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Vorgtlän-rscher Anzeiger« Siebenundsechszigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Jährlicher AbonnementspreiS für dieses Blatt, auch bei Beziehung^ ^xch die Post, 1 Thlr. 6 Ngr. — Die JnsertionSgebühin werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Corpus-Zeile berechnet, größere Schrift nach Verhältniß deS Raumes. — Donnerstag. 48 24. April 18S«. Die italienische Frage Die morgenländische Frage ist kaum von den in Paris ver sammelt gewesenen Staatskünstlern nicht etwa endgillig, allseitig befriedigend und mit gerechtem Ansprüche auf Dauer gelöst, sondern nur aus dem Gröbsten und Nothdürftigsten umgangen, vertagt, bruchtheilig beantwortet, so schiebt sich schon eine andere, die ita lienische, unabweißbar in den Vordergrund. Wenn Spanien seit 20 Jahren kocht und gährt und nicht zu Frieden und staatlicher Gestaltung kommen kann, so leidet wohl schwer darunter das span. Volk, aber die geographische Abgeschlossenheit der Pyrenäen-Halb insel gestattet ihren Völkern, sich zerfleischen und verbluten zu dürfen, ohne daß die Gemeinsamkeit der Interessen und der Zusammenhang mit anderen Staaten letztere zur unmittelbaren Mitleivenheit zieht. Anders stehts mit Italien, dieser ewig eiternden Beule am mittel europäischen Staatenkörper. Hier begegnen sich, wie seit vielen Jahr hunderten, heute noch zwei der mächtigsten Staaten unseres Erd- theils, Oesterreich und Frankreich; hier ringen die entgegengesetztesten Grundsätze staatlichen und kirchlichen Lebens auf Tod und Leben-, hier müht das lebendigste nationale Streben nach Selbstständigkeit und Einheit vergeblich sich ab gegen fremde Gewaltherrschaft. Kommt eS in diesem Lanke zu einem politisch-vulkanischen Ausbruch, dann ist Mitteleuropa und Deutschland unmittelbar berührt. Es gilt daher, schars auszumerken, auf alle Vorgänge im Lande, „wo die Citronen blühen und im dunklen Laub die Goldorangen glühen." Gerade jetzt aber zeigen sich dort ziemlich bedenkliche Erscheinungen, deren Ursachen lange, lange schon vorhanden waren, auch während deS morgenländischen Kriegs, aber aufsälliger Weise erst jetzt, nach Beendigung desselben, plötzlich hervonreten und Beachtung sinken. Da hat nun in diesen Tagen der Vorsitzende im sardinischen Ministerrathe, Graf Cavour, dem Kaiser Napoleon eine Denkschrift übergeben, worin er auseinandersetzt, was schon längst alle Welt, Kaiser Napoleon auch, gewußt hat, daß Neapel einer bessern Re gierung bedarf, daß die Verwaltung im Kirchenstaat äußerst wün- schenSwerther Weise aus den Händen der Geistlichen an Nichtgetst- liche übergehen, das franz, bürgerliche Gesetzbuch eingeführt, gleichere, bessere Vertheilung der Abgaben ins Werk gesetzt, seine eigene Stellung zu Oesterreich wieder auf bessern Fuß gebracht werden möchte. Dahinter steckt aber auch noch ein schlecht verbissener Groll gegen die Besetzung Mittelitaliens durch die Oesterreicher, wie gegen die Herrschaft Oesterreichs in Italien überhaupt, ein unverhalmer Wunsch nach Aufhebung der weltlichen Herrschaft des Papstes, nach nationaler Selbstständigkeit und Einheit Italiens und — Ver größerung für Sardinien. Daß ein Mittelstaat, wie Sardinien, jetzt mit solchen Vorschlägen hervottritt, ist bemerkenswerth; schwerlich geschieht dich ohne stanz, und cngl. Rückenhalt. Die Oesterreicher nehmen die Sache auch nicht leicht, sondern schieben Truppen in- Parmesanische an die Grenzen von Sardinien vor; die Sarden thun ein Gleiches an der österreichischen Grenze und erwarten nur ihre Krimtruppen, um dieses Demonstrationscvrps auf eine respektable Stärke zu bringen. Die Aufregung in Mittelitalien ist wieder ein mal größer, als je, Meuchelmorde und Verhaftungen in Masse sind an der Tagesordnung. Schwerlich ist dich Alles bloßer Zufall; so lange man der Oesterreicher gegen Rußland bedurfte, rührten sich wohl, wie immer, die Mazzinisten, aber nicht Sardinien; woher an diesem Staate diese plötzliche Fürsorge für die italienischen Nach barn? — Wir haben für nöthig gehalten, unsere Leser auf die Erscheinungen jenseits der Alpen ausmerksam zu machen, auf die gewöhnlich sogenannte italienische Frage, d. h. die Frage: Wie ist e- möglich, die bestehenden Regierungs- und Staatenvrrhältnisse in Ita lien mit den fast allgemeinen Wünschen der Italiener nach nationaler Selbstständigkeit, besserer Gesetzgebung, Verwaltung und Verfassung in Einklang zu bringen? Uns scheint, der Oedipus, der dieses Räthsel lösen wolle, müsse erst noch geboren werden. — Zeitungen Sachsen. Dresden, 19. April. Der österreichische Mini ster des kaiserlichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten, Graf Buol-Schauenstein, wird heute aus Paris hier erwartet. Aeußerm Vernehmen nach gedenkt derselbe einen Theil des morgen den Tages hier zu verweilen und sodann die Reise nach Wien sort- zusetzen. Leipzig, 16. April. Die Nachrichten von der Messe lauten fortwährend günstig. Tuche wurden sämmtlich verkauft und die Fabrikanten nehmen noch große Bestellungen mit nach Hause. Auch in andern wollnen Artikeln, Flanelle aus Glauchau und Meerane, Thibets, Merinos, Seidenwaaren (nach Rußland und dem Orient) war der Verkauf bedeutmd. Für sächsische Modestoffe, besonder- in den» beliebten Artikel Porl cke etrevrv, war die Messe durch gehend sehr gut. Die wenigen Vorräthe reichten bei Weitem nicht aus. Lemene und baumwollene Zeuge wurden vollständig geräumt. Leipzig, 18. April. Gestern Abend wurde die unverehelichte Charlotte T. — aus Großlissa, 56 Jahre alt, im sog. Gohliser Bauernholz in der Elfter todt aufgefunden und polizeilich aufge hoben. Die Verstorbene, welche hier wohnte und sich in guten Verhältnissen befand, hat in einem Anfall von Melancholie den Tod freiwillig gesucht. Preußen. Die Zeit meldet aus Stettin: Vorige Woche trat hier eine Christin zum Judenthum über und wurde demnächst von dem Rabbiner Herrn vr. Meisel in der hiesigen Synagoge mit einem Juden „ehelich" verbunden.