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SachUche MksMung »scheint D1e«St»-, Donnerstag und Sonnabend abend« mit dem Datum de« folgenden Tage«. Verugspreis r Vierteljährlich 1 Mk. 28 Pfg. (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer 6595». bei außerdeutschen Postanstalten laut Zeitungs-Preisliste. Krrrzelrrurnrner 10 Afg. Unabhängiges Organ für Wayryeit, Ireiyeit und Kecht. geasmi-» «»a Se§ch«inrrte»r, vrerüe«. ?i»niirer Sirarre sr. F»rnsprrch«r: Amt I., Mr 1SSS. Inserate werden die 6 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 1« Pfg. berechnet, bei mindestens 6maliger Wiederholung Rabatt. Bestellungen hierfür nehmen a») HeschLstsstesse ^illniher Ktrahe 4L, Fernsprecher Nr. 1366. sowie die Buchdruckerei von Allin Aache, Ziegclstraßc l8. Rr. S«. MiWoch, den 26. November 1902. 1. Jahrgang. aihoMen! 20. Februar trat unser glorreich regierender heiliger Vater PaM Weo XIII. in das 2S. Äahv seines gott gesegneten Pontifikates ein. In Ehrfurcht und Dankbarkeit, in Liebe und Begeisterung richten sich daher die Blicke und Herzen der ganzen katholischen Welt nach Rom, um dem geliebteften heiligen Vater mit den herzlichsten Glückwünschen das Gelöbnis unverbrüchlicher Treue darzubringen. Da dürfen auch die Katholiken von Dresden und Umgebung nicht Zurückbleiben, auch sie wollen dem Hohenpriester und Statthalter Thristi die Versicherungen ihrer ehrfurchtsvollen Ergebenheit und ihres unwandelbaren Gehorsams einmütig bekräftigen und einhellig aussprechen. Vas Unterzeichnete Konnte läßt demnach an die katholischen Bewohner der sächsischen Hauptstadt und ihrer Umgebung, ja an alle katholischen Glaubensgenossen im Lande (Damen und Herren) die herzliche Einladung ergehen, sich an der Feier zu beteiligen, die Sonntag, den 7. Dezember abends Punkt 7 Uhr -ch«— in der Malle öes Allgemeinen Turnvereins, Hermoserstvaße zu Ehren des Iubelpapstes ftattfinden wird. Das Kornits: Mvan? Mndevs; Uran? Mndevsch; vr. msä. U. Veenen; Schuldirektor Paul Bergmann; MdalöerL Bock; Richard VttnneMer; Vskav Klaskämpev; Äosepy Vruß; Julius Vuiie; hofrat vr. ms<1. HonerKev; Michael Weymann; Prälat V. Man?, Konsistorial- Präses und Kgl. Hofkaplan; Uran? Meißner; von Mrfewand, Generalleutnant z. D.; Peter Vpitz: Veovg Panlitz: von Perrira, Oberst v.; Mnton Sarhan; Professor Stmonson^Vaftelli. „Gin Tropfen Wahrheit und ein Eimer Kiige." Die verehrten Leser der „Sächs. Volksztg." dürfen beim Lesen der Überschrift dieses Artikels nicht erwarten, daß diese Zeilen wiederum von Zittaus verehrtem Kanzelredner und Bolzen schnitzer k. k. Schweißer und seinem lieben ungeschickten Schützen und Diener Johann Müller sprechen werden. O nein! .Es ist so still geworden" in Zittau bei der Firma Hagen- Schweißer. „An dem Tische sitzt ein Greis, der sich nicht zu helfen weiß" und noch immer nicht klar ist, was er machen soll, da jedenfalls sein Ansehen auf dem Spiele steht; denn sicherlich sagt er sich sehr richtig: Sind meine Worte deS Urteils über die „S. V." (daß „allemal auf einen Tropfen Wahrheit ein Eimer Lüge kommt") wahr, dann muß ich, als wahrheits liebender Bundesbruder und Ehrencharakter, sie auch beweisen können. Kann ich sie aber nicht beweisen, dann enthalten sie eine Unwahrheit und ich stehe wegen unbegründeter Verdächtigung vor der Öffentlichkeit gebrandmarkt da. Ünd Stillschweigen? — DaS wäre auch eine Antwort und zwar die vernichtendste für mich. — Und dann? Ja, dann bleibt ihm nur ein doppelter Weg: entweder Widerruf zu seiner Ehrenrettung, oder aber er erfüllt als Erster seinen Wunsch, den er am Familienabend des Zweig- vereinS deS Evangelischen Bundes aussprach, daß „der Geist Luthers wieder aufwachen möchte in unseren Tagen", und er könnte dann etwa sagen, wie der große Gottesmann Luther 1521 in Worms nach der freien Dichtung gesagt haben soll: „Hier steh' ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir. Amen." Lossen wir heute diesen unseren Schuldner und dessen linke Hand, Johann Müller, der sich poetisch „HanS Hagen" nennt. Denn auS