Volltext Seite (XML)
Nr. IOS — 1<». Jahrgang Sonnabend den «. Mai LVLL scheint täglich nachm, mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. Siu^iabe t mit .Die steil in Wort und «ild- vierteljährlich ^ In Dresden durch Solen 2,4<» 2c In ganz Deutschland frei Haus 2.82 2c; in Oesterreich 1.4!t K. ^ " "k"'' "l'^'rierte Beilage vlerleljährlich I.dil» 2S. ^ >0 2c Ä" ganz Dentlchland lrei Haus 2,22 2t; in Oesterreich 4,0? X. — Linzel-Nr. I« 4. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die Ngespaltene Pelitzeile oder deren Raum mit 18 4 > Reklamen mit 8<» « die steile derechnet, bei Wiederholung«« entsprechenden Rnbntd Bnchdrncherei, Redaktion und McschästSstrllei Dresden, Pillniyrr Ltraste 4lt. — Fernsprecher Ilttttt FllrRSikgabr nnverlang«. Tchriststiiikekeine2>erbtndltchkelt Redaktions-Sprechstunoc: l> bis >2 Uhr, ^Illslon In allsn 8tarttt«Il«n Paul iirkscll' ^«^^.Misol'.- . 8»cb»»" Vrssilvn, k«en»ps«l>bee 8k, 2641, 9932, 4820, 24L8. »878 «783, 898. I'roti! nvcst »ie llußorvosoner Kakkee-1'euerunx 1co5tvt unser bv- livkter, vorrüßliclier k^Lmilien-Kafkee nur 150 pk. clss pkunci. kerlinx ä koclistroli, Vreden. älleclerluqen in allen Ltacltteilev. Die ostasiatische Frage. Viel interessanter als Marokko, seinen, Albanien und Meriko ist gegenwärtig entschieden die ostasialische Frage, und das ans naheliegenden Gründen. Die Tisfcrenzen iin fernen Osten des chinesischen Ge- dietes nm Jlistrom sind durch die Nachgiebigkeit der chine sischen Regierung geschlichtet. Der einzige Holt, den sie ge- hnbt hätte, die Unterstützung der Bereinigten Staaten, ver jagte, weil sich die Union gegenwärtig in keine unfreund liche Stellung zu Rußland drängen lassen will. Freilich be wahren die Amerikgner trotz dessen nach wie vor die china- freundliche Richtung ihrer Politik. Diese tritt heute mehr als je hervor und hat durch die den Chinesen gewährte ge meinsame amerikanisck^deutsckz-englischfranzösische Anle-be „och an Bestimmtheit gewonnen. Cs ist schließlich auch - n billiger Erfolg für die Union, durch Anleihegelder die lei- iende Hand in der chinesischen Politik zn werden. Ostasien und vor allem der Gegensatz zn Japan ist und bleibt der Mittelpunkt twr Politik der Vereinigten Staaten von Nord- amerika. Wir haben soeben jetzt gesehen, wie stark er ans die mexikanischen Angelegenheiten gewirkt hat. Tie ame rikanischen Staaten und natürlich in erster Linie die Union, fühlen sich nicht mehr sicher vor einem Einfall der Japaner, sei es direkt, sei es über Meriko. Sie verkennen nicht die derzeitige finanzielle Schwäche ibres Gegners, fürchten aber, daß er die Vollendung des Panamakanals nicht ab- warten wird, wenn er wirklich Böses im Schilde führt. Japan hinwieder lebt in dem Glauben, handelspolitisch von Amerika alles Ueble erwarten zu müssen. Es sieht, und dies sicherlich nicht mit Unrecht, die Philippinen als die Plattform der ostasiatischen Politik der Vereinigten Staa ten an, von der aus auch deren wirtschaftliche Stellung ge sichert werden soll. Wie ein flammendes Feuerzeichen hat der Vorschlag des Staatssekretärs Knor gewirkt, der das Eisenbahnnetz der Mandschurei unter ein Kapitalistensyndi- hat bringen wollte, das dein Namen nach international sein sollte, in dem jedoch in Wahrheit die Amerikaner, als die in derlei Dingen erfahrensten Geschäftsleute, bald die Oberhand gehabt haben würden. Ter Erfolg ivar für die Amerikaner durchaus negativ. Za, schlimmer als das noch, sie erlitten in dieser Frage eine schwere Niederlage, denn es gelang den Japanern, die Russen für das neue System des Zusammenschlusses gegen den drohenden amerikanischen Einfluß zu gewinnen. Als ersten Erfolg hat Rußland die erwähnte Nach giebigkeit Chinas im Jligebiete davongetragen. Japan« arbeitet rastlos in Korea und erschließt es so schnell wie möglich, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch strategisch. In der südlichen