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Nr. 23» 13. October 1857 Dienstag Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesctz!» Preis für das Bierteljahr 1V, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. Zu beziehen durch alle Postämter de« In- uni» Auslandes, sowie durch die tKrpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Jnsertionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Leipzig. Die Zeitung erscheint mttAuSnahme des M. TU" st Deuffche Allgtmemc Zkitung Devtschla«». Preußen. * Berlin, 11. Oct. Das Befinden des Königs Hal sich in erfreulicher Weise gebessert. Nachdem die Krankheit in bedrohlicher Weise vorgeschritten, ermäßigten sich bereits gegen den Morgen des 9. Oct. hin die das ernsteste Bedenken erregenden Congestionen. Bis zum Morgen des 10. Oct. hatte sich in den» Krankheitszustandc keine Veränderung ergeben und die CongestionSerschemungen erhielten, wie das Bulletin von 8 Uhr Morgens berichtete, sich auf demselben Grade der Ermäßigung wie am Morgen des 9. Oct. Um 8 Uhr Abends am 10. Oct. erschien ein neues Bulletin, wo- nach sich im Laufe des Tages die CongestionSerschemungen sehr bedeutend gemindert hatten; selbst in den Abendstunden zeigte sich bis dahin keine Steigerung derselben. Um 8'/, Uhr früh am 11. Oct. erschien abermals ein Bulletin; nach ihm halte der König in der Nacht viel und ruhig ge schlafen; nur beim Aufwachen fühlte er sich müde und angegriffen; die Congestionserscheinungen traten aber immer mehr in den Hintergrund. In einem am 11. Oct. au-gegebenen Extrablatt der officiellen «Zeit«, in wel chem die vorbemerkten Bulletins mitgetheilt werden, sagt das Blatt noch: „Die Hoffnungen auf die Genesung des Königs, für welche wir gestern nur geringe Aussichten eröffnen konnten, haben heute einen stärkern und zuverlässigere Anhalt gewonnen. Die Klarheit der Auffassung tritt immer entschiedener hervor und der König hat heute mit gutem Appetit zum Früh stück genossen, was die Umstände erlaubten. Allerdings werden die sehr ge schwächten Kräfte des Königs noch einer länger» Zeil bedürfen, bi« eS demselben gestattet sein wird, mit der gewohnten Rüstigkeit sich der Erfül- lung der königlichen Pflichten zuzuwenden, aber wenn nicht unvorhergese hene Zwischenfälle eintreten, ist zu erwarten, daß unter Gotte« gnädigem Beistände die vollkommene Wiederherstellung erfolgen wird." ^Berlin, 11. Oct. In dem Befinden de« Königs ist eine Wen- düng zum Bessern eingetrcten. In allen hiesigen Kirchen ist heute für die Erhaltung des Königs gebetet worden, und waren die Gotteshäuser von Andächtigen überfüllt, wie denn überhaupt die Theilnahmc der ganzen Be völkerung der Hauptstadt die innigste und allgemeinste ist. Die Prinzessin von Preußen ist gestern Nachmittag auf Schloß Sanssouci eingetroffen, wo die Mitglieder des königlichen Hauses nunmehr sämmtlich versammelt sind. Die Bulletins über das Befinden des Königs werden jetzt auch in den Bu- rpaur dxS Hofmarschallamls im hiesigen königlichen Schlosse aufgelegt; ebenfst ist auch dort, wie auf Sanssouci, ein Buch aufgelegt worden, in welches Alle, welche ihre Theilnahme an dem Leiden des Königs zu erken nen geben wollen, ihre Namen einschreiben können. * Leipzig, 12. Oct. Die hier zur Messe anwesenden Preußen waren gesterp,, ergriffen von der ihrem Könige drohenden Gefahr, zusammenge- treten und hatten eine Deputation von vier Personen ernannt, in deren Namen eine telegraphische Anfrage nach Potsdam nach dem Befinden deS Königs gerichtet wurde. Bald nach dem Abgang ihrer Depesche erhielt der Hoflieferant