Volltext Seite (XML)
Melaer Mageblall Montag, 28. November 1887, Abends Ai 277 SO. Jahrg von dr um mit 218 Stimmen, . 150 - - 138 . 128 Telegramm-Adresse Tageblatt", Riesa. Fernlprechstrlle Nr. 20. ernder Schließung der Universität, sowie vor Konflikten mit der Polizeibehörde, welche dir Absicht aussprach, die Räume der Universität durch Wrchorgane nicht mehr betreten zu lassen. f Wien, 29. Noo. Wie verlautet, wurde die Demis sion des GesammtkabinetS in einer Ministerrathssitzung be schlossen, die Nachmittags 2 Uhr stattfand. — Der Kaiser empfing Mittag» die Ministerpräsidenten Grafen Badeni und Baron Banffy und die Minister v. WelserSheiruh und Gautsch. f Graz, 28. Nov. Die Ruhe wurde im Laufe heutigen Abends nicht mehr gestört. Das Militär zog 9'/r Uhr Abends ab. leute ritten mitten unter die Flüchtenden, die sich durch das enge Vitterthor hindurchdrängten. Einige ritten noch weiter vorwärts, um die Masse zu umzingeln. Wiederum hieben die Polizisten mit den Fäusten ein. Auch die Abgeordneten verschonten sie nicht. Mehrere Personen wurden ganz ohne Grund arretirt, andere einfach niedergeritten. Die Polizei sperrte nun die Löwelstraße und den Zugang zur inneren Stadt ab; nur Abgeordneter Duszynski, der sich ins Cafee Central begab, wurde durchgelafsen. Hochrufe der zerstreu ten, aber nicht entmuthigten Demonstranten tönten ihm noch lange nach. Die Demonstrationen vor dem Parlament dauerten den ganzen Abend fort. Es war eine vielfache Wiederholung des selben Vorganges. Die Studenten, welche den Hauptbeftand- theil der Demonstranten bildeten, wurden von dem Zufalls publikum unterstützt und machten sich in Ausrufen Luft, die bald der Regierung, bald der Polizei galten. Sie versuchten immer wieder gegen das Parlament vorzudringen, wurden aber durch berittene Polizei zurückgedrängt, wodurch nament- lich die Frauen, deren sich viele ins Gedränge wagten, er schreckt wurden. Auch die Burgthcater-Besucherinnen kamen ins flüchtende Gedränge und wurden so geängstigt, tzaß sie ihre Sitze im Stich ließen und, sobald sie frei waren, nach Hause eilten. Die Menge war in wilder Flucht auseinander gestoben, weil die Wache die Säb-l gezogen hatte und damit herum uchtelte. Ganz unerwartet kam der Polizei eine Ue- berrumpelung des Judenplatzes, wo Graf Badeni im Ministe rium des Innern wohnt, durch einige hundert Arbeiter, welche dort eine lärmende Kundgebung veranstalteten. Auch hier räumte berittene Polizei den Platz, in den engen Gassen großen Schrecken verbreitend. Es wurden nun die auf den Judenplatz führenden Straßen abzesperrt und die Thore des Ministeriums geschlossen. Es werden weitere große Demon strationen vorbereitet. Die Arbeiter haben zehn Versamm lungen für morgen Vormittag und acht für Montag Abend einbcrufen. Schlimmer noch als in Wien war der Krawall in Graz. Vom bosnischen Regiment, das mit Steinen bewor fen worden war, wurde in der Murgasse gegendie Menge geschossen. Zwei Personen sind todt, zwei schwer verwundet. Die Bosniaken räumten dann die Straß: mit dem Bajonett. Da» Riesaer Tageblatt erscheint jeden Tag Abends mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. Vierteljährlicher Bezugspreis bet Abholung in den Expeditionen in Riesa und Strehlas oder durch Dunser« Träger frei inS HauS 1 Mark 59 Psg., bei Abholung am Schalter der kaiserl. Postanstalten 1 Mark 25 Pfg., durch den Briefträger fiel tnS HauS 1 Mark 65 Pfg. Anzeigen-Annahme sstr die Nummer de» Ausgabetage- bis Vormittag 9 Uhr ohne Gewähr. