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Erped. v. ««dakno» DreSdeu-Reuftadt ».Meißner GasseS. Die Zeitung erscheint Dienstag. Dannersta« und Povnadend fr^h. »»»NUNN ent»- älhsische DeechnluV Inser a t e werden bis Momag, Mittwoch u. Freitag Mtttag angenommen und kosten: dieispalt. Zeile 15 Pf. Unter Eingesandt: 30 Pf. Lasernteu- Pretdr WrriellShrl. M. 1^0. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post» «nstalten und durch unsere Boten. Hei freier Lieferung WS Hau- erbebt die Post noch eine Ge« hühr von 25 Pfg. Lin unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrmann Müller in Dresden. Anuahmestelcn Die Arnoldtsche Buchhandlung, Juvalidendant, HaasensteinL Vogler, Rudolf Moste, G. L. Daube « To. iu Dre-den, Leipzig, Hamburg, Berlin, Frankfurt a/M. u. f. «. Mr. 147. Donnerstag, den 15. December 1881. 43. Jahrgang. Polittschk WeMchau. Deutsches Reich. Da die Beilegung deS Kulturkampfes nach wie vor als das Ziel der Regie- rungSpolitik hingestellt wurde, mußten die eifrigen Be mühungen der Konservativen daö Mißverständniß zwischen dem Kanzler und dem Centrum zu beseitigen, einen Er- folg haben. Das Resultat dieser Bestrebungen ist nun ! in der am Montag stattgefundenrn Sitzung der Ham burger Zollanschluß-Kommission überraschend an daS Tageslicht gelangt. Für die Regierungsvorlage, welche von den liberalen Mitgliedern bekämpft wurde, traten mit den Konservativen die Mitglieder deS CentrumS ein. Bei der Abstimmung über die Frage der Bewilli gung des ReichSzuschusses von 40 Millionen erfolgte die ! Bewilligung mit 11 gegen 2 Stimmen, dafür stimmten Centrum und Konservative, dagegen der «elfische Abg. ! r. Wangenheim und der Vorsitzende der Kommission, ! Dr. Bamberger, während die acht liberalen Mit glieder, Lasker, Vr. Barth, Sandtmann, Haenel, z Karsten, Meser (Bremen), Büsing und Or. Meyer (Jena), sich der Abstimmung enthielten. Den h 2 des Haenel'schen Antrags, durch welchen der BundeSrath erst gesetzlich ermächtigt werden sollte, die Verlegung der Zollgrenze nach der Unterelbe vorzunehmen, brachte die konservativ klerikale Mehrheit zum Fall,^, dagegen fand der Antrag, daß der Art. 34 der Reichsverfassung auf daS künftige Freihafrngebiet Hamburgs fortdauernd Anwendung behalten solle, einstimmige Annahme. Bei der ganzen Verhandlung zeigte sich ter in letzter Zeit von den Organen der Reichsregierung so hart mitge nommene Abg. Windthorst höchst eifrig bemüht, sich der Regierung dienstwillig zu zeigen, daß der Kanzler gewiß überzeugt sein wird, in der vorigen Woche dem Führer der Klerikalen gegenüber die richtigen Mittel angewendet zu haben. Es ist übrigens nur natürlich, daß taS Centrum nicht die Verantwortlichkeit auf sich laden will, die Beilegung des Kulturkampfes zu verzögern. Am Dienstag referirte im Reichstage Abg. Schra der über mehrere Titel des Eisrnbahnverwaltungs- Etats und bekämpfte im Auftrage der Budgetkommission die Umwandlung der bisher etatmäßigen Stellen ver schiedener Unterbcamter in diätarische, indem er darauf hinwies, daß es sich dabei um Beamte handle, welche für die Sicherheit der Eisenbahnen verantwortlich seien. Dagegen führte Geh Regierungsrath Schultz aus, daß es nur die Absicht der Verwaltung sei, die Gehalte der Beamten je nach den Verhältnissen ihres Wohnorts zu bemessen. Der Staatsminister Maybach fügte noch hinzu, daß lediglich das Interesse der Beamten