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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.06.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-06-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189106227
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18910622
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18910622
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1891
-
Monat
1891-06
- Tag 1891-06-22
-
Monat
1891-06
-
Jahr
1891
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.06.1891
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V Erscheint täglich früh L'/, Uhr Rrdartion und Lrpr-ition JohanneSgaffe 8. Aprechllundrn ürr Nkdartion Vormittag« 10—12 Uhr. Nachmittag« 5— 6 Uhr. Dta bi« MIckß-dk r,»s>,lLi>tlcr M«nulcr>rle »a-I sich dir Nedaclicn naht »crdindl,-. Annahme der für Vte nächstfolgende Nummer drftimmtrn Inserate an Wochentagen dis 8 Uhr Nachmittag«, an Lonn- und Festtagen früh bis' ,i> Uhr. In den Filialen für Iiis.-^iinal>mr: Ott* klemm » Lortim. «Alfred Hahn), Universilätsslrabe 1, Laut» Lösche, katharinenstr. 14, part. und SönIgSplatz 7, nur bis ,8 Uhr. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, tzandcls- und Geschäftsverkehr. vierteljährlich 4»/, Ml. In Akt-Leipzia, incl. Briiigerlohil 5, Mk., durch die Post bezogen 6 Mk. Einzelne Hirn. 20 Pf. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren für Extrabeilagen <ln Taaebiatt-Fonnat gefalzt) ohne Postbcsürderung 60 Mk., mit Postbeförderung 70 Mk. Inserate ttgejpaltciic Pctitzeile 20 Pf. Größere Schriften laut uns. Preisverzeichnis. Tabellarischer u.Ziffernjatz nach höherin Tarif. Nrelamrn unter dem RedactionSstrich die «aespalt. Zeile 50Pf.,vor den Famil iennachrtchtea die Ogespalkene Zeile 40 Pf. Jnierate sind siel« an die herpeditian jll senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praenumernnäo oder durch Post« Nachnahme. ^ 173. Montag den 22. Juni 1891. 85. Jahrgang. Bestellungen auf das dritte Quartal 189L des L'ripWr Tageblattes wolle man möglichst bald an die Unterzeichnete Expedition, Johanncsgassc Nr. 8, gelangen lassen. Außerdem werden von sämmtlichcn hiesigen Zeitunqsspediteureu Bestellungen ans das Tageblatt angenommen und von denselben für eigene Rechnung ausgeführt. Auswärtige Abonnenten wollen sich an das ihnen zunächst gelegene Postamt wenden. Der Abonnementspreis beträgt pro Quartal L Mark 30 Pfennige, inclusive Brinqerlohn S Mark, durcb die Post bezogen « Mark. Für eine Extrabeilage sind ohne Postbeförderung <»« Mark, mit Postbeförderung incl. Post« gebühren 7« Mark Beilegcgebühren unter BorauSbezahlnng zu vergüten. Ein Hinweis auf die Extra-Beilage erfolgt im redaktionellen Thcile gratis und umfaßt 6 Zeilen. Wird derselbe von größerem Umfange gewünscht, sind für die weiteren Zeilen die gewöhnlichen Jnscrtionsgebührcu zu vergüten. Preis der JnsertionSgebühren für die 6gespaltene Petitzcile 20 Pfennige: für Neclamen aus Petitschrift unter dem Ncdactionsstrich die 4 gespaltene Zeile 50 Pfennige, vor den Familieniiachrichtcii die 6gespaltene Zeile 40 Pfennige. Größere Schriften werden, gering abweichend von dieser Norm, nach unserm Preisverzcichniß, tabellarischer und Zister-Satz dagegen nach höherem Tarif berechnet. Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praenunwi-sriclo oder durch Postnachnahme. KU. Inserate wolle man nur an die Expedition (nicht Redaction) adressircn. TaS Tageblatt wird früh 6V, Uhr ansgegeben und enthält die bis Mitternacht ein- gelaufenen politischen und Börsen-Nachrichten in telegraphischen Original-Depeschen. Es gicbt ein anschauliches Bild von allem Wissenswertsten ans den verschiedenen Gebieten des öffentlichen Lebens und behandelt die Tagesfragen der inneren und äußeren Politik in populären Artikeln mit größter Ausführlichkeit. Das Tageblatt berichtet über die localen und sächsischen Angelegenheiten in eingehender Weise und rcferirt über Theater, Musik, Literatur, Kunst und Wissenschaft. Die Verhandlungen des Reichstages und des sächsischen Landtages erscheinen bereits am Morgen nach der Sitzung in ausführlichen Originalbcrichtcn. Auch im neuen Quartale werden eine oder mehrere größere oder kleinere Erzählungen und Feuilletons dem Unterhalknngsbcdürfniß Rechnung tragen. Mit seiner „BolkSwirtlischnstlichen Beilage" bildet das Leipziger Tageblatt zugleich das größte Handels- und Börsenblatt Sachsens. Es bringt namentlich auch sämmtliche wichtige deutsche und überseeische Handelsberichte. Außerdem erscheinen im Leipziger Tageblatt die vollständigen Gewinn listen aller Elasten der Königlich Sächsischen LandcS-Lottcrie und die Nummer-Verzeichnisse der aus- geloosten Königlich Sächsischen StaatSschuldschcine, sowie die Nummern von Serien und Haupt gewinnen der verschiedenen Prämienloose. Leipzig, im Juni 1891. F/«r» «As» Amtliche Bekanntmachungen. Lekanntmachnng. Da» 82. Stück de« diesjährigen RetchSgesetzblatteS ist bei »n« eingegangen und wird bi» zum 15. Juli d. I. aus dem RathhauS- saole zur Einsichtnahme öffentlich auShängen. Dasselbe enthält: Nr. 1965. Verordnung, betreffend da« strasgerichtliche Verfahren gegen die Militairperfonen der Kaifirlichen Schutztruppe für Deutsch-Lstasrika. Vom 3. Juni 1891. Nr. 1966. Uebereinkommen zwischen dem Deutschen Reich und Däne mark über die Aufhebung de« Abschossels und Abfahrts- gelbe«. Vom 5. Februar 1891. Nr. 1967. Bekanntmachung, betreffend den Beitritt Spanien« zu der unterm 3. November 1881 abgeschlossenen internattonalen ReblauS-Convention. Vom 6. Juni 1891. Nr. 1966. Bekanntmachung, betreffend den Nachweis der Befähigung als Seeschiffer und Sccslcuermann aus deutschen Kauffahrtei schiffen. Vom II. Juni 1891. Leipzig, den 19. Junt 1891. Der Math der Stadt Leipzig. Ilr. Georgi. Krumbiegel. Lekanntmachung. Die Zinsen der Frege'schrn Stiftung zur Belohnung treuer und unbescholtener Dienstboten, welche mindestens 20 Jahre hin- durch bei einer oder doch nur zwei Herrschaften in hiesiger Stadt im Dienste gestanden haben, sind am 30. August d. I. in Beträgen von mindesten« 30 zu vcrtheilen. Empfangsberechtigt sind nur wirkliche Dienstboten, d. h. solche, welche zur ausschließlichen Leistung häuslicher Dienste gedungen sind und bei der Dienstherrschaft Wohnung und Kost haben. Bewerbungen sind bi« zum 3l. Juli d. I. unter Beifügung von Zeugnissen der Dienstherrschaften bei uns anzubringen. Spätere Anmeldungen, sowie Bewerbungen von Dienitboten, welch« au« obiger Stiftung bereit» einmal belohnt worden sind, können nicht berücksichtigt werden. Leipzig, den 18. Juni 1891. Der Math der Stadt Leipzig. 