Volltext Seite (XML)
Freitag. Ur. 74. 21. September 1866. Erscheint Dienstags und L L Wemevilz-Iertuna. anstalten. I -HF Preis pro Quartal LV Ngr. Inserat» die Spaltm-Zeile 8 Pfg. Amts- ««- Anzeige-Dtatt -er Königlichen Gerichts-Aemler vn- Itadträthr zu Dippoldiswalde, /rauenflein und Altenberg. Verantwortlicher Redakteur: Carl Jeyne in Dippoldiswalde. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde. Wir berichten heute über einen eklatanten Fall, durch welchen die Nothwendigkeit und der Nutzen der von den Obrigkeiten angeordneten Nacht wachen, in der Stadt wie auf dem Lande, recht klar dargelegt wird. In der Mitternachtstunde des 18. bis 19. Septembers (Dienstag zum Mittwoch) ist es näm lich der Nachtwache in Niedersrauendorf durch thätiges und umsichtiges Benehmen gelungen, einen berüchtigten, schon öfter auf dem Zuchthause gewesenen Dieb (angeblich ist er aus Friedebach bei St. Sayda) auf der That zu ertappen und festzunehmen. Sie beob-' achtete den, in der Wohnstube des Gutsbesitzers Feistner bei Kerzenlicht „arbeitenden" Burschen, wie er die Ge genstände zusammenpackte, und nahm ihn fest, als er sich mit den Hocken aus dem Hause, in das er durch Einbruch gelangt war, entfernen wollte. Es erfolgte seine Ablieferung an das hiesige königl. Gerichtsamt, durch das er seine wohlverdiente Strafe empfangen wird. Dieser erfreuliche Erfvlg der Thätigkeit obge nannter Nachtwache mahnt zu fernerem Bestehenlassen derselben umsomehr, als nach dem nunmehr beendigten Rückmärsche der preußischen Armee aus Böhmen wohl zu fürchten sein dürfte, daß jetzt Raubgesindel von dort unsere Gegend Heimsuchen möchte. Es werden daher wohl diejenigen Gemeinden, welche leider, wie wir hörten, die Nachtwachen eingezogen haben, in ihrem und im Interesse der allgemeinen Sicherheit solche ehestens wieder einsühren. — Nach einer vorläufigen Zusammenstellung hat die Stadt Dippoldiswalde vom 26. Juni bis 18. Septbr. preußische Einquartierung gehabt: 481 Offiziere, 10831 Mann und 2317 Pferde (aus schließlich der Durchmärsche und BivouakS in der Nähe der Stadt Dippoldiswalde). — Der Frieden zwischen Preußen und Sachsen soll dem Abschlüsse nahe sein; Gerüchte erwähnen be reit«, daß er abgeschlossen sei; die Preußen sollen bin nen 8 Tagen Dresden verlassen, und bleibe dasselbe von preußischer Garnison befreit, dagegen erhalten Leipzig und einige andere Städte preußische Garnison. Der Königstein und einige Punkte des Erzgebirges bleiben in preußischer Hand und werden befestigt. Die Rück kehr unserer Truppen stehe vom 1. Oktober an in Aussicht; man spricht von 70 Eisenbahnzügen, die sie hierher bringen sollen. — Die Wiener „Presse" schreibt: ES soll die militärische Oberhoheit des Königs von Preußen durch die Ernennung eines preußischen Ge nerals zum Commandanten der sächs. Armee zum Aus druck gebracht werden. Die Formation des sächs. Con- tingents wird geändert. Gegenwärtig besteht dasselbe aus 4 Jnfanteriebrigaden und 1 Cavalleriedivision von 4 Regimentern. Die Jnfanteriebrigaden, ohne Ein- theilung in Regimenter, bestehen nur aus 5 Bataillonen, nämlich 4 Jnsanteriebataillonen und 1 Jägerbataillon. Diese Einrichtungen sollen nun so umgestaltet werden, daß eine größere Conformität mit dem preußischen Ar meecorps erzielt wird. Zu dem Ende soll unter Anderm eine Vermehrung der Infanterie um 8 bis 9 Bataillone, der Cavallerie um 2 Regimenter beantragt sein. Nach dem Friedensschluß soll die sächsische Armee in die Heimath abrücken und dort verbleiben, auch von ihren eigenen Offizieren commandirt werden. Dippoldiswalde. Wir veröffentlichen gern und mit herzlichem Danke an den gütigen Einsender fol genden, uns zum Abdruck in diesem Blatte überlassenen Auszug aus einem Briefe, der von einem jungen säch sischen Offizier, welcher mit unfern Truppen noch immer in Nieder-Oesterreich in der Verbannung lebt, geschrieben worden ist: „B. bei Laxenburg, 12. Septbr. Obgleich unsere Ge danken jetzt mehr auf die heimathlichen Verhältnisse gerichtet sind, so kann man doch nicht umhin, auch in die hiesigen sich ein wenig zu vertiefen. Zu studiren braucht man sie nicht, da sie ein Blinder durchschauen könnte. Zumal ein Staatsökonom könnte hier mit Leichtigkeit lernen, wie Alles nicht sein soll. In Geschäften ist llnzuverlässigkeit und Un redlichkeit an der Tagesordnung, da man von oben herein kein besseres Vorbild hat. Im hiesigen Dorfs z. B., wo ich nun seit Wochen im Quartier liege und nur bestätigen kann, was Euch Bruder G. schon schrieb, daß man hier auf lauter Leimruthen geht und stündlich geprellt wird, wenn man nicht recht auspaht, hat ein Fabrikant schon dreimal fallirt, fängt aber nach kurzer Zurückgezogenheit jetzt frischweg seine „Fabrik" wieder an, schwerlich um länger ehrlich fortzufahren, als nöthig ist, um Leute zu finden, die sich von ihm zum vierten Male betrügen lassen. In der Industrie und der Landwirth- schaft herrscht große Faulheit. Die Leute haben meist allen Muth zum rüstigen Vorwärtsstreben verloren, weil ihnen, sobald sie einen Ansatz dazu machen, allemal die Flügel mög lichst verschnitten werden. Unsere an Fleiß und Biederkeit gewöhnten sächsischen Landeskinder entsetzen sich, so oft sie z. B. einen Knecht auf hochgeladenem Düngerwagen regelmäßig schlafend liegen und erst, wenn die Pferde in den Graben liegen, erwachen und fürchterlich auf die armen Thiere los prügeln sehen. Wegepolizei und Thierschutz giebt es hier gar nicht. Die Polizei ist nur das Organ zum Eintreiben der Steuern. Dabei ist das Volk durchschnittlich dumm und abergläubisch, wozu die hiesigen kirchlichen Verhältnisse sichtlich nicht wenig beitragen. Doch scheint ihm bei feiner ansge-