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Rtesa. — Eeschästsstelle Kastanienstraße 59. — Für die Redaktion verantwortlich: Hermann Schmidt in Riesa. Heute gingen uns weiter noch folgende Mittheilungen zu: f Wien, 28. Noo., 6 Uhr 40 M. Abds. (Bon einem Pcivatkorrespondenten.) Tausende von Menschen erfüllten heute Nachmittag den Franzensring und den Rathhauspark. Die Menge veranstaltete stürmische Kundgebungen gegen den Grafen Laden». Die Passagiere auf den Pferdebahnen und Omnibussen stimmten in dre Rufe mit ein. Plötzlich trat Sttlle ew. Es verbreitete sich das Gerücht von der Demission des Grafen Baden». Wachinspektorcn und Wachleute erklärten, sie siien beauftragt, mitzutheilen^ daß Graf Ladern demisftonirt Härle. Der Bürgermeister Dr. Lueger verkündete die Nach richt aus seinem Wagen, als er durch die Menschenmasscn fuhr, und wiederholte sie dann aus einem Fenster des Rath hauses, indem er noch mittheilte, daß der bisherige Unrer- richtsminister Gautsch von Fcankenthurn mit der Neubildung f des Kabinets beauftragt sei. Jetzt ist Alles ruhig. f Wien, 28. Nov. (Von einem Privatkorresponsen- ten.) Bei der Bekanntgabe der Demission des Kabinets fanden nur noch unbedeutende Demonstrationen auf dem Ju- denplatz vor dem Ministerium des Innern statt. Der Abend verlief ruhig. Sccialistische Kundgebungen gegen Badeni und die Parlamentsmajorität sanden in Brünn und Klagenfurt statt. In Graz wurde auf die Nachricht von der Demission des Kabinets illuminirt. Frbr. v. Gautsch hat bereits Ver handlungen zur Bildung des Kabinets ausgenommen; wie es heißt, werde derselbe schon in den nächsten Tagen mit den Führern der Deutschen und Tschechen wegen Abänderung der Sprachenverordnungen unterhandeln. ch Wien, 29. Nov. Eine Extraausgabe der „Wiener Ztg." machte gestern Nachmittag die Demission des Kabinets und die Berufung des Frhrn. Gautsch v. Frankenthurn mit der KabinetSbildung kund. 1- Wien, 29. Nov. Eine Kundgebung des Rektors der Universität an die Studentenschaft theilt die angeordnete Schließung der Universität und die Einstellung der Vorle sungen für den 2S. und 30 November mit und warnt die Studentenschaft vor Ausschreitungen unter Androhung bau- ' OertlicheS «ad Sächsisches Riesa, 29. November 1897. — Bei den gestern stattgehabten Kirchenvorstands wahlen find die Herren Baumeister R. Förster Rentier Donat Rector Bemurann und Commisfionsrath Sinz wiedergewählt worden. Herr Zimmerer W. Hrmmitzsch hatte 96 uns Herr Rentier R'edrl 88 Leimmen erhrlten. Auf Herrn Gutsbesitzer Emil Donat waren 75 Stimmen entfallen. Jedenfalls waren diese letzteren Stimmen Herrn Rentier Donat zuzedacht, da gedruckte Stimmzettel wohl nur irrthümlich des ersteren statt des letzteren Namen ent hielten. Abgegeben worden waren überhaupt 233 Stimm zettel, einer davon war ungiltig. 