1)r. Georgi. Krumbiegel. Gewölbc-Vermiethung. Im hiesigen Nathhause ist da« vnhneiigkwölbe Nr. s am Markt vom 1. Oktober d. I. ab gegen halbjährige Kündigung anderweit zu vermielhen. Mtethgesuche werden auf dem Rathhause, 1. Obergeschoß, Zimmer Nr. 8, entgegengenonunen. Leipzig, am 20. Juni 1891. Der Rath der Stadt Leipzig. In. 1409.Vr. Georgi. Krumbiegel. Lorstenmarkt. Der zweite bie»jährige Markt für Barsten findet in der Zelt von Montag, den 29. Juni, bi» Sonnabend, den 4. Juli, statt. pztg, den 26. Mai 1891. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Wtrthgen. Lekluintmachung. Nachdem sich ergeben hat, daß der nach unserer Bekanntmachung vom 1. Lctober vorigen Jahres bestimmte Schuttabladeplatz im Tonnewitzcr Holze an der Linie zwischen der weißen und schwarzen Brücke säst gar nicht benutzt worden ist, haben wir beschlossen, von weiterer Verwendung des fraglichen Platzes zu dem bezeichnete» Zwecke abzusche». Unter Aushebung der ungezogenen Bekannt machung wird jede fernere Ablagerung auf dem fraglichen Platze bei Strafe bis zu 150 verboten. Leipzig, den 17. Juni 1891. Der Rath der Stadt Leipzig. Ia. 3090. Vr. Georgi. LichoriuS. Leipzig, 22. Juni. * Die preußische Landtagssession ist zu Ende ge gangen, die längste und fruchtbarste, die wir seit vielen Jahren erlebt. Seit i2. November vor. Jahres war der Landtag mit kurzen Unterbrechungen versammelt und hat während dieser Zeit eifrig und fleißig gearbeitet; der Erfolg war aber auch der aufgewandten Mühe entsprechend. Man kann den Landtag mir mit dem Zeugniß wohlerfüllter Pflicht in die Ferien entlassen. An die beiden großen Gesetze, welche die jetzt abgelaufenc Tagungsperiode zu einer so bedeutungsvolle» Reformsession machten, brauchen wir kaum mehr zu erinnern. Durch das neue Einkommensteuergesetz mit der Selbst- declaration und der schärferen Heranziehung der größe ren zu Gunsten der kleineren Einkommen nebst dem neuen Gewerbcstcuergesetz ist der Grund zu einer um fassenden Reform des directen SteucrwescnS in Preußen gelegt und der entscheidende Schritt auf dieser Bahn gethan. Durch die Landgemeindeordnung ist nach jahrzehntelangen erfolglosen Anläufen eine lebenS- und leistungsfähige Gestaltung der ländlichen Communaloerhält- nisse im Osten der Monarchie mit gebührender Theilnahmc der Selbstverwaltung und der Herstellung zweckentsprechender Gcmeindebildnngen und Gcmeindeorgane erreicht und somit auch hier der Grund gelegt, ohne den so manche fort schreitende Reformen aus den verschiedensten Gebieten dcS öffentlichen und wirthschaftlichen Lebens unmöglich oder äußerst erschwert waren. DaS dritte große Resormgescy, welches dem Abgeordnetenhaus vorgelegt war, daS VolkS- schulgesetz, ist freilich jnicht zu Stande gekommen, woran theil- der Wechsel in der Leitung deS EultuSministcriumS, theilS die sachlichen Schwierigkeiten, der Widerstand von klerikaler und conservativer Seite schuld waren. Ob demnächst eine befriedigende Lösung dieser Aufgabe gelingt, ist bei den großen Schwierigkeiten und Gegen sätzen auf diesem Gebier leider recht zweifelhaft. Hinter den genannten großen Errungenschaften stehen die übrigen Leistungen der Landtagsjession einigermaßen zurück, aber auch sie sind noch bedeutend genug. Wir erinnern nur an daS Sperr gelder-, da- Rentengüter-, daS Wildschaden-, da» Secundär> babngesetz, von