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Mohr in Pulsnitz Nummer 23 Donnerstag, den 28. Januar 1932 84. Jahrgang Groener über Genf Leipert gegen Tribute und Deflation Berlin. Reichswehrminister Groener veröffentlicht nach der „Loss Ztg." in den „Blättern der Staatspartei" einen Programmatischen Aufsatz über die Abrüstungskonferenz, in dem es u. a. heißt: In Genf werde noch einmal der Kampf stoischen dem Machtgedanken und dem Rechtsgedanken ent brennen. Aber die Bedingungen der Auseinandersetzungen würden andere sein als vor 13 Jahren. 2m Gegensatz zu damals werde in Genf entweder ein freiwilliger Vertrag zu- standckommen, oder es werde überhaupt kein Vertrag ge schlossen werden. Für Illusionen sei nach dem letzten Jahr zehnt kein Raum mehr. Genf werde nicht nur über das Maß der Rüstungen jedes Staates entscheiden; es entscheide auch über Versailles und im ticseren Sinne über Weimar. Cs entscheid« über die Lebensfähigkeit des Völkerbundes und die Zukunft der abendländischen Kulturwelt, deren Widersacher im Osten durchaus gewillt sei, das Erbe einer überlebten Ord nung des menschlichen Daseins anzutreten. Darin liege die nationalpolitische und die welthistorische Bedeutung der Ab rüstungskonferenz des Völkerbundes. In Genf unierhätt man sich privat. Genf. Die für Mittwoch einberufene Sitzung des Völker- bundsrats wurde auf Donnerstag verschoben. Daher wurden am Mittwoch nur private Verhandlungen über die mandschu rische Frage, die Eaarfrage und die auf der Tagesordnung stehenden Danziger und obcrschlesischen Beschwerden der deut schen Minderheit in Polen durchgeführt. Die vertraulichen Besprechungen zwischen den Ver tretern der Großmächte und dem japanischen und chinesischen Negierungsvertreter wurden ebenfalls fortgesetzt. In Rats kreisen sucht man unter allen Umständen nach dem unglück lichen Verlauf der bisherigen Ratsverhandlungen eine neue Auseinandersetzung zwischen dem japanischen und chinesischen Vertreter in einer öffentlichen Sitzung zu vermeiden. Keine Einigung London-Paris. Alle Streitpunkte in der Tributfrage ungeklärt. Auf Grund einer Besprechung, die das englische Kabinett abhielt, hat die Londoner Presse halbamtlich bekannt gegeben, daß vorläufig kein Erfolg erzielt worden sei. Die Bemühungen Englands würden fortgesetzt, eine Formel zu finden, die gleichzeitig Deutschland und Frank reich annehmen können. Die erste Folge des Scheiterns der diplomatischen Verhandlungen zwischen Paris und London ist die Verschiebung der schon als feststehend bezeichneten Zu sammenkunft zwischen Laval und MacDonald. Die Streitpunkte sind zwischen England und Frankreich offen geblieben. England verlangt für Deutschland ein vollkommenes einjähriges Moratorium ohne jede Ver pflichtung. Frankreich ist bereit, einen einjährigen Zahlungsaufschub unter den Bedingungen des Hoover- Moratoriums zu gewähren, was der Reichskanzler wegen der daraus entstehenden Belastung für Deutschland abgelehnt hat. Außerdem verlangt Frankreich eine Garantie für den Weiterbestand des Young-Plans. Gewisse Kreise in London, die darauf hindrängen, ein Kom promiß mit Frankreich zu finden, sprechen schon von der Möglichkeit, daß England und Frankreich sich auf eine Formel einigen und dann auf einer Konferenz mit Deutschland zu sammentreffen, um an Demichland ein „Ultimatum" zu stellen. Vorläufig scheint der englische Ministerpräsident MacDonald dieses Verfahren abzulehnen. »a« hat Deutschland Wer gezahlt? Unhaltbare französische Auffassung. Der französische Finanzminister FI a nd i n hat im Fi nanzausschuß der Kammer Mitteilungen über die bisherigen deutschen Tributzahlungen nach französischer Auffassung ge- macht. Er hat die Unverschämtheit gehabt, die bisherigen Zahlungen an Frankreich mit8,l5MilIiardenGold- inarkzu bemessen, wovon er dann noch Abzüge macht und schließlich zu dem Ergebnis von 5,1 Milliarden kommt. Er fordert nock 5 bis 6 Milliarden von Deutschland für Wieder- ausbaukösten In Wirklichkeit hat Deutschland