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bin deutscher Hilssappell an den Völkerbund. Zwei neue Slerrervervrdnungen, die in die Substanz eingreifen — Beibehaltung der Dea«iengehaH»sStze oder Bankrott -es Staalsapparaies — Anbedingle Sicherung -er Grundlagen -er Renlenmark — England lehnl die Unlerstettung der Kölner Dahnen unter die Regie ab — Amerikanische Teilnahme an -er SachoerstSndigenunlersuchung. Der -rohende finanzielle Zusammenbruch des Reiches. tDrahtoneldon, anircr NkrlinerE-hristleltung.s Berlin, 12. Dez. Zur Frage beS BeamtenabbanS und der damit zusammenhängenden Maßnahmen zur Erzielung ge- ringster Ausgaben und gesteigerter Einnahmen wird versichert, daß es der Rcichörcgicrung selbst sehr schwer gefallen sei, den Beschlüssen hinsichtlich der Veamtcnbesoldnng und die neuen Stcucrbelaslnngen zuziistimmcn. Waö die Beamtenbesoldung anlange. sa sei man im Kabinett selbst der Uebcrzcugung, das, die Beamten kaum daö Not- Wendigste von ihren Gehältern würden bestreiten könne». Was die Stcocrsragc anlangc. so gibt man im Kabinett selbst »ssc» »«. daß eS sich dabei nicht mehr um eigentliche Stenern, sonder« um direkte Eingriffe in die Substanz handle. Leider -ehre unsere Wirtschaft schon großenteils von der Snbftan- «nd leider sei eS bei diesem Zustande notwendig. baß da» Reich, um mit de« ihm angcschlossenen Ssscniiichcn Ver bänden überhaupt am Lebe» und einigermaßen leistungsfähig dleibeu -u könne«, der bereits so angeorissenen Substanz »eitere Bestandteil« entziehen müsse. Würde man aber von diesem letzten Schritt adseheu, dann sei die Einstellung aller Zahlungen, auch die der Ausrech tcrhaltung der vsseutliche» Ordnung dienende«, zn gewärtigen. Um dies« schlimmste Folge der Finanznot zu verhindern, werde die Regierung in Kürze mit weiseren neuen Skener-Rofverordnungen hernortrcten müssen. Eine erste dieser Art sei bekanntlich vor eiuigc» Tagen heranSgekommen, eine zweite werde am Donnerstag im Kabinett beraten und eine dritte, die die letzten Möglichkeiten erschöpft, sei im Entwors bereits fertiggcftelit. Sine der Verordnungen regelt besonders daS Problem der anderwciten Bertcilnug der Laste» zwischen Reich «nd Linder«. Man gibt sich in RegiernngSkrcise« der Hoffnung hin, das, nach einige» Monaten schwerster Entsagung doch wieder di« Schimmer einer Besserung anstauchen werden. Es wird in diesem Zosamenhangc übrigens auch bestätigt, dab die Regierung einen Appell an dos Ausland, an den Völkerbund, -» richten beabsichtige, der eine Sanierung ermöglichen soll. ES wird daraus yingcwiesen, datz Frankreich nunmehr selbst zum ersten Male zugegeben hat, datz Deutschland am Ende seiner Kraft aiigclangt sei. Die Nentcnmark, daS ist drr scfte Euischlvß der Negierung, soll z» keiner Inflation mistbraucht «erden. Man steh» eS als dir vornehmste Aufgabe der Inne ren Politik an. die nnn schon vierzehn Tage anhaltende Stabi lität der Geldverhältnisse nicht avsS neue Erschütterungen auöznsetzen. dt: diesmal zum ANcrschlimmstcn führen mühten, und für die es dann kaum Möglichkeiten rettender Eingriffe -eben würde. Was die in letzter Zeit die Oeffentlichkeit stark be schäftigende Frage der Avswertnng der Hypotheken «nd der Staatsschulden anlangt, so liegt ei» Beschluß des NeichskabinctiS in dieser Frage noch nicht vor. Es wird aber klar ausgesprochen, dab an eine solche Auswertung nach der Stellungnahme deü Finanzministeriums nicht zu denken sei. Man weist daraus hin, dab sich die Aufwertung aus Hypotheken und Obligationen nicht beschränken würde, sondern sich auch aus die Kriegs anleihe erstrecken mühte. 