Volltext Seite (XML)
An Programm zur Lösung der Agrarkrise. Einmalige Reichsbeihilfe für die LSnder zur Deckung der Kosten des Schulgesetzes. Leileinigung im Inlersraklionellen Ausschuß Berlin, 24. Januar. Tie deutschnationale Pressestelle teilt mit: Die Verhandlungen über die Behebung der Agrarkrise würben heute früh im Interfraktionellen Ans chuß der Regierungsparteien des Reichstags unter Teil nahme des ReichssinanzministerS Dr. Köhler sortgesctzt. Las Ergebnis dieser Verhandlung war die Ucbercinstimmung Oer nachstehendes Programm: 1. Auf steuerlichem Gebiete wurde die Zustimmung des ReichssinanzministerS zu dxn von leiten der Reichs- rcgieruug als möglich angesehene» Maßnahme« erreicht. Die Rahmengesetze für die Einkommen- und Umsatzsteuer für die nichtbuchsiihrendcn Landwirte werden bet den Abschluß- «ud Uorauszahluugcn der Absatzlage angepaßt. Die Zinse« für Stencrriick stände sollen niedergeschlagen werden Bei eiwaigen Pfändungen soll sichergestcllt werden, daß die Bestimmung berücksichtigt wird, wonach die Wetterführung des Betriebs nicht gestört werden darf. z. In der Frage der Uebcrnahme der Rcutenbank« -ru noschuldzinsen werden die Verhandlnugen unter Zuziehung der Rentenbankkreditanstalt, der Preußenkasse, so wie des preußischen Landwirtschasts- und Finanzministcrs deute nachmittag fortgesetzt werden. Hierbei wird die sstage der Zwilchenkredttgewährnng durch das Reich für die eingefrorenen KenossenschastSkrcdite «nd die Einleitung der Umschuldung durch AuslandSaulethen zur Entscheidung ge» bracht werden. Bei der Etatlage des Reiches steht der NeichSregicrung nur der Rückgriff aus die im Neichsbahngcsctz vorgesehene Be gebung von Schatzwechscln bis znr Höhe von 400 Mil lionen Reichsmark offen. Für die Schatzwcchscl ist die Aus- nahmcsähigkeit des Jnlandmarktcs erst zu prüfen, so daß eine unmittelbare Eutlastungsmöglichkeit bei allem guten Willen der Reichsregierung von Faktoren abhängt, die sie nicht be herrscht. In Regiernngskrciscn herrschte Klarheit darüber, daß burch diese Maßnahmen die Landwirtschast lediglich ge stützt, aber »och nicht wieder rentabel gemacht werde. So weit gesetzliche Maßnahmen hierzu führen können, ist eine Aenderung der zoll- und handelspolitischen Haltung deö Reiches unumgänglich. Deshalb sehen die Forderungen auch eine Minderung des Gesricrsleischkonttngents und ent sprechende Grenzsperren für lebendiges Vieh, sowie auch die Bereitstellung von Mitteln zu einer Absatzregelung und Prvduktivnövcrbillignng aus dem Gebiet des Schweincmarkts in Gestalt des Zollaufkommens aus Vieh- und Fleischcin- suhr vor. Die gestern verbreiteten Nachrichten von Unstimmigkeiten zwischen Landwirtschast und Finanzminister sind unzutreffend. Der Ncichssinanzminister steht, wie sich das im ganzen Ver laus der Verhandlungen gezeigt hat, der Not der Landwirt schast mit verständnisvoller Teilnahme gegenüber. AolbeschMsse -er Landwirlschask. Das Ergebnis der Landbundführertagung in Berlin. Berlin» 24. Januar. Die am 28. Januar in Berlin ver sammelten Landbundführer von Brandenburg, Pommern, Schlesien, Oberschlesien, Oldenburg. Thüringen. Hannover. Hessen-Nassau, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Schwerin, Mecklcnburg-Strclttz, Hansestädte Lübeck und Hamburg, An halt, Freistaat Sachsen, Westfalen und Provinz Sachsen veröffentlichen eine Erklärung, in der es heißt: 1. Wir dulden keine Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeug nisse, die wir aus eigener Scholle Hervorbringen können, ins besondere nicht den Abschluß eines polnischen Handels vertrages. der nur auf Kosten der Landwirtschaft, be sonder» auf Kosten der Kletnlandwirts «nd der Sandatdelter, abgeschlossen werden kann. 2 Wir werden unsere Betriebe so schnell, wie die Wirt schaftsform des einzelnen Betriebes es erlaubt, aus die ein sach ste Form u m st e l l c n. Der Zuckerrübenbau wird so weit unterbleiben, als nicht genügend fähige Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt iverdcn. 