minde stens 38 Milliarden an Frankreich gezahlt, und zwar nicht etwa nach deutschen, sondern nach' amerikani schen Berechnungen. Bezeichnend ist, daß Flandin nicht den Mut aufbringt, sich den Vorschlägen anzuschließen, daß ein internationalerUntersuchungsaus schuß zur Erörterung dieser Streitfrage eingesetzt wird. ' Doch französische Absichten aus die Reichsbahn? In einer Meldung aus London unterzieht das halb amtliche französische Nachrichtenbüro die an geblichen Auswirkungen einer eingehenden Betrachtung, die eine vollständige Streichung der Tribute auf die Reichsbahn haben würde. Der Dawes-Plan, so heißt es, habe der Reichs- bahn einen jährlichen Anteil an den Reparationszahlungen in Höhe von 660 Millionen RM auferlegt. Dieser Beitrag sei auch im Young-Plan aufrcchterhalten worden. Seine Aufhebung würde die Reichsbahn im Gegensatz zu den Eisen bahnen anderer Länder in eine besonders bevorzugte Lage bringen. Die Vorteile einer derartigen Lage würden sich so fort auf die G e s a m t h c i t d e r d c u t s ch e n I n d u st r i e auswirken, deren Selbstkostenpreise dementsprechend fallen müßten. Die bevorzugte Stellung der Reichsbahn, zusammer mit den verhältnismäßig geringen öffentlichen Schulden, die sich ebenfalls aus der Streichung der Tribute ergeben würden, müßte für die deutsche Wirtschaft einen für die Weltkonferenz folgenschweren Vorteil bedeuten. * Der erneute Hinweis auf die angebliche Besserstellung der Reichsbahn gegenüber den ausländischen Eisenbahnen zu dem ausgesprochenen Zweck, ihre Tributfähigkeit oder so gar notwendige Tributpflichtigkeit zur Niederhaltung der dcutzchen Wirlschaftskonferenz nachzuweisen, ist ein Beweis dafür, daß man in Frankreich den Gedanken noch nicht auf- gegeben hat, die Hand auf die Deutsche Reichs- bahn zu legen. Stillhalteabkommen gefährdet? Nach französischen Blättermeldungen ist damit zu rechnen, daß die Bank von Frankreich den französischen Anteil an dem seinerzeit der Neichsbank ge gebenen Rediskontkredit von 100 Mill. Dollar nur um drei Wochen oder höchstens um einen Monat verlängern wird. Diese Meldungen sind für die deutsche Wirtschaft von größter Bedeutung. Am 29. Februar d. I. läuft das Baseler Stillhalteabkommen ab. Das neue Stillhalte abkommen ist bis jetzt von den Gläubigerkomitees noch nicht ratifiziert worden. Das neue Abkommen sieht nun vor, daß die Gläubiger den Vertrag vorzeitig kündigen können, wenn der Rediskontkredit der Reichsbank nicht verlängert wird. Die Tributbank hatte in ihrer Verwaltungsratssitzung be schlossen, den Rediskontkredit, an dem außer ihr noch die Bank von England, die Federal Reserve Bank of New York und die Bank von Frankreich, und zwar mit gleichfalls je 25 Mill. Dollar beteiligt sind, zu verlängern, aber unter der Voraussetzung, daß alle Beteiligten diesem Beschluß zu stimmen. Die Bank von Frankreich hat als einzige der vier beteiligten Stellen Schwierigkeiten gemacht, und die neuesten Meldungen der französischen Presse zeigen, daß Frankreich offenbar gewillt ist, seine Erpresserpolitik fortzusetzen. Lerpari gegen Tribute und Deflation Berlin. Der Führer des Allgemeinen Deutschen Gewerk- schaftsbundes, Lripart, sprach am Mittwoch abend im Rund funk. Er wies einleitend daraus hin, daß jedermann im Volke die Ueberzcugung habe, daß der in Versailles gegründete Friede kein wahrer Friede sei. Die hemmungslose Macht politik, mit der di- Staatsmänner damals die deutsche Nieder lage ausbeuteten, habe inzwischen längst ihren Widersinn erwiesen. Die wirtschaftliche Entwicklung der Nachkriegszeit fei weiterhin bestimmt durch die politische Unvernunft, die beim Friedensschlutz die Neuordnung der Welt übernommen und ein politisches System begründet habe, das zumal mit der zweischneidigen Waffe der Reparationszahlungen in hohem Maße zur Verschärfung der wirtschaftlichen Krisenerscheinungen durch wachsende politische Unruhe beigetragen habe. Die deutsche Not habe ihre letzte Ursache in Liesen Tatsachen. Keine