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71. Jahrgang. AK r»S Dienstag, 18. Juni 19S8 Gegründet 1858 »ra-tantchrtsti NechrUhtr» »«»»«« Ferntprecher-Lammelnummn: 2S 241 Nur für «»chtgefprüche: 20 011 vom 16. bi» »o. Auni iss» bet täglich zweimaliger Zustellung srei Hau« 1.7V Mark. vNLOUllt Postbezugaprei« für Monat Iunl 6.40 Marl ohne Postzufteliungigebühr. «inzeinummer 1« Ptcnnig. «luherhalb Iresden« 1» Pfennig. Die Anzeigen werden nach Goldmark berechnet: die einipaitige so mm breite Zelle cr>««rr«. »» Bla.. iür auswärt» -c> Psg. ffamiiicnan,eigen und Steilengefuche ohne Rabatt /IlIgtzlUtzlHIAluIIL. iz Psg., ausierhaib S'> Big., die na mm breite Meklamczeile 2VV Psg., außerhalb sso Psg. Ossertengebühr sa Psg. Auswärtige Austräge gegen BorauSbezahlung. Schrisileltung und Hauvtgelchästrstekle: Marienstraße 2S/42 Druck und Verlag von Liepsch L Nelchard« in Tretde» Postscheck-llonlo 1OSS Dretde» Nachdruck nur mit deutlicher Quellenangabe l„Dre«dner Nachr."> zulässig. — Unverlangte Schriftstücke werden nicht ausbewahrt. Jer neue Szeanflug geglückt. Die Wesl-Ost-Ueberquerung in Rekordzeit gelungen. — Landung der «Freundschaft" bei Llanelly ln England. Berlin, 18. Juni. Aus London wird gemeldet, dass das Flugzeug «Freundschaft" mit Fräulein Sarhart und dem Pilote« Stnltz nm 1,18 Uhr im Hafen von Llanelly sGrafschaft Waless niedergegange« ist. ErgSnzend wird dazu gemeldet: Aus Bristol wird nun mehr bestätigt, dast das Flugzeug «Frcundschast" etwa sechs Silometer von Llanelly entsernt, im Mündungsgebiet des Burry, gelandet ist. Damit ist es zum ersten Male einer Fra« gelungen, den Ozean zu überfliege». Nachdem das Flugzeug ans das Wasser niedergegangcn war. was in Anbetracht der Höhe cinizcr- matze« schwierig war, wurden die Flieger von Fischern an Land gebracht. Die Nachricht von der Ankunft der «Freund schaft" breitete sich in der Umgebung wie ein Lanffcncr aus und brachte eine zahlreiche Menge Zuschauer auf den Plan. — Der Besatzung der auf Neufundland startbereiten «Columbia" «nrde die Nachricht von dem erfolgreichen Flug sofort tele phonisch mitgetcilt, worauf Fräulein Boll den Fliegern ihre herzlichen Glückwünsche übermittelte. London, 18. Juni. Zur Landung des Flugzeuges „Freundschaft" melden die Blätter: Nachdem das Wasserflug zeug an einer Bose verankert war, begab sich der Chefpilot William Gtulh an Bord eines Küstenwachbootes an Land, um frischen Brennstoff zu bestelle». Miß Earhart und der Mechaniker blieben an Bord. Stultz erklärte, sic wollten so bald wie möglich nach Southampton weiterflicgen. Er be stätigte. daß Mangel an Benzin die Landung notwendig ge macht hätte. In einem Interview mit dem «Evening Standard" be richtete Stultz: Ich habe das Flugzeug während des ganzen Fluges gesteuert und hatte infolge Nebels und NegcnS große Schmierigkeiten, meinen Kurs einznhalten. Ich hatte schon seit einiger Zeit wahrgenommen, daß der Benzinvorrat knapp wurde und beschlossen, bet der ersten günstigen Ge legenheit zu landen. Meine Gefährten sind gesund und froh, aber wir sind alle müde. Das Benzin würde nur noch sür einige Meilen Flug gereicht haben. Der Flug war nicht angenehm, da ich ausschließlich mit Hilse meiner Instrumente