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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.02.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-02-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191202046
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19120204
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19120204
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Bemerkung
- Img 34 u. 36 Seiten vertauscht
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-02
- Tag 1912-02-04
-
Monat
1912-02
-
Jahr
1912
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Bezug--Prei- jllr v«(p,(g und Vorort« durch Mik«, Iräarr und Sp«d>»«ur, 2mal tiglich t>» Hau» ««bracht: «PI. m»n»tv,L7oMi. »t«ri«!tökrl. L«t unkrn giUalrn u. An- N»bm«ftrL-n abacholt: 7S VI. nwnatl, L»«k. oi«rt«ljahrl. Durch dt« V»V: .anerhald Deullchtand» und der deutsch«« Xolonirn vi«rt«ljährl. r,S» Ml., monatl. 1L> Mk. au»fchl. Po!id«ftrUa«ld ferner in «elgirn, Dänemark, den Donaustaaten, Italien, Lu;«mbura, Rirderlond«, Nor- «ea«n. OVterreich. Unaarn, Rujiland. Cchweden, Echwett u Spanten. In allen übrig«» Staaten nur direkt durch die kbelchosteftell« de» Motte» »rhältltch. Da» Leipziger Tagediatt erscheint 2mal togltch. Sonn. u. rieiertaa» nur morgen». Vdoanement»-Unnodm«: 2»ba»nr»,ass« d«t unteren Drägern, AUtalen. Spediteuren «Utd tttnnahmefteUen, sowie Pottümtern und vrirslragern. Vtni«lv»rraus»pr»t, 10 Ps. UtGlger TaMaü i14KS2 iVachtanschlu« 2 i 14 «92 lV-chtanIchlu» ^7l.-Anschl 14 8S3 Hnn ?rszettung. rel.-Anschl 14 69Z AmlsSratt des Nal.s und des Notizeiamles der Lladt Leipzig. M. 63. Sanmsg, üen /tvrusr 191?. Anzeigen Preis flr Inkrate au» Leipzig und Umgebung di« lloaiiige Petttteil« ÄVI.die VeName» »etle I Mi. von au»warl»»>PI . Reklamen IpiV Mk.' Initial« van Vedorden »m amt lich«» T„t die Petttzrtl« 5» V> Seschiist»anzei«en mit Plogoorlchristen im Pr«ite «rdohr Rabatt nach Taris Leilagegedühr L«iamt» auslag« L Mk. p Tauirnd erkl. Postgebühr. Trildrilag« daher. Fcfterteilt« lllustrage können ntVt zurück gezogen werden Itiir da, ikrschrinen an bestimmten Tagen und Plänen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme Iohannisgals« bei sämtlichen «Itlialen u. alle» Annoncen» Erpeditionen des In- und Auslände». Druck und Verlag von Mischer L tttirste» Inhabrr Paul Riirstrn. -tedaktion und K«schäst»st«lle: Iohannisgail« 8. Haupt »Filiale Dresden: Eeestrage t. l (Telephon <S2l> les. Zshrprlng. 44 Seiten Unsere gestrige Abendausgabe umsaht 8 Seiten, die vorliegende Morgennummer 38 Seiten, zusammen Das Mässigste. - * Anläßlich des Unterganges des eng lischen Unterseebootes 3" hat der Kaiser ein herzliches Beileidstelegramm an die britische Admiralität gesandt. (S. Tageschr. Seite 11.) * Nach neueren Meldungen soll die neue Flot tenvorlage außer der Indienststellung eines dritten Geschwaders und einer Forderung für Unter seeboote noch eine Vermehrung des Flotten personals um 15 000 Mann enthalten. (S. den bes. Art. Seite 1.) * Der Entwurf eines Gesetzes über die Staats angehörigkeit wird in seinen Grundzügen ver öffentlicht. (S. den bes. Art. Seite 2.) * Ruhland soll einen neuen Vermitt lungsvorschlag im italienisch-türki schen Krieg vorbereiten. (S. den bes. Art. S. 2.) * In der serbischen Skupschtina teilte der Präsident mit, daß König Peter die Demission des Kabinetts Milanowitsch angenommen hat. (S. Ausl. Seite 11.) * Der englische Rechtsanwalt Bertrand Ste wart wurde nach viertägiger Verhandlung vom Reichsgericht wegen versuchter Spionage -v 3 Jahren 8 Monaten Festungshaft ver- urteilt. lS- den bes. Art. Seite 11.) Ein Fortschritt in üer kolonialen Ksllenlrage. (Vonunserem kolonialvolitischen Mitarbeiter.) Herr Dr. Solf bereitet uns als Staatssekre tär des Reichskolonialamts allerlei