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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PrönumcraiionS.Prei« 22z SNöcrgr. (j Tdlr.) vicr«cjjah>Nch, Z Tblr. sür das gs»>e Iakr, ohne Erhöhung, in oUcu Theilen her Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werde« von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Eoin»., Iagcrswaßc Nr. 28), so wie oon allen Königs. Posi^Aemtern, angenommen. Literatur des Aus land cs. 155. Berlin, Sonnabend den 27. Dezember 1845. Nord-Amerika. Die Weißen und die Farbigen in Nord-Amerika. °) Eine Beleuchtung nordamerikanischer Zustände Mil besonderer Berücksichtigung de» Werke« ,,Transatlantische Skizzen". Die Sklaverei in Nord-Amerika und die mit dieser verbundene Herab würdigung der Farbigen ist, wie wir von den bei der Aufrechterhaltung dieses Zustandes betheiligten Weißen hören, ein nolhwendigeS Uebel. Und das sagen nicht allein diejenigen Pflanzer, welche sich durch eine thierische Rohheit gegen ihre Sklaven auszeichnen, sondern auch Pflanzer mit gutem Herzen und men- schenfreundlich gegen die Farbigen, so weit es irgend nur das Lorurtheil ge- stattet, dem die Weißen in den Sklavenstaaten der norbamerikanischen Union unterworfen sind. Man muß sich auch auf der anderen Seite vor Vorurtheilen hüten und nicht jeden Sklavenhalter für ein blutdürstiges Ungeheuer ansehen. So haben die Abolitionisten Nord-Amerika'« in einem sicher edeln Eiser durch zu große Leidenschaftlichkeit und die Ungeeignetheit der Mittel, welche sie zur Durchführung einer schönen Idee ergriffen haben, sehr empfindlich denen ge schadet, welchen sie helfen wollten. Die Gegner der Abolitionisten behaupten sogar, daß diese nur von ihren Privat. Interessen in dieser Frage geleitet worden wären. Hierin gehen die Ankläger offenbar zu weit, obwohl es nicht zu leugnen ist, daß zu den begeisterten Kämpfern für eine große und edle Sache sich immer eine Menge Streiter gesellen, die mit dem Munde zu dein Banner schwören, im Herzen aber niedrige und selbstsüchtige Zwecke verfolgen. Oft, wenn Heerschau gehalten wird, bilde» diese Letzteren die Mehrheit, und ost führen sie gerade durch ihre nichts achtende, nur persönliche Interessen im Auge habende Thalkrast die Sache zum Siege. DaS ist der Lauf der Welt. Aber der Werth einer Erzstufe wird nicht nach ihrem Schlackengehalt, sondern nach ihrem Gehalt an edlem Metall geschätzt. Allein die Mehrzahl der Abo- litionisten Nord-Amerikas verdächtigt vorzugsweise dadurch die Reinheit der Gesinnung, daß sie selbst die Neger in einer moralischen Knechtschaft halten will, welche nur beziehungsweise milder ist als die physische, die sich zu der moralischen in den südliche» Staaten gesellt. In den freien Staaten des Nordens der Union ist der Farbige rin durchaus verachtetes Wesen, das auf den Eisenbahnen, in den öffentlichen Orten, in den Theatern und selbst in den meisten Kirchen auf die schlechtesten Plätze verwiesen und dorl abgesperrt wird, um keinen Weißen durch Berührung zu verunreinigen. Die Sklavenverhältniffe in Nord-Amerika find selten mit unbefangenem Blick betrachtet worden. - Die jetzigen Besitzer übernahmen die Sklaven. Der falsch geleitete Eifer aller Abolitionisten, der sich, statt an die Herren, an die Sklaven wendet, bedroht jene mit einem allgemeinen Blutbade. Die Furcht wird erweckt, der Trieb der Sclbsterhaltung erwacht und treibt