durch ! die Vorschläge der Regierung gewahrt werden solle. Abg. v. Minnigerode erklärte dagegen sein Einve» ständniß mit dem KommissionSantrage, um so mehr, alS er damit den Gegnern der Sisenbahnverstaatlichuvg eine Angriffswaffe zu entwinden hoffe. Nach längerer Debatte wurden die Anträge der Budgetkommission ge nehmigt. Bei der Verhandlung über den Antrag wegen Errichtung eines RrichstagSgrbäukes beschloß das HauS mit Zustimmung deS BundesratheS gegen die Stimmen deS Centrums einmalige Berathung. Abg. Hoffmann berichtete über eine Petition des KommissionsratheS Engel, welcher den Platz des Kroll'schen Etablissements zu einem billigeren Preise anbietet (1,680,000 Mark), als an GrunderwerbSkosten gezahlt werden müßte, wenn man das Reichstagsgebäude auf dem Platze des Raczynski', schen PalaiS errichtete. Abg. Reichensperger meinte, es wäre daS Beste, namentlich bei der augenblicklichen Finanzlage des Reiches, wenn man auf einen monumen talen Bau für den Reichstag ganz verzichten wollte. Wenigstens sollte man die Angelegenheit nicht über stürzen, di nn wer bürge dafür, daß der Reichstag immer in Berlin tagen werde? Das HauS begleitete die Aus führungen des Redners mit vielfachem Gelächter und erhob lauten Widerspruch, als er beantragte, die Vor lage an eine Kommission von 14 Mitgliedern zu ver weisen. Auch der Abg. v. Ludwig körnte sich für ein ReichStagsgebäude nicht erwärmen, denn niemals sei das Reich so uneinig gewesen, wie jetzt. Abg. v. Stauf fenberg empfabl die Annabme der Vorlage, bei der eS sich nickt um finanzielle Rücksichten oder um die Be quemlichkeit der Abgeordneten handle, sondern darum, einen Monumentalbau zu einem Denkmal der deutschen Einheit zu machen. Der Antrag ter Regierung wurde ange nommen; für denselben stimmten die Volkspartei, der Fortschritt, die liberale Vereinigung, die Nationallibe- rolen, ein Lbeil des Cenlrums (e. B. Schröder-Lipp stadt, Majunke u. A.), die Reichspartei und ein Theil der Konservativen. Dagegen stimmten außer der Mehr heit des Centrums etwa 20 Konservative, darunter v. Minnigerode, Uhden, v. Manteuffel, Marcard, Perrot. Der deutsche Kaiser, welcher von der schrecklichen Katastrophe in Wien höchst ergriffen war, ließ sich ein gehenden Bericht über LaS Unglück erstatten und ordnete sofort aus eigener Initiative an, daß in den königlichen Theatern zu Berlin die umfassendsten Bauausführungen sofort in Angriff genommen werden sollen. Nack Ent gegennahme des betreffenden Berichtes begab sich der Kaiser am Montag Nachmittag in daS königliche Schloß, um von dort den König von Sachsen zur gemeinschaftlichen Fahrt nach dem Törlitzer Bahnhofe abzuholen, von wo aas die Abreise zu den Hofjagden bei Königs-Wuster- vausen erfolgte. Anläßlich der Aeußerungen des Abg. Büchtemann über das Reichseisenbahnamt wird fitzt oificiös hervor- gehoben: „um dem ReichSeisenbahnamt eine Verwaltungs» gerichtliche Stellung zu geben, seien Reichsgesetze nöthig, zu ReichSgesetzen aber sei die Zustimmung der verbündeten Regierungen erforderlich. Solche Zustimmung «L e i ernstlich erstrebt, aber versagt worden und in Folge dessen habe sich die Regierungspolitik in Preußen darauf angewiesen gesehen, einstweilen die Grundsätze der Reich-» Verfassung über daS Eisenbahnwesen in Preußen durch Verstaatlichung desselben nach Möglichkeit zur AuSfüh- ! rung zu bringen". — Dem Reichskanzler ist aus Ober hausen