angenehme Ueberraschungen, die man nach der von ihm als Gouverneur von Samoa geübten Politik nicht ohne weiteres erwarten durfte. Und er bestätigt uns damit bis zu einem gewissen Grade, was wir neulich bei seiner Ernennung zum Staats sekretär über seine frühere Praxis gesagt haben. Die Angriffe gegen ihn drehten sich im wesent lichen um seine Stellung in der Eingeborenen- und Rassenfrage. Man mußte ihm dabei zugute halten, daß er in der ersten Hälfte seiner samoa nischen Amtszeit in Rücksicht auf die eigenartigen samoanischen Verhältnisse, die sich aus der isolier ten Lage der Kolonie und ihren mannigfachen und überwiegenden Beziehungen zu Australien er gaben, nicht konnte, wie er wohl gewollt hätte. Auf Samoa spielte von alters her das Engländer- tum eine maßgebende Rolle, und es war wenig dagegen zu machen, weil dieses Element mit den Eingeborenen vielfach vermischt und verschwägert war. Leider war dies auch bei vielen deutschen Ansiedlern der Kall, so daß in der Rassenfrage das Interesse eines großen Teils der Ansiedler gegen die Betonung des Deutschtums ging. Wie diese Elemente aufmucken können, haben in letzter Zeit verschiedene Kälte gezeigt, als Ansiedler, die gegen das Mischlingsunwesen Front zu machen versuchten, terrorisiert wurden und das Land verlassen mußten. Man kann es verstehen, daß Dr. Sols diesen Zuständen gegenüber am besten mit dem Grundsatz des guists vov wovor« zu fahren meinte. Zu Dernburgs Zeiten hätte er mit dem Gegenteil auch gar kein Glück gehabt, da ja Dernburg sich in der Rolle eines Vaters aller Eingeborenen gefiel und für Rassengegen- fätze wenig Sinn zeigte. Kaum ist jetzt Herr Dr. Solf der maßgebende Mann in der Kolonialverwaltung geworden, so ergreift er mit herzerfrischender Energie die Ini tiative, um eine Wandlung der zerfahrenen Ver hältnisse auf Samoa herbeizuführen, wo das Mischlingselement numerisch das weiße Ansied lerelement übertrifft. Auf dem DerordnungS- wege sind in Zukunft Ehen zwischen Wei ßen und Eingeborenen grundsätzlich verboten. Die bisher rechtmäßig geschlossenen Ehen werden zwar als gültig anerkannt und di« daraus hervorgegangenen Mischlingskinder als Weiße betrachtet, die übrigen Mischlinge aber zu den Eingeborenen gerechnet. Daraus ergibt sich die erfreuliche Hossnung, daß daS MischlingS- element im Lause der Zeiten wieder teils im weißen, teils im farbigen Element aufgeht. Da bei der Entlegenheit SamoaS kaum zu befürchten ist, daß daS Mischblut aus rechtsgültigen Ehen in nennenswertem Umfang in die Heimat über- areist, so ist die jetzt geschaffene Lage durchaus befriedigend. Die Hauptsache ist jetzt, daß die weiße Raffe in Zukunft auch auf Samoa sich die so notwendige Stellung als kolonisierende Her renrasse schaffen tann. Der neue Staatssekretär will aber nicht dabei stehen bleioen, auf Samoa die Ras- senfrage grundsätzlich zu regeln, sondern es sollen auch in den anderen Kolonien fest stehende Verhältnisse geschaffen werden. In der Praxis ist die Frage zwar dort im wesentlichen schon gelöst. In S ü d w c st a f r i ka gibt es zwar erschreckend viele Mischlinge, aber sie wer den mit wenigen Ausnahmen als Eingeborene betrachtet. Rechtsgültige E-en zwischen Weißen und Farbigen werden schon lange nicht mehr zugelassen, und wer in wilder Ehe mit einer Farbigen znsaminenlcbt, ist gesellschaftlich und politisch geächtet. Die „Nation der Bastards", die aus Vermischung von Buren und Hottcn- tottcnfrauen entstanden, vor Jahrzehnten' unter Führung eines Missionars ans der Kapkolonie eingewandert ist, bildet eine besondere in dieser Hinsicht den Eingeborenen gleichgestellte Organi sation; eine Gefahr für die weiße Rasse ist auch von dieser Seite ausgeschlossen. Immer hin kann es nichts schaden, wenn auch in'Südwest die Rechtslage noch schärfer