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Tageblatt. Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. GerichtSämter und der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. Erscheint i. Freiberg jed. Wvchent. Ab. S U. für den and. Tag. Jnser. werden bi« V. 11 U. für nächste Nr. angm. Donnerstag, den 7. März Preis vierteljLhrl. 20 Ngr. Inserat« werden die gespaltene Zeile oder deren Raum mit 8 Pf, berechnet. 187S. 4- Freiberg, 6. März 1872. Die neueste Cour, welche Graf Chambord i» Antwerpen über seine getreuen Legitimisten abgehalten, hat wieder die Aufmerksam keit aus diesen französischen Prätendenten mit der weißen Fahne gerichtet. Das arme Frankreich besitzt aber Prätendenten allerhand Art, die es bei der ersten besten Gelegenheit, Jeder für sich glück lich machen möchten. Daß es der letzte Bourbon, der seit dreißig Jahren im Exil gelebt hat, der keine Kinder und damit keine Thronfolger besitzt, überhaupt noch so weit bringen konnte, als Prätendent beachtet zu werden, ist gewiß merkwürdig genug und mau ersieht daraus, was in der Welt alles möglich ist. Denn Heinrich von Bourbon vertrat eine Sache, ein Princip, eine Fahne, die sich in der Gegenwart sehr komisch ausnahmen und die mit einander in ernste Verbindung zu bringen, als eine politische Phan tasierte erschien. Man könnte eS dem Manne, der ein nachgeborener, aber unfruchtbarer Sproß einer überlebten und verurtheilten KönigS- familie war, nicht übel nehmen, daß er seine Bedeutung in dem LultuS seine- angeborenen Rechtes suchte, weil er eben damit ein Unicum bildete. ES war eine Don-Quichoterie, welche verzeihlich erschien, eine Principienrelterei, die keinen Schaden anrichtete. Nun läßt sich indessen doch nicht verkennen, daß dieser Präten dent wirklich noch eine Partei in Frankreich hat und zwar eine so wenig winzige, daß sie immerhin in der National-Bersammlung eines gewisse» Einflusses sich rühmen darf. Den Franzosen kann man nicht über den Weg trauen, wenn eS sich um ihr Amüsement handelt, eine neue Regierung zu haben. Napoleon ist noch zu frisch, als daß eine Wiederbegründung seines Reiches ihnen Reiz gewährte; der Republik werden sie jetzt wieder überdrüssig. ES ist also diesem um alle StaatSmoral gebrachten Volke wohl möglich, es einmal mit dem letzten Bourbonen nach mehr denn dreißigjährigem Zwischenreich Anderer versuchen zu wollen; nicht nur, weil er der Letzte seines Geschlechtes ist, waS ihn interessant macht, sondern auch, weil man ihn leicht mit den Orleans ver tauschen kann, wenn er langweilig wird. Graf Chambord ist der Prätendent, welcher durch die Bewegung auf dem Gebiet der katholischen Kirche eine erhöhte Bedeutung er halten hat. DaS Positive seiner Politik wäre nicht nur die Ein setzung der alten Monarchie in Frankreich, sondern die Allianz Frankreichs mit dem jetzt zu neuem Kampf ausgehenden Papstthume. Mit oder wider Willen würde er, kaum auf den Thron gekommen, Frankreich in die mißlichsten auswärtigen Verwicklungen bringen; und wenn dies geschähe, könnte eS dem wunderlichen Geist der Franzosen wohl Gefallen erregen. Sie find mit dem Marschiren an der Spitze der Civilisation so Übel gefahren, daß sie die Lust daran nicht nur verloren haben können, sondern auf die Civilisation selbst in eine» gewissen Zorn leicht zu bringen sein mögen. Welch ein schöner Ersatz nun für fie, wenn der Papst mit allen Lardi- nälen feierlich fie zum auSerwählte» Volke weihte, ihre Wassen segnete, und wenn dann König Heinrich V. auf weißem Zelter mit Hermelin und mit dem heiligen Schwert Ludwigs ihnen in den Ms U dir WM« W M« drs LM M dx» MM Ruhm Frankreichs voranzöge. DaS wäre doch wieder