Mandschurei wächst auf grund der Eisen bahnbauten wie der Verträge über die Bergwerke der japa nische Einfluß ebenfalls unheimlich rasch. Gerade er stachelt die Amerikaner um so mehr zu ihrer Gegenaktion an. So wurde die Stimmung immer mehr verbittert, ein Umstand, der sich in der japanischen Presse mit aller Deutlichkeit wider- spiegclt. Es gibt auch im Lande der aufgehenden Sonne Chauvinisten, die ihre Regierung unablässig zu Taten an- spornsn. Als ein Schachzug auf materiellem Gebiete ist zunächst die von den Amerikanern inaugurierte Viermächte-Anleihe und die Ernennung des Tschao-Ebr-Hsün zum Generalgou- rerneur der Mandschurei anzusehen. Er gilt als ein ener gischer, rasch handelnder Mann. Durch diese Ernennung bekundet China, daß es noch nicht gesonnen ist. sich die Herr schaft über die Mandschurei aus der Hand gleiten zu lassen In der chinesischen Regierungspolitik spielt diese Provinz als Stammland der Dynastie eine große Rolle. Ter Ver lust der Mandschurei würde für die Mandschudynastie eine löse Schlappe bedeuten. Bisher ließ die Apathie Chinas die Vermutung zu, daß zur Behauptung der Mandschurei nichts Ernstliches geschehen würde. Nun aber l-at der Tsung-li Jamen die Volksstimmung benützt, um in seinem Heerwesen Fortschritte zu machen, wobei er der Zustimmung und Hilfe der Vereinigten Staaten sicher war. Hält dieses frischere Leben in China an, so werden sowohl Japan als auch Rußland mit ganz anderen Schwierigkeiten als bisher ^ zu kämpfen haben. Das Reservoir an Menschenleben ist für China unerschöpflich, der Rückhalt, den es in den Ver einigten Staaten hat, von der größten Bedeutung. Die Regierung des Mikado soll denn auch die Ernennung des Tschao-Ebr-Hsün mit unvdrholenem Mißvergnügen aufge- nommen haben. Die übrigen Großmächte sind aus dem eben geschilder ten Wettbewerbe immer mehr hinausgedrängt worden. Ja vaner und Russen auf der einen, die Vereinigten Staaten auf der anderen Seite, sehen einander etwas allzu egoistisch als die Meistbeteiligten an. Sie konzentrieren ihre Auf merksamkeit fast ausschließlich darauf, wer von ihnen den Lorbeer davonträgt. An Erlangung einer territorialen Herrschaft über China mit Ausnahme der Mandschurei — denkt wohl keine der drei Mächte. Aber betreffs der Er langung von Handels-Vorrechten muß man auf alles gefaßt sein. Eines der Mittel hierzu ist die Errichtung von Vor zugszöllen, wie sie zum Beispiel die llnio» auf Kuba besitzt. Mag sich das für die Amerikaner im eigentlichen China auch schwer verwirklichen lassen, so werden die Japaner doch sicher hinsichtlich der südlichen, die Russen hinsichtlich der nördliche» Mandschurei und der sonstigen Grenzgebiete da mit rechnen. Außer den Vorzugszöllen gibt es aber auch noch andere Formen der Bevorzugung. Tie Mandarinen des Tsung-li Jamen werden de» Wünschen der maßgeben den Macht gern insoweit nachgehen, daß sie die Zölle auf Waren, die gerade diese Macht liefert, niedrig halten, da gegen von Waren, an denen dieselbe kein Interesse hat, hohe Zölle erheben. Ferner kommen hier die Vergebungen für Bauten von Brücken, Bahnen, Maschinen, Häfen »sw. in Betracht, weiter die Konzessionen für Eisenbahnen, Gas »sw. Bei den Bahnen die Art der Behandlung der aus dem einen oder dem anderen Lande kommenden Waren Man braucht nur an amerikanische Eisenbahnnnternehinnngen zu denken, um die Illustration hierzu vor dem Auge zu haben. Die anderen Großmächte sollten eigentlich bedenke», daß sie aus wirtschaftlichen Gründen keineswegs ohne Sitz und Stimme im Rate über Ostasien bleiben dürfe». „Offene Tür" war das Programm der gesamte» Kulturwelt, als durch den chinesisch-japanischen Krieg die Dinge ins Rollen kamen und sich in den Borerunruhen die erste Reaktion gegen den Kultnreinflnß der weißen Nasse zeigte. „Offene Tür" blieb das gemeinsame Feldgejchrei aller, als Rußland und Japan Frieden machten. Dieselbe Losung muß auch gelten, wenn