umgrenzt wird. In Kamerun und Togo ist von Ehen zwischen Weißen und Eingeborenen kaum die Rede; die paar Fälle, die früher vorgekommen sind, bilden drüben lediglich abschreckende Beispiele, in Zukunft mären sie, abgesehen davon, daß schwarzweiße Ehen amtlich nicht mehr er laubt sind, so ziemlich ausgeschlossen. Noch günstiger liegen die Verhältnisse in Ostafrita. Während es in Kamerun und Togo immerhin zahlreiche außereheliche Misch linge gibt und in Tüdwest die Hottcntotlinncn cs sogar als eine Ehre ansehen, Halbweiße Kinder zu besitzen, sind in Ostafrika fchwarzweiße Misch linge ziemlich selten. Die schwarzen Frauen Ost afrikas wollen keine Kinder aus dem Verkehr mit Weißen. Die wenigen Mischlinge aus früher ge schlossenen gesetzmäßigen Ehen stehen den Weißen gleich, meist handelt eS sich um indische Misch linge. * Wenn wir von Samoa und allenfalls noch von Südwest absehen, so bat glücklicherweise die koloniale Betätigung der Rassenreinheit unserer Nation noch keine unmittelbaren Gefahren ge bracht, aber es ist immerhin höchste Zeit, daß »ein Riegel vorgeschoben wird. » Die Engländer, nach denen wir immer schie len, können für uns nicht maßgebend sein, denn die Struktur des Angelsachsentums ist ganz an ders als diejenige des Deutschtums. In dem Maße wie es Kolonialengländer gibt, wird es Kolonialdeutsche wohl kaum je geben; der Eng länder ist in seinen Kolonien ganz anders zu .Hause, als wir in den unsrigen. Es schadet also dem Angelsachsentum wenig, wenn z. B. an der Goldküste und in Lagos der Schwarze und Misch ling dem Weißen völlig gleichgestellt ist, wenn cs dort farbige Richter und Anwälte gibt und die Weißen mit den Farbigen auf gleichem Fuße verkehren; denn diese Zustände bleiben eben auf die Goldtüste beschränkt, und in Indien z. Beicht der Engländer seinen Landsmann, der rits eine noch so schöne reiche und gebildete Inderin oder Eurasierin heiratet, nicht mehr an, und der Eurasier, auch wenn er alles Können und Wissen der Welt in sich vereinigt, bleibt eben gesellschaft lich und politisch ein Mensch zweiter Klasse und traut sich gleich gar nicht nach England. So viel ablehnende Festigkeit hat der Deutsche, wie man leider bei jeder Gelegenheit beobachten kann, dem Farbigen gegenüber nicht. Und darum würde sich Staatssekretär Solf ein dauerndes Verdienst erwerben, wenn er durch möglichst scharfe und rücksichtslose Umgrenzung der Be griffe Weiß und Farbia die Nation vor einer Verschlechterung der Rasse bewahren würde. Der Kolonialengländer hat ein treffende? Sprichwort, das besagt: „Gott macht dir Weißen und Gott macht die Schwarzen, aber die Mischlinge macht der Teufel!" k.w. Sus üen Dehrvorlsyen. Die „Tägl. Rundschau" glaubt aus dem Inhalt der kommenden Flottenvorlagen weiter mitteilen zu können: Außer der Indienststellung eines dritten Ge- fchwaders und einer erheblichen Forderung für Unter« seeboote enthält die neue Floltenvorlag« eine Ver mehrung des Flottenpersonals um 15 000 Mann. Die Personalstärke im Etat 1011 ist mit rund SO 000 Mann angefordert, für 1012 dürfte sich die Mannschaftsstärke um 4000 Mann erhöhen und durch die neu« Vorlage erhalten wir eine Personalstärke von rund 80 000 Mann. Das neue Personal wird -um TeU für das dritte Ge schwader. zum Teil für die Mehrbesatzung, die die neuen Dreadnoughts und modernen Torpedo- und Unterseeboote bedürfen, verwendet werden. Man hatte früher für die Dreadnoughts mit einer Be- satzuna von rund 950 Mann gerechnet, es hat sich aber die Notwendigkeit ergeben, die Riesenschiffe mit rund 1100 Mann zu besetzen. Sehnliches trifft für die Torpedoboote zu. Ihre Besatzung wurde noch vor einigen Fahren mit durchschnittlich 55 Mann an gegeben. Der neue, wesentlich vergrößerte Torpedo- bottyp erfordert «ine Besatzung von mehr als 80 Per