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Sächsische Elbzeitmg Sächsische Schweiz ulw. berechtigt 68. IZahrg Bad Schandau. Donnerstag, den U. Dezember sy2q Nr. 28S Rücktrittsbeschluß der Reichregierung Dr. Marx erneut Reichskanzler? Berlin, 11. Dezember. Die Frage, wer die Kanz lerschaft im neuen Kabinett Übernehmen wird, läßt sich zurzeit noch nicht mit Bestimmtheit beantworten. Man kann aber mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit annchmen, daß der Reichspräsident zunächst den jetzigen Reichskanz ler Dr. Marx mit der Kabinettsbildung beauftragen wird. Und die Deutschnattonalc Parteikorrcspondenz schreibt in hervorragendem Druck über die Stellung derDeutsch- nationalen: „Die Dcntschnationale Volkspartei in der Opposition muß und wird ihre Macht cinsctzen zur end- lichcn Erzwingung der gerade nach demokratischem Prin- zip durch die Wahl des 7. Dezember erneut als ihr zu stehend attestierten Machtposition." Tageszeitung für die Landgemeinden Altendorf, Kleingießhübel, Kleinhenner«. darf, Krippen, Lichtenhain, Mittelndorf, Ostrau, Porschdorf, Postelwitz, Proffen, Rathmannsdorf, Reinhardtsdorf, Schmilka, Schöna, Waltersdorf, Wendisch, führe, sowie für das Gesamtgebiet der Sächsisch - Böhmischen Schweiz Druck und Verlag: Sächsische Elbzcitung, Alma Hieke — Verantwortlich: K. Rohrlapper Anzeigenpreis (in Goldmark): die 7gcspallene 85 mm breite Petitzeile 15 Psg., siir au», wärtigc Auftraggeber 20 Psg., 85 mm breite Ncklamezeile 80 Psg. Tabellarischer Satz nach besonderem Tarif. — Bei Wiederholungen wird entsprechender Rabatt gewährt Anzeigenannahme siir alle In» und ausländischen Zeitungen den Bezieher nicht zur Kürzung de« Bezugspreise» oder zum Anspruch auf Lieferung der Zeitung Der volksparkeiliche Beschluß. Berlin, 11. Dezember. Der Borstand der Deut schen Volkspartei trat gestern vormittag zu einer Sitzung zusammen, die sich bis in die späten Abendstunden hin ein ausdehnte. Wie schon nicht mehr zweifelhaft war, ging die Ansicht des Parteivorstandcs einmütig dahin, die kommenden Negicrungsvcrhandlungen nur auf der Basis des Bürgerblocks zu führen. An der Sitzung nahm auch Roichsaußenminister Dr. Stresemann teil, der da für cintrat, auf der Grundlage früherer Beschlüsse zu verharren, eine rein bürgerliche Negierung anzustreben und sich an der Regierungsbildung im Reiche und in Preußen zu beteiligen. Der Verlauf der entscheidenden Kabinettssitzung. Ver 1 in, 11. Dezember. Die D. A. Z. berichtet über die gestrige Kabinettssitzung wie folgt: Der Kanzler berichtete eingehend über den Ausgang der Wahlen und die durch sie geschaffene Verschiebung der Parteistärken. In der anschließenden Aussprache ließ der Ncichsaußenminister Dr. St re s e m a n n deut lich zum Ausdruck kommen, daß die Deutsche Volkspartei nur für einen Rechtsblock zu haben sein wird. Die Sitzung dauerte von 5 Uhr nachmittags bis gegen 9 Uhr abends. Einem Mitarbei ter der D. A. Z. ließ Reichsauhcnminister Jarres keinen Zweifel darüber» daß er keinem neuen Kabinett bei treten werde. Ob Minister Dr. Hamm einem neuen Ka binett mit eventueller Beteiligung der Demokraten oder als Fachminister sich zur Verfügung stellen wird, kann noch nicht als feststehend bezeichnet werden. Es ist unge wöhnlich, daß der Termin des Rücktritts erst durch eine Konferenz zwischen dem Reichspräsidenten und dem Reichskanzler festgesetzt werden soll, zumal der Rück- trittsbeschluß einmütig gefaßt wurde. Auf jeden Fall bedeutet der Nücktrittsbeschluß eine Klärung der poli tischen Lage. Es ist zu hoffen, daß die Bildung einer großen staatsbürgerlichen Regierung nunmehr reibungs los vonstattcn geht. Die Haltung der Parteien vor der Kabinettsflhung. Berlin, 10. Dezember. Der Parteivorständ der Deutschen Volkspar- tei trat beute zu einer Bcraiuna zusammen. Er beriet über die Neubildung der Neichsrcgierung. Die Verhand lungen werden als vertraulich bezeichnet. Ein Lokalabend- blatt weiß zu melden, nach Informationen aus Volks- parteilichen Kreisen sei sicher damit zu rechnen, daß der Parteivorstand, und zwar voraussichtlich einmütig, die Auffassung bestätigen wird, daß der einzig mögliche Weg für die Neubildung der Neichsrcgierung in der Richtung auf einen Blockdcrbürgerlichen Parteien, also in der Richtung einer Nechtsregierung, zu suchen ist. worden