87 Milliarden Papicrmark seien an Kriegsanleihe auSgegcben worden, wovon, wie man an nimmt, sich nur noch Weniges in den Händen der kleinen Leute befindet, das Meiste hingegen nach dem AuSlandc ab- geflossen sei. Wo sollte man aber hinlonimcn, wenn wir nach der Erledigung der uns nach dem Friedcnsvcrtrag auf- erlegtcn Pflichten nun noch eine solche Auswertung der An leihen durchführen würden? Dieser Standpunkt de-Z Finanz- mlnistcriums, dab eine Auswertung von Hypotheken und Obligationen zu unterbleiben habe, dürste sich auch im Kabi nett durchsetzen, falls dort die Frage überhaupt zu einer Be schlußfassung führen sollte. Alles in allem genommen, beton» man nochmals, dab der jetzt eingeschlagcne Weg der stärksten Beschneid«ng der Ausgaben und der möglichste» Steigerung dSr Einnahme« die einzige vorhandene Nettuugsmöqlichkcit biete. Der Hilferuf an das Ausland. Berlin. IS Dez. Der Pressedienst der Zentrumspartei schreibt über den Ernst der Finanzlage: Daö Abstoppe« der Notenpresse hat die Reickissinanz in eine geradezu furchtbare Lage gebracht. Der Nentcnmarkkredit in Höhe von 12»» Millionen geht allmählich zur Neige. Andeutungen darüber, daß die Ncichsrcgierung beabsichtigt, eine Vermeh rung dieses Kredits zu fordern, hat den schärsstcu Ein spruch aus Kreisen der Nentcubauk erfahre«. Anderseits ha« aber auch der Rcichöfiuanzministcr leibst er klär». daß die NcickiSregieruug nicht beabsichtige, die bisherige« Lreditgrundlagen der Rcntenbank anzutasten. Aber alle noch to scharfen ja brutalen Steuern könne» ouS dem aegcnwärtigen Finanzelend nicht heraudhelsc». ES bleibt dem Reich tatsäch lich nichts aubereö übrig, als sich nm Hilfe von anhc» zu b«, mühen. Die NeichSregicrpnq wird sich deshalb klar darüber werde» müssen, in welcher Form sie »sslziell dieHilscdcs Auslandes anrnst. Nach den Erfahrungen, die blöder mit solche« AntrSge» bei der ReparationSkommilfio« oder bei der Rotkchasterkonferenz gemacht worden sind, besteh« nicht viel Neigung. diesen Weg erneut zu bcschreiteu. So ist eS erklär lich, daß eine starke Strömung siir einen Appell an den' Völkerbund sich geltend macht, eine Strömung als», die für Deutschland den gleichen Weg cmpsichlt. den Oesterreich gegangen ist Dabei «nh man sich bewußt sei«, das, äußere Hilfe ohne eine sehr erbebliche Einschränkung unterer Souve ränität gerade auf finanzielle» Gebiet nicht erhältlich ist. Englisch-französischer Konflikt um Köln. Stillstand im Verkehr mil dem von England befehlen Gebiete. London, IS. Dez. Der Kölner Berichterstatter der ^all, News" meldet: Ein ernster Meinungskon flikt sei zwischen den britischen Behörde» und der sran- »östsch-belgilchc« Regie in bezug aus die Eisenbahnen im Kölner Gebiet entstanden. Die britischeAnsicht sei, dab die Eisenbahnen t» Kölner Gebiet outer deutscher Kontrolle blei ben müßten, daß jedoch der Regie gestattet werden solle. Züge stnrch diese Zone lansen zu lasten, indem besondere Vor kehrungen getroffen werden, um de« srauzösischcu und den dentsche» Güter- und Personenverkehr an den Greuzcu deS kritischen Bezirks zu regeln. Der Plan, der diese Konzelfton einfchliebe. sei der französische« Negicoermaltung unterbreitet Worden. Gestern hätte in Köln eine Konferenz ftatt- sinde« solle», aus der die gesamte Frage zwischen den bri tischen und den srauzvsiichcn Eisenbahnsachverständigcn er örtert »erden sollte. Diese Konferenz habe jedoch aus un bestimmte Zeit verschoben werden müssen, da die Regie eS abgelehut hätte, den britischen Vorschlag an- znnehme«. An- ausgezeichneter Quelle verlaute, das» die Franzosen die Forderung gestellt hätten, dab die Eisenbahnen i« britische« Gebiete de» Regicbehörden auvgeliesert wür de». die dann die dentsche