eine Mission und für eine Mission begeistert sich der Franzose sehr gern. Die Sache klingt freilich sehr spaßhaft und eS ist ja auch gut, wenn man darüber lacht. Aber so viel ist gewiß, daß Graf Cham» bord fie sehr ernsthaft bedenkt und eine Menge Leute in und außer halb Frankreich mit ihm eines Sinnes find, bereit, Frankreich in dies neue Abenteuer zustürzen., Laaesqeschichte. Berlin, 5. März. Fürst Bismarck veröffentlicht Folgende-: Berlin, 4. März 1872. Die mir in jüngster Zeit zugegaogene» Adressen und Telegramme, in welchen mir die Zustimmung zu der von der königlichen Regierung bezüglich de» SchulausfichtSgesetzeS befolgten Politik ausgesprochen wird, habe ich bisher, so viel ich konnte, einzeln beantwortet. Die erfreuliche Zunahme derartiger Kundgebungen ist indessen so stark, daß ich bei meinem gegenwärtigem Gesundheitszustände und dem Drange meiner täglichen Dienstge schäfte darauf verzichten muß, eine jede besonder« zu erwidern, und nur auf diesem Wege meinen Dank für da« mir kundgegebene Vertrauen und die Versicherung auSsprechen kann, daß ich auch ferner , Sr. Majestät dem Kaiser und dem gemeinsamen Vaterlaude mit Gotte« Hilfe so zu dienen bemüht sein werde, daß mir diese« Ver trauen meiner Mitbürger erhalten bleibt. von Bi-marck. — DaS Meininger „Regierungsblatt" enthält folgende Ver ordnung des StaatSministeriums: „Der Geburtstag de« deutsche» Kaisers am 22. März d. I. ist in allen Schulen deS Herzogthum« mit einer angemessenen Schulfeier unter Wegfall der gewöhnlichen Unterrichtsstunden zu begehen." — Wie noch erinnerlich sein wird, hatte Herr von Mühler ein Rescript erlassen, wonach diejenigen Katholiken, welche excom« municirt find, nicht mehr auf dem Verwaltungswege zur Kirchen« . steuer angehalten werden sollten. Der Wiesbadener Verein der Altkatholiken, mit diesem Bescheide nicht zufrieden, hatte sich an den neuen CultuSminister gewandt mit dem Ersuchen, durch mini steriellen Erlaß schon unter der generellen Bezeichnung „Altkatholiken" von der Zahlung der Kirchensteuer entbunden zu werden. Der Be scheid deS CultuSministerS vr. Falk ist inzwischen erfolgt. Dem „Wests. Merkur" zufolge betont derselbe, daß von den kirchlichen Organen denen, welche der Lehrentscheidung der Kirche sich nicht unterwerfen, das kirchliche Begräbniß und die Spendung der Sacra-, mente verweigert werde. In wie weit dieses rechtlich die Befreiung von der Kirchensteuer begründe, überläßt er dann der Entscheidung der Gerichte. Da aber die „Veranlagung zur Kirchensteuer" auf. dem Verwaltungswege ein unbestrittene- und klare- RechtSverbält- niß zur Voraussetzung habe, fo entscheidet der Minister weiter, daß allerdings alle diejenigen, welche die in der Lehrentscheidung der' Kirche ausgesprochene Excommunication auf sich nehmen Wösten, nicht mehr auf dem Verwaltungswege zur Zahlung der Kirchen steuer angehalten werden sollen. Die Frage, waS mit denen ge schehen soll, welche die Ausschließung nicht anerkennen, denen aber doch thatsächlich ein kirchliche« Begräbniß re. verweigert wird, wird hier also noch nicht berührt. Bekanntlich find Petitionen der Alt katholiken um Regelung ihrer Verhältnisse im Abgeordnetenhause eingelaufen und harren der Verhandlung. — Wie officiöse Corre- spondenzen von hier melden, hat die StaatSregierung „den Beschluß gefaßt, den Bischof von Ermeland förmlich in die gesetzlichen Schranken zurückzuweisen, weil sein Vorgehen mit Excommunication«» Uebergriffe in da- Gebiet der staatsbürgerlichen Rechte enthalte." — Der „Tempo" in Rom versichert, der Papst werde nächsten« ein eigenhändiges Dankschreiben an seinen lieben Bohn Windtborst Meppen) abgehen lassen.