zablreichen kleineren Gesetzen ganz zu schweigen ES war daS erste Mal, daß eine neue Regierung mit dem Landtag gesetzgeberisch zusammenarbritetc, die Erfolge dieser THLtigkeit liegen in den soeben kurz erwähnten Gesetze» vor. Die nationallibcrale Partei bat an allen diesen Gesetzen eifrig und hingebungsvoll mitgearbeitcl; sic darf bei dem Zustande kommen kcr Steuergesetze und der Landgemcindcordnung sogar ein entscheidendes Verdienst für sich in Anspruch nehmen. Nur dem Spcrrgeldergcsey vermochte sie aus den öfters an geführten Gründen nicht ziiziislimmen, und auch mit der jetzt .beschlossenen Regelung der WildsckadcnSfragc konnte sich nur eine kleine Minderheit der Partei einverstanden erklären. * Das definitive Programm für die große Reise l Kaisers ist wie folgt festgesetzt: Ter Kaiser und die Kaiserin werden am 25. Ouni Morgen- in Kiel eintresfen, am 2!). Juni nach Hamburg und von da per Schnelldampfer „Fürst Bismarck" nach Helgoland fahren, am 30. Juni in Wilhelmshaven cintresscii, um daselbst dem Stapellauf deS neuen Panzerschiffes beizuwohnen unk danach auf der kaiser lichen „Hobenzollcrn" die Reise nach Holland anzu- trcten. Am 1. Juli erfolgt die Ankunft in Amsterdam, am 3. die Abreise nach England, am -t. die Ankunft in Windsor. Am 11. Juli reist der Kaiser per Bahn nach Leilh und von da auf der „Hohenzollern" nach Bergen. Die Krcuzereorvettc „Prinzeß Wilhelm" wird die kaiserliche Aacht auf den oben bezeichnete» Seereisen begleiten. * Die bereits auf die Tagesordnung gesetzt gewesene Petition in Sacken der Schulreform, die ohne Zweifel zu einer gründlichen Erörterung dieses wichtigen Gegenstandes geführt haben würde, ist leider im preußischen Abgeord neten Hause nickt mebr zur Verhandlung gekommen. ES waren daran thcilö allgemeine Gründe der Geschäftslage, tbcils die Abwesenheit mehrerer in dieser Frage besonders compclcnler Mitglieder dcS Abgcordnetenbausca schuld, welche durch die JnsorinationSrciscn der Sicbcncr-Eonunission ver hindert waren, in den letzten Tagen den Sitzungen beizu- wolnten. * Zu Ehren des aus der Adiutantur des Kaisers aus- scheidenden Generals Graf von Wedel veranstalteten die kaiserlichen Adjutanten bei Borchardt rin Abschiedsmahl, welchem der Kaiser als Gast beiwohnte. * Ter deutsche NeichScommissar für die Weltausstel lung in Chicago wird sich noch in diesem Iabre nach Amerika begeben, um die ersten Vorbereitungen für die Ein richtung der deutschen Ausstellung zu treffen. * Für die Ermittelungen über die Größe dcS Areals der im Frühjahr unigepflügte» Felder und die Art ihrer Neu bestellung, sowie über den gegenwärtigen Stand der Saaten war den preußischen Landräthen eine ganz kurze Frist vorgeschriebe». T>aS gewonnene Material wird deshalb, wie der „Allgcm. Ztg." geschrieben wird, schon dieser Tage bei dem LaiidschaftSministcrlum eingchen, hier dann zusammeu- gcstellk und voraussichtlich in seinen mickrigen Ergebnissen ver öffentlicht werden. Unter den einzelnen Provinzen und Bezirken wird sich wahrscheinlich eine große Ungleichmäßigkeit Heraus stellen. Für den Regierungsbezirk Potsdam z. B. ist daö Verhältnis; der »mgcpflüglen Äccker zu de» mit Winterkorn bestellt gebliebenen vcrsckwindcnd klein, und jedenfalls viel geringer, als bisher im Allgemeinen nach Mitthcilungcu auö