A. Behrens, einer der vier Deputirten, vom Grafen v. Keller folgende au« Potsdam vom 11. Oct. 11 (Ihr datirte Depesche: „Nacht ruhig; Congestionen nachgelassen; ganzer Zustand erscheint günstiger." — Berliner Blätter enthalten folgende, L. Vater unterzeichnet« Mitthei- lung; >,Es sind Zweifel erhoben worden, ob di« Angelegenheit deS unglück lichen Jean Gnillaüme Seiler aus Frankreich sich auch wirklich so verhalte, wie sie in den öffentlichen Blättern vorgetragen worden. (Nr. 228.) Nichts ist natürlicher als diese Zweifel. Die Geschichte, um die cs sich handelt, sie ist zu schrecklich, zu grauenvoll, als daß man sich, ohne von der Sache näher unterrichtet zu sein, nicht zu der Annahme Hinneigen müßte, daß Dergleichen in unserer Zeit doch wol unmöglich.^ Aber die Thatsache ist lei der nur zu wahr! Der Eigcnthümer Wallotton zu St.-GeniS, bei wel chem Seiler damals wohnte, als ihm die beiden Töchter geraubt wurden, antwortet unterm 7. Jan. d. I. auf eine neuere Anfrage de« Seiler: «Es thut mir leid, Ihnen nicht bestimmt sagen zu können, wo Ihre Töchter hingekommcn sind. Ich habe mich mehrfach erkundigt, aber es will cs eben Niemand wissen, wo sie sind.» Wallotton ist Protestant; bei einem Katholiken würde Seiler in St,-GeniS kein Unterkommen gefunden haben. Ein protestantischer Geistlicher in der unmittelbaren Nähe von St.-GeniS, welcher dem unglücklichen Vater, soweit es in seinen Kräften stand, mit Rath und Beistand an die Hand ging, gibt unterm 9. Juni 1851, also wenige Monate nach dem Verschwinden der beiden Mädchen, dem Seiler Anweisung zu einer schriftlichen Eingabe an die Behörde, und es heißt in dem betreffenden Schreiben unter Anderm: «In dieser Klage, welche Sie aufschen lassen können, von wem Sie wollen, denn es genügt, wenn sie von Ihnen unterschrieben ist, müssen Sie alle einzelnen Umstände anführcn, welche das Verschwinden Ihrer Töchter begleitet haben, sowie die Motive, welche Sic zu haben glauben, daß diese oder jene Personen dabei als Mit schuldige lhätig gewesen.« (Diese letztere bezieht sich auf den katholischen Pfarrer der Commune St.-Genis, welcher in dem von St.-Gcnis etwa ! eine starke Viertelstunde entfernten Dorfe Pouly wohnt.) Das Vorstehende ! wird vollkommen genügen, um jeden Zweifel an der Wahrheit der That- sachc zu bannen, und cs kann darum von dcn wcitcrn Beweisen, die noch außerdem vorliegen, füglich Umgang genommen werden. Für jetzt kommt es nun zunächst darauf an, daß für die Trümmer der unglücklichen Fa milie, der Vater zählt 76 Jahre! in entsprechender Weise gesorgt werde. Sie sind aus Genf, ihrem letzten Aufenthaltsorte, nach der Hauptstadt des evangelischen Deutschland gekommen — die vom Wahnsinn wicdcrcrstan- dene Mutter mit dcn noch übrigen zwei Kindern zu Fuß — um Beistand und Rettung zu suchen. Thut darum eure Herzen weit auf und träufclr Balsam in die blutenden Wunden der Unglücklichen nach dem Maße curcß Mitleids und eurer Liebe! Der Herr wird's lohnen!" Baiern. Aus Baiern, 8. Oct. In München wird demnächst der Principe Otlvjano Medici aus Neapel in außerordentlicher Sendung erwartet, um die eingelcitete Verbindung zwischen der Herzogin Marie in Baiern (geb. am 1. Oct. 1811) mit dem Kronprinzen von Neapel (gcb. am 16. Jan. 1836) zum Abschluß zu bringen — eine neue Verschwäge rung des neapolitanischen mit dem österreichischen Hofe, welche in dem Augen blick der verschiedenen Kaiserzusammenkünfte in Stuttgart und Weimar und der Vorschiebung des Prinzen Murat gerade bei der einen vielleicht nicht ohne Bedeutung ist. Großherzogthum Hessen. Darmstadt, 