8. Wir stehen zu allen von uns etngegangenen Vcrpflich tungen, können aber Zahlungen an Wechseln, Zinsen. Steuern und Abgaben nur noch aus den aufkommcndcn Erträg- nissendcsBctrtebcS zahlen. Wir werden alles baran- sctzcn, ausreichende Löhne für unsere Arbeiter und An gestellten sicherzustellen. 4. Gegen eine zwangsweise Befriedigung ans landwirt schaftlicher Substanz werden wir von Fall zu Fall die uns nötig erscheinenden Maßnahmen ergreifen. Ire Kosten des Schulgesetzes. Einmalige Beihilfe -es Reichs zugesagl. Berlin, 24. Januar. Der BtldungSausschuß des Reichs tages begann heute die Debatte über die 88 10 und 20. Reichsminister v. Keudell gab folgende Erklärung ab: Die Umfrage über die mutmaßliche Höhe der Kosten, die die Durchführung des NcichsschulgesctzeS möglicherweise ver ursachen wird, hat die schon früher vertretene Auffassung der Ncichsregterung, daß es sehr schwer, wenn nicht unmöglich sei, diese Kosten zu schätzen, bestätigt. Die Unterrichts- mintsterien der Länder haben, sowctt sic nicht die An gabe von Zahlen überhaupt für möglich erklären, mehr oder weniger nachdrücklich betont, daß den von ihnen vorgcnomme- nen Schätzungen eine starke Unsicherheit anhaste, da eS völlig unmöglich sei, vorher zu sagen, ob und in welchem Umfange die Erziehungsberechtigten von ihrem Recht, die Einrichtung von Schulen zu beantragen, Gebrauch machen und wieweit die Genehmigung solcher Anträge finanzielle Aus wirkungen haben werde. Die Reichsregieruug bestreitet nicht, daß die Ein führung des Gesetzes den Ländern «nd Gemeinden, denen die Ausbringung der Schullasten obliegt. Mehrkosten ver ursachen kann. Angesichts der gespannte» Finanzlage der Länder «nd Gemeinden ist sie bereit» den Ländern eine einmalige Beihilfe bis zu »0 Millionen Mark in Aus sicht zu stellen. Diese Beihilfe soll in erster Linie dazu dienen, die Ueber- leitung der zurzeit bestehenden Schulverhältnisse, nament lich auch in leistungsschwachen Schulgemeinden in den neuen Ncchtszustand zu erleichtern. Ein voller Ersah der Kosten, die die Durchführung des NeichsschulgcsetzeS etwa erfordert, insbesondere eine Beteiligung des Reiches an den laufen den Mehrkosten für das Bolksschulwesen, muß nicht nur aus grundsätzlichen Erwägungen, sondern auch deshalb ab- gelehnt werde», weil cs kaum möglich sein wird, Kosten, die auf Grund der Durchführung des Schulgesetzes erwachsen, von denjenigen Ausgaben zu trennen, die das in stetiger Ent wicklung bestnbliche Volksschulwesen auch ohne den Erlab dieses Gesetzes verursachen wird. Da sich nicht vorhersehen läßt, wann den Ländern und Gemeinden erstmals besondere Kosten erwachsen, und welche« Ausmaß sic in den verschiedenen Gebieten erreichen, so ist vor gesehen. daß das Nähere über die Art der Verteilung von der Rctchsrcgicrung tm Einvernehmen mit dem RctchSrat fest gesetzt wird Der Minister erklärte bann weiter, e» sei schwierig, wenn nicht unmöglich, genaue Unterlagen für die Kosten zu beschaffen, um so weniger, als die endgültige Kaß"na noch aar nicht seststehe. Abg. Rönnebnrg (Dem.) findet die Kostcnhöhe über raschend. Seine Fraktion wende sich gegen die geplante Regelung der Kostensragc. Die ReichSrcgicrung müsse über- Haupt erst mit bestimmt formulierten