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Dienstag Nr. 259 4. November I8S8 «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Znsertionsgebühr für dcn Raum ciucr Zeile 2 Ngr. Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die (Krurditii-n in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Preis für das Vierteljahr I'/, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. Leipzig. Lie Zeitung erscheint mit Ausnahme de« 4 W U" UU' st st - M- Deutsche Allgemeine Zeitung Deutschland. Frankfurt a. M., 1. Nov. In der am 30. Oct. gehaltenen ersten Sitzung der Bundesversammlung nach Beendigung der Ferien legte da« Präsidium das Beglaubigungsschreiben des vom Könige von Sardinien zum Ministerresidenten bei dem Bunde ernannten Grafen v. Barral vor, und e« wurde dessen Anerkennung in gedachter Eigenschaft beschlossen. Das- selbe gab ferner der Versammlung Kenntniß von sämmtlichen im Laufe der Vertagung eingegangenen Vorstellungen und Gesuchen, welche sofort den betreffenden Ausschüssen zur weitern Behandlung überwiesen wurden. Der preußische Gesandte machte in Bezug auf die Verhältnisse Neuenburgs und auf die dortselbst im September d. I. eingctretenen Ereignisse eine aus führliche Mittheilung, die zur Vortragserstaltung an einen alsbald hierfür niedttgesehten besondern Ausschuß überwiesen wurde. Mehre Gesandten zeig ten die erfolgte Einbezahlung der von ihren höchsten Regierungen zuge sicherten Beiträge zur Unterstützung der Gesellschaft für Deutschlands ältere Geschichlskunde an; andere überreichten zum Dienstgebrauch für die Mili tärcommission Notizen über die in den betreffenden Bundesstaaten bestehen- den Eisenbahnen. Ferner wurden in Bezug auf den Stand und die Mu- sterung deS BunbeSheercS sowie auf den Vollzug der rcvidirtcn Bestimm»» gen der Bundeskriegsverfassung von mehren Seiten Anzeigen und Vorlagen gemacht. Aus Anlaß des Beschlusses vom 14. Febr. d. I. ließen zwei Re gierungen erklären, daß in den betreffenden Staaten besondere Bestimmun gen zum Schutz telegraphischer Depeschen gegen Nachdruck nicht bestehen, und daß es ihnen auch nicht nöthig oder angemessen erscheine, derartige Bestimmungen zu erlassen. Der Gesandte der Freien Städte endlich über reichte statistische Zusammenstellungen und Ausweise über die Bewegungen des Handel- und der Schiffahrt in Hamburg während des lctztvcrwichenen JahrtS. Bei den gepflogenen Abstimmungen über desfalls noch vor der Vertagung erstattete Vorträge bewilligte schließlich die Versammlung einem vormals in der schleswig-holsteinischen Armee dienenden Offizier sowie zwei frühem Kanzleibediensteten der Bundesversammlung Unterstützungen aus BundeSmitteln. (Frkf. Bl.) Nach einer Mittheilung des telegraphischen Correspondenz-Bureau hat der Ausschuß der aus den Vertretern von Oesterreich, Preußen, Baiern, Württemberg, Sachsen, Baden und Hessen-Darmstadt besteht, in seiner Sitzung am 1. Nov. sich für die preußischen Anträge ausgesprochen. Preußen. " Berlin, 2. Nov. Die Situation hat sich inso- fern geändert, als die Erwartung, daß der Sultan die Entlassung seiner Minister schließlich doch wol annehmen werde, sich nicht bestätigt hat. Die nothwendige Folge davon ist die Aufrcchthaltung des von den Pfortenmi nistern gefaßten Beschlusses, resp. die nunmehrige Notificirung desselben an di« Hofe von Wien und London. Dem Gesagten liegt bereits die hierauf bezügliche Thatsache zugrunde. Wenn die betreffende officiösc Presse nun gleichwol noch immer auf ihren Dementis verharrt, so kann sich das höch stens auf eine Wortklauberei, nicht aber auf das Wesen der Sache beziehen. Daß man in