wieder die Bedrohten zu Schritten, die retten sollen, in der That aber nur die Lage der Herre» und der Sklaven verschlimmern. ES ist bekannt und natürlich, daß die edelsten und geistvollsten Europäer, die sich über diese Zustände aussprechen, mit Gluth das Banner der verletzten Menschenrechte ergreifen. Ihnen können die Amerikaner nicht die sclbstsüch- tigen Interessen ihrer Mitbürger vorwcrsen, wohl aber, daß sie der Lage der Angeklagten nicht stets die gebührende Würdigung schenken. — Was zu Gun sten dieser dagegen gesagt worden, beschränkt sich fast durchschnittlich nur auf Lohnschreibcrei und die Ergießungen beschränkter Naturen. Das ist nicht an- derS möglich, wenn man nur Milderungsgründe aufzubringen hat und sich trotzdem rechtfertigen will. Die Taktik der Sklavenhalter besteht darin, die Meinung zu verbreiten, daß die durch die Knechtschaft und Entwürdigung verdorbene Natur der Farbigen ihre wahre, unsprüngliche und unverbesserliche wäre. — DaS vorzüglichste uns zu Gesicht gekommene Werk dieser Richtung sind die Transatlantischen Skizzen. Dieses Buch ist wenigstens von gemeiner Gesinnung frei, der Verfasser ist ein hervorleuchtcndeS Talent- Er vereint mit einer glänzenden Darstellungsgabe »ine tiefe und reiche Charakteristik, weiß die Lokalfarbe aufs glücklichste zu treffen, ist poetisch und, so weit eS die kaukasische Race betrifft, voller Gemüth und Gefühl und dabei wenigstens ohne fanatische Härte gegen die Farbigen aller Schattirungen; aber das, was das Talent des Schriftstellers, des Dichters zu einem unsterblichen macht, die Erkenntniß des G«meinsamgöttlichen im Gesammtmcnschlichen, fehlt unserem Verfasser. Wahrlich! et» frivoler Scherz, ein leichtsinniger Schritt sind lange ') Von dem Verfasser, Herrn Carl Gaillard, al« Vorwort zu seinem Drama „Freie und Sklaven" (Manuskript) bestimme. nicht so unsittlich als die Verkündigung einer Lehre, welche die edelsten Güter der Menschheit zertrümmern will. Manches große Talent, das zu dieser Er« kenntnißstufe nicht gedrungen war, strahlte darum nur auf kurze Zeit und er losch bald auf immer, weil cs nicht von der höchsten Sittlichkeit genährt war. — Der Verfasser der Transatlantischen Skizzen kann sich nicht mit einem ob- jektiven Standpunkt entschuldigen, überall drängt sich die subjektive Ansicht hervor; dagegen führt er Alles auf, was sich mit einem Anstrich von Ver- nunft zur Beschönigung des Zustandes der Sklaven sagen läßt, denn jede Sache hat mindestens zwei Seiten. Wir entnehmen ihm, was man mög- licherweise gegen die Unfittlichkeit und gegen die Ungesetzlichkeit — denn was unsittlich ist, ist zugleich auch ungesetzlich — der Lage der Farbigen und für die weiße Race anführcn kann: „Die Nord-Amerikaner haben ihre Sklaven als Eigenthum erworben, „und jedes Eigenthum ist heilig. Die Vorfahren der jetzigen Sklavenbefitzer „find von den englischen Königen zum Ankauf von Negern gezwungen war- „den. — Die Neger find beschränkt von Geist, faul, tückisch, lüstern, bos- „hast u. s. w. — Die Quarteronen (so weiß, daß ver, welcher ihren Stamm- „bäum nicht kennt, fie für Weiße hält) sind lüstern, ihr Blut ist durch Neger- „dlut verdorben. Ihre schlechte Sprachbildung nach Art der Neger macht fie „leicht kenntlich und beweist einen Mangel an geistiger Fähigkeit. Eine recht- „mäßige Ehe können die Weißen niit ihnen nicht eingehen; fie sind nicht zur „Ehe