Vorschlägen für die ! Kostenfrage hcrvortreten. — Abg. Flcißncr fSoz.s meint, es werde Sache der Länder sein, sich zu dem 80-Millionen angebot zu äußern. Interessant wäre es, zu erfahren, wie der Ncichssinanzminister Uber die Kvstensragc denke. Rcichsminister ». Keudell bittet, von einer Zitierung des ReichssinanzministerS Ab stand zu nehmen, da er ja die Erklärung namens der Reichs regterung schon verlesen habe, an der auch der Reichsfinanz minister naturgemäß beteiligt sei. Der Minister wendet sich dann der Frage zu, ob die Kosten vom Reiche in voller Höhe zu tragen seien. Eine einheitliche Auffassung bestehe unter den juristischen Sachverständigen nicht. Die Kostenfrage hänge im übrigen auch stark davon ab, in welchem Maße die Er. ziehungSberechtigten von ihrem Antragsrecht Gebrauch machen würden. Ministerialrat Löffler betonte, Preußen, Württemberg, Mecklenburg-Schwerin und Lübeck hätten bestimmte Unter lagen zur Kvstcnfrage nicht beibringen können. Allen Aus stcllungen sei gemeinsam die Teilung in einmalige und laufende Kosten. Voraussetzung für die Schätzungen sei die Beibehaltung des Regterungsentwurfs. Miuisterial» direktor Kästner verlieft Stellen aus Ausführungen des preu ßischen Kultusministers, daß es Sache der Reichsregierung sei. sowohl die Kosten z« Überschlagen, als auch sie zu tragen. — Der Vertreter der bayrische« Regierung schließt sich den Ausführungen Preußens über die finanzielle Frage aus drücklich an. Nach längerer Debatte beantragte Abg. Rosenbaum s.K.) formell die persönliche Anwesenheit des ReichssinanzministerS für die nächste Sitzung. Der Vorsitzende, Abg. Dr. Mumm sD.-N.j hielt diesen Antrag geschäftSorbnungSmäßig nicht für gültig, schlug aber vor, dem Reichskanzler von dem Wunsche, dem sich auch noch drei andere Parteien anschlossen, Kenntnis zu geben. — Nächste Sitzung Mittwoch. ZunSchsl Umgehung -er schmierigen Paragraphen. Di« weitere Behandl««g »es Schulgesetzes. Berlin, 24. Jan. I« der Behandlung des Schulgesetzes sind die Parteien u««««hr überetngekowwe». die Para graphen. die z« Konflikten Anlatz gebe« könnte«, »orlänsig nicht weiter z« beraten »nd die erste Lesung des Gesetzes zu Ende zu bringen, ohne diese Paragraphen ,« erledigen. Rach einer Panse von drei bis vier Tagen wird sodann der Interfraktionelle AnSschntz zusammentrete«, um eine Lösung der entstandenen Schwierigkeiten ,« uersnche». Die Gültigkeit -er letzten sächsischen Lan-tagswahl. Von Landgerichlspräsident Dr. Wagner. Leipzig. Die bekannte Entscheidung des Staatsgerichtshvfes über die Ungültigkeit einiger Bestimmungen in de» Wahlgesetzen einiger kleiner deutscher Länder hat vor Weihnachten in der linksstehenden Presse zu einer Aussprache darüber geführt, ob die letzte sächsische Landtagswahl aüllig. und die vom Landtag beschlossenen Gesetze wirksam seien. Die Erörterung war dann zur Ruhe gekommen Jetzt hat die Anrufung des Staats» gerichtshoses durch die sächsische Zentrnmspartct Anlaß zu einer weiteren Erörterung gegeben. Rechtlich ist znr Sache folgendes zu bemerken: 1. Das Urteil wirkt nur zwischen den Parteien selbst: also hatte das bisher ergangene Urteil keine Rechtskraft für Sachsen. 2. Die Nichtigkeit der Entscheidung wird, soweit sie das Er fordernis einer Zahlung von 3MO Mark betrisst, von nam- haften Juristen, vor allem politisch tätigen, bezweifelt, und es Ist nicht völlig ausgeschlossen, daß der Staatsgerichtshos in soweit bei einer, weiteren Entscheidung seinen Standpunkt ändert. S. In den Ländern, die durch das Urteil betroffen wurden, waren die Kahlen deS Landesparlaments noch nicht gepkllst und nicht für gültig erklärt. Deshalb mußten die Einsprüche geprüft werden. Auch waren dort Wahlvorschläge wegen Nicht zahlung des Vorschusses unterblieben. 