sonen. Einleuchtend ist endlich, daß durch die neuen Unterseeboote eine Personalvermehrung notwendig wird. Man nimmt an. daß die LVehrvorlagen und die dafür vorgeschlagene Deckung einen nicht unerheb lichen Teil der Thronrede in Anspruch nehmen werden. Die Angaben über die Höhe der finan ziellen Forderungen schwanken zwischen etwa 100 Millionen und 150 bis 160 Millionen Mark, welch letztere Summe von ter „Braunschw. Landesztg." ver breitet wird. An zuständiger Stelle erklärt man aber, die Berechnung« nseiennochnicht abgeschlossen, die Vorlage befände sich noch in der Bearbeitung des Reichsschatzamtes. Man kann also die bisherigen öffentlichen Mitteilungen wohl nur als Vermutungen betrachten. Daraus würden sich auch diese großen Differenzen erklären. Zu dem gleichen Thema schreibt die „Mil.-pol. Korrespondenz": Der Herr Reichskanzler hat führende Parla mentarier aller bürgerlichen Par teien für die ersten Tage der nächsten Woche zu Besprechungen über die kommenden Rüstungs vorlagen und über ihre Dcckungssrage zu sich bitten lassen. Diese Besprechungen werden, der Partei nach, getrennt voneinander abgehalten werden. — Während die Einzelheiten und die Höbe der Hee res- und der Marinevorlage bereits feststehen, ist über die Wahl der neuen Steuerobjektc noch kein endgültiger Entschluß gefaßt worden. Mit unserer Rüstung zu Lande soll diesmal aanze und so schnelle Arbeit gemacht werden, daß die sämtlichen geplanten Neuaufstellunaen schon am 1. Oktober d. I. formiert sein werden. Naturgemäß werden auch die einmaligen Forderungen für Geschütze, Waffen und anderes Kriegsmaterial starke Anforderungen an die Reichsbasse stellen. Dem Inlande wird die dann u. a. sehr erheb lich gesteigert« Friedenspräsenz stärke den sicheren Beweis liefern, wie ernst es der Regie rung mit der Kriegsbereitschaft ist. Das Ausland dagegen sollte aus der sehr hohen und erfreulich weit gehenden Verstärkung unserer Friedens- kadres zum mindesten eine ernste und heilsame Lehre dahingehend ziehen können, daß Deutschland in naher Zukunft eine noch viel höher« Gewähr für die Erfüllung seiner Aufgabe als Wahrer des europäischen Friedens bietet. Die Spannung Milchen Mlien unü Frankreich hält an. Sie wird, so schreibt man aus Rom, schwer lich so leicht Nachlassen. Ter Eindruck vieler mit der römischen Consulta in amtlichem Verkehr stehender diplomatischer Kreise ist allgemein der, daß allen versöhnlichen Versicherungen und F-riedensbcteuerun- gen, die von der Seine kommen, zum Trotz die Pe riode der Reibungen zwischen den beiden stammverwandten Ländern auch in absehbarer Zeit noch nicht abgeschlossen sein wird. Und zwar ans dem einfachen Grunde nicht, weil die Ursache dieser Reibungen rricht beseitigt worden ist. „Ma- nouba- und Carthage-Affärc!'" sagte mir mein Ge- währsmann. lieber die hätte inan unter anderer: Umständen in wenigen Stunden Hinwegkommen können. Der wunde Punkt sitzt anderswo. Tie Triplice und die immer schärfer einsetzende Rivalität zwischen Frankreich und Italien! Unser Verbündeter reckt sich, will sich ausdehnen, seine leider Gottes auch in Deutschland bisher vielverkannte Leistungsfähigkeit auf militärischem und wirtschaft lichem Gebiet »ä ooulos demonstrieren! Frank reich mit seiner retardierenden Bevölke» rungszahl hat alle Ursache, mit gemischten 'Ge fühlen auf gewisse nicht zu leugnende imperialistische Bestrebungen seines „brüderlichen" Nachbars zu blicken. Für uns ist die Situation sehr günstig! Seltsamerweise hat ein großer Teil der deutschen Presse immer noch nicht begriffen, daß wir allen Grund haben, dem italienischen Ver bündeten mehr mit Gerechtigkeit, um nichr zu sagen, Wohlwollen, entgeaenzukommen. Ein auch in Deutsch land sehr hochgeschätzter Staatsmann, der die ver schiedenen Strömungen am Tiber Henau so