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/luer Tageblatt Nr. 240. S. Jahrgang. säÄ'W'L' ALK WM 8chÄch1« M., »»aatUch 74 G>1ch»iat tösUch « »«« MU»a»» »«>, mit »»» «»»»- »u4 /lnzeiger für -as Erzgebirge mit -er wöchentlichen Unterhaltuassbellase r Iuer Sonntagsblaü. Z «pwchchm-e -er «e-chtten «U Mwmchme -e» SemUage aachmina-e 4-S Uhr. — Lelegranm-H-reff», Lagedla« ft«eqgM»s«. P«jp»«h« ». «»»«Nanni Mgsfanöt» Manuskript» kann »«»Sh» nicht grinst« wett«. Mittwoch» iS. Oktober 1913. Diese Nummer umfaßt 8 Seiten. Das Wichtigste vom Tage. Am 11. November tritt der sächsische Landtag zusammen. Die feierliche Eröffnung fin det am 1 3. November statt.*) G Der Kaiser ist in Trier angekommen und ha empfangen vom Oberprästdenten vom Nhetnbaben, der Einweihung der neuen Kaiser-Wi.- helmbrücke beigewohnt. * Der Präsident der ständigen AuSstellungs- kommission, Geheimer Kommerzienrat Gold berger, hat sein Amt niedergelegt. Sein Nachfolger wird Geheimer Regierungsrat Dr. Bu»l«h. * Der deutsch« Flieger Viktor Stoeffler stellte aM Dienstag einen neuen Weltrekord im Fernflug auf.*) Bet Lanthi hat zwischen den Türken und Grie chen ein Zusammenstotz statt. Die griechischen Truppen drängten di« türkisch«» Abtei lungen zurück und besetzten KojunkSj. F« dem Kohkeubeegwerk Universal -ei Ear- diff «eignete sich eine Explosion. Ma« glaubt, daß sich Vie Fahl der Lote« auf SIS Ve« läuft.*) n na»««« st»« an anLnrr »Ulli. Luäwig III.? Der bayerische Mnssterprästdent Freiherroon Hertling ist In Berchtesgaden beim Prinzregenten Ludwig gewesen, und die Frucht diese» Besuche» ist eine Erklärung in dem bayerischen Regierungsorgan, der StaatSzeitung, in der da» Gutachten de» Ministeriums offiziell bekräftigt wird, da» im Auszug bereit» vor einigen Tagen von dem Genossen Adolf Miller der Oef- fentlichkeit -um Leidwesen der regierenden Partei über geben wurde, die damit ihren Plan, die KöntgSfrage durch eine Proklamation de» Prinzregenten zum König aus der Welt zu schaffen, vereitelt sah. Nachdem di« Königsfrage nun Wieder in den letzten Wochen von den Parteien im Lande eifrig erörtert Worden ist und sogar das geheime Gutachten des Ministerium» in die Debatte gezogen Wurde, kann es nicht Welter überraschen, datz auch die Hauptbeteiligten, der Prinzregent und di« Regierung, jetzt au» ihr« Zurückhaltung heraus, treten. Dies« Zurückhaltung War nach den Erfahrungen Die neue Leiäenschast. Skizze von A. Lhmundt. »achd.uck o«rbol«n. Auf einmal war sie da, die neu« Leidenschaft, und nie mand hätte sagen können, von wannen sie gekommen wäre. .So wie im Mittelalt« wohl eine fremde Seuche über di« L^nde Here „gebrochen war, hatte die neue Leidenschaft alle Kinder mit heißem Fieber erfüllt: die meisten Reklame- marken zu haben. Die Kaufleute frohlockten üb« den so plötzlich entstandenen Weg, ihre Namen auf den Mannig faltigen buntesten Bildern bekannt zu machen; die Zeichner nahmen sich des jungen Arbeitsgebiete» mit ganz besonder« Liebe an; und die graphischen Anstalten sahen sich durch die wesende Flut der Aufträge gezwungen, die Zahl ihr« An gestellten zu verdoppeln. Der aber, in dem sich di« Neu« Krankheit wie in einem Brennpunkt höllisch heiß vereinigt«, war Fritz Angerstein, der Quartaner, Lieh« Primus und das Vorbild seiner Altersgenossen. Hast du diese Unart je- mals bei Angerstetn gesehen? war die stereotyp« strenge Frage der Lehrer und Ettern in ihrem Erziehungewerk ge- wesen, b's — ja, bis der Mathemattkprofessor Nicht