Japaner, Russen und Amerikaner auf die Jagd nach Vorrechten in Ostasien ausgehen. Politische Rundschau. Dresden, den ä. Mai Istll. — Das Kaiscrpnar, wwie Prinzessin Viktoria Luise sind nm I. d. M. vormitt gs in Karlsruhe eingetroifen. Zum Empfange hatten sich auf dem Bahnhofe eingesunden der Großherzog und die Großherzogin, sowie Prinz Wilhelm von Bade», ferner der preußische Gesandte, die Minister, die Generalität und die Spitzen der Behörden. Auf dem ganzen Wege bildete die Schuljugend Spalier. Am Schloß portale wurden die Majestäten von der Großherzogin Luise, iowie dem König und der Königin von Schweden empfangen. — Der Reichstag erledigte am Donnerstag eine große Reihe von Rechnungssachen und Petitionen. Bei erstere» anerkannte der Abg. Erzberger sZtr.), daß die Rechnungs legung jetzt rascher erfolgt. Bei den Petitionen tadelte der Zentrumsabg. Schesbeck das rigorose Vorgehen bei der Verordnung betreffend den Umlxi» der Backereistuben. — Im Reichstage einigte man sich dahin, die Kommij- sionssitznnge» an zwei Tagen der Woche nbzuhalte». Das Plenum soll dadurch die Möglichk"it erhalten, seine Sitzun gen an den konnnissionsfreien Tagen bereits um 12 Uhr, am Sonnabend aber stets schon um l l Uhr beginnen zu können, um die Erledigung der Reichsversicherungsordnung bis zu Pfingsten durchführen zn können. — Im preußischen Abgeordnetenhaus,: fand nm Don nerstag zunächst ein sozialdemokratisckzer Antrag betreffend Einstellung des Verfahrens beim Ehrengerichte gegenüber dem Abg. Liebknecht lSoz.) Annahme, wodurch ein gegen teiliger Antrag der Geschäftsordnungskonimission nbgelehnt wurde. Dann wandte sich das Haus der Beratung des Ge setzentwurfes betreffend die Beschulung blinder und taub stummer Kinder zu. — Dir Kurpnschrrkommission beriet am 1. d. M. den 8 6 der Vorlage, welcher von der Unter sagung des Gewerbebetriebes gegenüber Kurpfuschern han delt. Ter Paragraph wurde mit unwesentlichen Acnderun- gen im Sinne der Regierungsvorlage angenommen. Von fortschrittlicher ärztlicher Seite wurden härtere Strafen als gegenüber den Kurpfuschern gegenüber solchen Aerzten ver langt, die unter Verletzung ihrer Standesehre sich zum Deckmantel für das Treiben von Kurpfuschern hergeben Solche Aerzte wurden von einer Seite mit Sitzredakteuren verglichen. — In der Schiffahrtsabgabenkommission wurde über das Tarifwesen verhandelt. Ministerialdirektor Peters legte dar. daß es nicht richtig sei, anzunehmen, daß ein gro ßes Schiff im allgemeinen billiger fahre, als ein kleineres. In bezug auf die gewünschte Abgabenfreiheit für kleinere Schiffe äußerte er sich nicht direkt ablehnend. Er wies darauf hi», daß auf dem Main Schisse bis zu 200 Tonnen bereits von Abgaben freigelassen sind. Es sei aber zweck mäßig, Holland gegenüber hier einen Vorteil als Aequiva- lent in der Hand zn behalten, um dadurch Holland eventuell zu veranlassen, der Einführung von Abgaben zuzustinimcn. Es würde für Holland von großer Bedeutung sei», wenn man die kleineren Schisse, die sieben Neuntel oder acht Neuntel seiner gesamten Schisfszahl ausmachen, von den Abgaben frei lassen würde. Von fortschrittlicher Seite wurde darauf hingcwiesen, daß in der Vorlage nichts dar über enthalten ist, ob Personenschisse und Flöße von Ab gaben frei sein sollen. Nach dem Wortlaute des 8 1 zul schließen, wäre das nicht der Fall. Eine ausgedehnte Debatte! fand darüber statt, ob die erstmalige Festsetzung des Tarifs durch den Reichstag erfolgen soll. Die verbündeten Re gierungen stehen diesem Gedanken ablehnend gegenüber. — RrichstagSabgevrdliktcr Stadthagen ist am Mitt wochnachmittag im Reichstage plötzlich erkrankt und mußte nach dem St. Urban-Krankenhause übergeführt werden. Stadthagen, der sich vormittags an den Verhandlungen der Kurpfufchereikommijsion beteiligt hat, sprach nachmittags im Plenum des Reichstages über das Hilfskassengesetz. Fast unmittelbar, nachdem er geendet, brach