ist, aber unter den Drohungen Kitcheners etnge zogen werden mußte. Das Abkommen zwischen Frankreich und England aus dem Jahre 190-1 hat zwar die Ab- grcuzuug der Juteresseusphären ausdrücklich dahin ge troffen, daß Frankreich in Marokko, England in Ägypten vollständig freie Hand haben sollten. > Aber so ganz sind die Träume eines Napoleon, den es nach Ägypten Hinübergetrieben hat, in Frankreich doch noch nicht ausgeträumt, und man beunruhigt sich darüber etwas in England. Darum die immer wiederkehrcndc Betonung aus englischem Munde, daß man vor allem größtes Gewicht auf die Erhaltung der Freundschaft mit Frankreich lege. Und bei diesem Spiel hat Frankreich wieder einmal die Vorhand. Die Thüringer Sozialdemokratie für Auflösung des Landtages? W e i m a r, 10. Dezember. Wie die T.-U. erführt, beabsichtigen die Thüringischen Sozialdemokraten, einen Volksentscheid über die Auflösung des Landtages herbei- zuführen. Sie fordern den Rücktritt der Regierung und die Auflösung des Parlaments, da sich die Landesregie rung nach dem Ansfall der Wahlen nicht mehr auf eine Mehrheit des Voltes stützen könne. —, Ein politischer Ueberfall in Ludwig" bafen. Ludwigshafen, 18. Dezember. Der sozialdemokratische Stadtrat Graner wurde «achts auf dem Wege nach seiner Woh nung von Kommnnisten überfalle». Aus das Heranuahcn vou Passnutcn ergriffen die Täter die Flucht, so daß das Schlimmste verhindert wnrdc. Graner wurde ziemlich schwer verletzt. Das Englands neue Außenpolitik Mit einer Selbstverständlichkeit, die Bewunderung Her vorrufen könnte, hat sich in England bei der Debatte über die Thronrede auch die Opposition bedingungslos hinter vas außenpolitische Programm der neuen konservativen Negierung gestellt. Gewiß haben Macdonald ebenso wie Lloyd George in diesem Programm ein paar Schönheitsfehler entdeckt. Aber im großen ganzen ist man mit dem einverstanden, was die Thronrede Baldwins, des Ministerpräsidenten, als die Linien in der englischen Außenpolitik darlcgte. Und diese Linien besitzen eine merk- würdige Ähnlichkeit mit denen, die vor einem Jahre der sozialistische Ministerpräsident, Macdonald zog, und würden zweifellos auch mit jenen Lloyd Georges übereinstimmen, wenn dieser in den Wahler« einen Sieg errungen hätte. Wenn Lloyd George jetzt den Völkerbund zu einem Schieds spruch in der ägyptischen Frage veranlassen möchte, so nimmt das im gangen Parlament kein Mensch ernst und die Liberale Partei denkt gar nicht daran, gerade in dieser Frage der konservativen Negierung ein Vein zu stellen. Es ist eben in Kairo ein Engländer ersck-osscn worden und für jede, auch die rigoroseste Maßnahme als Antwort darauf hat jede englische Negierung immer die Masse hinter sich. übrigens ist nicht minder wichtig, daß die konservative Regierung erklärte, sie würde die mit Rußland unter zeichneten Verträge dem Parlament zur Ratifikation nicht vorlcgen. Das führt in den Kern gleichzeitig der eng- lischen Innenpolitik hinein, die sich gegenüber dem Sozialis- mus, noch mehr natürlich dem Kommunismus, als in einer Kampfstellung befindlich betrachtet. Nicht umsonst Hai Macdonald bei der Debatte über die Thronrede die Fort setzung der Untersuchung über die Echtheit des Sinow - jew-Briefes gefordert; aber ob die konservative Ne gierung das tun wird, das ist zweifelhaft. Der Brief oder das Märchen von ihm hat seine Schuldigkeit getan und da mit genug. Und es wird den Konservativen sehr gleich gültig sein, daß die Arbeiterpartei ein formelles Miß trauensvotum gegen die Außenpolitik des Kabinetts Bald win einbringen könnte unter besonderem Hinweis auf seine russische Politik. Das dritte bedeutende Problein ist die Stellung der neuen konservativen Regierung zum Völkerbund. Zunächst einmal hat man durchgesetzt, daß man sich in Genf um die ägyptische Frage nicht kümmern wird. Also kann England die Völkerbundangelegenheit weiter mit machen, nachdem die Drohung, aus dem Spiel auszu- scheiden, wenn das ägyptische Volk in Gens Gehör finden sollte, seinen Zweck erreicht hat. Nun tagt ja der Völker- bund zurzeit in Rom; der englische Außenminister Austen C h a mb e r l a i n ist wegen dieser Sitzung nach Nom gefahren, und da der Völkerbund grundsätzlich auf irgendeinen Wunsch Englands oder Frankreichs ein- schwenkt, kann es höchstens noch bei politisch