Wien und London, trotz dieser nunmehrigen Lage der Sache, gleichwol noch immer fortfahren wird, Dasjenige zu thun, was man, um die gehörige Ausführung des Friedensvertrags oder was sonst zu erlangen, für nöthig hält, haben wir schon früher bemerkt, und wir brauchen darum für jetzt auf dies«» Punkt nicht weiter zurückzukommcn. Uebrigens ist wohl zu bemerken, daß auch bei lediglicher Betrachtung der äußern und formel- len Lage der Dinge von einem ^eigentlichen und durchgreifenden Siege der französischen Politik noch immer nicht die Rede sein kann. Insofern eS sich nämlich um die äußere Ausführung deS Friedensvertrags handelt, konn ten dje türkischen Minister dem Drängen des Hrn. de Thouvenel umsomehr nachgebfn, als ihnen die Räumung des Schwarzen Meeres und der Do- naufürstenthümer am Ende doch nur selbst angenehm sein kann; insofern eS sich aber um die Hauptsache, nämlich um die ungeschmälerte Ausfüh rung der die künftige Organisation der Donaufürstcnthümer betreffenden Bestimmungen des Friedensvertrags handelt, gehen sie mit Oesterreich und England noch immer Hand in Hand. Der auf die Einberufung der bei den DivanS »ä Koo sich bezichende großherrliche Ferman, in welchem die Jnbetrachtnahme der Vereinigungsfrage der beiden DivanS geradezu verbo- ten wird, legte daS klarste Zeugniß dafür ab. Die französische Diplo matie muß also noch entschieden weitere Erfolge erzielen, bevor sie sich eines wirklichen Sieges rühmen kann, und daß man dies auf französischer Seite auch sehr gut fühlt und weiß, das geht aus der ofsiciösen Mel dung der pariser Revue contemporaine hervor, nach welcher die franzi- fische und die russische Diplomatie in Konstantinopel die nöthigen Ein- Wendung«» gegen die Kaffung dts im Entwurf« vorliegenden großherrli- ch«n Ferman« bereits gemacht hat. Inzwischen haben di« mancherlei Be- denken, zu welch«« die ge-enwckrtig« Situation auch noch in so mancher »ndern Beziehung Veranlassung gibt, der Diplomatie dir Uebrrzeugung bei gebracht, daß es gcrathen sein dürfte, Das zustande zu bringen, durch wcl- ches eine geeignete Ausgleichung der sich gegenüberstehcndcn Differenzen am füglichsten hcrbeizuführen wäre, nämlich die schon längst projcclirte, aber verschiedener Widerreden wegen zur Zeit noch hinausgeschobene zweite Pa- riser Conferenz. Ein Weiteres als dieses Allgemeine läßt sich jür jetzt noch nicht sagen. Die Diplomatie ist zu dem angcdeutelen Zweck eben sehr thä- tig; das Resultat dieser Bemühungen ist abzuwarken. — Wir haben seiner- zeit hervorgehoben, daß die von einigen Mittelstaaten aus Anlaß der jüng sten diesseitigen Circulardepesche über die neuenburger Frage nach Berlin gemachten Rückfragen keinerlei Punkt beträfen, durch welchen die projectirte Behandlung der Sache am Bundestage eine Verzögerung erlei den könnte. Die volle Richtigkeit dieser unserer Angabe geht am besten au« dem Umstande hervor, daß, wie der Telegraph meldet, der preußisckc Antrag bereits am 30. Oct. in der Bundesversammlung gestellt worden ist. Au« dem Umstande, daß der für diesen Antrag ernannt« Ausschuß schon zwei Tage nachher, nämlich schon am I. Nov., seine Sitzung abge- halten hat, dürfte hervorgehen, daß man schon vorher, wie wir ebenfalls schon früher angedeutet haben, über Alles einig war, und daß es demnach zur entsprechenden Beschlußfassung durch den Bundestag nur noch der äu ßern Erfüllung des einmal vorgcschriebencn bundcstägigcn Geschäftsganges bedarf. Die nächsten Tage werden nun zur Abfassung dc« von dem Aus- schuß zu erstattenden Berichts verwendet und der Beschluß selbst wahrschein- lich bereits am 6. Nov. von der Bundesversammlung gefaßt werden. Für den Sinn des von Preußen gestellten. Antrags ist die bekannte Circular- depcsche der diesseitigen Regierung maßgebend, und die Bundesversammlung wird sich in ihrem Beschluß demnach aussprcchen 1) für die Anerkennung des Rechts Preußens auf Neuenburg, nach dem Vorgänge des Londoner Protokolls von 1852; 2) zu Gunsten der gefangenen neuenburger Roya- listen. An diese beiden Hauptpunkte wird sich dann schließlich noch der Vorbehalt der in dieser Sache etwa noch weiter zu fassenden Beschlüsse an knüpfen.