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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlchn und die Unraegenden. Amtsblatt für die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wilsdruff. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei mal, Dienstags u. Freitags und kostet pro Quartal 1 Mark. Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag IT »Hk. 76. Dienstag, den 25. September 1877. Von dem unterzeichneten Gerichtsamte soll den 29. November 1877 das dem Mühlenbesitzer Carl Akngust Claus in Roth sch önberg zugehörige Mühlengrundstück No. 14 des Catasters und No. 12 des Grund- und Hypothekenbuchs für Rothschönberg, welches Grundstück am 13. September 1877 ohne Berücksichigung der Oblasten auf 15,687 Mark —- gewürdert worden ist, nothwendiger Weise versteigert-werden, was unter Bezugnahme auf den an hiesiger Gerichtsstelle aushängenden Anschlag hierdurch bekannt gemacht wird. Wilsdruff, am 14. September 1877. Königliches Gerichtsamt. I-r. Gangloff. Die Dienstinagd Auguste Therese Schroder, auch Winkler genannt, aus Pohrsdorf hat sich hier über eine gegen sie erstattete Anzeige zu verantworten. Da ihr dermaliger Aufenthalt nicht zu ermitteln gewesen, so wird dieselbe hierdurch vorgeladen, binnen 14 Tagen und längstens den 10. October d. Js. sich an hiesiger Amtsstelle einzufinden oder doch bis dahin ihren Aufenthaltsort anher anzuzeigen. Alle Criminal- und Polizeibehörden werden ersucht, die p. Schröder — Winkler — im Betretungsfalle auf diese Vorladung auf merksam zn machen und Nachricht hiervon anher gelangen zu lassen. König!. Gerichtsamt Wilsdruff, am 20. September 1877. LSi Gangloff. Von dem unterzeichneten Gerichtsamte soll den 26. November 1877 das zum überschuldeten Nachlasse des Tischlermeister weiland Karl Gottlieb Benjamin Fritzsche hier gehörige Hausgrundstück Nt. 242 des Catasters, Nr. 322 des Flurbuches und Nr. 289 des Grund- und Hypothekenbuches für hiesigen Ort, welches Grundstück am 14. Sep tember 1877 ohne Berücksichtigung der Oblasten auf 3564 Mark —- gewürdert worden ist, nothwendiger Weise versteigert werden, was unter Bezugnahme auf den an hiesiger GerichtsstcUc aushängenden Anschlag hierdurch bekannt gemacht wird. Wilsdruff, am 19. September 1877. Königliches Gerichtsamt. »r Gangloff Weltmttstürzler. In der belgischen Stadt Gent hat vom 9.—I2. Seplbr. eine Versammlung von 45 Revolutionären aus aller Herren Länder statt- gesunden, die sich den Namen „Socialistischcr Weltcongreß" beilegte. Radikale, Socialisten, Communisten, Collectivisten, Individualisten (Anarchisten, Autoritarier,) Bakunisten, Internationale und wahr scheinlich noch die Anhänger anders benannter Parteien mit mancherlei Schattirungen waren hier vertreten nnd theiltcn sich in verschiedene Lager. Stellt man sich vor, daß auf dem Congrcß mindestens ebenso viele Sprachen gesprochen wurden, so wird man bereits einen leisen Begriff von dem babhlonisckcn Charakter desselben erhalten. Die Verwirrung, welche in Gent herrschte, tritt aber erst dann deutlich in die Augen, wenn mau sich die Mühe nimmt, die Debatten jener Herren nachzulcsen. In denselben wimmel! cs von Anklagen, Verleumdungen, Verlhcidigungen und Entschuldigungen, von paradoxen Behauptungen und Gemeinplätzen, von unverständlichen Anträgen und himmel- stijrmenden Beschlüssen, von Kriegserklärungen und Wellvcrbrüderuugen von „kleinbürgerlichen Utopien" und anderen Confusionen. Von den geistreichen Wendungen, zu welchen die Debatten Anlaß gaben, er wähnen wir — nnd zwar, um dem Congrcß in keinem Falle Unrecht zu thun, nach einem socialistischcn Blatte — den folgenden Weisheils spruch eines Hauptredners: „Der Commnnismus ist Gemeinschaft und Negierung, nnd der Anarchismus ist Gemeinschaft und Anarchie." Ein Italiener behauptete, der Staat sei für die autoritären Socialisten, was der Gott in der Natur. Man habe Gott abgcschafft nnd in der Natur gehe alles seinen Gang; wenn man den Staal abschaffe, werde auch alles seinen Gang von selbst gehen. Derselbe meinte, daß bei einer Revolution das Volk von den Revolutionären nicht „geleitet," sondern blos „beeinflußt" werde. Von