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Die MinisterkrifiS in Bulgarien. Der bereits gemeldete Rücktritt des bulgarischen Ministerpräsidenten Stambuloff hat allgemein in der politischen Welt überrascht und manche Zweifel be züglich der künftigen Entwickelung und Stellung Bul gariens heroorgerufen, denn mögen auch jetzt Stam- buloffs Gegner viel an ihm zu tadeln haben, so steht doch soviel fest, daß es in den bulgarischen Bedräng nissen seil der Abdankung des Fürsten Alexander, dann während der russischen Drohungen und dann seit der Berufung des Fürsten Ferdinand, des Koburger Prinzen, auf den bulgarischen Thron hauptsächlich Stambuloff gewesen ist, welche mit unbeugsamem Muthe und eiserner Thatkraft die Selbstständigkeit Bulgariens er halten hat. ES taucht daher vor allen bei den Freun den Bulgariens, welches man nicht wieder in russische Botmäßigkeit gerathen sehon möchte, die Frage auf, ob die Zustände in Bulgarien und zumal die Stellung des Fürsten Ferdinand in Sofia schon als derartig gefestigt angesehen werden dürfen, daß man am bul garischen Slaatsruder einen Staatsmann von der Autorität und der Erfahrung Stambuloff- entbehren kann. Vor allen Dingen ist aber zu wünschen, daß ver Rücktritt des um Bulgariens Selbstständigkeit hoch verdienten Ministers Stambuloff nicht mit irgend welchen Plänen oder Vorgängen aus dem Gebiete der Orientpolitik in Zusammenhang steht, deun -joust könnte es leicht dahin kommen, daß Bulgarien wieder der Tummelplatz gefährlicher russischer Ränke würde. Auch ist sehr zu wünschen, daß Stambuloff nicht etwa «ine Oppositionspariei gründet und dadurch die Stellung des jungen Fürsten untergräbt, denn selbst ein sehr großer Theil der Bulgaren, welche in schwerer Be- vrängniß in dem Minister Stambuloff den Retter des Vaterlandes sahen, wird über dessen Rücktritt wenig erbaut sein. Sonst wird aus Sofia gemeldet, daß nur Gründe der inneren Politik den Rücktritt Stam- buloffs herbeigeführt hätten, indem dieser in finanziellen und wirthschaftlichen Angelegenheiten einen Weg ein geschlagen habe, welcher die Mißbilligung des Fürsten Ferdinand gesunden hätte. Auch habe Stambuloff die Verfassung revidiren und die Preßfreiheit be schränken wollen. Ob sich Stambuloff bei diesen Be strebungen in einem gefährlichen Jrrthume befand und dem Fürsten Ferdinand deshalb nichts anders übrig blieb, als den alten Minister zu entlasten, ist ja möglich, kann aber zur Zeit Niemand beweisen. Möglich ist es ja auch, daß der Fürst Ferdinand, dem man doch eine große staatsmännische Klugheit beimesten muß, denn sonst wäre es ihm nicht gelungen, seinen schwankenden Thron in Bulgarien zu befestigen, durch den Rück tritt Stambuloff» Schritte zur Versöhnung mit Ruß land und dann zu seiner allgemeinen Anerkennung durch die Traktatmächte einleiten will, denn die Stellung des FürstenthumS Bulgarien mit dem Koburger Prinzen an der Spitze ist immer noch eine provisorische. Doch in dieser Hinficht muß man noch die weiteren Schritte der bulgarischen Regierung, welche wahrscheinlich der Minister Gregoff übernimmt, abwarten. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Am Sonntag hatte Herr Turn lehrer Rosenkranz aus Potschappel mit 23 Damen als Ziel einer Turnfahrt Dippoldiswalde genommen. Zm Schützenhaus gesellt« sich Herr Lehrer Eidner mit seinen Turnerinnen zu ihnen, um nach gemeinschaft lichen Turnübungen und Turnspielen die Gäste über den Eteinbruch nach Station Malter zu bringen. — Als der Polizeidiener den am Donnerstag im Gasthof zum Stern verhafteten Zechpreller am Freitag Vormittag zum Verhör nach dem Rathhause bringen wollte, versicherte derselbe, schwer krank und nicht im Stande zu sein, der Forderung Folge zu leiste». Nach feinem daher erfolgten Transport tn's Hospital ge stand er dem Arzte, sich in die Brust geschaffen zu haben. Die Untersuchung bestätigte die Angabe, und gegen Abend war der immerhin BedauernSwerthe seinem Leiden erlegen. Den Revolver