nachstehendes Telegramm zugegangen: „300 ver sammelte Mitglieder deS Vereins deutscher Eisenhütten- leute danken Eurer Durchlaucht für die segensreich wirkende Wirtschaftspolitik, welche die Wiederkehr besserer Zeiten für Werke und Arbeiter herbcigrführt i hat." Die „Nordd. Allg. Atg." erklärt die im Zu sammenhänge mit den Vorgängen in der Hamburger : Kommission gebrachten Meldungen der Berliner Zeitungen ! über den bevorstehenden Rücktritt deS KmanzminlsterS i für bloße Annahmen, die auch diesesmal ebenso un^e- : gründet sink, wi? in früheren Fällen. Die unumwundene Aussprache deS KinanzministerS, bezüglich etwaiger Rechte ! fremder Mächte zur Einmischung in innere deutsche Kragen, habe im Gegentheil in allen maßgebcnten Kreisen Billigung und Zustimmung gefunden Oeüterr.«Ungar. AAsvnarerie. In Budapest spielten sich am Sonnabend im Unterhaus« wahrhaft skandalöse Scenen ab. Im Laufe der Debatte über den Auslieferungsvertraz wollte der Abg Otto Herman den KönigSmord nicht mit dem gemeinen Mord auf gleich« Stufe gestellt sehen und in noch taktloserer Weise äußerte > sich der Deputierte Nemeth. Gegen diesc Theorien ver wahrte sich sogar der Führer der äußersten L nken, I anyi, was der Ministerpräsident TiSza als hoLerfreulich be- zeichnete, weil dadurch wenigstens die Annahme entkräftet : würde, alS könnte es im ungarischen Parlamente eine Partei geben, welche den Königkmord in Schutz nehme. Als Abg. Nemeth eine derartige Aeußerung in Abrede stellt«, meinte ter Minister, auch Pilatus habe seine Hände gewaschen, waS auf der äußersten Linken einen fürchter lichen Sturm erregte. Albert Nemeth bezeichnete diese Anspielung als vollkommen in den Mund desjenigen Mannes passend, der sieben Jahre lang auf der Oppo sitionsbank gelogen habe, um dann sechs Jahre lang auf der Ministerbant betrugen zu können. Der Tumult, der nun entstand, läßt sich kaum beschreiben, biß endlich der Präsident Pochy sich Gehör zu verschaffen vermochte und dem Abg. Nemeth in sehr energischer Weise den Ordnungsruf ertheilte. — Der Magistrat von Pest beschloß eine Beileidsbezeigung an die Wiener Gemeinde, die Uebersendung von 2000 Gulden für die Opfer deS l Brandes deS Ring Theaters und die Einleitung von Feuilleton. Tie achte Todsünde. Roman von W. Höffer. l4. Fortsetzung.) Frau Kirchner band ihren Hut fest. „Na, freuen Sie sich nur, Hettchen," sagte sie boshaft, „das beste werden Sie bei der Leichenwäsche ohne Zweifel besorgen müssen. Will nur hoffen, daß nicht noch Gericht und Polizei in'S Wolfram'sche Haus kommen, — man blamirt sich nicht ohne zwingende Gründe vor einer Frau, wie ich bin, so ganz offenbar. Die Kommercien- räthin behütet ein Geheimniß, denkt an mich." Und die Bestürzten rathloS zurücklassend, huschte sie hinaus. II. Während aller dieser Vorgänge entwickelte sich im Hintergründe deS großen Gartens eine Scene ganz anderer Art. Neben den hinter hohen, alten Hecken fast ganz verborgenen Gemüsebeeten ging langsam ein junge- Mädchen und schnitt die ersten frischgrünen Salatstauben. Ihr Anzug war einfach bis an die Grenze deS Aermlichen, ihre Frisur klösterlich und die Schuhe auS derbem Leder, dennoch konnte aber weder der eine noch andere ditser Mängel der ganzen Erscheinung den Charakter echter Vornehmheit irgendwie beeinträchti- gen.' Siegfriede, die Pflegetochter des Wolfram'schen HauseS, war groß und von jener weichen Biegsamkeit