wußte, weshalb er seinem Lieblingsschiiler unter da» Exerzitium eine dicke Vier setzen mußte, bi» Fritz au» den verschiedensten Gründen seinem Wandervogel «ine Absage gab, bi» « sich zum Geburtstag da» tunlichst größte Album für Reklame- marken wünschte und sich die Erlaubnis erbat, sein« Bries- Markensammlung verkaufen oder doch eintauschen zu dürfen. Alle Dinge de» Leben«, die guten Und di« schleckten, schätzte « nur von dem Gesichtspunkte au» «in, auf wa» für Reklame- marken st« sich anzeigten. Schulutenstlien, «1« Federn und Bleistift« kaufte er prinzipiell im, dort, wo e» die meisten Marken grati» dazu gab. Jeden Groschen Waschemeld, der früher vielleicht einem Napoleonschnitt oder ein« Düte Jo- -ann'sLrot geopfert wurde, konnte « nicht schnell genug für um die Jahreswende 1912/13 begreiflich. Hätte Frei herr v. Hertling noch einmal, wie damals in der ihm ergebenen Presse, di« Trommel für eine Thronbesteigung des Prinzregenten gerührt, ohne sich der Zustimmung des Landes zu vergewissern, so Wären die Tage seiner Mntsterherrlichkeit vermutlich gezählt gewesen, und auch das Prinzregenten-Anisehen hätte durch eine Wieder-^ holte Abweisung seiner Königswünsche «inen Stotz er- 'ltten, der dem konservativ-monarchischen GtaatSgedan- ken, wie ihn das Ministerium Hertling verficht, wenig förderlich gewesen Wäre. Freilich, wenn man von der Zusriimnung des Landes spricht, so mutz man sich er- inner», daß eS eigentlich nur ein recht kleiner Bruchteil des Landes war, der im Januar die endgültige Regelung der Königsfrage verhinderte. Es Waren die altvaterischen Bauernabgeordneten de» Zentrums, die Gefolgleute de» BauerüdoktorS Heim, di«, um ihrem Herren und Meister einen Gefallen zu erweisen, dem Ministerpräsidenten, der «inst von der HauSknechtSpolitik der Heimschen Gefolgschaft gesprochen, ein Bein zu stel len. Aber da «» Mitglieder der MehrheitSpartei waren, ohne die da» gegenwärtige Kabinett Wed« re gieren kann noch Will, so mutzte Hertling den Rückzug antreten. Jetzt hat « «inen anderen Weg eingeschlagen. Die Erhöhung der Zivillist«, die er beim Landtag beantragte, war der Weckruf, d« die schlummernd« Kö- nigsfrage wieder lebendig Werden ließ. Sogar sehr lebendig. Kaum war nämlich die Diskussion über die Zweckmäßigkeit der Thronbesteigung Ludwig» III. Wied« «öffnet, da ging auch der Parteihader Wied« lo». E» ist für die cmtzerdaherisch« Öffentlichkeit gerade kein sehr erhebende» Schauspiel, datz über eine Sache, in der im Grunde genommen all« Parteien einig sind, ein Parteigezänk eingesetzt hat, da» dem Ansehen der Krone, wenn «» noch lange anhält, abträglich Werden mutz. Die Hauptschuld daran mutz aber wiederum den Parteigängern de» Ministeriums zugeschrieben werden, di« zwar die ihnen dargebotenv Gelegenheit, die Lösung der KöntgSfrage endlich durchzuführen, aufgriffen, ab« dahei «inen Weg einschlagen wollten, der im Lande Widerspruch finden mutzt«. Wohl um unliebsame Er örterungen im Landtage, namentlich: auch üb« die finan zielle Seite der Frage, zu vereiteln, wurde in der Press« angeregt, di« verfassungsmäßige Regelung zu umgehen und einfach durch «ine Proklamation die Thronbesteigung de» Prinzregenten zu verkünden. Das Zentrum schien nach der Haltung sein« Presse auch in der Tat für dies« Lösung gewonnen worden zu sein; aber UM so heftig« War der Widerspruch bet der Land-s tagSopposition, den Liberalen und Sozialdemokraten. Einen sehr starken Bundesgenossen fand dies« Wider- sprach in dem