geboren, weil sie nicht in der Ehe geboren find. Es find Menschen, „die sich durch eine thierische, ungesetzliche Vermischung und fortgesetzte Lüste „in die weiße Race einzustehlen suchen. — Die Mulatten und Terzeronen „treffen dieselben Vorwürfe, wo möglich im verstärkten Maße." — ??????? DaS sind noch die besten Gründe : nun mache man sich einen Begriff von den schlechteren, mit Bidelstcllcn verbrämten. Die Amerikaner sagen auch, daß die Europäer sich um ihre inneren Zu- stände nicht zu bekümmern hätten; daß eS in Europa weiße Fabriksklaven, Leibeigene, Hörige u. s. w. gäbe, die eS schlimmer hätten (soll wohl heißen mitunter) als ihre Neger. Doch scheine» die Amerikaner selbst das Unzu reichende dieser Erwiderung zu fühlen, denn sonst vertheidigten fie sich nicht, wie wir oben gesehen; wir wollen aber gerade an diesen Punkt, die Abwei sung jeder Einmischung, unsere Beleuchtung ihrer Vertheidigung knüpfen. Die Menschheit strebt vollkommneren Zuständen zu. An diesem Wett streit bethciligen sich alle gebildete Völker, jedes nach seiner Eigenthümlichkeit wirkend. Ihr Verkehr unter einander wirkt auf den Wetteifer, gleich wie edle, offene und hochffnnige Menschen durch ihren Umgang läuternd auf einander wirken. Jedes Volk, jeder Mensch hat seinen besonderen Standpunkt. Bon den verschiedenen Standpunkten aus ändert sich die Ansicht über einen de- stimmten Gegenstand. Jedermann und jedes Volk haben Angewöhnungen, die Andere mehr oder minder verletzen, Vorurthcile, die sich bei ihnen eingc- nistet haben, und die einen nach anderen Richtungen hin freien Blick umschleiern. Uns allen ist eS angeboren, daß wir wissen möchten, wie Andere über uns denken, und erfahren wir es und find wir weise, so werden wir uns in solchen Urtheilen spiegeln und nach gewissenhafter Prüfung zu scheiden wissen, was aus einer nicht genauen Kenntniß unserer selbst und Anderer über uns hervor, gegangen ist. Jedenfalls gewinnen wir bei solchen Untersuchungen. So greifen alle gebildete Völker mit Begierde nach dem Reisebericht und dem Urtheile eines ausgezeichneten Ausländers, der längere Zeit unter ihnen ge weilt. Ein Theil weiß, der andere ahnt, daß, wenn der Fremde mit einzelnen Zuständen auch nicht so vertraut ist, wie der Einheimische, er doch von dessen Interessen und Vorurtheilen minder abhängig ist und daruni für allgemeinere Zustände einen freien Blick hat. Touristengeschwätz ist natürlich von jpiner Bedeutung. In diesem Reinigungsprozeß der Völker nimmt Deutschland eine der wichtigsten Stellungen ein. Der deutsche Geist hat sich von jeher auf die Er- gründung des Menschen und deS GotteSgeisteS geworfen. Während Frank, reich dem Licht eine Gaffe bricht, sucht Deutschland zu versöhnen und zu be- gründen. Namentlich dürfte deutsches Urtheil in den nordamerikanischen An. gelcgenheiten entscheidend sepn, denn es hat keine materiellen Interessen bei dem Bestehen oder dem Fall des Sklavcnzustandes wie andere handeltreibende Völker, deren redliche Absichten wir hiermit kcineSwegcS verdächtigen wollen, welche aber von den Amerikanern verdächtig gemacht werden. — Und wenn ich z. B. meine schwache Stimme gegen das Unrecht erhebe, was kann mich anders treiben als eine wahrhafte und heilige Ucberzcugungf Dieser Untersuchung entspricht cs, wenn wir den Nordamerikanern eben falls eine vollständige Berechtigung zu dem Anhängsel ihrer Abweisung euro«