— Heute Vormittag ist die allgemeine Kirchcnconferenz durch einen feierlichen Gottesdienst in der Schloßkirche eröffnet worden. Der Kö nig und die Königin, die hier anwesenden Prinzen, die Minister rc. wohn- ten diesem Gottesdienst bei. Die Sitzungen der Conferenz beginnen mor gen. Daß dieselben im Schloß Monbijou stattfinden, ist schon früher mit- getheilt worden. — Wie eine zuverlässige Nachricht au« München meldet, ist der vor etwa einem Jahre an die Stelle des Hrn. Dünniges zum Bi bliothekar de- Königs ezpiannte Professor Lüher aus Göttingen von diesem Posten wieder entlassen worden. Vielleicht dürfte mit diesem biSjetzt noch nicht bekannt gewordenen Umstande die jüngste Anwesenheit des Hrn. Dön- nigeS in München in einige Verbindung zu bringen sein. ? Berlin, 1. Nov. Der Prinz Adalbert soll, wie man in hiesigen Kreisen versichern hört, die ihm von der Universität Greifswald zuertheilte Doctorwürde abgelehnt haben. Diese Ablehnung wird mit der Auffassung, die hier, wie nicht in Abrede zu stellen ist, vielfach verbreitet ist, daß näm lich den greifSwalder Promotionen theilwcise eine politische Kundgebung zum Grunde liege (?), in Verbindung gebracht. Man will hier sogar behaux- ten, daß auch noch andere Ablehnungen erfolgen würden. Die Angelegen- heil wird in hiesigen höher« Kreisen noch immer sehr lebhaft besprochen. — Heute tritt hier daS Landesäkonomiecollegium zur Berathung in einer wich tigen Sache zusammen. Das Justizministerium und das Handelsministe rium haben sich nämlich dafür ausgesprochen, daß der gesetzlich beschränkte Zinsfuß bei Darleihung von Eapitalien aufgehoben und die Feststellung desselben der freien Concurrenz im Handel und Verkehr überlassen werden solle. Es handelt sich mithin um die Aufhebung der bisher gültigen Wu- chergesetze, welche Maßregel von vielen Handelskammern deS preußischen Staat« als sehr wünschenSwerth bezeichnet worden ist, weil dadurch dem schimpflichen Wucher am nachhaltigsten entgegengewirkt werden könne. Das lanbwirthschastllche Ministerium hat, wie man hört, in Erwägung, daß der Realcredit durch eine gänzliche Aufhebung der Wuchergesetzc benachthei- ligt werden könne, Bedenken gegm die beabsichtigten Maßnahmen erhoben, und das Landesökonomiecollegium aufgefodert, sein Gutachten darüber ab zugeben, welchen Einfluß die Aufhebung der Wuchergcsetze vorau«sichtlich auf die Interessen der Landwirthschafl im Staat« ausüben würd«. Auf die- st« Gutachten des bezeichneten Collegiums ist man deshalb sehr gespannt, weil die vorgedachten Interessen in Preußen lief in di« Wagschal« fal- l«n.— Di« Bestrebungen des SkandinaviSmuS sind hier bereit« früher ein Gegenstand der Aufmerksamkeit gewesen; in neuester Zeit hat sich diese Aufmerksamkeit in dem Maße erhöht, als daS eigentliche Ziel, w«lchc« den skandinavischen Bestrebungen zum Grund« liegt, immer deutlicher und un- verkennbartr hervortritt. Wer nur einigermaßen nicht blind für DaS ist, was in den drei skandinavischen Staaten vor sich geht, wird dem Ausspruch des Preußischen Wochenblatt beistimmen, daß der Skandinavi«muS bereits