Geheimgutachten, da» d« sozial, demokratische Landtagsabgeordnete Adolf Müller aus- zugSweise veröffentlichte. Dieses vom Justtzminister au». gearbeitet« Gutachten, dessen Richtigkeit durch die baye rische Staatszeitung jetzt bestätigt Wurde, sagt klipp und klar, daß eine Proklamation dem jetzt geltender- Gesetze Widerspreche, das eine Beendigung der Regent schaft nur aus ganz bestimmten, in der Verfassungs urkunde genau festgesetzten Gründen kenne. Zwar.stauMt dieses Gutachten aus der Zeit des ersten Versuches, der Köntgsherrschast Ottos ein End« zu machen, aber da geltende Gesetz hat sich inzwischen nicht verändert und auch die Männer sind dieselben geblieben, wie die, die damals keine Proklamation wollten. Gern hätte man nun auch in der Regierungserklärung etwas darüber gelesen, was die Regierung/nun eigentlich in der Königs- frage zu tun gedenkt. Nur daß st« den Weg der PrvÄa- mation nicht betritt, das kann man aus dies« Er klärung ohne weiteres schließen. Ob sie nun ab« wirk lich die Angelegenheit auf der in dem Gutachten emp fohlenen verfassungsmäßigen Weis« regeln will, darüb« sagt sie nicht». Die will offenbar «ft de» Erfolg« beim Zentrum sich« sein, ehe sie etwa» unternimmt, um sich nicht Wied« ein« Abfuhr wie im Januar zu holen. Da rum «scheint die Frag«, ob Ludwig III. in nächster Zett an Stelle Otto I. den Thron der Wittelsbach«! besteigen werde, nicht so einfach zu beantworten, al» man nach der allgemeinen Zustimmung, die «in solcher Thron wechsel finden Würde, annehmen müßt«. Parlament unä Wahlprüfung. (Von unserem Berlin« - Mitarbeiter.) Zu den Aufgaben, di« dem R«ich»1ags bei feinem Wiederzufammentritt unterbreitet «erden, gehört n, «, auch der Antrag, den der nationaMberale Abgeownete vanCal- k er, der Straßburg« Schaat-rechwlehrer, angeregt hat, di« Wlchlprüfungen künftig dem Reichstag« selbst ahzunchmen und st« der ordentlichen Rechtsprechung«» über- weisen. Unter allen Entscheidungen de» künftigen Session», abschnitte» wird die Debatte üb« dies« Frage ohn» Zweifel etm besondere Bedeutung haben, da sie ebensosehr da» An sehen und die Machtfülle de» Parlament» betrifft, wie sie andrerseits den Parteien eine unter Umständen recht scharfe Waffe entwinden könnt« — man denke an di« schwache Linksmehrheit im jetzigen Reichstag oder an di« zweifelhaf ten Majoritäts-Verhältnisse in der württemvergischen- Kam- merl Endlich und nicht in letzt« Linie handelt «» sich um eine Frage der Gerechtigkeit und die ist bekanntlich aus keinem Gebiet so schwierig zu lösen wie gerade auf dem d« Parteilichkeit. Alle diese Beziehungen sichern der Talker- schen Anregung «in erhöhte» Interest«. Der Abgeordnete spricht dabei selbst schon sozusagen au» eigen« Erfahrung, denn er kann aus die Bestimmung der neuen elsässischen Ver fassung Hinweisen, nach der die Wahlprüfungen nicht dem Landtag, sondern dem Colmarer Oberlandeegericht zur Be handlung gegeben werden. Der zum Zentrum gehörige be kannte Oberlande»g«tchtsvat Marz au» Düsseldorf findet eine neu« Serie der kleinen farbigen Rechtecke anlsgen. Ja, er bracht« es schließlich zu ein« ganz richtigen Börse, bet der die Werte mit allen möglichen Schikanen in die Höhe ge. trieben 'wurden. Die Sensation bildete das Erscheinen eines Marken. Zyklus von etwa zweihundert Wintersportplätzen. Die Kur« direkttonen hatten die bekanntesten Zeichn« für diese Klein kunst gewonnen, die eindringlich di« allgemeine Aufmerk, samkeit euf mondatne und auch noch nicht mondaine Platze