gut kennt wie die an der Seine, erklärte mir: „Man gewinnt den Eindruck, daß die deutsche Presse in Su- zeränität zu der französischen Presse steht, wenn man die merkwürdigen Kommentare mancher deutscher Zeitungen zu dem französisch-italie nischen Zwischenfall liest! Natürlich haben die Jta- liener unrecht!! Alles Recht steht auf feiten der Franzosen, wohl weil diese unsere erklärten Feinde, jene unsere Alliierten sind! Herr Poincarö ist ein „Blender"! Mit seinem schönen Redefluß bat er eine große Zahl deutscher Blätter förmlich geblendet. Sonst müßte man annehmen, deren Redaktion liege nicht innerhalb der deutschen Land«, sondern in Paris. Daß Herr Poincarö im Verein mit seinem Gönner Clemenceau für Deutschland eine weit größere Gefahr darstellt als beispielsweise die Ka- binette der letzten anderthalb Jahre, die nicht fest gefügt waren und darum wenig Vertrauen bei ihrem Volk besaßen, dies« Binknwabrheit haben auch heute noch immer nicht viele Deutsche begriffen. AnderSwo unterstützt die Press« ihre Diplomatie, auck wenn sie in inneren Fragen ihrer jeweiligen Regierung nicht beipflichten kann. In Deutschland aber ist es vielfach zur üblen Gewohnheit geworden, zu fragen: WaS gehen mich die realpolitischen Erwägungen unseres Außenministers cm. ES ist erstaunlich, wie wenig Deutsche daS Italien von heute kennen! Man hat immer noch da- zerrüttete Italien von gestern vor Augen. Sieht nur immer und immer wieder die Schattenseiten unb will die Lichtseiten deS Volks nicht sehen. Auck unsere deutschen Zeitungen soll ten endlick auswärtige Politik nicht mit dem Herzen, sondern mit der bloßen BevUunft, unter Abwä gung der bloßen Borteile, treiben, di« bei allen internationalen Fragen für Deutschland herauS- schauen!" Tos; es zwischen Italien und Frankreich nicht gut ftetzt, beweisen auch die Ausfälle, die in allen offiziös bedienten Organen Italiens gegen Frank reich jeden Tag aufs neue iviedcrkehren,' und zwar mit ausfällig vermehrter.Heftigkeit. Bekannt ist, daß der italienische Ministerpräsident Giolitti zu der Turiner „Stampa" in einem sehr engen Verhältnis steht. Jetzt legt die „Stampa" nicht nur in ihren politischen, sondern auch schon in ihren feuille- tonis'.ischen Artikeln eine Gereiztheit gegen die Fran zosen an den Tag, die nachgerade zum hoch politischen Ereignis werden muß. Herr Poincarö stehl zum „Echo de Paris" in dein gleictM Verhältnis wie Herr Giolitti zur „Stampa". In dieser weist der Tepuuerte Cirmeni jetzt zum dritten Male nach, das; Poincarö pflichtvergessen seinem Blatt während der Verhandlungen im Manouba- Streit alle Informationen wortgetreu zur Veröffcntlichuno zustellte, die er in seiner Eigenschaft als Minister des Aeußeren nach Rom gab... Alsdann führt Cirmeni den letzte ren an: Poincarö und Georges Clemenecan sollen sich nur ja nicht einbildcn, daß Italien zu Frank reich in einen: Vasallenverhältnis stehe, daß es, wie Crispi einmal ansgerufen habe, ein Apvcndir zur Provinz Chamböry nach den: Willen der Franzosen darstcilen solle. Ter Besuch Kidrrlcn- Äaectztcrs in Rom, das sollten die Pariser Herren endlich cingestehcn, liege ihnen wie ein All' auf dem Magen. In Ron: wisse man, daß bei einem Bündnis zwischen Frankreich und Ita lien das letztere nur ausgebeutet werden würde, genau wie jetzt Frankreich sich von den Verbündeten Slawen und den Engländern ansbenten lasse. Für die lateinische Schwester habe Frankreich gar nichts übrig. Ter Manouba-Zwischenfall sei nicht abge tan! Tas würde sich bei der Prüfung der 29 Tür ken zeigen. Wenn die Franzosen alle Türken als Aerzte erklären, so würde das gegen das Ergebnis der von Italien ungeordneten Prüfung in Cagliari verstoßen. „Man hüte sicb ja, alle diese 29 Türken als Mitglieder des roten Hal'bmonders zn erklären!" ruft Cirmeni