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841 AckqMU M AWm AMiiNß Nl. 186. zu Nr. 298 des Hauptblattes. 1924. Beauftragt mit der Herausgabe: RegterungSrat Brauke in Dresden. Landtagsverhandlungen. (Fortsetzung der 109. Sitzung von Donnerstag, den 18. Dezember.) Fivnzmninister »r. Reinhold (Fortsetzung): Achtung! Der Landtag hat am 21. Februar 1924 folgenden kommunistischen Antrag angenommen: Die Regierung zu beauftragen, Maßnahmen zu liessen, das; in Böhlen und anderen staatlichen Braun- kohlemverken der Achtstundentag bestehen bleibt. In Böhlen sind die bisher entlassenen Arbeiter wieder einzustellen, damit die Erschließung und Verarbeitung! der Kohle auf dem schnellsten Wege durchgeführt werden kann. Arbeiter und Angestellte! Der Landtag ist die höchste Instanz in Sachsen, dessen Beschlüssen sich auch das Finanzministerium unterwerfen must. Folglich besteht für uns alle im Betrieb Beschäftigten die achtstündige Arbeitszeit. Fallt nicht hinein auf den Aushang der Direktion, sondern handelt nach den Beschlüssen der höchsten Instanz: dem Landtag! Die Belegschaft verfährt dementsprechend wie bisher seine reguläre Schicht und Zeit! gez. Döhler. Darunter ist von dem Arbeiterratsmitglied Max Eßbach noch mit Blaustift vermerkt worden: „Hoch deir Achtstundentag Hoch!" Diesem Anschlag haben die Arbeitervertreter im Be triebsrat mit Ausnahme der Angestelltenvertretung zu gestimmt. Ein ganz besonderes Licht fällt hierbei ans die Tätig keit des Herrn Abgeordneten Lieberasch. Es ist einwand frei festgestellt worden, das; diese vom Betriebsrat eigen mächtig angeschlagene Bekanntmachung von der Hand des Abgeordneten Lieberasch geschrieben worden ist. (Hört, hört! rechts.) Die Handlnngsweije der Arbeitermitglieder des Bc- triebsrates ist in der Entscheidung des Bergschiedsgerichtes Leipzig, air das sich die Direktion Böhlen nunmehr ge wendet hat, treffend gekennzeichnet worden, es führt hierzu aus: Der Anschlag des Betriebsrates vorn 23. Februar 1924, mit dessen Inhalt sich die Antragsgegncr sämtlich einverstanden erklärt haben, enthält nach Form und Inhalt einen erheblichen Eingriff in die Betriebsleitung und nimmt in schärfster Weise gegen ihre Anordnung einer neuen Arbeitszeit Stellung, zu der sie noch dazu auf Grund einer Verordnung des Finanzministeriums veranlaßt gewesen ist. Derartige Eingriffe hat sich der Betriebsrat nach ausdrücklicher Vorschrift des § 69 Satz 2 des Betriebsrätcgesetzes zu enthalten. Erläßt er derartige Anordnungen, noch dazu gegen den aus drücklichen Willen der Betriebsleitung, so verletzt er gröblich seine gesetzlichen Pflichten. Ties ist im vor liegenden Falle ohne weiteres anzunehmen. Die Arbeitermitglieder des Betriebsrates können sich darauf berufen, daß sie hierzu noch die Mitteilungen Lieberaschs und Gerbcs über eine etwaige Außer kraftsetzung der Bekanntmachnng der Betriebsleitung veranlaßt worden seien, ganz abgesehen davon, daß sie es gar nicht für nötig gehalten haben, die Mit-^ tcilung aus ihre Richtigkeit nachzuprüfen. Die An gaben des Landtagsabgeordneten Lieberasch, wonach' der oben erwähnte Antrag seiner Partei im Landtage angenommen worden sei, ist ausweislich der Berichte über die Landtagssitzuug vom 21. Februar 1924 un richtig gewesen (Hört! hört! rechts.) In der Erfüllung ihrer Ausgaben sind die Mitglieder' des Betriebsrates durch das Vetricbsrätegesetz gebunden. Werden sie durch dritte Personen zu einem gesetzeswidrigen Handeln verleitet, so haben sie die Folgen auf sich zu nehmen. Im vorliegenden Falle hätten sie durch Anrufung > des Schlichtungsausschusses oder durch Beschtverde bei der der Werksdircktion vorgesetzten Dienststelle Äclcgenheit gehabt, ihre Stellung zu der Bekannt machung der Betriebsleitung zur Geltung zu