er zusammen. Stadthagen leidet an einem alten Bruchschaden. Man brachte ihn sofort nach einem der kleinen Zimmer im Reickzs- tage, wo sich zwei Aerzte, die Abgeordneten Tr. Mugdan und Dr. Struve, um ihn bemühten. Auf ihre Veranlassung wnrde Stadthagen ins Krankenhaus gebracht. Dort wurde eine Einklemmung des Bruches konstatiert, die die sofortige Operation notwendig machte. Die Operation ist gut ver lausen und das Befinden nach dem „Vorwärts" zufrieden stellend. — Tic Verhandlungen zwischen den Nationalliberalen und Freisinnigen in Hessen sind endgültig gescheitert. — Weit über 500 AbänderungSauträze sollen jetzt schon für die zweite Beratung der ReichSverstcherunge- ordnung vorbereitet sein. Die Sozialdemokratie wird es sich etwa« kosten lassen, um die ihr so unangenehme Reform abzuwenden. Wenn aber sie und der Krankenkassenkongreß sich anstellen, als vertreten sie bei ihrer Opposition die Rechte der Arbeiter, und wenn ihre Vertreter im Reichstage wie „Genosse" Hoch bei der ersten Lesung des Einführungs gesetzes getan, von einer „unerhörten Vergewaltigung der Arbeiter" sprechen, so ist das schon Unfug. Sie sollten doch nur einfach bekennen, daß es sich hier um unberechtigte Interessen, um einseitig sozialdemokratische Parteivorteile handelt, für die sie kämpfen. Die Arbeiterschaft hat damit nichts zu tun, fes ist im Gegenteil zu ihrem Wöhle, wenn die Reichsversicherungsordnung recht bald zu stände kommt. Das hat auch der bekannte Arbeitervertreter, Abg. BelnenS, am Dienstag im Reichstage erklärt. Und ebenso schreibt das „Zentralblatt der christlichen Gewerkschaften" lNr. 9) soeben: „Vor die Frage gestellt, ob wir die Verantwwtung für das Scheitern des Gesetzes tragen wollten, fall« in den beiden kritisierten Punkten (Landkassensrage und An stellungsverträge) eine Aenderung nicht erfolgen sollte, müßten wir eine solche Verantwortung rundweg ablehnen. Die materielle Fürsorge für die Witwen und Waisen, für Landarbeiter. Dienstboten und Heimarbeiter und Ver- blsserung der Invalidenrente ist wichtiger und bedeutungS- voller als die Mängel in der Organisation der Institute selbst." — lieber 300 Millionen Mark Blockschnlden getilgt — und das in einem Zeiträume von etNxis mehr als einem Jahre: so darf heute die Reichsfinanzreformmchrheit stolz sagen und damit das Reich in die erste Reihe der finanz kräftigen Staate» stellen Eine Tilgung von 300 Millionen Mark Schulden in 13 Monaten ist im modernen Staats leben eine solche Seltenheit, daß man sie eigens unterstrei chen muß. Wenn vollends politische Gegner stets auf die Mängel der Reichsfinanzreform Hinweisen, dann müssen die Verteidiger dieses großen Werkes immer und immer wieder auf diese Errungenschaften nufmerksani machen. 300 Millionen Mark ist wahrhaftig keine Kleinigkeit und ohne neue Steuern hätte man dieses Ziel nicht erreicht. Wie kam diese Schuldentilgung zustande? Nehmen wir erst das Elend der Blockwirtschaft und ihrer gesamte» Liquida tion. Ter Etat für 1909 hatte einen Fehlbetrag im ordent lichen Etat von 210 Millionen Mark: ei» Ereignis, das seit Bestehen des Reiches allerdings auch nicht da war. Die Reichsfinanzreform bestimmte, daß diese Summe, sofern sie nicht durch Ucberschüsse beseitigt würde, in den Jahren 1911, >912 und 1913 zu tilgen sei. Der Jstnbschlnß von 1909 brachte einen rechnungsmäßigen Ueberschntz von nahe zu 111 Millionen Mark, so daß sich der Fehlbetrag auf 126 Millionen Mark ermäßigte. Durch den Verkauf der beiden Linienschiffe an die Türkei wurden 13 Millionen Mark außeretatmäßige Einnahmen erzielt, so daß sich der Fehl betrag ans 103 Millionen Mark erniedrigte. Von diesen 13 Millionen wurde für 1911 nur der dritte Teil verrech net, so daß gemäß den Bestimmungen der Reichsfinanz reform im laufenden Etat ein Drittel der Restfumme von 120 Millionen Mark zur Tilgung aufzunehmen war. da» heißt 10 Millionen Mark. Ter auf Schahanweisungcn la«-,