtschaftlichen Verhä.tnisse, die Bodcnverhältn sse der velschiedenen Grundstücke meist sehr verschieden sind, und da hat natürlich ein Austausch von Grundstüct.n immerhin seine Schwierigkeiten, und »venu er gar nun zwangs- wer e vorgenommen wird, so wird das nalürlich auch unüevjame Streitfälle heraufbeschwören. Man kann überhaupt die Zusammenlegung nicht nacü Scheu a k behandeln, sondern das bedarf langwieriger Aus einandersetzungen, und letzten Endes müssen sich eben die Parieren aus gütlichem Wege einigen. Aber wenn wir auch gegen den Abs 1 dieses Antrages mancherlei Bedenke»» Haven, die hoffentlich un Ausschuß noch ge klärt werden, so kann ich erklären, daß wir dem Abs. 2 dieses Antrages ohne weiteres znstimmen, den»» gerade u ter der Zeit der Jnfia.ion habe»» die Besitzer, die an Zu'asnmenlegungcn beteiligt waren oder denen Grundstücke enteignet worden sind, außerordentlich »chweren Schaden erlitten. Wir stimmen der Ausschuß beratung zu und werden uns daran nachdrücklichst be teiligen. (Bravo! bei den Ttschnat.» Abg. Lchcmbor (Soz.): Wir können der Forderung, die der Herr Antragsteller im Abs. 1 seines Antrages ausgedrüat hat, durchaus zustlmmen (Bravo! bei der Tisch- Vp ) Wir stimmen durchaus der Tendenz zu, daß bei einer Inanspruchnahme von Land für solche Zwecke, »vie sic hier genannt sind, nicht nur die un mnteibar in Betracht kommende»» Grundstücksbesitzer herangezogen »verden, sondern auch die anderen in einem gewissen Umkreis U genden Grundstücksbesitzer müssen zur Land eistung h rangezogen werden. Ich bin nur der Meinung daß diese Tendenz in den» An trag zu wen'g zum Ausdruck kon»mt. Wir sind auch 'chließlich damit einverstanden, daß die Entschädigung in wertbeständiger Form gewährt wird, aber wen»» man diese Folderung in Zusammenhang bringt nur »nit der Durchführung solcher P ojelie, wie sie hier genannt sind, so ist das wokl zu eng gefaßt. Wenn man das erreiche»» will nach dem En crgnungsgesetz, so muß »nan daS EnteignungSgesctz in einer Weise formu-