35 Stimmen waren zer splittert. — Zu dem Berichte über die Versammlung des con- servativen Vereins schreibt uns der Herr Verfasser: „Ich Habs zunächst Thatsachen berichtet, dann aber im Anhang Urtheile über Hwrn Sachße mitqetheilt, welche ich zu hören bekaln. Der Vorwurf de- Gesinnungswechsels ist von mir dem Herrn «achße nicht gemacht worden. Ich habe lediglich der Meinung Ausdruck gegeben, daß Herrn SachßeS politische Erfahrung eine unzureichende sei, und daß er, wenn er in andere Verhältnisse gestellt gewesen wäre, wohl in anderes politisches Fahrwasser gekommen wäre. Damit den Character des Herrn Sachße zu verdächtigen, lag mir völlig fern." — Wir selbst haben Zu bemerken, daß der betr. Herr Referent ein mit allen bürgerlichen Ehrrnrcchten ausgestatreter Wählerunseres7.Wahl'reissS ist, ein hochachtbarer Herr, der seine anerkannt gute uns streng conseroaiiv? Gesinnung schon seit vielen Jahren berhätigt und sich um die consecvatioe Sache hoch verdient gemacht har und welcher der seiner Meinung nach öffenilich gewesenen Versammlung bsiwo nne. Den Herrn ? namya<t ;u machen, würde gegen journalistischen Brauch ' verstoßen. — Dem heiligen Andreas ist der heutige Tag geweiht, der ein Vorläufer der geheimnißoollen und wunderreichen Weihnachtszeit ist. Sancc Andreas ist der Patron der Jung frauen, der nicht nur durch Kerzen, Blumen und Weihege- schenke in Kirchen und Kapellen verehrt wird, dem man seine Wünsche auch im stillen Kämmerlein aus einsamem Kreuzwege und am gespenstrrhaften Ecbzaun vorlezt. Da aber die Wünsche junger, heirathslustiger Mädchen so zahlreich sind, daß der fromme Andreas schwerlich auf alle eingehen kann, so wendet man sich in manchen Gegenden auch vertrauensvoll an die heilige Katharina, deren Namenstag auf den 25. 'November fällt, oder an Sanct Niklas am 6. Dezember. Wie kommen nun diese drei zu der hohen Ehre, die beneiden-werthen Ver trauten aller liebedürstenden Seelen geworden zu sein? Andreas, der fromme Bruder des Petrus, predigte einst den Skythen und den Galatern das Evangelium Md wurde in Griechenland an ein schräges Kreuz geschlagen. Er, der sicher ledig geblieben ist, würde sehr verwundert über de» ihm angedichteten Beruf sein, könnte er heute niedersteizen und Zeuge all der wunderlichen Gebräuche und der eigenthüm- lichen Verslein sein, durch die man sich seine Gunst zu er werben hofft. Er ist an die Stelle eines jener Götter ge treten, in deren Schutz unsere Vorfahren die Ehe gestellt hatten, vielleicht an die de« Gottes Freyr. Dieser galt al« Schöpfer reicher Ernten, als Bringer des LiebeSglücke«, und er beglückte da- deutsche Hau» mit der blondgeloätrn Kinder« schaar. Wie «an dazu kam, dem heiligen Apostel die Rolle und Anzeiger Meblatt und Amchch , Arntsötatt der Königl. Amtshauptmannschaft Großenhain, des König!. Amtsgerichts und des Stadtraths zu Mesa. Aus Oesterreich. Wien. Der Kaiser hat die Demission des Gesammtcabinets Badeni angenommen. Freiherr von Gautzsch wurde mit der Neu bildung betraut. Diese erlösende, hoherfreuliche Nachricht übermittelte uns gestern am Späkabend der Telegraph, wir konnten sie aber in Folge d-S Gesetzes, betr. die Sonntagsruhe, erst heute früh in einem Extrablatt verbreiten. Es war hohe Zeit, daß der Kaiser da» Ministerium Badeni heimschickte, waren doch bereit« die Anfangswogen der Revolution recht deutlich bemerkbar. Die Arbeiter-Versammlungen, die gestern Vormittag in Wien in allen Bezirken abgehalten wurden, sind zumeist auf gelöst worden, da in ihnen Kundgebungen gegen die Regierung stattfanden. Die Arbeiter zogen sodann größtentheil« vor das Parlament und verursachten Kundgebungen, die aber von der Sichcrheitswache und dem Militär zerstreut wurden. Bor dem Rathhause und dem Landgericht mußte die Wache gleichfalls von den Waffen Gebrauch machen. Einige Per sonen wurden verletzt und 11 Verhaftungen vorgenommen. Weiter erhalten wir noch folgende Nachrichten: f Asch. Sonnabend Abend durchzogen tausend Deutsch nationale und Socialdemokratcn singend und lärmend die Straßen. Einige Fenster des AmtSgebäudeS, sowie mehrerer von tschechischen Beamten bewohnten Privathäuser wurden eingeworfen. 