der Formen, die dennoch eine schöne Fülle keineswegs ausschließt, ihre Hand und der mißhandelte Fuß klein, wie bei einem verwöhnten Fürstenkinde und das Haar von dunkelgoldigem Glanz, — nur dem Gesicht selbst fehlte der Sonnenschein, welcher erst das Schöne gleich sam zur Geltung bringt. Eine hohe, weiße Stirn, blaue ausdrucksvolle Augen und ein kleiner, zierlicher Mund bildeten das Gesammtbild, dem trotz dieser Vorzüge dennoch alle Lieblichkeit mangelte. Kühle Zurückweisung lag im Blick, in den Mundwinkeln, in jeder Bewegung; wer daS Mädchen unbekannterweise sah, der hätte ge schworen, daß diese Lippen, gleich denen der Königs tochter im Märchen, noch niemals gelächelt, vielleicht sogar, daß sie auch bis an'S Ende nie lächeln würden. Staude um Staude fiel in daS Armkörbchen; Sieg friede bemerkte nicht, daß hinter ihr auf dem KieSwege ein junger Mann durch den Garten kam, — möglicher weise wollte sie es auch nicht bemerken, wenigstens blieb er unbeachtet, bis seine Hand über ihre Schulter hinweg die ihrige ergriff und daS Messer bei Seite warf. „Mir däucht, Siegfriede," sagte er etwas hastig, während leichte Röthe sein Gesicht überflog, „mir däucht, daß derartige Arbeiten von den Mägden verrichtet werden könnten. Hat meine Mutier Dich hergeschickt?" Um die Lippen deS jungen Mädchen- zuckte eS. „Bitte, Herr Wolfram," antwortete sie, „bemühen Sie sich nicht. Ihnen, .glaube ich, macht eS keinen Unter schied, wer den Salat im Garten schnitt." Und nach dieser herben Abfertigung wollte sie daS Messer wieder vom Boden aufraffen, aber er vertrat ihr den Weg. „Siegfriede," sagte er plötzlich, „weshalb hassest Du mich so offenbar? WeShalb behandelst Du einen naben Verwandten mit dieser sonderbaren Kälte? Ich bin für Dich nicht Herr Wolfram, sondern Dein Vetter Leo! Komm her, wir haben unS feit den vier' zehn Lagen, die ich wieder im Elternhause verlebt, eigentlich noch kaum begrüßt. Gieb mir einen Kuß, Friede — Du bist doch im Grunde fast meine Schwester!" Er streckte die Hand auS, aber daS junge Mädchen trat hastig zurück. In den blauen Augen blitzte e- auf, selbst die Lippen waren blaß. „Wir sind keine Ver wandte, Herr Wolfram," klang es dem Erstaunten ent gegen — „ich habe mit Ihrer Familie nichts gemein, nichts. In zwei Jahren kann ich dieS HauS verlassen, um eS nie wieder zu sehen, bis dahin lassen Sie mich ruhig die Dienste einer Magd verrichten. Ich will eS so." Leo schüttelte den Kopf. „Ich werde mit meiner Mutter von diesen Verhältnissen sprechen, Fräulein Willroth," versetzte er nach einer Pause. „WaS ist da Schlimmes vorgefallen? — Und wäre e« aber auch da« Aergste, weshalb weisen Sie mich so schroff zurück? Wir kennen uns kaum!" Siegfriede lächelte kühl. „Desto besser, Herr Wolf ram, Sie und ich, wir haben nichts Gemeinsames — wenigsten- will ich die Sache so ansehen. Und nun, bitte, lassen Sie mich meine Arbeit beenden, die Frau Kommercienräthin pflegt dem Gesinde gegenüber jede Viertelstunde auf die Schale zu legen " ES schien, alS gebe der herbe Klang ihrer Stimme dem jungen Mann vollkommen verloren, beinahe bittend streckt» er nochmal- die Hand auS. „Sie sind unglück lich, Fräulein Willroth, zwischen Ihnen und meiner Mutter besteht ein Mißverhältnis — lassen Gee unt Freunde sein, schenken Sie mir Jbr Vertrauen! — Ich werde da« Alle« auSglrichen, werde nöth'g nfall« ener gisch für Sie zu handeln wissen."