bringen. Das haben sie aber unterlassen und vorgczogen, durch selbständige Anordnungen in den Betrieb einzugrcifen.' Damit haben sie ihre Pflichten gröblichst verletzt.! Dem Anträge der Betriebsleitung ist daher nach 8 34 Absatz 2 des Betriebsrätcgesetzes stattzngcben. (Abg. Vr Dehne: Von Lieberasch ins Unglück gestürzt. Bei der Gröblichkeit der Pflichtverletzung ist cs angemessen erschienen, die Wiederwahl der Antrag gegner auf ein Jahr auszuschließcn. Dieser Passus ist vielleicht besonders interessant: Wenn die Antragsteller darauf Hinweisen, daß die in Frage kommenden Betriebsratsmitglieder im Auftrag der Belegschaft gehandelt haben, so verkennen sie zu nächst vollständig die Aufgaben eines Betriebsrates, der nicht ausführendcs Organ der Belegschaft, son dern eine selbständige verantwortliche Stelle ist, die insbesondere die Aufgabe hat, den Betrieb vor Er schütterungen zu bewahren. Hierzu kommt im vor liegenden Falle, daß die Belegschaft auf Betreiben des Herrn Abgeordneten Liebcrasch durch den Be triebsrat über die Tatsache, daß es sich am 21. Fe bruar noch gar nicht um einen endgültigen Landtags- beschluß handelte, vollständig irregeführt worden war (Abg. vr. Kastner: Hört, hört!) so daß es eine Verdrehung bedeutet, wenn der Be triebsrat als Märtyrer dargestellt wird, der nur ihm gegebenen rechtmäßigen Anweisungen Folge geleistct habe. Die Belegschaft hat übrigens auch den Spruch des Bcrgschiedsgcrichtes dadurch anerkannt, da;; pc widerspruchslos einen neuen Betriebsrat wählte. Nachdem der Landtag am 6. März den am 21. Fe bruar irrtümlich angenommenen Antrag der kom munistischen Fraktion abgelehnt hatte, wurde am 10. März, nachdem auch der HerrNeichsarbeitsmlNlster die Durchführung des Schiedsspruches über Verlänge rung der Arbeitszeit für erforderlich erklärt Hatte, auf den Werken ein Anschlag des Finanzministeriums angebracht, der unter Hinweis hieranf die Durchfüh rung des Schiedsspruches anordnete und ankundigte, daß alle Arbeiter, die ab Montag, den 17. März die neue Schichtszeit nickt erfüllen würden, frnilos entlassen seien. Daraufhin erschienen am 17. Marz rund 660 Mann der Belegschaft, von denen sich 600 bereit erklärten, zu den neuen Bedingungen zu ar beiten, während 60 sich weigerten und danach als fristlos entlassen betrachtet werden mußten; auch von diesen wurden später einige nachträglich wieder ein gestellt. Von einem Terror kann be» diesem^ Ver fahren keine Rede sein, da es sich lediglich um Durch führung eines im geordneten Verfahren ergangenen Schiedsspruchs handelte. Meine Damen unv Herren! Ich habe es ausführlich vorgetragen, um zu beweisen, daß gerade hier der Ab geordnete Liebcrasch der Belegschaft einen außerordent lich schlechten Dienst erwiesen hat (Sehr richtig! rechts ), und daß es dura, kommunistische — ich kann nickt anders sagen — Hetzerei dazugekommen ist, daß der Betriebsrat irregeführt wurde durch Herrn Abgeord neten Licberasch und sich hat zu einer Handlungsweise hinreißen lassen, die im scharfen Wideripruch zu den Pflichten des Betriebsrates stand. Es blieb daher der Wcrkleitung nichts anderes übrig, als so zu handeln, wie sie gehandelt hat. Die Herren wissen genau, da;- in Böhlen eine Beruhigung inzwischen eingctreten ist und das; der alte Betriebsrat mit den damaligen Maß nahmen sich einverstanden erklärt hat. Ich verstehe, daß der Herr Abgeordnete Liebcrasch den Wunsch hat, das, was er damals angerichtet hat, wieder gutzumachen; aber sein Antrag ist unmöglich und unerfüllbar. Ich bitte deshalb den Landtag, den Antrag der Kommunisten abznlehnen. Punkt 9: Anfrage des Abg. Bertz u. Gen., die Maßregelung von Arbeitern und Angestellten nach Abbruch von Wirtschaftskämpsen durch die Arbeitgeber betr. (Drucksache Nr. 964) Tie Anfrage lautet: In letzter Zeit sind die Unternehmer dazu übcr- gegangen, den von ihnen ausgeübten Terror no.p zu verschärfen. Tie Arbeiter und Angestellten werden im Verlauf und nach Abbruch von Wirtfchaftskämpfen von den Arbeitgebern gemaßregelt. Jede Wiedcr- cinstellung der gemaßregelten Arbeiter und Angestellten wird unmöglich gemacht durch das Aufstellen von schwarzen Listen seitens der Unternehmer. Tieres brutale und gesetzwidrige Vorgehen nimmt immer mehr zu. Bisher ist das Vorhandensein von schwarzen Listen von Unternehmerseite abgeleugnet worden. Folgendes Schreiben des Verbandes der Metallindustriellen an den Arbeitgeberschutzverband beweist, daß sckwarze Listen von diesen Organisationen ausgestellt sind. Tas Schreiben lautet: „Ter Verband der MctallindustrieUcn Hal uns gebeten, unseren Mitgliedern davon Kenntnis zu geben, daß die unten aufgeführten Former und Kernmacher, die bislang der der Firma Maschinen fabrik Pekrun in Coswig beschäftigt waren, die Arbeit niedergelegt haben, weil die Firma ihrem Anträge, einen Former zu entlassen, nicht Folge geleistet habe. Die Leute haben sich geweigert, weiter zu gießen, so daß der Firma ein nicht un erheblicher Schaden entstanden ,ei." Mit dieser Mitteilung des Verbandes der Mctall- industricllcn an den Arbeitgebcrschutzverband ist der Beweis erbracht, mit den bestehenden schwarzen Listen die Wiedereinstellung der entlassenen Arbeiter unmöglich zu machen. Wir fragen die Regierung, was sie zu tun gedenkt, das gesetzwidrige Vorgehen der Unternehmer zu beseitigen und die Arbeiter vor dem Unternehmcrtcrror zu schützen. Abg. Bertz (Komm.— Zur Begründung): Die Unter nehmerorganisationen, die cs bisher verstanden haben, zu verschleiern, daß schwarze Listen existieren, haben durch das Schreiben des Verbandes der Mctallindustriellen, das als vertrauliches Schreiben bezeichnet wurde, sich gcsetzwid- rig verhalten, sie haben gegen das Betriebsrätegcsetz und vor allem auch gegen den § 152 der Gewerbeordnung vcr- stoßen. Es ist das Bestreben der Unternehmer nickt nur erst jetzt, sondern seit langem, den Zustand wieder herbei- zuführcn, der in der Vorkriegszeit war, und zwar soll der 8 152 der Gewerbcordnuna, der den Arbeitern das Koalitionsrecht gibt, wieder beseitigt werden. Es wird bestritten, daß schwarze Listen bestehen, aber wir haben die Beweise nicht nur hier in dieser Anfrage, sondern auch in anderen Fällen. Wir fragen das Arbeit»- Ministerium, was es gegen solche Unternehmer getan hat, die so gegen das Gesetz verstoßen haben. Wenn ein Arbeiter sich gegen das Betriebsrätegcsetz vergeht, dann erfolgt sofort die Bestrafung, dann folgt ein Prozeß von 2, 3 oder 4 Jahren bis zum Reichsgericht hinaus, und wenn dort ein Urteil gefällt wird, ist es noch nicht rechtskräftig. Interessant ist in diesem Zusammenhänge folgendes: Im Lugau Llsnitzer Revier hat man nach dem Streik der Bergarbeiter die fogenannten staatlichen Schlichter eingestellt, die nach dem Streike versuchen sollten, einen Zustand herbeizusühren, der es ermöglichte, daß die Arbeiter, die gemaßregelt worden waren, wieder ein gestellt würden. Ich habe hier zwei Fälle, wo ver schiedene Arbeiter vor dem Schlichter gestanden haben. Ter eine dieser Arbeiter, der Bergarbeiter Bruno Baum, schildert das Vorgehen dieses staatlichen Schlichters wie folgt. Ter Schlichter, ein ehemaliger Ministerialrat, Hirsch mit Namen, sitzt in dem Bureau des Direktors und der Angeklagte, in diesem Falle em Bergarbeiter, wird vorgeführt und vernommen. Als Betriebsrats mitglied soll er während seiner Tätigkeit die Leute dazu angehalten haben, recht wenig zu arbeiten, aber viel Geld zu verlangen. Ter Direktor gibt diese Einleitung. Tas entlassene BctricbsratsmitgUed weist nach, daß er nur das getan hat, wozu ihm das