drohend am Schlüsse aus. Meäe im Mule BrssisiMl Seit Dem Miguel der Aelterc den Versuch ge mocht hatte, seiner jungen Richte Maria da Gloria Pie ererbte Krone zu entreißen, nach fünfjähriger Herrschaft aber der vereinten Macht der Liberalen, der Brasilianer und der Engländer erlegen war, schienen die Wege des vertriebenen Manne-stav'nies und Marius koburgifches Geschlecht sich für immer getrennt zu haben. Bon Verständigungsvcrsuchci: war um so weniger die Rede, als das Bedürfnis dazu bei den glücklichen Besitzern der Königspcrlüste am Tejo verhältnismäßig gering war. Die „salischen" Ueberlieferungen der verklungenen burgundischen Dynastie hatten die Bragcrnzas nicht übernommen; und kein Landrecht sprach für den Anspruch der männ lichen Tbronessclge, wie das arragonijche für Dom Carlos' Erbe in: nordöstlichen Bestandteile der spani- scium Monarchie. Die Christinen. Isabellen und Alfonse im Nachbarland? aber hatten ein ebenfo- großcs Eigeninteresse, A. chläge gegen den Thron der Koburger zu verhindern, wie die in Frankreich von 1871—1876 herrschende Bourbonen-Partei, karlisiische Einfälle über die Pyrenäen zu begünstigen. Und schließlich hoffte man in: Hause Koburg, daß sein Same am Tejo ebenso kräftig aufgchcn werde wie der der protestantischen Hauptlinie an der Themse. Ein halbes Jahrhundert schien die neue Familie in ihrem lusitanifchen Boden so festgewurzelt, daß nur noch fleißige Studenten des „Gokhaischen" davon Be scheid wußten, daß das alte Haus Äraganza keines wegs der ausgestorbeuen Fauna angryöre. Da traf am 1. Februar 1908 ein furchtbarer Blitz strahl die Königseiche und stellte das Leben des Stammes auf die vier Augen des für einen sturm bedrohten Thron unerlaubt jungen Dom Manuel und seines kinderlosen Oheims Dom Affonso. Der politische Verstand riet dazu, wenigstens dieses Mal den automatisch fungierenden Mechanismus des Sukzessions-Schemas durch Familienratsbefchluß ab zustellen und den im kräftigen Mannesalter stehen den Herzog Affonso von Oporto ans Steuer zu stellen, bis des Jünglings weiche Sehnen zum schweren Werke gereift wären. Man verfehlte aber diesen naheliegenden Gegenzug gegen die tückische Bosheit der Königtumsfeinde, die mehr über den Tod des hoffnungsreichen und allbeliebtcn Kronprinzen froh lockt hatten als über die Tötung des seine Dynastie kompromittierenden Königs Carlos. Der Erfolg war. wie er sein mußte: nach 2^ Jahren hatte König Manuel abgewirtschaftet, durch diesen vorzeitigen Fehlschlag das beste Dorauskapital künftiger Herr scher, die Hoffnungen des Volkes, verschleu dert; und kein Reservemann stand hinter ihm, wie er bei «inem nichtbestastdenen Befähigungsnachweise des Oheims in Bereitschaft gewesen wäre. Heute heischt die politische Vernunft dringend, das Königshaus wieder auf eine breiter« Grundlage zu stellen, soll ernstlich die Aufgabe aivgegriffen wer den, d«m monarchischen Gedanken in Portugal sein verlorenes Gebiet zurückzuerobern. Die Lage der Dinge schreit förmlich nach Wiederherstellung der dynastischen Einheit, nach einer Wvederverknüpfung des zusammengeschrumpften Reises aus Maria da Glorias Wurzel mit dem söhnegesegneteren Aste ihres herrschsüchtigen Oheims. Es ist ein gute» Zeichen, daß diese Verständigung so schnell gelungen ist. Am 31. Januar 1012 ist sie in «inem Gast. Hofe zu Dover durch eine Begegnung des Exkönig, mit dem Prätendenten besieg«lt. Daß sie im Anzug« sei, konnte schon daraus entnommen werden, daß bei der Monarchtstenethebung des vergangenen Oktober, ein Sohn Dom Miguels als gemeiner Soldat für die gemeinkönigliche Sach« gefochten hat. Und den versöhnten Vettern wird das Arbeits feld ihrer künftigen Tätigkeit zur Errettung des portugiesischen Lölkes au, namenloser Verwirrung
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