Volltext Seite (XML)
Mernndfechztgster Jahrgairg. Inserate, welche m diesem Blatte die weiteste Berbreittma Llden, werd« di» vorm. 10 Uhr angenommen, größere und komplizierte Anzeigen tag» vorher. Die viergespaltene Kor- puSzeile 12 «I, die Rettamezelle 30 «l. Geringster Jnse» ratenbettag 40 «i. Für Rückerstattung unverlangt emge- sandter Manuskripte übernehmen wir keine Gewähr. Erscheint jeden Werktag Abend» für den folgend« Tag. Der Bezugspreis ist emschließlich der drei wöchentlichen Beilagen' bei Abholung vierteljährlich 1 u» SO «t, bei Zustellung in» Lau» 1 uk 7V «t, bei allen Postanstalten 1 d0 exklusive Bestellgeld. Einzelne Nummern kosten >0 «i ——— Bestellungen werden angmommen: Für Bischofswerda und Umgegend b« uusereu Zeitungs- Hot e», sowie in der Geschäftsstelle, Altmarkt lü, ebenso auch bei allen Postonstalten. Nummer der Zeitungsliste SSS7. Schluß der Geschäftsstelle abends 8 Uhr. er sächWe LrzWer, Tageblatt für Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt der Kgl. Amtshauptmannschast, der Kgl. Schulinspektion und des Kgl. Hauptzollamtes zu Bautzen, sowie des Kgl. Amtsgerichts und des Stadtrates zu Bischofswerda. Fernsprecher Nr. 22. BierrtNdfechzigster Jahrgairg. Telegr.-Adr.: Amtsblatt. Wit -en wöchentlichen Beilagen: Jeden Mittwoch: Belletristische Beilage; jeden Freitag: Der sächsische Landwirt; jeden Sonntag: Illustriertes SountagSvlatt. Der Vorstand des Bezirksobstbaumvereins Bautzen gibt an die Gemeinden und Gutsbezirke des Bezirks Obstbäume zu Neupflanzungen an Fahrwegen zu billigere« Preisen ab, wenn die Bestellung durch die Königliche Amtshauptmannschast erfolgt. Unter Bezugnahme auf Absatz II der Verfügung vom 8. Februar 1910 — 140 8 — wird den Gemeindevorständen und Gutsvorstehern anheimgegeben, die Bestellung von Obstbäumen bei der Königlichen Amtshauptmannschast zu beantragen. Bautzen, am 1. Juli 1910. Königliche Amtshauptmannschast. Das Neueste vom Tage. In Schleswig-Holstein find die Nationallibe- raleu mit dem Bund der Landwirte in Verhand lungen wegen einer gegenseitigen Unterstützung bei den ReichStagSwahlen eingetreten. (Siehe Leitartikel.) Ans dem Truppenübungsplatz Weißenberg bei Pose« hat sich beim Scharfschießen des Liegnitzer KünigsgrrnadirrregimentS ein Unfall ereignet, wodurch der Oberst, zwei Bizefeldwebel und 13 Mau» erheblich verletzt wurden. (Siehe Sonder- bericht.) * Im Befinde« der Fra« von Schoenebeck-We- ber soll eine plötzlich« Wendung zum Bessern ein getreten sein, so daß sie bereits in 14 Tagen die Irrenanstalt Kortau verlassen könne. Infolge anhaltender Regengüsse schwollen in der Schweiz die Flüsse «nd Seen von neuem be- drohlich an. Der Mnrtensee trat über seine Ufer und überschwemmte das bebaute Land auf weite Strecken. Ein Ausschußmitglied des französischen Eisen- bahnersyndikM erklärte, daß die Eisenbahner der Aufforderung der Regierung, unter die Fahne z« trete«, keine Folge leisten würde». (Siehe Letzte Depeschen.) * Die letzten Nachrichten aus Kreta lauten be- unruhigend. Es ist nicht ausgeschlossen, daß es bei dem Zusammentreten der Nationalversamm- lung zu Unruhen kommt. (Siehe Balkan.) In Konstantinopel entdeckte die Polizei eine geheime Gesellschaft, die durch Ermordung der Minister und anderer hervorragender Pesonen die jungtürkische Regierung stürzen wollte. Die Rationalliberalen und die linksliberalen Parteien. über die Stellung der Nationalliberalen zu den Freisinnigen und Sozialdemokraten schreibt das offizielle Organ der Nationalliberalen: „Es gibt noch immer einige Illusionisten, die die Einigung des Liberalismus in eine greifbare Nähe gerückt sehen, denen die Notwendigkeit einer solchen Einigung im Gefühl liegt und die aus die- fet Gefühlsstimmung heraus den Blick leicht ver lieren für die richtige Einschätzung der praktischen Schwierigkeiten, die einer solchen Einigung ent- gegenstehen, ja, sie für jeden nüchtern denkenden Politiker unmöglich machen. Die sachlichen Gegen- sätze, die früher in voller Schärfe zwischen Natio nalliberalen und Freisinnigen bestanden hatten, erfuhren in der Blockperiode eine starke Ab schwächung. Seitdem beginnen sie allmählich wie der sich stärker geltend zu machen. Sie haben be sonders auf einem Gebiet sich verschärft, das im mer mehr ausschlaggebend wird für das Verhält nis der Parteien zueinander. Das ist die Frage der Beziehungen zur Sozialdemokratie. Wir sehen hier in den Reihen der Fortschrittlichen Volkspartei die Neigung wachsen, die Sozialde mokratie für bündnisfähig zu erklären, um so den Block der Linken, einschließlich der Sozialdemo kratie, dem jetzigen Block der Rechten gegenüber zustellen. Eine