einzelnen anderen Provinzen angenommen wurde. * Nach neueren Nachrichten bestätigt sich die Nachricht, daß daS UntersuchnngSverfahren gegen Geh. Rath Baarc und Genossen wegen der FuSan.zel'schen Tcnuncialion eingestellt sei, nicht. Om Gcgcnlheil soll der Staats anwalt erklärt haben, daß das Zeugcnverhör noch nicht beendet sei. * Als jüngst der ultramontane RcickStagSabgeordnete Aichbichlcr ersucht wurde, eine Petition gegen Ermäßigung der Getreidezölle im Ncichstage zu vertreten, erklärte er n. 2t. Folgendes: „Ich bin durch meinen persönlichen Beruf mit den Interessen der Landwirthschaft so innig verkettet, daß dies aus meine parlamentarische Stellungnahme zu eingreifen den Fragen nicht ohne Einfluß bleiben kann. Ein ausgiebiger Schutz der einheimische» Landwirthschaft erscheint aber auch so sehr im staatlichen Interesse gelegen, vaß die einschlägigen Gesichtspunkte für keinen pflichttreuen Politiker aus dem Auge gelassen werden dürfen. Was aber den in Mitte liegenden deutsch-österrcichiscken Handelsvertrag betrifft, so ist eine definitive Stellungnahme zu demselben Wohl erst dann mög lich, wenn er in allen seinen Tbcilen vorliegt. Vorerst ein zelne, wenn auch hockwicktige Theile herauSzugreifcn und ohne Kcnntniß deS Ganzen endgiltig rntsckeiden zu sollen, wird von den Parlamentariern biltigcrweisc nicht verlangt werten können, so sehr eS auch Sache der Interessenten selbst ist, sich rechtzeitig zu rühren und um ihre Interessen sich zu sorgen." * NeichStagSabgeordneter v. Vollmar, dem wegen seiner jüngsten Rede in München von Berliner Socialisten daö Recht abgesprochen wurde, ferner die Interessen des Proletariats zu vertrete», ergreift nun in der „Münchner Post" selbst daS Wort. Er erklärt runäckst aus daS ihm von einer Berliner Schuhmacher-Versammlung ertheilte Mißtrauensvotum, daß gewiffe. mit großem Geräusch auf- trelende Kreise in Berlin der Meinung seien, daß sie einen Vorrang eiunebmcn und zum obersten Gerichtshof über die Meinungen innerhalb der Partei bestellt seien. Es sei gut, daß diese Anmaßnng von der Gcsammtpartei nicht crusl genommen werde, denn sonst würde de» Streites kein Ende sein. Zn vorwürfigcr Angelegenheit hätten zuerst die Münchner daS Wort zu ergreifen und von diesen habe keiner einen Wunsch hierzu geäußert. Dem „Vorwärts" erwidert Herr v. Vollmar, daß man allerdings wie über verschiedene Punkte, so auch über die kritische Angelegenheit, verschiedener Memung sein könne, aber gerade deshalb habe er die vielfach umstrittenen Fragen bestimmt gestellt und sie be antwortet, wie er cs für richtig halte. Wenn der „Vorwärts' auS dem Lobe der Gegner schließt, daß er, Vollmar, falsche Saiten angeschlagen habe, so sei da» ein Gemeinplatz, der doch endlich aufhören sollte, in den Erörterungen innerhalb der Partei die Rolle eine- ernsthaften Grundes zu spielen; um so mehr als die Socialdemokraten denselben, sobald er von der Negierung oder einer Partei gegen die Socialisten angewandt wird, nicht scharf genug verurtheilcn können. Der vernünftige Mensch macht sich so wenig wie vom Tadel so vom Lobe abhängig. Im klebrigen ist Herr v. Vollmar im Gegensätze zum „Vorwärts" der Meinung, daß er gerade dir richtigen Saiten angeschlagen bade; die Entwicklung der Dinge dürste ihm Recht geben. Wer sich indrß mit ihm über