4. Nach Artikel 7 der sächsischen Verfassung entscheidet der Landtag selbst über die Gültigkeit der Wahl. Der Landtag hat nach allgemeinen Grundsätzen dabei von Amts wegen zu prüfen, ob die gesetzlichen Bestimmungen beobachtet worden sind, weiterhin auch etwaige Wahlproteste zu prüfen. Eine Frist für die Einreichung der Wahlproteste ist nicht gesetzt. Daher können die Proteste bis zur Beschlußfassung deS Land tages über die Gültigkeit eingercicht werden. Proteste, die nach der Beschlußfassung eingeüen. sind verspätet und können nicht mehr beachtet werden. Den» die Beschlußfassung des Land tages über die Gültigkeit der Wahl ist eine endgültige. ES widerspricht allen staatsrechtlichen Grundsätzen, über die Gültigkeit einer Parlamentswahl mehrmals zu ent scheiden. Sonst mühte ja auch eine Wahl, die für ungültig er klärt ist, nachträglich wieder für gültig erklärt werden können. Der tebige Sächsische Landtag hat die Wahlen geprüft und in seiner Sitzung vom 18. März 1027 die Wahlen für gültig erklärt, »nd zwar nicht nur die Wahlen im einzelnen, sondern auch die Wahlen als ganzes. Ein sozialdemo kratischer Antrag, die Wahlen tm ganzen für ungültig zu erklären, wurde abgelehnt. Damit ist die Wahl für gültig erklärt, und an der Wirk samkeit des Landtages kann kein Zweifel sein. ö. Eine andere Auffassung könnte nur bann mit Erfolg gel tend gemacht werben, wenn das sächsische Wahlgesetz ln seinen die Gesamtheit der Wähler berührenden Grundlagen un gültig wäre Hätte z. B. der letzte Landtag durch ein neues Wahlgesetz das Dreiklasicnwahlrecht eingesührt, so ist kein Zweifel, daß ein nach diesem Wahlrecht gewählter Landtag un gültig gewesen und auch nicht berechtigt gewesen wäre, sich selbst für gültig zu erklären. DaS sächsische Wahlgesetz ist aber in seinen all gemeinen Grundlagen gültig und tm Einklang mit der Reichsverfassung. Als die Bestimmung eingesührt wurde, baß Parteien, die noch keinen Sitz Im Landtag hatten, einen Kosten- Vorschuß von 8000 Mark zu hinterlegen hätten, wenn Ihre Liste zugelassen werden sollte, hat die Regierung zuvor bei der Reichsregierung angcsragt. und sowohl das ReIcbStusti»amt wie das Retchömintsterium des Innern hat diese Bestimmung für unbedenklich erklärt. Kein Mensch in Sachsen hat an ihrer Wirksamkeit gezweifelt. Wenn daher dteseelnzelne Bestimmung vom Staat». gerlchtShof für ungültig erklärt werben sollte, so bleibt doch das Wahlgesetz Im übrigen gültig. Diese eine Bestimmung ist auch nicht geeignet, die Gesamtheit der Wähler zu be einträchtigen. sondern nur einen g e r t n g e n Teil von ihnen, und ob eine solche Beeinträchtigung tatsächlich Vorgelegen hat. bedarf erst noch der besonderen Feststellung. ES liegt sonach unter keinen Umständen eine absolut« Nichtigkeit de» Wahlgesetzes und des au? Grün» diese» Wahl gesetzes gewählten Landtages vor. sondern man kann nur sagen, daß die Wahlen relativ nichtig sind. d. h. baß sie an- gefochten werben können von einer Partei, die sich durch die Bestimmung benachteiligt kühlt, daß aber dann immer erst ge prüft und sestgestellt werden muß. ob infolge dieser einzelnen Bestimmung der Landtag ander» „ikammenaesetzt Ist. als er ohne diese Bestimmung wäre. Der Landtag selbst be steht zu Recht, und eS Ist seine Aufgabe, diese Prüfung vorznnebmen. . , Wenn er die Wahlen nicht schon für aültia erklärt hätte, und daher in der Laar wäre, diesen Punkt setz» noch ,« prüfen, so würbe das Ergebnis für Sachsen ein negative» sein.