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lKWrFiyeiqer und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Braud. Verantwortlicher Redaktenr Iuliu» Brann in Freiberg. erscheint Mn Wochentag Abends s Uhr für dm andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2b Pf., zweimonatlich 1 M. bO Pf. u. eimnouatl. 7b Pf. 3L. Iahrga»^ - . Donnerstag, den 24. MSrz. Inserate werden bi« vormittag» 11 Uhr angenom- n QQ^ ! mm und beträgt der Drei» für die gespaltene Zeil« I l oder deren Raum 1b Pfmnige. AboullMtuts-Eiuladullg. E Indem wir das geehrte Publikum zum Abonnement auf das mit dem 1. April beginnende 2. Quartal des „Freiberger Anzeiger vvd Tageblatt" höflichst einzuladen uns erlauben, bitten wir, die Bestellungen auf das Blatt rechtzeitig machen zu wollen, damit wir vollständige Exemplare liefern können. In Freiberg selbst werden Bestellungen angenommen: in der LupeSttt«»», Rinnengafse 96^., und den nach genannten Ausgabestelle«: »LvLvi, Meitznergaffe, »«in-iinmi»», Auuabergerstratze, » Ecke der ilutzereu Bahnhosstratze, (früher Neuber L Engelschall Nachf.) Erbifchestratze, an Stelle von Bruno Herrmann, welcher Ende dieses Quartals die Ausgabestelle frei willig niederlcgt, I» lLrvtvKemet«», Qbermarkt, 8t«i-»«i-,Weiuaaffe «ud kleineBorugaffe, > UV. Reugaffe. Auswärts bei: UvIKZIx Zu»., Kaufmann in Grbisdorf, für Brand, Erbisdors, Linda, St. Michaelis. LckuarÄ Lnt»8»K, Einnehmer, für Obers und Rieders La«ge«a« und KleivhattmimuSdorf. Lriosl Gemetndevorstand in Halsbrückt, für Halsbrücke, Conradsdorf, Krummenhennersdorf, Sand und Tuttendorf. Lckumrckl Schnittwaarenhändler in Laugs heunersdorf, für Langhennersdorf und Seifersdorf. Außerdem nehmen sämmtltche kaif. Postanstalten Be stellungen an. Der Abouuemeutspreis beträgt pro Quartal 2 Mark 25 Pf. Inserate finden durch den „Freiberger Anzeiger und Tageblatt" die weiteste Verbreitung und betragen die Gebühren für die Spaltzeile 15 Pfennige Die Expedition des „Freiberger Anzeiger." Grevy und Gambetta. In Frankreich beherrscht augenblicklich die Frage der Wahlreform das gesammte politische Interesse. Ob die sogenannte Listenwahl cingeführt, oder das bisherige Wahlverfahren beibchalten werden soll, darum dreht sich zur Zeit ausschließlich die Debatte. Die Frage gewinnt dadurch erhöhte Bedeutung, daß bei dieser Angelegenheit die beiden maßgebenden Männer der Republik, Grevy und Gambetta, einander gegenüber stehen. Grevy ist Gegner der sogenannten Listenwahl, Gambetta befürwortet dieselbe auf das Eifrigste. Nach der Entscheidung, welche in dieser Frage getroffen wird, kann man beurtheilen, in welcher Richtung der französische Staatswagen sich künftighin bewegen wird. Der Kernpunkt der Angelegenheit und alles das, was unter allen schönen Phrasen verborgen die Stellungnahme für und wider in Wirklichkeit beeinflußt, wird am besten klar, wenn man sich vergegenwärtigt, daß bei der Listen wahl die Mitglieder der Deputirtenkammer nach Departe ments, bei dem bisherigen Wahlverfahren aber nac Arrondissements gewählt wurde». Bei dem jetzigen Wahl verfahren bestehen also nur kleine Wahlbezirke und jeder Wähler giebt seine Stimme nur für einen Kandidaten ab; bei der Listenwahl sind die Wahlbezirke groß, der Wähler giebt seine Stimme für mehrere Kandidaten ab, und diejenigen Kandidaten, welche in dem ganzen Depar tement die meisten Stimmen erhalten haben, gelten als gewählt. Der Unterschied leuchtet ein. Bei dem bisherigen Wahlverfahren kann auch die Minorität der Wähler eines Departements zur Geltung kommen; sie kann wenigstens in dem einen oder anderen Wahlkreise, in welchem st am stärksten vertreten ist, einen Kandidaten durchbringen. Bei der Listenwahl aber wird die Minorität eines De partements einfach mundtodt gemacht, denn die Mehrheit der Wähler des ganzen Departements giebt den Ausschlag, mag sich auch in dem einen oder