solche Politik kann für die Natio nalliberalen nicht in Frage kommen. Die Reichs tagsabgeordneten Weber und Fuhrmann haben erst dieser Tage in zwei vielbeachteten Artikeln auseinandergesetzt, daß in dieser Frage des Ver- 'hältnisses zur Sozialdemokratie unüberbrückbare Gegensätze zwischen Nationalliberalen und Frei sinnigen beständen. Diese Gegensätze sind hier und auf manchen anderen Gebieten vorhanden. Sie sind genügend groß, um den Gedanken einer Einigung als unerfüllbar erkennen zu lassen." Den „Kieler Neuesten Nachr." zufolge sind zwi schen dem Bund der Landwirte und den National- liberalen in Schleswig-Holstein Verhandlungen über eine gegenseitige Unterstützung bei den näch sten Reichstagswahlen im Gange. Die Verhand lungen sind dem Abschluß nahe, der sehr bald er folgen wird, da der Provinzialausschuß der nationalliberalen Partei einstimmig diese Taktik gutgeheißen hat. Das Problem der Fürsorgeerziehung. Mit der zweckmäßigsten Methode für die Ver anlagung der Fürsorgeerziehung schreibt der „B. L.-A.", haben neuerdings sowohl die Publizistik als die berufenen Organe vielfach sich beschäftigt, ohne daß anscheinend bisher der Weisheit letzter Schluß auf diesem unendlich dornigen Wege ge funden worden ist. Von der Berliner Waisen verwaltung ist gemeldet worden, daß sie einen neuen Schritt zu tun gedenkt, um wenigstens einen Teil der auf dem Gebiete der Fürsorge erziehung wahrgenommenen Unzuträglichkeiten zu beseitigen. Sie will einen erfahrenen Päda gogen mit dem Auftrage betrauen, die Verhält nisse der zur Fürsorge überwiesenen Jugend zu erforschen, um gemäß dem Befunde schon bei der ersten Unterbringung die erforderliche Speziali sierung anwenden zu können. Die Anordnung mag nutzbringend sein, nur wird man sich nicht der Hoffnung hingeben dürfen, daß mit einer sol chen Individualisierung des zur Fürsorge be- stimmten Materials eine wesentliche Wandlung erreichbar sein wird. Die beiden größten Schwie rigkeiten, die den ersprießlichen Wirkungen der Fürsorgetätigkeit sich entgegenstellen, liegen in der Minderwertigkeit des in Fürsorge genomme nen Erziehungsmaterials und in der geeigneten Unterbringung der Zöglinge. Der Fürsorge- Pädagog mag noch so gründliche Charakterstudien anstellen, mag noch so große Vorsicht bei der Aus wahl der Fürsorgegestellten üben, die verschiede- neu Einflüsse werden in sehr vielen Fällen die besten Absichten zunichte machen, weil auch die gediegenste Pflegeschaft ihnen nicht beizukommen vermag. Die neueste Fürsorgestatistik des preußischen Ministeriums des Innern illustriert in dieser Be- ziehung die bisherigen Erfolge der Erziehungs arbeit. An den betrübenden Entgleisungen der Minderjährigen tragen die sozialen und wirt schaftlichen Verhältnisse, aus denen die Zöglinge stammen, eine größere Schuld als die persönliche Veranlagung der einzelnen Individuen. So ist z. B. die Tatsache sehr charakteristisch, daß die Hälfte der Zöglinge eines Jahrganges durch Vor strafen der Eltern helastet ist; bei vielen anderen ist die häusliche Erziehungsfähigkeit aus den ver schiedensten Gründen gleich Null. Hier muß die freiwillige Tätigkeit der Fürsorgevereine in weit höherem Maße als bisher in Anspruch genommen werden, damit drohende Verwahrlosung noch rechtzeitig abgewendet wird. Nachdem die Minderjährigen erst auf Abwege, vielfach auch bereits mit dem Strafgesetz in Kon- flikt geraten sind, hält es natürlich unendlich schwer, die entgleiste Jugend auf den Pfad der Ehrbarkeit zurückzubringen. In geschlossenen Anstalten ist hierzu erfahrungsgemäß jahrelange Anleitung nötig; wie sollen unter solchen Um ständen die Familien, die aus finanziellen Rück sichten einen Zögling bei sich aufnehmen, das ver antwortungsvolle Erziehnngswerk zur Zufrieden heit der Pflegschaftskuratoren durchführen? Wie kann man sich wundern, daß die Arbeit oft un- fruchtbar bleibt, wenn man erfährt, daß von den männlichen Zöglingen fast die Hälfte, bei den Mädchen die Mehrzahl als geistig anormal be zeichnet werden muß? Aus diesen Defekten auf geistigem und moralischem Gebiete entspringen Fehler und Schwächen, deren man nur Herr wer den wird, wenn allmählich eine innere und äußere Umbildung des minderwertigen Zöglings be wirkt werden kann. Mit allgemeinen pädagogi schen Vorschriften ist hier wenig getan, wenn nicht die rechten Persönlichkeiten als Erzieher ge wonnen werden, welche die Erziehung der Zög linge mit väterlichem Wohlwollen und liebevol lem Ernst, aber auch mit beharrlicher Geduld zu leiten befähigt sind. Jeder Schritt, der uns einer angemessenen Lösung des Problems der Für- sorgeerziehung näherbringt, soll uns willkommen .