Dresden ruft jemand uns zu: „Ich sei, gewährt mir die Bitte, in jenem Bunde der dritte;" eS ist Schweißers rechte Hand beim evangelischen Bundes-Familienabend in Zittau ge wesen, Herr Gymnasialoberlehrer vr. Goldberg. Sein Thema: LoS von Rom, die Sehnsucht des deutschen Volkes im Mittel- alter, scheint die Zuhörer nicht so angeheimelt und gepackt zu haben wie Schweißers „FriedenS"-Geläute; denn Johann Müller konnte im Amtsblatts beim besten Willen nichts von einer be geisterten Zustimmung der Zuhörer melden. Ob diese die Halb heit der vorgetragenen Wissenschaft zu deutlich aus dem Vor träge herausschmeckten? Denn vr. GoldbergS Vortrag ist nur ein Gemisch von manchem Tropfen Wahrheit und mancher zünf tigen Geschichtsunwahrheit; Voraussetzungslose, objektive Wissen schaft ist er nicht! Wir beweisen in kurzen Andeutungen sofort diese- unser Urteil. Wir quittieren dankend vr. GoldbergS für Schweißer-Hagen gewiß unliebsames und dennoch wahres Zu geständnis, daß die sog. Reformation deS 16. Jahrhunderts zu erst au» einem Grunde wirtschaftlicher, dann sittlicher und erst in letzter Linie religiöser Natur hervorgegangen ist. Ja, der erste Grund war allerdings wirtschaftlicher Natur. Die katholische Kirche war, dank dem opferfreudigen Interesse und der heiligen Begeisterung vieler ihrer Glieder, reich und einflußreich. „Daher fiel freilich Luthers Schrift an den christlichen Adel deutscher Nation auf den fruchtbarsten Boden", und die angeblich religiöse Reformation wurde in Bezug auf die Kirche, ihre Autorität und ihren Apparat offenbar — Revolution. DaS hätte aber Herr vr. Goldberg auch mit sagen müssen, wenn er nicht nur die halbe, sondern die ga nze Wahrheit sagen wollte; denn wenn der größte, geistreichste protestantische Theologe Har- nack in seinem Werke („Das Wesen deS Christentums", S. 170 ff.) frei heraussagt und eS in fünf Punkten beweist, Luther sei in dieser Beziehung „unzweifelhaft revolutionär aufgetreten", dann wußte es Herr vr. Goldberg als voraussetzungsloser Geschichts forscher auch; selbst wenn Herr ?. ?. Schweißer und Genossen solche geschichtliche Wahrheiten sehr peinlich berühren. Jawohl, die Fürsten konnten gemäß einer Seligkeitslehre, die nichts weiter als den „Glauben allein" verlangte und die Beobachtung der zehn Gebote als etwas zum Heile Gleichgiltiges erscheinen ließ, nun ohne alle Gewissensbedenken gierig nach den Kirchen- und Klostergütern ihre Hand ausstrecken und damit ihre leeren Börsen spicken, dabei aber sich noch mit zum Himmel cmvorgewandtem Blick als wahre „Gotteshelden und Gotteskämpfer deS reinen Evangeliums" betrachten, als welche sie von den Reformatoren und deren Anhänge auch gepriesen wurden. Und so war der erste Grund jener Ümwälzung wirklich wirtschaftlicher Natur. „Das Werk des Interesses" war es, auf welche Ursache schon Friedrich der Große die Verbreitung der Kirchenreform richtig zurückführte. Der zweite Grund, weshalb Deutschland „von Rom loS" wollte, war nach vr. Goldberg sittlicher Natur. Auch dies ist wahr; ist eS, Herr Doktor, aber voraussetzungslose, objektive Wissenschaft, wenn Sie Ihren Zuhörern nur diese Tropfen Wahrheit sagen und über so manches schweigen, um dann zum Lob der sogenannten Reformation die geschichtliche Wahrheit auf den Kopf zu stellen? Sie lassen die Mönche „das Ideal einer absterbenden Kultur, eine asketische pessimistische Welt anschauung", deren höchstes Ziel daS Mönchtum selbst ist, und ein «kulturfeindliches Ideal" mitbringen, um dann den Ruf: Los von den „langweiligen, leidenden hl. Physiognomien der christl. Heiligen!", den Ruf „Los von Rom!" im 16. Jahrhundert als einen Weckruf zur Rückkehr zu einem neuen „erlösenden LebenS-Jdeal" erscheinen zu lasten. Die Geschichte sagt das Gegenteil! Sie zeigt an allen Orden und Kongregationen — die zwar Zwecke verschiedenster Art verfolgten, aber ohne den Hauptzweck: Die „Heiligung ihrer Mitglieder und der Welt" auS den Augen zu verlieren — welch herrlicher, tief religiöser Sinn, welches emsige Streben nach Welt- und GotteS- Weisheit