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WM« w MM Erscheint wöchentlich dreimal u. zwar Dierig tag;, Donnerstag und sonnabends. Bezugspreis viertel), j Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen s N7k. 35 Pf. Einzelne Nummern > 0 Pf. WrE Men, Mealeha Md die UmMM. Kmtsbluü Inserate werden Montags, Mittwochs »M freitags bis spätestens Mittags j2 Uhr angenommen. Insertionspreis f O pf. pro dreige» spaltens Lorpuszeile. für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Druck und Verlag von Martin Berger in Firma H A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst. No. 8. Sonnabend, den 18. Januar 18SS. Bekanntmachung. Sonnabend, de« 18. dieses Monats, Abends von . 8 Uhr ob, zum LSjährige« Jubiläum des Deutschen Reiches, soll laut Beschluß des hiesigen StudiacmeiuderukheS im Hotel zum Löwe« hier ei« Festcommers mit Rede, Gefang und Musik, unter gütiger Betheiligung der hiesigen Gesangvereine und Mitwirkung des ganzen Stadtmusikcorps, abgehalten werden. Indem wir solches hiermit znr öffentlichen Kenntniß bringen, laden wir Damen und Herren dazu freundlichst ein. Wilsdruff, am 11. Januar 1896. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. Ami* s8. Januar. Fünfundzwanzig Jahre sind heute seit der Wicderaufrichtung des deutschen Reiches vergangen. Wir feiern somit heute einen nationalen Gedenktag von höchster Wichtigkeit. Im Geiste haben wir während der letzten Monate noch einmal die großen herr lichen Thaten unseres Volkes von l870und 71 durchlebt, und unser Herz erwärmt an der Begeisterung, der Thatkraft, dem freudige» Muthc und dem unerschrockenen Wagen jener großen Zeit. H-'ut nun feiern wir den Tag, an welchem König Wil helm von Preußen in dem alten französischen Königsfchlosie zu Versailles, umgeben von den deutschen Fürsten und Heerführern und den Deputationen der vor Paris liegenden Regimenter, als deutscher Kaiser begrüßt wurde. Das, was seit Jahrzehnten das Ziel der Sehnsucht unseres Volkes in Liedern besungen, in Thaten vorbereitet hatten, es war nunmehr Wahrheit geworden. Nun ward in Eins geschmiedet Was eitel Stückwerk war, Nun liegt das Reich umfriedet Vor Arglist und Gefahr. Vom Alpenglühn zum Meere Vom Haff zur Mosel weht Das Banner deutscher Ehre In junger Majestät. Das deutsche Reich war nicht mehr ein Traum, nicht mehr auch ein »geographischer Begriff"; es war Wirklichkeit geworden. In voller Jugendschöne trat es plötzlich gewappnet und bewehrt in der Völker Mitte und forderte die erste St'lle im Völkerrath für sich; und niemand wagte sie ihm streitig zu machen. Herrliche Worte waren es, mit denen Deutschlands neu gekürter Kaiser seine Botschaft „An mein Volk" vom 18. Januar 1871 schloß. Da heißt eS: „Uns und unsern Nachfolgern in der Kaiserkrone wolle Gotte verleihen, allezeit Mehrer des Reiches zu sein, nicht kriegerischen Eroberungen, sondern in Werren des Friedens, auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung." Die ersten fünfundzwanzig Jahre hat das junge Reich be standen, und zum Thell hat sich der kaiserliche Wunsch erfüllt. Die Waffen Haden geruht während dieser Zeit; es ist Friede gewesen, freilich ein in Waffen starrender Friede, der, wie die Germania auf dem Niederwald das blanke Schwert stets drohend empor halten mußte, um die Ruhe zu bewahren. Indessen mehrt sich bei den Völkern Europas, wie es scheint, mit der Dauer des Friedens auch die Liebe zum Frieden, und wenn alle von dem redlichen Willen, Frieden zu halten, beseelt sind, so droht unserem Reiche nach dieser