anderen Arrondissement eine ganz kompakte und zahlreiche Partei im Gegensatz zu den Wählern des anderen Arrondissements befinden. Hiernach hält es nicht schwer, zu begreifen, warum denn eigentlich Gambetta so energisch auf das Listen- skrutinium und die Departementswahl zusteuert. Die un bequemen Querköpfe in den Winkeln der Departements werden unschädlich gemacht, die Majoritäten der großen Städte sind ausschlaggebend, die ganze Wahlagitation wird einfacher und bequemer, denn Alles liegt dann in den Händen der leitenden Parteimänner. Man denke nur, wenn in einem Departement zehn besondere Wahl- rcise vorhanden sind, von welchen jeder seinen eigenen Deputirten wählt, so können natürlich in jedem einzelnen Wahlkreise die örtlichen Einflüsse bei Ausstellung des Kandidaten zur Geltung kommen. Werden aber durch das ganze Departement zehn Dcputirte in einem und demselben Wahlakt gewählt, so sind cs nicht die örtlichen Wahlkörper, welche die Kandidaten auswählen, sondern es ist die Leitung der Partei im ganzen Departement, oder — was in den meisten Fällen noch viel eher cin- treten wird — die mit allen Departcmcntsstädtcn in Ver bindung stehende Zentralleitung in Paris, von welcher die Ernennung der Kandidaten ausgeht. Wer als einzelner Deputirter in seinem Arrondissement gewählt ist, hat eine beständige Fühlung mit seinem örtlichen Wahl körper und eine gewisse Selbständigkeit auch seinen Partei genossen gegenüber. Wer aber mit neun andern Kandi daten von einem Zentralkomitee auf die Kandidatenliste seines Departements gesetzt und mit ihnen zusammen ge wählt ist, der befindet sich in einem gewissen Abhängig keitsverhältnisse seiner Partei gegenüber und geht mit der Parteileitung durch Dick und Dünn. Das also will Gambetta! Das Listenskrutinium ist ihm nur ein Schritt vorwärts zur Erlangung der Allge walt. Eben deshalb aber widerstrebt ihm Grevy, der ehrliche Republikaner, welcher wohl weiß, daß diese Listen wahl durchaus nichts Republikanisches an sich hat, weil es die Minderheiten vernichtet, die Wählerschaften in die Hände der Agitatoren giebt und die gewählten Abgeord neten von den Parteiführern abhängig macht. Gambetta hat's von Napoleon HI. gelernt, welcher sich nicht einmal bei den Departements aufhiclt, sondern über seinen Staatsstreich sogar durch das ganze Land abstimmen ließ. Eben jenes Vorbild aber zeigt, daß Gambetta munter dabei ist, Frankreich dem Cäsarismus, allerdings einem republikanisch augestrichenen, in die Arme zu treiben. Das Land hatte jetzt seit einiger Zeit Ruhe. Seitdem Graf Chambord den rechten Augenblick verpaßt, die Orleans durch ihr furchtsames Schwanken jeden Halt in der öffentlichen Meinung verloren, die bonapartistische Partei in voller Auflösung begriffen ist — giebt es für Frankreich nur noch einen gefährlichen Feind zu bekämpfen. Allerdings ist derselbe, weil er gleich dem Holzwurm von Innen herausbohrt und den stolzen Bau der Republik nach und nach unterwühlt, in gewissem Sinne bedenklicher, als der lärmende Generalsturm der alten Parteien, dem man in Wehr und Waffen gegenübertritt. Es ist eine durch und durch antirepublikanische Tendenz, nach wie vor einzelne Individuen die erste Rolle spielen zu lassen und rein sachliche Fragen dadurch zu verbittern, daß man sie zu Personal-Angelegenheiten zuspitzt. Dies aber hat Gambetta mit seiner Wahlreform-Jntrigue gethan. Tagesschau. Freiberg, 23. März. Den ersten Glückwunsch zum gestrigen Geburtsfeste des Kaisers brachte ein Telegramm aus Petersburg vom neuen Czaren Alexander III Kaiser Wilhelm war kör perlich so wohlauf wie je und fühlte sich durch die Um- zebung seiner engeren und weiteren Familie augenscheinlich im Innern gehoben. Die Reihe der Beglückwünschenden ergeht sich seit Jahren in einem bestimmten Turnus; zuerst empfängt der Kaiser, nachdem er in seinen Gemächern erschienen, die Glückwünsche