der süddeutschen Gebirgslandschaft richten sollte. Dreimal selig, wer die ganze Serie ohne Lücke sein eigen nannte! Ms jetzt durfte diesen Ruhm nur «in klein« Buchhändler in ein« Dorstadt für sich in A"'piuv ^-ymen, der ttu seinen Schatz nicht mehr und nicht wenig« al» ein Zehnmarkstück verlangte. Und auf diesen Schatz resp. auf die geforderte Summe konzentrierte sich Fritz Angerstein» ganze Sehnsucht. Den Eltern durste er mit «in« Bitt« um so viel Geld, sei es selbst al» Weihnachtsgeschenk im voraus, nicht kommen. Vielleicht, wenn er heimlich einem etwa» auf den Kopf ge fallenen Sextaner Nachhilfestunden (ä 7V Psg.) geben würde? Der Zufall machte alle UeLerlegungen in dieser Richtung überflüssig. War e» denn wirklich möglich, daß man im dämmerigen Nachmittag im Rinnstein einen kleinen Goldfuchs finden und unbemerkt in der Tasche »«schwinden lassen konnte? Fritz Angerstetn zitterte vor Glück. Er wußte, wohin er morgen nach Schulschluß zkr gehen hatte. Der Zu fall liebt e» aber bekanntlich auch, sich setne»gletchen zu suchen. Und so kam es, datz Nechttmnwatt Angerstein am nächsten Mittag gerade in j«n«r Straße dieser Vorstadt geschäftlich zu tun hätte, wo besagt« Buchhändler sich nur für schweren Mammon von einer bestimmten Kostbarkeit trennen wollte. D« Vater ahnte schon lang«, datz Fritzen» Unruhe ihren Ur sprung in d« neuen Leidenschaft hatte, di« hoffentlich bald von einer neueren, ab« harmloseren abgelüst wurde. Natürlich ging der Junge, der sich völlig unbeobachtet wähnte, in d«n bewußten Laden. Kurz entschlossen betrat der Rechtsanwalt den nächsten Zigarrenladen, hob den Hörer de» Telephon» an sein Ohr und «bat die Verbindung mit d« Buchhandlung, in der sein Sohn augenblicklich wahr- scheinlich sein Taschengeld recht unnötig für di« aktuellsten Reklamemarken anlegte. Bitte rufen Sie doch mal den Quartaner Angerstetn an» Telephon I sagt« der Rechts, anwalr mit listigem Lächeln. Und dann: Ja, Fritz, bist du da? Ach, ich wollt« dich nur fragen, wann Ihr eigentlich Euren nächsten deutschen Aussatz abttefern müßt. Papa, Papa, ja, nein, Papa, stotterte der Schüler in purpurner Verlegenheit, aber wo bist du denn eigentlich? Zu Hause bist du? Ja, ab« woher weiht du denn, daß ich just hi« bin? Frmag brauchen wir den Aussatz erst abzugeben. Ich bin in zehn Minuten bet dir. Ich wallte hi« nur einhz« Reklamemarken Umtauschen. Rechtsanwalt Angerstetn erfuhr nie, warum sich plötzlich die neue Leidenschaft feines Herrn Filius so üb« Nacht sozu sagen abgeflaut hatte; jedenfalls vermutete er nicht km ge ringsten, daß Anlaß hierzu sein telephonisch« Anruf gewesen, über den « sich hernach sogar noch einige gelinde Gewissens skrupel machte. Wie, wenn « den Jungen mit dem Trick doch etwa» gar zu sehr erschreckt hätte! Tatsache war jeden falls, daß Fritz Angerstein feine Sammlung von Reklame- marken plötzlich auflöst«, sie gegen Bücher allmählich ein tauschte und seinem Klassenlehrer den Fund eine» Zehnmark stücke» anzetgt«. Das offiziell« Lob, da» ihm hierfür in Gegenwart der ganzen Klasse zuteil wurde, beschämte ihn auf da» tiefste, setzte ihn ab« zugleich in den Augen gewiss« Mitschüler wieder heraL. Ich hab'» ja immer gesagt, der Angeqtetn ist eine zu blödsinnig« Kuh! HSttst du denn da» Dewe abgelteferk? Ich nicht in di» Wie! meinte der UM- mu» d« Klasse verächtlich. Der Streb« wird'» noch mal zu wa» -ringen. Du, habe ich dir schon meine neuen Re klamemarken gezeigt? So fein« habt Ihr all« nicht zu sammen!