Richtung hin keine Gefahr. Allein bedenklicher steht cs auf der anderen Seite aus, welche dis kaiserliche Botschaft berührt; auf „dem Gebiet der nationalen Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung" sind seit der Begründung deutschen Reiches jedenfalls keine Fortschritte gemacht. Stillstand allein würde hier aber schon Rückschritt sein und uns will bedünken, als ob wir auf manchen Gebieten den Rückschritt llwfoar vor Augen hätten. Das ist eine traurige Erkenntniß deut an diesem Ehren- und Jubeltage des deutschen Reiches; und wir fragen uns mit Recht: wohin gerathen wir, wenn dem Verderben nicht Einhalt geboten wird? Wie aber soll das ge schehen? Nicht mit Anwendung äußerer Gewalt — Gewalt ruft Gewalt hervor — nicht durch Knechtung des freien Sinnes —: „vor dem Sklaven, wenn er die Kette zerbricht, vor dem freien Manne erzittere nicht." Nein hier hilft nur ein kräftiger Ausbau. Von innen heraus muß das Reich noch einmal ge gründet werden in Gottesfurcht, Ehrbarkeit, Sitte, Treue und Bruderliebe. So wird uns dieser Gedenktag zugleich zu einer ernsten Mahnung, die uns mit den Worten des Sängers zuruft: Ihr in Schlößern, ihr in Städten, Welche schmücken unser Land, Ackersmann, der auf den Beeten Deutsche Frucht in Garben band; Traute deutsche Brüder, höret Meine Worte alt und neu: Nimmer wird das Reich zerstöret, Wenn ihr einig seid und treu! Tagesgeschichte. Zum 25. Geburtstage des deutschen Reiches. Die mannichfachen patriotischen Festlichkeiten, welche Deutschland schon seit langen Monaten nn 25jährigcn Gedenken an die große Zeit feiner nationalen Erhebung gegen das übermüthige Frankreich begehen durfte, erfahren mit der Feier des 18. Januar ihre erhebende und würdige Krönung. An diesem Sonnabend vollendet sich ein Vierteljahrhundert seit dem Bestehen des neuen deutschen Reiches sind fünfundzwanzig Jahre verflossen, daß der siegreiche Preußenkönig Wilhelm I. im historischen Spiegelsaale des Schlosses zu Versailles inmitten der glänzenden Versammlung der deutschen Fürsten, Staatsmänner und Heer führer zum deutschen Kaiser ausgerufen wurde! Ein einziger gewaltiger Jubelruf glühendster Begeisterung ging damals durch die deutschen Lande, als die Kunde von diesem hochbedcutsamen Ereignisse bekannt wurde, denn nunmehr war das Ziel der Sehnsucht, die durch viele Jahrzehnte hindurch alle deutfch- sühlcndeu Herzen erfüllte, erreicht, war das nationale deutsche Kaiserreich unter dem Szepter der Hohenzollern herrlich und glanzvoll erstanden. Wohl hatte es zur Gewinnung dieses kostbaren Gutes erst jener anfangs so vielfach geschmähten Bcsmarck'schen „Blut"- und „Eisenpolitik" bedurft, welche auf den Schlachtfeldern Schleswig-Holsteins anhob und durch die Wirren des deutschen Bruderkrieges hindurch zu dem gewaltigen Kampfe Alldcutschlands wider den wälschen Erbfeind führen sollte, aber inzwischen ist man ja längst in allen einsichtsvollen Krisen unseres Volkes zu der Ueberzeugung gelangt, daß eben nur mit dem Schwert die so lange erstrebte deutsche Einheit errungen werden konnte. Und als im Jahre 1870 die Söhne aller deutschen Stämme begeistert in den Krieg gegen Frank reich zogen, da flammte gleich zu Beginn des großen Völker- ringenS das Bewußtsein in den deutschen Herzen mächtig auf, daß dies ein Kampf um die edelsten und heiligsten Güter Deutsch lands werden sollte. Wohlan, über alle Maßen herrlich ist solche Erwartung in Erfüllung gegangen, auf den blutgetränkten Schlachtfeldern Frankreichs reifte das Werk der nationalen und Politischen