bestimmte Puncte sachlich auSeinandersetzen wolle, finde ihn bereit. Zum Schluffe seiner sehr ruhig gehaltenen Erklärung erinnert Herr v. Vollmar nochmal- daran, daß gerade die bervortretenden Stellen seiner Rede von lebhaftem Beifall begleitet waren. * In Berlin kommen täglich große Mengen russischer Auswanderer an. Die »leisten sind jüdischen Bekenntnisses. Indessen habe» sich ihnen neuerdings auch nicht wenige Katholiken und Protestanten anzcschlossen, welchen der Auf enthalt im Zarenreiche verleidet ist. Es ist begreiflich, wenn man in England, wohin sich der Hauplslrom der Auswanderer einstweilen richtet, um fernere Hilfe abzuwarlen, diesem Zuge nickt ohne Sorge zusicbt. So lenkte, wie der „Standard" miktbeilt, Lord Salisbury jüngst die Ansincrksamkcil des britischen Botschafters in Berlin auf die Klagen über die Iudcnauöwandcrung und wieö ihn an, die nothlcidcnden Jude» warnend darauf ausmerksam zu machen, daß die ArbcitSmärkle in England bereits überfüllt seien. Sir Edward Malet wandte sick an Blcichrödcr, der ihm ver sicherte, daß alle Anstrengungen gemacht würden, um arme russische Juden an der Auswanderung nach England zu hindern. * Im weiteren Verlaufe der Sonuabendsitzung des öster reichischen Abgeordnetenhauses erklärte bei der sort- esctzlcn Bcrathung dcS Budget» der Abgeordnete Graf Wurmbrandt, die Negierung habe das Haus wegen MajoritätSschwicrigkeiten aufgelöst und stehe nun einem etwa» chaotischen Hause ohne Opposition gegenüber. Der versuchte Ausgleich in Böhmen sei ein höchst dankenSwcrthcS Uittcr- nebmcn seilen- der Regierung. Den Phantasien einzelner Slawcnvölker,»amenllich wenn dieselben über die Grenzen hin- auSschweijen und daS Gebiet der äußeren Politik berühren, darf kein Spielraum gelassen werten. Ter Redner weist diesbezüglich auf den Empfang der französischen Studenten in Prag hin. Ter Abgeordnete Palffy erklärte, daß die Altczechcn zu cxistiren noch nicht ausgchörl hätten. MadejSki (Pole) wies die Behauptungen zurück, in denen Mißtrauen gegen die ReichSlreue und den Patriotismus der Polen bekundet wird. Tie Pole» hätten wiederholt bewiesen, daß sie eine wirklich staatöcrhaltende Partei seien ; der Polenclud acceptire daS Programm der Thronrede vollinhaltlich, ohne jedoch auf daS Princip der Autonomie zu verzichten; derselbe werbe fortfahren, eine unabhängige und selbstständige Stellung zu behaupten^ eine geheime Allianz mit den Deutschen bestände nicht. Hierauf wird der Schluß der Debatte angenommen; es werden zu Gcneralrednern Plencr für und Herold gegen die Vorlage gewählt. Die Antisemiten beantragte» schließlich noch den Erlaß eines Gesetzes gegen die Einwanderung fremder, zumal russischer Juden nach dem Muster der Antichinesenbill. * Der Wiener antisemitische Gewerbe-Geuossen- schaftStag wurde wegen Uebcrschreitung seiner Statuten durch Entwickelung politischer Thätigkeil behördlicherseits aufgelöst. * Der Proccß Turpin-TriponnS scheint die Spionen- ricchcrei in Paris auf den Gipfelpunkt getrieben zu haben. Nicht allein, daß daS Gesetz, betreffend die Spionage, zu einer größeren Debatte Veranlassung gab, eS sind auch wieder sensationelle Gerüchte in Paris in Umlauf über neue Ver haftungen in der Melinil-Affairc. Am Freitag wurde be stimmt die Verhaftung eines commandircndeu Generals ge