Verwaltung überwachen würde», die setzt daS Kölner Gebiet unter britischer Bewachung kon trolliere. Rvr 7S Prozent der Beamten im besetzten Gebiete Würden nach der franzöflschen Vereinbarung erhalten nnd von der Regte bezahlt werden, während alle Einnahmen der Regie l» Franken bezahlt werden müßten. Die sranzösischen Forderungen feie» vollkommen unannehmbar. SS sei ei« vollständiger Still ft audim Verkehr des »on England besetzte« Gebietes mit den übrige« Teilen des besetzte» Gebietes eingetrrteu. der de» Bewohnern der bri tische» Zone ernste Ungclegenheite» bereite. sW. T. B.» Amerikas Teilnahme an den Ausschüssen der Replro. Washington, 12. Dez. Vom Weißen Hause wird mit- geteilt: Die Negierung würde die Teilnahme ameri kanischer Sachverständiger an den UniersuchungS- ausschüssen der Neparationskommission günstig anschcn. ES wird betont, während die Regierung selbst nicht in der Lage sei, offiziell an den Ausschüssen tcilzunehmcn oder offizielle Vertreter dazu zu ernennen, so würde die Teilnahme ameri kanischer Wirtschaftssachverständiger in privater Eigen- schalt gebilligt werden. Die Tatsache, daß die Einladung an Amerika zur Teilnahme von allen alliierten Regierungen und ebenso von Deutschland unterstützt wurde, wird als be deutungsvoll bctrnchtet, da man stclS aus Einstimmigkeit der europäischen Mächte als Voraussetzung sür die Sicherung wirksamer amerikanischer Hilfe bestände» hat. London, 12. Dez. Einer Reuter - Meldung a«S Ncuyork znsolge, begrüßt die dortige Presse die Beteiligung Amerikas an der von der Neparationskommission bc- schlvssenen Untersuchung und gibt der Hoffnung Ausdruck, datz etwas daraus hervorgehe, was zu einer Besserung der Lage führe. Der vermutliche amerikanische Sachverständige. Paris. 12. Dez. Wir verlautet, glaubt man in Washington, daß ein einziger Sachverständiger für den Ausschuß der ReparationSkommtssion genügen werde. Als solcher soll nach einer Nachrichtenagentur ein ehemaliger höherer Beamter des amerikanischen Schatzamtes, Charle» I. DaveS. ernannt werden der während des Kriege» Mitglied der interalliierten Einkaufskommission und nach dem Kriege Mitglied der inter alliierten LtguIdierungSkommission gewesen ist. Wie.TempS* fcftstcllt, ist der Genannte Ritter der Ehrenlegion. s!i sWTB.i Der Existenzkampf -er Deamlen. Die Protestkundgebungen, die seit einigen Tagen zu Dutzenden aus Kreisen der deutschen Beamtenschaft bei den Regierungen des Reichs und der Länder cinlausen. zeigen, datz die Stimmung der Beamten durch die verschiedentlich«» Einschränkungsmaßnahmen dcL Staates auf den Nullpunkt herab-, oder wenn man will, auf den Siedepunkt rmpor- gedrückt worden ist. Die Beamten fühlen sich in ihrer Existenz ernstlich bedroht und sind Gott sei Tank in ihrer Gesamtheit zu ehrlich, als daß sie die Beschneidung ihrer Rechte und Lebeirsmöglichleitcn mit äußerlich devoter Ruhe und dem v:r- borgcnen Hintergedanken hinnehmen würden, die Praxis erst einmal an sich herantreten zu lassen, um dann zu scheu, ob sich ihre Auswirkungen im einzelnen Falle nicht durch die eine oder andere Hintertür mildern oder umgehen lasten. In dieser Offenheit des Vcrteidigungsknmpses der Bcamtenschas« liegt zweifellos rin erfreulicher Beweis dafür, daß wir eö trotz aller Rcvolntionsausflüste von 1Ü18 auch heute noch im ganzen mit einem an Aufrichtigkeit und Biederkeit gewohnten Bcamtenstand zu tun haben, dem alle aus persönliche Rück sichten abgcstellten Winkelzüge zuwider sind. Freilich einen nennenswerten Erfolg haben die Bemühungen der Beamten, so sehr man ihn in ihrem Interesse gewünscht hätte, bisher nicht gehabt. Und nur die von Reichs wegen gegebenen Zu