Wiedergeburt Deutschlands seiner äußerlichen Voll endung entgegen, die dann der 18. Januar 1871 mit dem ewig denkwürdigen Vorgänge im Versailler Schlosse brachte, worauf der Frankfurter Frieden Elsaß und Lothringen zewisser- maßermaßen als Morgengabe für das junge Kaiserreich wieder mit dem deutschen Mutterlande vereinigte. Seit dem Tage von Versailles sind nun die ersten fünfundzwanzig Daseins jahre für das deutsche Reich der Hohenzollern dahingerauscht, reich an mannichfachen Wendungen und Ereignissen für da« neue Staatengebilde, tiefe Stürme sind in dieser Zeit über dasselbe hinweggebranst, heftig ist im Laufe der Jahre der Streit der Meinungen und der Kämpfe der Parteien im deutschen Vaterlande entbrannt, eine gährende wogende Zeit. Auch blieben dem neugeeinten Reiche tiefschmerzliche Verluste nicht erspart, der kaiserliche Begründer desselben und sein edler Sohn gingen in das Land der Schatten ein, auch der geniale Stratege, dessen Feldherrnkunst das neue Reich erst mit erringen half, weilt längst nicht mehr unter den Lebenden, wie denn überhaupt der Kreis der noch lebenden verdienten Männer, die am Baue deS neuen Deutschlands mitgewirkt, immer kleiner geworden ist. Noch gehört ihm der greise Baumeister der deutschen Einigkeit an, aber nicht mehr umkleidet den großen Mann die Kanzler- würde, in der Zurückgezogenheit des Sachsenwalbes, fern den Staatsgeschäften, verbringt er den stillen Abend seines vielbe- wegten Lebens. Bangend mag sich Fürst Bismarck manchmal seit seiner Amtsniederlegung gefragt haben, ob denn auch das herrlichste Werk seines Lebens Bestand haben werd-, angesichts der Spaltungen, Wirren und Kämpfe im Reiche gerade während der letzten Jahre und die gleiche Sorge wird gewiß auch so manchen Patrioten außer ihn r.och erfüllt haben. Sollen wir aber heute, am 25. Geburtsfcste des Reiches, wirklich düster und zagend in die weitere Zukunft schauen? Nein und aber mals nein, denn noch wohnt dem deutschen Reiche eine un endliche Lebenskraft inne und noch lebt in der großen Mehrzahl unseres Volkes der nationale Gedanke mächtig fort, mögen ihn gleich hin und wieder dunkle Schlacken überdecken. Und nach außen steht Deutschland nach wie vor hochangesehen und ein flußreich da, noch immer der wahre Hort des Völkerfriedens Europas, besten Erhaltung sich auch Kaiser Wilhelm II. zum obersten Ziel gesetzt hat, getreu den Ueberlieferungcn seines kaiserlichen Großvaters. Sollte aber das deutsche Schwert dennoch wieder einmal gezogen werden wüsten, dann wird es sicher wiederum nur zur Abwehr frevelhaften feindlichen An griffes geschehen — hoffentlich werden jedoch unserem Vater lande auch fernerhin noch lange Friedensjahre beschieden sein, welcher Wunsch das Reich in das zweite Vierieljahrhundert seines Daseins hinübergeleiten möge. Der Kaiser empfing am Sonntag Nachmittag den Professor Röntgen aus Würzburg, welcher die Ehre hatte über die von ihm gemachte sensationelle Entdeckung — Photo graphien durch Holz und andere Stoffe hindurch mittelst einer neuen Lichtart — dem Monarchen einen längeren Vortrag halten zu dürfen. Demselben wohnten auch die Kaiserin Viktoria Auguste, die Kaiserin Friedrich, Kultusminister Or. Bosse, Kabinetsrath Or. v. Lucanus und Generalarzt Prof. Or. Leut hold bei. Der Kaiser bekundete das lebhafteste Interesse an den Erläuterungen des genannten Würzburger Gelehrten und überreichte ihm nach Schluß des Vortrages persönlich den Kronenorden 2. Klaffe. Später wurde Professor Röntgen auch zur kaiserlichen Abendtafel herangezogen.