des Leib- und Hausdienstes, auch die des Geh. HofratheS Bork und begiebt sich dann nach oben in die Gemächer der Kaiserin. Hier erschien gestern der Kaiser kurz nach 9 Uhr, empfing die Gratu lation der hohen Gemahlin, nahm mit ihr oas Frühstück ein und so kam die Zeit heran, wo gegen 10 Uhr die engere Familie der Majestäten erschien, an ihrer Spitze der Kronprinz und die Kronprinzessin mit Prinz und Prinzessin Wilhelm, Prinz Heinrich, den Prinzessinnen Viktoria, Sophie, Margarethe, der Erbprinzcssin von Sachsen-Meiningen, dem Erbprinzen von Sachsen- Meiningen und der 2'/, jährigen Prinzessin Feodora. Mit diesen Herrschaften waren Prinz und Prinzessin zu Schleswig-Holstein gekommen. Mit der Familie des Sohnes vereinigte sich die der Tochter, der Frau Groß herzogin von Baden, der Großherzog und die Groß herzogin, der Erbgroßhcrzog, Prinzeß Viktoria und Prinz Ludwig von Baden. Hier war der Moment, wo der kaiserliche Herr von seiner Gemahlin und den Seinen an den Geburtstagstisch geführt wurde, der im rothen Au- dienzzimmcr aufgebaut und mit kostbaren Geschenken be deckt war, die zum großen Theil aus Kunstgegenständen bestanden. — Der Kronprinz ist gestern Nachmittag 5 Uhr mittels Extrazuges mit dem bekannten Gefolge nach Petersburg abgercist. — Offiziös wird geschrieben: In mehreren Blättern wird in Bezug auf die zur Zeit statt findenden Verhandlungen behufs Abschlusses eines Han delsvertrages zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn die Mitthcilung gemacht, daß die Dclegirten des letzteren Reiches nur den Vorschlag zu unterbreiten hätten, für den zur Zeit giltigcn Meistbegünstigungsvertrag eine Prolon gation zu erstreben; daß seiner die Verhandlungen schon jetzt dargcthan hätten, daß ein Vertrag überhaupt nicht zu Stande kommen werde. Man wird die Verhandlungen doch erst in ein weiteres Stadium treten lassen müssen, um Angaben, die mehr als Vermuthung sind, machen zu können. Was den ersteren Punkt betrifft, so sind vielmehr bestimmte Tarifpositionen u. s w. seitens der österreichisch- ungarischen Kommissare in Vorschlag gebracht. Es ist ein schönes Ding um freie und unbeschränkte Debatte, und wer's abwarten kann, wird schließlich wohl immer erleben, daß die Wahrheit endlich doch, trotz aller Widersacher, zum Siege kommt. Aber lange dauert's manchmal, und der Ungeduldige kann leicht daran ver zweifeln, daß aus all dem Dcbattiren und Streiten, bei welchem so viel Jrrthum und Unkenntniß, wohl gar auch böser Wille sich einmischt, schließlich etwas Ersprießliches, Gutes und Wahres herauskommen soll. Nirgends fast sind aber solche Stoßseufzer über die Schattenseiten solcher Debatten, an denen sich Jeder, der die nöthige Portion Unverfrorenheit besitzt, beteiligen kann, mehr angebracht, als bei der Diskussion der wirthschastlichen Fragen, welche jetzt auf der Tagesordnung stehen. Denn so viel Overflächlichkeit, Unkenntniß und Leichtfertig keit ist wohl selten zu Tage gefördert worden, als man bei der Lektüre der Zeitungen jeden Tag schwarz auf weiß gedruckt antreffen kann. Die Nationalökonomen wachsen heutzutage wie die Pilze aus der Erde; Jeder, der auf irgend ein Parteiblatt abonnirt ist oder vielleicht gar eine der dutzendweise erscheinenden Broschüren über national-ökonomische Fragen gelesen hat, hält sich für ein national-ökonomisches Licht und glaubt im Spielen Fragen lösen zu können, an deren Erforschung einst scharfsinnige, gewissenhafte Männer ihr ganzes Leben gesetzt haben. Die National-Oekonomie ist eine Wissenschaft, und wissen schaftliche Fragen löst man nicht in Volksversamm lungen und auf offenem Markte, das möchten wir all den wild wachsenden National-Oekonomen zurufen. Sie hat frei lich das Unglück, daß sic so eminent praktische Gebiete berührt, daß sie sich von der Berührung mit den Kämpfen des Tages nicht frei halten kann. Aber mögen die klugen