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„SSer-eritz-Zeitung" «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 26 Pfg., zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Stummem 10 Pfg. - Alle Postan- stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen am Mchmtz-MW. Amtsblatt Inserate, welch« bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeile 20 Pfg. für die Königliche Umtshauptmannschast Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Verantwortlicher Redacteur: Carl Ahne in Dippoldiswalde. Nr. 49. Sonnabend, den 28. April 1883. 48. Jahrgang. --- . -> Politische Wochenschau. Deutsches Reich. Ueber das Befinden des Kaisers laufen aus Wiesbaden fortgesetzt die günstigsten Nach richten ein und so darf man denn hoffen, daß auch die diesjährige Frühjahrskur des greisen Monarchen vom besten Erfolge begleitet sein werde. Die Lebens weise des Kaisers ist auch während seiner Wiesbadener Kur eine streng geregelte, und namentlich läßt der hohe Herr in der gewohnten Entgegennahme der täg lichen Vorträge des Militär- und des Zivilkabinets leine Unterbrechung eintreten. Von den andern Mit gliedern der kaiserlichen Familie weilt bekanntlich die Kaiserin in Baden-Baden, auch das kronprinzliche Paar hat in Begleitung seiner ältesten Tochter, Prinzeß Victoria, eine längere Reise angetreten, deren Ziel vorläufig Venedig bildet. — Prinz Wilhelm von Preußen wurde zu mehrtägigem Aufenthalte am Wiener Hofs erwartet und mißt man diesem Besuche in Wiener diplomatischen Kreisen politische Bedeutung bei. — Die kirchenpolitiscke Frage ist durch die Anträge auf Freigebung des Sakramentespendens und Messelesens, welche Herr Windthorst im Namen des Zentrums im preußischen Abgeordnetenhause gestellt hat, wieder in den Vordergrund der Diskussion gerückt worden. Die verschiedensten Gerüchte sind in letzter Zeit in Bezug auf die kirchenpolitische Situation kolportirs worden, und namentlich der m voriger Woche stattgesundene preußische Ministerrath hat Stoff zu den mannig fachsten Vermuthungen gegeben, da in demselben über die Stellungnahme des Gesammtministeriums gegenüber den Anträgen des Zentrums verhandelt worden ist. Hoffentlich wird durch die Mittwochs-Debatte im preu ßischen Abgeordnetenhause der Anfang zu der allerdings nothwendig gewordenen Klärung der kirchenpolitischen Angelegenheiten gemacht worden sein. — Die Ver handlungen des Reichstages über das Krankenkaffen gesetz nehmen einen im Allgemeinen ruhigen und sach lichen Verlauf, und da bereits in voriger Woche die grundlegenden Bestimmungen nach den Anträgen der Kommission und mit großer Majorität genehmigt morden sind, so darf an der Annahme der gesummten Vorlage nicht mehr gezweifelt werden. Am Montag genehmigte der Reichstag die ZZ 6—12 des Krankenkassengesetzes (Höhe der Krankengelder, Kur und Verpflegung im Krankenhause und Feststellungsmodus für den orts üblichen Tagelohn nebst Ausführungsbestimmungen), ohne daß die Debatte allgemeineres Interesse darge boten hätte, da dieselbe sich vielfach in den kleinsten technischen Details bewegte. Auch die Dienstagssitzung verlief in ziemlich glatter Weise, obwohl im Verlaufe der Debatte über die Ortskrankenkassen Abg. Lohren (konserv.) die Hirsch-Dunker'schen Krankenkassen einer sehr scharfen Kritik unterzog, welche mehrfach Unruhe auf der linken Seite des Hauses hervorrief. Unter Ablehnung aller andern Anträge wurde schließlich Z 15 (Ortskrankenkassen) mit dem Antrag, wonach der Bei tritt zu den Ortskrankenkaffen keinen Anspruch auf Unterstützug gewährt, wenn bei der Beitrittsanmeldung die Erkrankung bereits eingetreten ist, angenommen. Außerdem genehmigte der Reichtag in erster Lesung -auch die Vorlage über die Neichskriegshäfen. — Das preußische Abgeordnetenhaus hat in der Spezialdis kussion über das Gesetz, betreffend die Reorganisation der Landesverwaltung in Preußen, den prinzipiell wich tigen § 27 der Vorlage nach den Anträgen der Kom mission gegen die Stimmen der