fand man mit noch 5 Schuß geladen unter dem Strohsacke in seiner Zelle. Niemand hatte den Schub vernommen. Seiner An gabe nach stammt der Selbstmörder aus Waltersdorf bei Freiberg. — Mit der Ausführung mehrerer größerer Um bauten, der Errichtung zweier Hinterhäuser und mit den ihrer'Vollendung entgegengehenden N-ubauten, 3 recht stattliche und nette Wohnhäuser, wird die Bau- thätigkeit für diesen Sommer in unserer Stahl noch nicht abgeschlossen sein, da Herr Töpfermeister Schmidt noch einen größeren Umbau auSsühren und eine der neuen Straße würdige Front mit zwei Geschäftsläden Herstellen läßt. Auch ist nicht ausgeschlossen, daß Herr Baumeister Klotz die Bebauung seiner dritten Baustelle noch Heuer in Angriff nimmt. Der neue Fußweg nach der Aue wird zwar wegen anderen dringenden Kommun arbeiten dieses Jahr nicht vollendet werden, doch er sieht man seine Zweckmäßigkeit daraus, daß er schon jetzt im unvollendeten Zustande viel und gern sre- quentirt wird. — Jetzt, da die Zeit gekommen ist, wo die Korn blumen wieder blühen, mag die Warnung vor un befugtem Betreten er Felder, um die Blumen zupstücken, am Platze sein. So hübsch sich ja auch die kleinen blauen Blumen ausnehmen, wenn sie, zu einem Kranze gewunden, einen blonden Kinderkopf schmücken, so ärgerlich und schädigend ist es auf der andern Seite für die Besitzer der betroffenen Felder, wenn die Kinder, mitunter auch Erwachsene, oft tief in die Getreideäcker hinein arff die Kornblumen Jagd machen. Da den Besitzern Verfolgungsrecht zusteht, so möchten wir schon aus diesem Grunde vor einem unberechtigten Betreten der Felder zu dem angegebenen Zwecke warnen. Es können ja mit geringer Mühe auch vom Rande aus ohne Schaden Kornblumen genug erlangt werden. Schmiedeberg. Bei der hies. Gemeindeverbands- Sparkasse wurden im Monat Mai in 78 Posten 2513 Mark 86 Pf. eingezahlt, hingegen in 41 2891 Mark 12 Pfg. zurückgezahlt. Dresden. Prinzessin Friedrich August muß infolge des sie betroffenen kleinen Unfalles immer noch die Augenbinde tragen und sich Schonung auserlegen, doch ist das Allgemeinbefinden gut. — In den nächsten Wochen werden die Sozial demokraten eine Landagitation im großartigsten Stil entfalten; auf allen Kreiskonferenzen und Partei tagen bildete das „Hinaus auf die Dörfer" den Haupt gegenstand. Im Allgemeinen soll jetzt die rothe Fahne bei Seite gestellt werden, oder, wie Herr non Vollmar auf einer Konferenz der oberbayerischen und Tiroler Sozialdemokraten sich ausdrückte, ein „liebevolles Stu dium der bäuerlichen Verhältnisse" sei bei der Land agitation dringend nothwendig. Man wird dabei mit allen möglichen Dingen kommen, die, wie gesagt, mit dem sozialdemokratischen Programm nicht das Geringste zu thun haben. Wenn man sich an den Landarbeiter wendet, dann wird man ihm vorreden, daß einzig und allein die Sozialdemokratie die lange und schwere Arbeitszeit abschaffen könne. Der Religionsfrage möge man, so lautet die Loosung, soweit eS möglich sei, aus dem Wege gehen, werde sie aber trotzdem berührt, so möge man betonen, daß die Sozialdemokraten viel bessere Ehristenmenschen wären, als diejenigen, die zwar viel von Religiosität redeten, aber in ihrem Handeln gemeine Charaktere wären und sich nur von Selbstsucht und Egoismus leiten ließen. So ungefähr die neue Art der Tältik der Sozialdemokraten; sie hoffen, damit bessere Erfolge zu erzielen als mit der früheren, bei der sie gleich mit dem sozialdemokratischen MMtz-MtW. bedeutend«« 1 Blatte« «ine bellarische und eampücirt« Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Smge- sandt, lm rüaktionene» «heile, di- Spaltaseil- 80 Pfg. mal: DienStag, Donners tag und Sonnabend. — P«iS vierteljährlich 1 M. Ai Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern IS Pfg. — «lle Postan starten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be- Amtsblatt für die Königliche Umtshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Kmisgerichie und die AadkäHe zu Dippoldiswalde und Araumstein Dienstag, den 5. Juni 1894. Nr. 64. 