den Beschlüssen erwähnen wir den folgenden: „In Erwägung, daß, so lange das Land und die übrigen Arbeitsinstrumente, welche die Grundlage des Bestehens der Gesellschaft bilden, von einzelnen Individuen oder Klaffen in Besitz genommen oder als Privaleigenthum monopolisir! werden, die öko nomische Unterdrückung der Masse des Volkes mit ihren noihwendigen Folgen, dein Elend und der Aushungerung sondauern muß, erklärt der Congrcß: Es ist nöthig, daß der Staal, welcher das ganze Volk vertritt und umfaßt und innerhalb dessen die srcien Communen or- ganisirt sind, Eigcnthümer des Landes und der übrigen Arbeitsin strumente werde." Welchen Namen soll man einer Versammlung bei legen, die sich nicht scheut, von einer Aushungerung der Massen des Volkes zu sprechen und zur Beseitigung derselben die Plünderung der Grundeigenthümer und Arbeitgeber verlangt? Hätte der Congrcß nicht schon durch seine Zusammensetzung, durch die Namen seiner lNitglieder Farbe bekannt, er würde durch diesen Beschluß kundgethan haben, daß zwischen der heutigen Gesellschaft und Männern solcher Grund sätze das Tischtuch zerschnitten ist. Tngesgeschichtc. Die russischen Stürme ans Plcivna sind eingestellt, Plewna wird nur noch ccrnirt und nächstens ganz aufgegcben. So lautete die eine Depesche und die andere: Der Schipka-Paß ist von den Türken ge nommen, von den Nüssen geräumt. — Mittags schon kam die andere Depesche geflogen: Falsch! Der Schipka-Paß ist noch nicht genommen und die Hauptschlacht vor Plewna steht »och bevor. — So wechseln die Depeschen von Bahnzug zu Bahnzug nnd setzen die Zeitungen, die mühsam geschrieben, gesetzt, gedruckt, gepackt nnd versandt werden müssen, in Verzweiflung; denn was vor ein paar Stunden richtig war, ist jetzt unrichtig und man kann doch nicht mit jedem Bahnzug eine neue Zeitung hiuanSschicken. In der Hauptsache freilich bat die Lage auf dem Balkan und an der Donau nicht so rasch gewechselt. Die Lage der Russen ist ziemlich verzweifelt nnd man Hal sich in der höchsten Noth an die deutsch-russischen Generale Tottleben und Kaufmann er innert nnd sie ins Hauptquartier gerufen, um den Prinzen' und un aussprechlichen Altrusseu aus der Patsche zn helfen. Man beabsichtigt, sich in dem Räume zwischen Osma und Jautra bis zum Eintreffen der Garden, deren Vortrab in Bukarest eingctroffen ist, zn halten und in letzter Stunde einen großen Schlag zu führen, der die Waffenchre rettet. Der höchste Gewinn wäre ein Sieg über die Türken, den ordentlich ausznnutzen die Jahreszeit kaum gestatten wird, da man sich trotzdem über die Donau zurückziehcn müßte. Der Einsatz für dieses gefährliche Spiel ist die Armee; denn würden die Russen in der großen Entscheidungsschlacht gcschlagen, so ist nicht abzusehen, wie die ungeheuren Massen von Menschen, Thicren und Fuhrwerken auf den drei Brücken über die Donau ziehen soll, während von allen Seilen die siegcsberanschtcn türkischen Truppen nachdrängen würden. So difteln die kleinen Moltkes, weil der große Moltke schweigt. Fürst Bismarck wird aber des alten Moltke Unheil über die Aussichten der Russen und Türken sicher vernommen haben, bevor er mit dem österreichischen Minister Grafen Audrassy in Salzburg am 18. Sept, zusammengelioffen ist, nm den diplomatischen Feldzugsplan sür den Winter fcstznstellen. ES ist alles dazu angclhan, daß die Diplomaten nächstens mehr zu thun bekommen werden als die Sol daten. Die beiden Kanzler haben sogleich am ersten Tage 6 volle Stunden mit einander gearbeitet. Drei deutsche Generale in Rußland treten plötzlich in den Vorder grund: die Generale v. Kotzebue, Kaufmann nnd Tottleben. Als man in Petersburg den Krieg wider die Türkei plante, fragte man den General Kotzebue, ob er die Armee commandiren wolle. Er antwortete, nur dann, wenn ich mit 600,000 Mann marschiren kann. — Unverschämter Deutscher, sagten die Altrussen am Hofe, 600,000 Mann gegen die Türken! rein lächerlich! — Von Kotzebue war nicht mehr die Rede; sie thaten's billiger und — schlechter, wie Reuleaux sagt. — Im Kaukasus steht General Kaufmann, auch ein Deutschrusse, ein guter General von Ruf, ein tüchtiger Organisator und Verwalter