Liberalen angenommen. Der genannte Paragraph weist die Funktionen des Verwaltungsgerichtes dem Bezirksrath init zu, wodurch der Geschäftsgang in der Landesverwaltung vereinfacht werden soll. Die Amendements der Liberalen wurden fämmtlich abgelehnt. Oesterreich-Ungarn. Die allgemeine Aufmerk samkeit in Oesterreich ist fortdauernd der Debatte des Reichsrathcs über die Novelle zum Volksschulgesetz ge widmet, und es ist fraglich, ob die Abstimmung über die Gesammt-Vorlage noch in dieser Woche erfolgen wird. Trotz aller Bemühungen der Ketzer auf der Linken, der czechisch-polnisch-slovenisch-klerikalen Majo rität das Leben so sauer als möglich zu machen, sind bis jetzt die hauptsächlichsten Bestimmungen der Schul novelle den Wünschen der Negierung gemäß ange nommen worden und so ist denn alle Aussicht vor handen, daß es den Aerzten der Rechten gelingen wird, diesem Schmerzenskinde des Ministeriums Taaffe und der klerikalen Partei das Leben zu erhallen. Frankreich. In der inner» Politik Frankreichs liegt jetzt der Schwerpunkt auf der finanziellen Seite. Der Finanzminister Tirard hat bekanntlich in der De- putirtenkammer eine Vorlage eingebracht, welche die jetzige französische öprozentige Rente in eine 4'/-pro- zentige Rente umgewandelt wissen will, wodurch eine jährliche Ersparnis von 34 Millionen Franks für den französischen Staat erzielt werden soll. Diese Maß regel hat nun in der Deputirtenkammer zu heftigen Angriffen der Monarchisten gegen Herrn Tirard und die Finanzverwaltung der Republik überhaupt geführt, und Paul de Cassagnac, der bekannte bonapartistische Kampfhahn, verstieg sich sogar zu der Erklärung, er würde für das Konvertirungsprojekt stimmen, weil er hoffe, daß dasselbe mit zum Ruine der Republik bei tragen werde! Trotzdem hat die Kammer den Artikel 1 der Kouvertirungsvorlage mit 407 gegen 99 Stim men und unter Ablehnung aller Amendements ange nommen. In einer Abendsitzung wurde sodann die ganze Konvertirungsvorlage mit 400 gegen 104 Stim men genehmigt. Es ist dies ein entschiedener Erfolg, nicht nur des Finanzministers, sondern des Kabinets Ferry überhaupt, und es läßt sich wohl erwarten, daß die Kammer auch den zur Bestreitung der Tonking- Expedition geforderten Kredit von 5 Millionen Franks bewilligen werde. Es sollen dann sofort 1500 Mann von Toulon nach Tonking abgehen. England. In England bringt die wieder in Fluß gerathene Frage des parlamentarischen Eides einige Abwechslung gegenüber den sich endlos fort spannenden Hochverraths- und Dynamitprozessen. In dessen bereitet dieselbe der Regierung des Herrn Glad stone nicht unbedenkliche Schwierigkeiten, denn nicht nur die Konservativen und die Parnelliten stehen der Bill bezüglich Einführung des parlamentarischen Eides schon aus Gründen der Parteitaktik geschloffen gegen über, sondern auch auf liberaler Seite findet die Bill offene Gegner. Holland. Unter Hangen und Bangen ist endlich in Holland die Bildung eines neuen Kabinets unter dein Präsidium Heemskerks geglückt. Dasselbe ist den Reihen der konservativen Partei entnommen, obwohl dieselbe in den Generalstaaten (Deputirtenkammer) sich in der Minderheit befindet und nur der Uneinigkeit der Liberalen verdankt das neue holländische Kabinet sein Zustandekommen. Skandinavien. Die politische Krisis in Norwegen ist eine äußerst ernste geworden. Nach langen Ver handlungen hat das norwegische Oldesthing den An trag des Storthing (zweite Kammer) sämmtliche Staats- räthe in den Anklagestand zu versetzen, mit 53 gegen 32 Stimmen angenommen. Der Konflikt zwischen Ne gierung und Volksvertretung in Norwegen ist haupt sächlich aus der Forderung der Radikalen auf Abän derung des Artikel 12 des Grundgesetzes, wonach der König die Mitglieder des Staatsrathes ernennt, ent standen, in welche Schmälerung der ohnehin in Nor wegen sehr beschränkten königlichen Rechte das Mi nisterium nicht einwilligen wollte. Serbien. Die Attentäterin Helene Markovic, welche am 23. Oktober v. I. in der Kathedrale