60. Jahrgang. Verantwortlicher Redacteur: Daul Ikhne in Dippoldiswalde. Mit achtsettigem »Hllustrirte« Unterhaltungsblatt".Mit land- und hauswirthschaftlicher Monatsbeilage. Programm herausrückten. Broschüren, Zeitungen haben die „Genossen" massenhaft ausgestapelt, und in nächster Zett dürften die Dörfer damit wohl übersäet werden. Ist eS den Sozialdemokraten auch bis jetzt nicht gelungen, viel Boden auf dem Lande zu gewinnen, so ist doch die Gefahr, daß solches jetzt bei der neuen Taktik geschieht, viel näher gerückt als früher. Pirna. Ein blutiges Drama hat sich am 1. Juni im benachbarte,« Copitz zugetragen. Der Cigarren arbeiter Otto Merk wohnte bis vor Kurzem seit ca. 3 Jahren bei der geschiedenen Wutlke in der niederen Bergstraße daselbst. Der Genannte ist verhetrathet, lebte aber getrennt von seiner Ehefrau und hatte sich eingebildet, daß die Wuttke seine Frau werden sollte. Letztere wollte aber nichts von ihm wissen und hatte bereits Schritte gethan, sich demnächst anderweit zu verheirathen. Dies mochte der Grund sein, weshalb Merk früh gegen 8 Uhr in die Wohnung der Wuttke kam, die Thür abschloß und nach kurzem Wortwechsel aus die Letztere mehrere Schüsse abgab. Hierdurch und durch das Schreien der Schwergetroffenen auf merksam gemacht, drang man durchs Fenster in das Zimmer ein. Merk gab nunmehr aus sich selbst mehrere Schüsse ad, in Folge deren er nach kurzer Zeit ver starb. Die sofort herbeigerufenen Aerzte, vr. JaworSky und vr. Leonhardt, leisten der Schwerverwundeten die erste Hilfe, worauf wach'Anlegung des Verbandes die BedauernSwerthe in das Krankenhaus zu Pirna überführt wurde. Die Wuttke hat Verletzungen am Kopf und an der Hand und eS ist bis jetzt den Aerzten noch nicht gelungen, die im Kopfe befindliche Kugel zu entfernen. Die Schwerverletzte, welche ein Mädchen im Alter von 13 Jahren besitzt, wird als eine ehrenwerthe und rechtschaffene Frau geschildert. Merk hatte ihr schon vor 14 Tagen erklärt, daß er blutige Rache an ihr nehmen wolle. Er hatte sich hierauf von Copitz entfernt und ist am selben Tage wieder nach dort zurückgekehrt, um seinen schrecklichen Plan zur Ausführung zu bringen. Merk hatte auf die Frau 5 und auf sich 3 Schüsse abgegeben. Herm-dorf in der sächsischen Schweiz. Ein recht bedauerlicher Unglücksfall ist hier zu verzeichnen. Der Lehrling Weigt, Sohn einer armen Wittwe in Reichstein, ist in dem Sägewerk des Herrn Kopprasch mit einem Arm in das Schwungrad gerathen. Er er litt dadurch mehrfachen Armbruch, Bruch des Schlüssel beins und auch bedeutende Verletzungen an der Brust, sodaß er, nachdem er von Herrn vr. W. Ludwig aus Königstein verbunden worden war, einem Dresdner Krankenhause sofort übergeben werden mußte. Freiberg. Die Sitzungen der zweiten Schwur gerichtsperiode beginnen beim hiesigen Landgericht den 18. Juni, Vormittags V»IO Uhr, und werden voraussichtlich 8 Tage dauern. — Ein schweres Eisenbahnunglück ereignete sich Donnerstag Vormittag 11 Uhr 50 Min. auf Halte stelle Nassau, über das bereits in letzter Nummer kurz berichtet wurde. Der um diese Zeit dort Einfahrt habende Güterzug von Bienenmühle fuhr in Folge falscher Weichenstellung auf daS Entladegeleis der Haltestelle Nassau. Die daselbst stehenden Wagen, ein soeben entladener Viehwagen, sowie eine Ziegellowry, wurden von der Maschine erfaßt und ersterer in Splitter zertrümmert. Während die eisernen Lang träger des Wagens wie Draht verbogen wurden, kamen die Achsen des Wagens unter die Maschine, dieselbe, sowie die nachfolgenden Wagen, der Zugsührerwagen und fünf beladene Kohlenwagen , entgleisten, stürzten zum Theil um oder wurden in einander geschoben, weitere Wagen erlitten starke Beschädigungen. Von der Maschine selbst rissen die Dampfventile ab und der Dampf entwich mit donnerähnltchem Geräusch. Führer und Feuermann mußten, um sich vor Verbrühung zu schützen, abspringen und Letzterer erlitt dabei eine Ver»