8. Oct. Die I. Kam mer verhandelte gestern unter Anderm über das Militärbudget. Hier veran laßten die von der II. Kammer verwilligten beträchtlichen Summen (über 23^,000 Fl.) zu Bauten in der Reiter- und Artillerickaserne, infolge dcs vermehrten Dienststandes, dcn Grafen zu Solms-Laubach zu der Bemer kung, daß, wenn, wie jetzt von allen Seiten in öffentlichen Blättern behaup tet werde, wirklich Reduktionen der Armeen der Großmächte Europas cintretcn sollten, der Deutsche Bund damit gewiß nicht zurückbleiben werde; dann aber dürften jene Bauten nicht nöthig sein; man möge deshalb we nigstens die nicht gleich unumgänglich nöthigen verschieben und überhaupt bei der Ausführung auf den etwa eintretcnden Fall einer Reduction der BundeScontingente Rücksicht nehmen. Der Kriegsminister Frhr. v. Schäffer- Bernstein glaubt nicht, daß Reduktionen in dem Umfange stattfinden dürf ten, wie der Vorredner annchme; indessen verstände sich von selbst, daß, wenn solche bei der Cavalerie und Artillerie statlfinden sollten, man auch bei der Ausführung der fraglichen Bauten darauf Rücksicht nehmen werbe. Die 11. Kammer hatte mif 22 gegen 21 Stimmen einen Antrag des Abg. Hofmann angenommen: „Die Staatsregierung zu ersuchen, durch ihren Bundeslagsgcsandtcn die Frage, ob und inwieweit eine Verringerung der Bundescontingente stattfinden könne? in Anregung und zur Entscheidung bringen zu lassen." Der vom Generalmajor Frhrn. v. Rabenau erstattete Ausschußbericht war der Anficht, diesem Beschluß der II. Kammer als „un praktisch" nicht beizutrctcn. Der Präsident der 1. Kammer, Fürst zu Solms- Lich, welcher auch eine Reduktion der europäischen Heere für Dringend noth- wendig hält, ergriff über diesen Punkt das Wort und äußert«, daß jenes „unpraktisch" wol so zu verstehen sei, daß eine Reduktion der Bundes- armer, wenn sie erfolgen solle, doch erfolgen werde, einerlei, ob man sich hier dafür ausspreche oder nicht. Damit aber auch nicht der Schein auf die Kammer falle, als ob sie gegen eine solche Reduction sei, stimme er für den Beitritt zu dem Beschluß der 11. Kammer. Graf zu Solms-Lau- bach meinte, man sollte wenigstens mit der Modifikation sich dafür auSsprc- chcn, daß man noch hinzufüge, „wenn die Deutschland umgebenden Staa ten ihre Militärmacht verminderten". Gras v. Görtz hielt es überhaupt für bedenklich, wenn die Stände sich um auswärtige Angelegenheiten be kümmerten, wogegen aber Graf zu Solms-Laubach an den Art. 79 dcr Vcrfassungsurkunde erinnerte, welcher den Ständen das Recht gebe, über Alle«, was sie für geeignet halten, Beschwerden und Wünsche an dcn Großhcrzog zu bringen. Die Kammer lehnte indessen den Beitritt zu dem Beschluß der II. Kammer mit großer Majorität und auch mit der vom Grafen zu Solms-Laubach vorgeschlagencn Modifikation mit 11 gegen 8 Stimmen ab. Im Uebrigen hatten sic die sämmtlichcn Posten des Mili tärbudget«, dessen ordentlicher Etat sich auf 1,122,723 Fl. beläuft, in Ucbcr- einstimmung mit dcr II. Kammer einstimmig angenommen. (Frkf. I.) Auch die Frage über die Besteuerung dcs Tabacks wurde in dcr I. Kammer verhandelt. Hr. v. Hesse ist im Hinblick auf die Resultate in Frankreich und Oesterreich für das Monopol. Da aber Preußen gegen das Monopol ist, so muß davon abgesehen werden. Bleibt eine Consumtions- oder eine Productionsstcuer des Tabacks? Für erstere ist dcr Ausschuß nicht. Auch dcr Finanzpräsidenl hielt eine einseitige Consumtionsstcucr im Zoll- verein nicht für zulässig. Nach einer länger» Diskussion, in welcher sich zuerst Graf zu Solms-Laubach für eine gleichmäßige PrsduclivnSsteuer mit