zu Belgrad einen Revolver auf König Milan abfeuerte, ist jetzt zum Tode verurtheilt worden. Nord-Amerika. In einem Theile von Nord- Amerika hat in dieser Woche ein furchtbarer Wirbel sturm gewüthet, durch welchen namentlich der Staat Mississippi schwer heimgesucht wurde. Zu den sozialpolitischen Aufgaben. Bei den anerkannten Schwierigkeiten, welche alle Probleme stets darbieten, ist es von prinzipieller Wich tigkeit, denselben nicht nur eine ausdauernde und energievolle parlamentarische Arbeit zu widmen, sondern sich auch möglichst bald darüber klar zu werden, welches Ziel für die Gegenwart und nächste Zukunft auf so zialem Boden überhaupt erreichbar ist, denn in der Hauptsache bleibt die soziale Frage, d. h. die Hebung der Bildung und Wohlhabenheit im Volke doch eine Frage der ganzen Zukunft der Menschheit überhaupt und nichts könnte in wirthschaftlicher und politischer Beziehung verderblicher wirken als soziale Reformen, welche einen Theil der Menschheit zum Besten der anderen übermäßig engagiren, welche guaoi die Noth aus dem Dasein der Menschen verbannen und Alles gleichmäßig und schön Herstellen wollten. Dieses utopische Ziel kann von Menschen und auf dieser Erde niemals erreicht werden, wohl kann aber die gemeinsame mensch-» liche Kulturarbeit einige große Schattenseiten lindern und zwar nicht in der Form eines ungenoffenen oder unverdienten, schrankenlosen und dabei doch obligato rischen Geschenkegebens an die ungezählte Schaar der Nothleidenden dieser und jener Art, sondern durch ein organisirtes Gegenseitigkeitsverhältniß, basirend auf Arbeit und Gegenleistung, Vorsorge und Sparsamkeit. Eine Pflicht der Humanität und auch gewissermaßen des Edelmuthes, des nobelen Bewußtseins ist es nun ja ohne Zweifel für den Staat und die besseren Be völkerungsklassen, für derartige Reformbestrebungen nicht nur eine legale Stütze, sondern auch einen finan ziellen Beitrag zu liefern, aber man verstehe uns wohl, nur einen Beitrag, die übrigen finanziellen Mittel müssen Arbeitgeber und Arbeiter behufs Aufbesserung der durch Krankheit, Unfälle und Alter oft ganz hilflos gewordenen Lage der letzteren selbst durch gesetzliche Statuten und Verträge aufbringen, so will es Menschen recht und Menschenwürde, die besseren und auch glück licherweise noch die Mehrheit unserer Arbeiter aus machenden Elemente unter ihnen wollen auch kein bloßes Geschenk, es widerstrebt das ihrem Ehrgefühl und was man bei zweifelhaften oder gar schlechten Elementen mit Geschenken und Unterstützungen aus richtet, das brauchen wir hier nicht erst zu erläutern. Hält man nun aber im Reichstage Dasjenige fest vor Augen, was auf dem sozialpolitischen Gebiete an Reformen wirklich ausführbar und vereinbar mit Menschenrecht und Menschenwürde ist, so erscheinen die sozialpolitischen Vorlagen der Regierung durchaus nicht als unlösbare Probleme, selbst das Altersversorgungs gesetz nicht. Hier liegt ja allerdings die Aufgabe ganz besonders schwierig, weil wir wohl versorgungsbedürstige alte Arbeiter, aber noch keine organisatorische Statuten haben, die vorsorglich den Invaliden der Arbeiter eine kleine Rente gesichert haben. Das Altersversorgungs gesetz braucht daher für den Anfang ein bedeutendes Kapital, um überhaupt in's Leben gerufen werden zu können, aber schon nach 10 bis 15 Jahren werden die finanziellen Mittel der Altersversorgung ebenso wie beim Kcankenkassengesetz und Unfallversicherungs gesetz durch die Beiträge der Arbeitgeber und Arbeiter der Hauptsache nach bestritten werden können, und so kann es dann gelingen, daß wirklich eine heilende Hand an bestehende soziale Nothstände, welche unsere unteren Volksklassen zu vergiften droht, gelegt wird. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Wir wollen nicht unterlassen, an dieser Stelle nochmals darauf hinzuweisen, daß die vom königl. Ministerium angeorhuete und alljährlich vorzunehmende Zählung der Fabrikarbeiter jedesmal den 1. Mai, und wenn derselbe auf einen Sonn- oder