deutsch- Regierung könne unter den heutigen Verhältnissen auf die Dauer Verständnis für ihre außenpolitischen Ziele und Methoden verlangen, wenn sie nicht zugleich aus ihrer Passi vität gegenüber der dringendsten wirtschaftspolitischen Auf gabe heraustrete, deren Lösung entscheidend sei für die lieber- Windung der innerpolitischen Krise. Diese Aufgabe sei die Arbeitsbeschaffung. Sie müsse gelöst werden,, selbst wenn sie ungewöhnlich- Maßnahmen erfordere. Der Glaube daran, daß es bei gutem Willen und entschlossenem Handeln möglich sein werde, diese dringlichste aller Forderungen zu erfüllen, sei die Hoffnung, die das deutsche Volk trotz aller Not weiterhin ausrecht erhalten könne. ! Oberbürgermeister Sahm bildet einen Ausschuß für die Hindenburg-Wahl Berlin. Der Oberbürgermeister der Acichshauptstadt Dr. Sahni ist wie wir erfahren — seit mehreren Tagen um die Bildung eines überparteilichen Ausschusses führender Persön lichkeiten aus allen Kreisen des deutschen.Volkes bemüht, der die Wiederwahl des gegenwärtigen Reichspräsidenten von Hindenburg in dir Wege leiten soll. Es ist dabei an Männer und Frauen grdacht, die in maßgebender Stellung mit großen Devölkerungsschichten in enger Fühlung stehen. Dr. Sahm wird die Einladungen an die in Aussicht genommenen Persön lichkeiten in kürzester Frist hinausgehen lassen, so daß der „Hindenburg-Ausschuh" schon Anfang nächster Woche mit einem Aufruf an die Oeffentlichkeit treten dürfte. Gerüchte um Brüning. Reichspräsident von Hindenburg empfing Mittwoch mittag den Reichsinnen- und Reichswehrminister Groener, wobei in erster Linie die bevorstehende Reichspräsidenten wahl besprochen worden sein soll. Am Nachmittag empfing dann Hindenburg vr. Brüning. Diese Tatsachen sind nun gerüchtweise damit in Verbin dung gebracht worden, daß Reichskanzler vr. Brüning in Kürze von seinem Posten zurllcktretett werde, zumal eine Meinungsverschiedenheit zwischen vr. Brüning und den, Reichspräsidenten in einer innenpolitischen Angelegenheit entstanden sein soll. Reichskanzler soll nach dem Gerücht Reichsminister Groener werden. An zuständiger Stelle war Näheres zu dem Gerücht nicht zu erfahren. lieber den Empfang des Reichskanzlers durch den Reichs präsidenten wurde folgende amtliche Mitteilung ausgegeben: Der Herr Reichspräsident empfing den Reichskanzler vr. Brü ning zum Vortrag über die schwebenden außenpoliti schen Fragen. In Ergänzung hierzu wird von unter richteter Seite erklärt, daß alle Gerüchte über Rücktrittsab sichten des Kanzlers nicht den Tatsachen entsprechen. Oer preiskommiffar wendet sich an die Polizei. Für strengere Durchführung seiner Verordnungen. Der Reichskommissar für die Preisüber wach u n g hat an die Regierungspräsidenten und die Ober- bllrgermeister der Städte sowie an die Vertretungen der Landgemeinden ein Schreiben gerichtet, in dem er daraus hingewiesen hat, daß die Verordnung über die Preisverzeichnisse noch nicht überall in Deutsch land gleichmäßig durchgeführt worden ist. Besonders gilt das vom Friseurgewerbe. Er hat den Orts- polizeibe Hörden empfohlen, Geschäften, die die Preis verzeichnisse noch nicht ausgehängt haben, noch eine 24stündige Frist zu geben und dann Anzeige zu erstatten. Weiter ist in diesem Schreiben darauf hingewiesen, daß beim Verkauf von kleinen Mengen besonders im Fleischer gewerbe ein Aufschlag auf den Preis genommen werde. Der Reichskommissar hat diesen Ausschlag für nicht berechtigt erklärt. Er hat sich ebenso gegen die Aufwertung auf 5 Pfennig und 10 Pfennig im Kleinhandel statt nur auf den vollen Pfennig gewandt. Weiter ist in dem Schreiben darauf aufmerksam gemacht, daß die niedrigen Fleischpreise in den Preisen von Gastwirtschaften noch nicht voll zum Ausdruck kommen, und davor gewarnt, daß besonders in Großstädten und im Westen an Lohnzahlungstagen höhere Preise plötzlich fest gesetzt werden. Der Reichskommissar droht gegen den Per- such der Umgehung der Preisvorschristen in solchen Fällen mit Geschäftsschließung.