sicherungen, daß sich der Bcamtenabbau in gewissen Grenzen halten und datz die demnächst in Kraft tretende Neubcsoldung nur eine Ucbergangsregelung darstellcn wird, lassen die Hoff nung offen, daß die Lage der Beamten in absehbarer Zeit doch »och eine Besserung erfährt. Vielleicht wird auch die rauhe Wirklichkeit, die sicherlich sehr rasch die notwendigen Folgen der geplanten Ncichsmaßnahmen in Erscheinung treten lassen wird, die maßgeblichen Stellen, Parlamente. Negierungen und vor allem den nunmehr mit weitgehenden Vollmachten aus gestatteten Kanzler zu Erwägungen zwingen, die gegenwärtig leider von der allzu starren Berücksichtigung der finanziellen Notwendigkeiten drs Reiches in den Hintergrund gedrängt worden sind. In welcher Richtung sich diese Erwägungen bewegen müssen, erhellt aus dem Umstand, daß man den ganzen Fragen komplex, den die geplanten Beschränkungen des Beamten standcS und seiner Rechte aufgerollt haben, nicht unter dem Sondcrgesichtspunkt der Begünstigung oder Bedrückung einer bestimmten Bevölkerungskategorie betrachten darf, sondern daß er von der höheren Marte des GesamtinteresscS des Reiches beurteilt werden muß. Leistet sich das Reich durch die Neuregelung der Besoldung, durch den Bcamtenabbau, durch die Einführung einer neunte» Arbeitsstunde der Be amten einen wirklichen Dienst, nützt oder schadet cs der All gemeinheit? DaS sind die Fragen, die zur Beantwortung drängen, und die, wie man leider befürchte» muß, von den verantwortlichen, verordnenden Instanzen nicht in ihrer vollen Tiefe auSgeschöpst worden sind. Mag auch die Bestätigung oder Zerstreuung dieser Be fürchtung in vollkommenen Maße erst der Zukunft überlassen bleiben, so kann doch schon jetzt scstgestcllt werden, daß min destens eine der drei genannten Ncubclastungen des Be- amtenstandcS, die Ncsoldungsordnung, sich schwerlich zn einem Segen für das deutsche Volk auöivachsen wird. Mir haben vor anderen Staaten in der Welt von jeher den Vorzug einer unbedingt zuverlässigen, unbestechlichen, arbeitsamen und pflichttreuen Staatsdienerschast genossen, und wir sind be rechtigterweise stolz darauf, ihn auch heute noch, von ver einzelten Ausnahmen abgesehen, zu besitzen. Diesem Be- amtcnstand. der sich in jahrhundertelanger strenger LcbcnS- und Amtserzichung hcrauSgcbtldet hat. ist es zu nicht ge rtngem Grade zu danken gewesen, daß Deutschland zn jener Macht und Grüße emporstieg, die es vor dem Kriege besaß, und von der alle warmherzigen Batcrlandssrcunde hoffen, daß sic einmal wiedcrkchrcn wird. Nicht wicdcrkchren wird sie. daS ist gewiß, wenn wir ihr festestes Fundament, die Treue und Selbstlosigkeit unseres Beamtentums, die natür lich eine wirtschaftliche Sicherung der allgemeinen Existenz bedingungen des BeamtcnstandcS stets zur Voraussetzung hatte, durch eine unkluge, nur dem Scheine nach sparsame Be soldungspolltik abbröckeln lassen. Friedrich der Große, dessen staatsmännischcr Weitblick uns auch hier etwas zu sagen hat, stellt am Abend seines erfahrungsreichen Lebens in seinen Erinnerungen fest, daß ein Herrscher oder ein Staat außer ordentliche Vergünstigungen und Belohnungen — er spricht vom I'our ls mdrito und vom Schwarzen Adler — nur ganz selten für wirklich hervorragende Verdienste vergeben soll, daß er aber peinlich darauf halten soll, seinen Dienern, die schlicht und recht ihre Pflicht tun. ein auskömmliches Dasein zu gewähren. An diesen Rat hat man sich in Preußen- Deutschland, so schwer eS bisweilen gefallen sei» mag. bisher immer gehalten. Es war eine Selbstverständlichkeit, daß man auch dem einfachsten Beamten eine bescheidene Existenz für feto« Leistungen ermögliche» mußt«.