harmlosen Gemütern irgendwelches Staunen Hervorrufen, daß der Völkerbundrnt sofort dein Ersuchen Chamberlains nach- gab, die Besprechung des so mühsam hcrgcstclltcn Gen fer Protokolls über das obligatorische Schiedsge richtsverfahren bzw. das Eingreifen des Völkerbundes bei Slrcitigkeiten zwischen verschiedenen Staaten bis aus den März z n vertagen. Das ist eine Ver tagung auf den St. Nimmermehrstag. England hatte ja auch schon erklärt, daß es gar nicht daran denke, die in Genf ausgeklügelten Bestimmungen jenes Protokolls zu ratifizieren, und die Thronrede enthält lediglich die Mit- teilnng, daß man mit dem Studinm dieses Protokolls bereits begonnen habe, aber kein Wort darüber, wie man sich dazu stelle. Chamberlain hat in Nom ansgeführt daß Vie britische Regierung nicht etwa das Protokoll nnn ab lehnen wolle, vie'mchr müsse sie es bei seiner großen politi- tchcn Tragweite eingehend prüfen. Briand, der fran zösische Vertreter, verfehlte nicht, über diese Erklärung einen breiten Strahl öliger Redensarten zu gießen, wie außerordentlich die französische Regierung entzückt sei über die englische Stellungnahme nsw. nsw., — es lohnt nicht über diese Lnstbewegnng auch nur ein Wort zu verlieret« Frankreich war so entzückt, daß es die Be - ung des Pro^ tokolls sogar bis znm Herbst versclw-Gw wollte Man hat wichtigere Dinge zu tun. Die ägyptische Frage macht manche schlummernden Wünsche in Frauk- wieder lebendig, daß vielleicht doch noch einmal am Nil die französische Flagge anstauchen soll, wie sie 189!) bei der Marchand-Expedition zum Nil geführt sozialistische Organ der Psalz, die Pfälzische Post, führt den Uebcrfall auf die kommunistische Mordkommission, die Tscheka, zurück. Das Hemmnis der Luftfahrtsbeschränkungen. Berlin, 10. Dezember. Wie die T.-U. erfährt, hat die französische Wirlschaftsdelegation bei den Verhandlungen in Paris den Wunsch ausgesprochen, auch schwebende Luftvcrkehrs- abmachnngen in die Verhandlungen einzubeziehen. Dein steht jedoch der Ernndsaß der Meistbegünstigung in den mit anderen Ländern abgeschlossenen Verträgen entgegen, vor allem aber die Tatsache, daß die Beschränkungen des deutschen Luftzeugbaues immer noch nicht aufgehoben sind. Herriot an der Grippe erkrankt. Paris, lO. Dezember. Amtlich wird milgeteilt, daß Herriot an der Grippe erkrankt ist und das Bett hüten muß. Der für morgen angeseßte Empfang der Auswärtigen Kommission des Senats ist aufgehoben. Kein Protest der kleine» Entente gegen die Ernennung Joffes. Wien, 10. Dezember. Im Anschluß au die Eruenuung von Joffe zum Gesandten Sowjetrußlands in Wien war in den Hauptstädten der Kleinen Entente das Gerücht verbreitet, wo nach die Kleine Entente in Wien Vorstellungen erhoben habe, da man von der Anwesenheit Joffes in Wien eine Verstärkung der bolschewistischen Propoganda in den Ländern der Kleinen Entente befürchtete. Wie die Wiener Vertretung der Telunion von zuständiger Regierungsstelle erfährt, ist ein derartiger Pro test der Kleinen Entente in Wien nicht erfolgt. Die österreichische Regierung wird keinerlei Einsprüche in Moskau gegen die Er nennung Joffes zum Gesandten in Wien erheben. Berlin, 10. Dezember. Ueber die von 5 Uhr I nachmittags bis kurz vor 9 Uhr abends dauernde Kabi- nettssitzung wurde folgende amtliche Erklärung ausge geben: Das Reichskabinett beriet heute über die durch den Ausfall der Wahlen geschaffene Lage. Nach eingehender Aussprache beschloß cs den alsbaldigen Rücktritt. Ueber den Zeitpunkt des Rücktritts wird sich der Reichskanzler mit dem Reichspräsidenten in Verbindung setzen. Tageblatt für die Gemeindeoerbands-Girokonto. Dresden Nr 333 27 Bank Zweigstelle Schandau — Postscheckkonto. Dresden u»u«».«m s ub- ,S°M- -7^ Nichterscheinen einzelner Nummern infolge höherer Gewalt, Slrelk, Aussperrung, B-ltt-tMorung Für eilige Leser. * In dem «elridigungsprozeß des Reichspräsidenten «roeri gegen die Mitteldeutsche Zeitung wurde der Belastungszcuge Syring persönlich dem Präsidenten in Berlin gcgcnübcrgestellt. * Ncichsaußenminister Dr. Stresemann soll «m Kabinettsrat die Auffassung vertreten, daß die Negierung Marx ihren Ntw- tritt einrcichen müsse. * Bei einer Interpellation über die Kommunisttiiauswcisun- gen aus Frankreich erhielt Ministerpräsident Herriot ein Ver trauensvotum mit 31S aeaen 27 Stimmen.