Betrrebsrätegesetz das Recht gibt. Ter Schlichter, der sich die Tinge angehört hat, auch noch die Aussage eines Obersteigers, sagt folgendes: Was der Herr Obersteiger ausze-ogt hat, wird wohl genügen. Ich tann aus diese Auslage hin das Werk nicht verpflichten, Sie wieder einzustellen, und Ihre Entlassung ist somit rechtskräftig. (Hört, hört! bei den Komm) Tas ist die Tätigkeit der Leute, die mit Zustimmung der Sozialdemokraten nach Abbruch des Streikes cingcictzt wurden, um die Gemaßregelten, die ebenfalls auf schwarzen Listen stehen, wieder in ihre Arbeitsstelle zu bringen. Redner führt noch einen zweiten ähnlichen Fall an. Nachdem also der Beweis erbracht worden ist, daß schwarze Listen bestehen, sind wir der Auffassung, daß alles darangesctzt werden muß, die Unternehmer, die sich einer strafbaren Handlung in dieser Be uehung schuldig machen, seitens des Arbeitsministeriums zur Verant wortung zu ziehen. Tas wollen wir mit umerer An frage bezwecken. Und darüber hinaus wollen wir be zwecken, daß die Regierung gegen jeden Unternehmer vorgeht, der sich erlaubt, die Arbeiter zu maßregeln und sie dann in der schwarzen Liste zu führen. (Bravo! bei den Komm.) Ministerialdirektor Vr. Kittel: Tas Arbeits- uird Wohlfahrts.ninisterium steht auf dem Standpunkte, daß gegen Boykott- oder Vcrrufserklärungen, wie solche im wirtschaftlichen Kampfe sowohl von Arbeitgeber- wie Arbeitnehmcrseite abgegeben werden und worum es sich auch bei der Aufstellung sogenannter schwarzer Listen handelt, nach öffentlichem Rechte nicht eingeschritten werden kann, solange nicht ein unter das Reichsstrafgesetz buch lallender beionde-er Tatbestand binzutritt. Eine andere Frage ist die, ob durch Verrufserklärungen etwaige privatrechtliche Schadenersatzanspruch-, insbesondere auf Grund von 88 823, 826 BGB. begründet werden. Tie Entscheidung hierüber steht lediglich den Zivilgerichtcn zu, auf die die Regierung verfassungsmäßig keinen Einfluß üben darf. (Zuruf bei den Kommunisten: Tas ist aber sehr mäßig, was Sic da sagen!» Punkt 8 der Tagesordnung: Anfrage des Abg Arzt u. Gen.,Maßnahmen zum Schuye der Arbeitnehmer gegen Betriebsstillegungen usw. betr. (Trucksacke Nr. 950). Tie Anfrage lautet: Infolge der gegenwärtigen Kredit- und Wirt schaftskrise laben sich laut Pressemeldungen die täg lich einlausenden Anträge aus Betriebsstillegungen air das Arbeits- und Wohlsahrtsrninistermm m ge fahrdrohender Weife vermehrt. Tic Arbeitsämter meiden steigende Erwerbslosen,iffer und Kurzarbeit. Was ha: die sächsische Staatsregierung getan und was gedenkt sie zu tun, um 1. den Betriebsstillegungen entgegen zu wirken, 2. den willkürlichen Entlassungen von Arbeitnehmern einen ausreichenden Schutz zu gewähren, 3. den Erwerbslosen eine auskömmliche Unterstützung zu sichern, 4. den Kurzarbeitern eine entsprechende Unterstützung zu geben, 5. den Kurzarbeitern die Volleistung aus der Kranken versicherung zu garantieren? Abg. «raupe (Minderh. der Soz): Die Anfrage, die am 3 Juli dem Landtage von der gesamten Frak tion unterbreitet worden ist, hat sich in der Haupttacke erledigt, einmal durch die wirtschaftlichen Verhältnisse, zum anderen durch die Verhandlungen im Haushalt- ausjchuß V über den Antrag Nr. 983. Oberrcgierungsrat vr. Zschucke: Zur Beantwortung der Anfrage Nr. 950 darf die Regierung auf die Erklärun gen verweisen, die sic am 10. Dezember 1924 zum Anttag Nr. 983 abgeHeben und in denen » > nackgcwiescn hat, daß zurzeit kcm Ansteigen des Umfangs der Erwerbslo ig- keit und der Anzeigen über beabpckngtc gänzliche ode. teilweise Betriebsstillegunucn zu beobachten ist. Zu Ziff. 1 der Anfrage ist erneut zu betonen, daß die Anzeigen sehr ost nur vorsorglich unter Bewertung der gerade augenblicklich herrschenden schlechten Betriebs-