und edelster Tugend, welch aufrichtige, opferfreudige Nächstenliebe, welch ein Eifer für GotteS Ehre daS Mittelalter beherrschte. DaS beweisen alle Klosterregeln, die keinen einzigen Mißbrauch gutheißen. Es fällt unS aber auch keineswegs ein, leugnen zu wollen, daß e» zu Luthers Zeit unter den Zehn- tausenden braver Priester auch eine Anzahl gab, welche vom Pfade der Pflicht und der Tugend abgewichen waren. Sie brachen ihre heiligsten Eide und Gelübde, bevor die Lehre des „Reformator»" ihnen kraft deS neuen „Evangeliums" die Ge wissensbedenken nahm und sie von ihrem Gott und der Kirche gegenüber eingegangenen Verpflichtungen „emanzipierte". Nun waren sie eine „Schar der rechten und lieben GotteSkinder" geworden, nachdem sie durch den Bruch ihrer Gelübde ein rechtes „GotteSwerk" getan hatten. Angesichts solcher Beispiele ge winnt doch der Ruf des 16. Jahrhundert»: „LoS von Rom!" eine recht bedenkliche Färbung seiner sittlichen Natur. Friedrich der Große bezeichnet«: diesen Grund sittlicher Natur verblümt als Sinnlichkeit. Der dritte Grund für das „LoS von Rom-Rufen" im 16. Jahrhundert war nach vr. Goldberg nun endlich doch auch noch ein religiöser; und zwar muß dies der geringste Grund gewesen sein, denn statt einschlägiger Tatsachen kaute Redner nur die altbekannten Phrasen wieder: von der Herrschaft deS Papstes, der die deutschen Schafe nicht hüten, sondern nur scheren wollte; von der röm. Kirche, die nicht Seelen hüten, sondern nur Staaten beherrschen wollte; von einer juridisch-politischen Finanzmacht, die keine Befriedigung mehr bot. sondern nur knechtete usw. Da, in der größten Not kam der Knalleffekt, da sandte Gott dem deutschen Volke seinen — Luther, der mit seinem Anhänge auS den angeführten „religiösen" Gründen: „Los von Nom!" schrie. Herr vr. Goldberg hat eine Parallele gezogen zwischen der mittelalterlichen LoS von Rom-Bewegung in Deutschland und derselben Bewegung der allerneuesten Zeit in Österreich. Wenn Herr vr. Goldberg die letztere voraussetzungslos im vollen Sinne des Wortes studieren würde, er würde da finden müssen, daß die Gründe der modernen Bewegung ebenfalls teils national- wirtschaftlicher, teils sittlicher und nur zum minimalsten Teile religiöser Natur sind. „Ohne Papst und ohne Rom — wird gebaut Germaniens Dom!" so lautete (nach vr. Goldberg) die Parole der Los von Rom-Bewegung im 16. Jahrhundert. WaS man in 400 Jahren gebaut hat, das zeigen deutlich die nötig gewordenen neuesten Bestrebungen, die vielen auf weichen Boden gebauten christlichen Kirchen in Deutschland zu einem Dome zu vereinigen. Es würde dies vielleicht zum Teil gelingen, wenn nicht der modernen Parole: „Ohne Papst und ohne Rom — wird gebaut Germanien» Dom!" des Heilandes Verheißung bei Matth. 16, 18 entgegenstände: „Du bist PetruS, und auf diesen Felsen will Ich Meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen." — Gerade daö unevan« gelische Vorgehen des Evang. Bundes hat schon vielen suchenden Seelen die Augen geöffnet und sie sind mit dem intoleranten Wirken jenes Bundes schon längst nicht mehr einverstanden. Ja, eS sind der Adventseelen so viele auf dem großen und weiten Gebiete deS Protestantismus. Möge eS vollends Weihnachten werden in deren Seelen! —s. Aus dem Reichstage. 220. Sitzung am 22. November 1902. Die polizeilichen und richterlichen Mißgriffe waren am SamStag der Gegenstand der Reichstagsverhandlung. Die Sozialdemokraten, welche die bezügliche Interpellation ein- gebracht hatten, ließen sie durch den Abg. Heine, der sehr aus führlich auf eine lange Reihe solcher unliebsamen „Fälle" ein ging, dabei sich aber auch mancher tendenziösen Übertreibungen nicht enthalten konnte, begründen. Mit erfreulicher Entschieden heit verurteilte Staatssekretär Nieberding im Namen de» Reichs kanzler» alle jene Übergriffe, wenn er auch die Darstellung de» Vorredner» nicht in allen Punkten als zutreffend anerkannte. Er teilte mit, daß der Reichskanzler in seiner Eigenschaft als preußischer Ministerpräsident alle» thun werde, um den Beamten