7 Wien, 28. November (Nachmittags 1 Uhr io Min). Bor dem Reichsrathsgebäudc fanden im Laufe des Vormittags unausgesetzt Demonstrationen statt. An 50000 Menschen füllten die Ringstraße von der Universität bis zum äußeren Thor der Hofburg. Zuerst schritt die berittene Sicherheits wache mit blanker Waffe ein, und als diese nicht ausreichte, traten Husaren in Thätigkeit und säuberten in scharfer At taque mit blanker Waffe die Straßen. TS fanden zahlreiche Verwundungen statt. Die Rettungs-Gesellschaft entsandte zwei Ambulanzen. Bor dem Landgericht sär «Strafsachen demonstrirte eine auf etwa 10000 Personen sich belaufende Menge Zu Gunsten des Abz. Wols. Berittene Sicherheit- Wachleute zerstreuten die Demonstranten Mit blanker Waffe. Drei Personen sollen schwer verletze sein; eine derselben soll mit gespaltenem Schädel in einem Kaffeehause liegen. Die Rettungs-Gesellschast hat eine dritte Ambulanz entsandt. Uedcr die Vorgänge am Sonnabend entnehmen wir dem „B. L.>A." folgende Nachrichten: Wien, 27. November. Au der Universität sanden Demonstrationen statt. Da die Haupteingänge abzesperrt waren, so wurde der Sonuabendsbummil hinter der Unioer- sität auf der Biblioiheksseite abzehalten. Während die Stu denten dort lebhaft plauderten, kamen 30 b-ritteue Wach leute, deren Nahen von denselben mit Unmulh begrüßt wurde. Ein großer Lchmthamcn wurde von ihnen als Schutzwall benutzt; aber die Beri t-ncn zerstreuten sie endlich, doch nicht ohne mehrere Verhaftungen vorzunehmcn. Später wieder- holte sich der Zusammenstoß. Die Polizisten ritten diesmal im Galopp durch die Universitätsstraße. Als sie ein Thor passirten, wo Studenten angesammelt waren, brachen diese in heftige Rufe aus. Eine Abtheilung von 25 Mann zu Fuß rückte gegen diese Studenten, eine andere drang in dre Uni versität und verhaftete dort Verschiedene. Dieser Vorgang wiederholte sich fünfmal. Die Folge davon war, daß große Menschenmasscn sich in der ganzen Umgegend ansammelten. Immer mehr Wachen wurden herbeigezogen. Bei den Zu sammenstößen zwischen den Studenten und der Polizei wur den die Säbel gezogen und dreingchaucn. Drei Studenten wurden verwundet, darunter einer schwer. Er wurde in einen Hörsaal getragen und dort von den Professoren verbunden. Die Rettungsgesellschaft errichtete in der Universität eine ärztliche Ambulanz. Der Rektor erschien in der Universität und versprach, Sühne für das verletzte akademische Recht zu fordern. In die dort angesammelte Volksmenge ritten ohne vorhergehende Mahnung etwa 20 Polizisten in gestrecktem Galopp; unberittene Wachleute unterstützten diesen tückischen Uebeifall, indem sie mit den Fäusten wie besessen auf die Abziehenden «inhieben. Schrecken befiel die ahnungslose Masse, und Alle« lief entsetzt gegen die Löwelbastet. Dort «ah« die Situation ein so kritische« Aussehe« a«, daß man ei«e.Katastrophe befürchten mußte. Die berittenen Schutz