meldet; lhalsächlich sind mehrere höhere Osficirre darin ver wickelt, Verhaftungen aber noch nicht vorgcnommen. — Der Scinc-Teputine Gonjrn hat in der Kammer einen Antrag eingebracht, nach welchem die wegen Spionage Brrurtheilten die französische Nationalität verlieren sollen. — Der am 4. Februar unter dem Verdacht der Spionage als Complice Theyssens verhaftete Deutsche Gerhard, der seiner Zeit wieder freigclasscn wurde, ist ausgcwicsen worden, weil er die von Theyssen erhaltenen Fortificationsplane an CuerS nach Brüssel gebracht hat. — Die angekündigte Interpellation des Deputieren Lasieren über de» Mclinitproceß wird in der Kammer wahrscheinlich am Montag zur Verhandlung kommen. Die Debatte über diesen Gegenstand dürfte größere Aus dehnung gewinnen, da mehrere radikale Deputirlc über ein angeblich ungesetzliches Vorgehen im Melinitprocesse Auf klärung verlangen wollen, namentlich hinsichtlich dcS Um standes, daß ein Packet bei TriponnS mit Beschlag belegter Briese nicht verlesen wurde. — DaS Journal „Jour" publicirt einen heftigen Artikel gegen den General Ladvocat, welcher noch immer nicht abgesetzl sei, obgleich er durch seine Eorre- sponden; mit TriponnS compromittirt wäre. Die für HeereS- zwcckc auSgegebenen Milliarkcn seien unnütz geopfert, wenn das Vertrauen der Bevölkerung zur Armee m dieser Weise erschüttert werde. * Der französische Ministerrath beschäftigte sich mit der Haiti-Angelegenheit. Der französische Gesandte in Haiti, Flcsch, wird aufaefordert werden, Genugtbuung für die Hinrichtung Nigaud S zu verlangen, dessen Name noch nicht endgiltig von der Liste der französischen Gesandtgeschaft gestrichen sei. — Uebrigens will das „Swcle" wissen, daß die verschiedenen europäischen Cabincte sich mit der Möglichkeit einer europäischen Action gegen General Hypolite zur Her stellung der Ordnung in Haiti beschäftigen, und um den Präsidenten zu verhindern, seine wahnwitzige Mordsucht fort zusehen. Das nordamerikanische Cabinet dürste auch nicht müßig bleiben. * DaS französische Nordsee-Geschwader bleibt bis zum 6. August in Kronstadt. * Tie englischen Blätter veröffentlichen ein längeres Schreiben der Witlwe Alberto Marios, worin dieselbe die Autorschaft für den in der „Contemporary Review" er schienenen fälschlich CriSpi zugeschrirbenen Artikel „Tie italienische Politik" für sich beansprucht. * AuS Griechenland liegen zwei recht befremdliche Nachrichten vor. Erstens wollen die griechischen Blätter wissen, daß der Näubcrhauptmann AthäniS, dessen Verhaftung sich nicht bestätigt, mit sammt seinen Genossen nach Rumänien oder Bulgarien entkommen und somit in Sicherheit sei, waS auch einige Beziehungen zwischen dem griechisckcn Räuber und der griechischen Presse schließen ließe und zweitens sollen im Nhodoßegebirge von den Bulgaren Unruhen angezettelt worden seien, gegen welche Griechenland strenge Maßregeln ergreifen werde. * Wie der „Times" ans Konstantinopel gemeldet wird, sind daselbst Nachrichten au« Armen von einem neuerlichen Zusammenstoß der türkischen Truppen mit den auf ständischen Stämmen eingetroffen. Die Türken sollen eine Niederlage und qroge Verluste erlitten haben. Man fürchtet, daß die Bewegung sich auf HedschaS, wo große Mengen von Pilgern sich befinden, auSdehne.
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