gesteuert habe. Glücklicherweise hat keines von ihnen versagt. Einem Bcrtrcter der «Evening News" sagte M i ß Earhart: Ich bin sehr froh und sehr glücklich, aber ich bin zu müde, nm mehr zu sagen. Sie gab noch an, daß alle Meldungen, wonach sie mit Fräulein Boll einen Wettslug über den Ozean veranstaltet habe, unwahr seien und lediglich aus Sensationsgründen von der amerikanischen Presse in die Welt gesetzt wurden. Thea Rasches Transozeanslugpläne. Neu york, 18. Juni. Thea Nasche teilte der Asso ciated Preß mit, daß sie morgen nach Old Orchard starten werde, um dort mit einem Bellanca-Flngzcug von 28» L. 8. Probeslttgc für ihren Transozcanslug zu unternehmen. Das Fluguntcrnchmen wird angeblich von einer Dame finan ziert, deren Name noch nicht bekanntgegcben wnrdc. sW. T. B.j Der Familienhaushalk unker Gewerbeaussichl. Ueber 333 Stundenkilometer! Die kommenden Versuche mit dem Rakctenwage«. Frankfurt a. M., 18. Juni. Die Geschwindigkeitsversuchc des O p e l - R a k c t c n w a g c n s Rak III sind endgültig aus Sonnabend, de» 28. Juni, nachmittags 2 Uhr festgelegt. Die Fahrt findet auf der Eisenbahnstreckc Burgwedel—Celle statt. Das BcrsnchSprogramm umfaßt drei verschiedene Fahrten mit jeweils gesteigerter Geschwindigkeit. Sollten die Versuche den Erwartungen entsprechen und insbesondere, sollte die bisher »»berechenbare Haftung des Fahrzeuges am Boden aus reichen, so wird Fritz v. Opel bei einem vierten Bersnch die höchste bisher von einem Fahrzeug erreichte Geschwindigkeit von S8S-Stu»dcnkilometcr z» überbietcn versuchen. Die Bremsung des Fahrzeuges erfolgt durch automatisch aus gelöste Bremsvorrichtungen, in der Hauptsache jedoch durch B r c m s r a k e t c n. die nach Durchlaufen der Strecke ent gegengesetzt der Fahrtrichtung entzündet werden. Die Brems wirkung ist so berechnet, daß auch bei der Erreichung von Rekordzeiten der BremSweg von drei Kilometern nicht über schritten wird. Die Reichsbahn hat einen Sonderzug zur Fahrt von Hannover nach dem Startort bereitgestellt, zu dem Karten den Pressevertretern und ivissenichastlichcn Instituten gegen AuS'- weis anSgegcben werden. Ter Sondcrzug verläßt Hannover gegen 1 Uhr nachmittags. Das ruffifch-polnifche Mißtrauen. Die Moskau verdächtige Reise Lindsays nach Warschau. (Drahtmeldung unserer Berliner Schrlstleltung.) Berlin, 18. Juni. Die alten Gegensätze zwischen Polen und Sowjetrußland haben sich wieder einmal bedenklich zu- gcspitzt. An sich ist daS nichts Ungewöhnliches, zumal es sich jetzt, wie so oft schon, nm ein Attentat eines Emigranten auf Sowjetrussen in Polen handelt. Pole» ragt nun einmal als „weißer Fremdkörper", lies in den russischen Raum hinein. ES ist einer der Borposten der «kapitalistische»" Staaten, und zahllose russische Emigranten leben, zum Teil entwurzelt und deshalb verzweifelt und zu allem bereit, auf polnischem Boden Diese Reibung der Systeme ist deshalb gewissermaßen etwas Natürliches, das andauern wird, solange in Moskau eine rote und in Warschau eine militärische Diktatur bestehen. Diesmal aber geht der Streit doch noch tiefer. Die Presse sehde um den Anschlag eines Emigranten auf einen Handcls- kommissar der Warschauer Sowjetgcsandtschast ist auf beiden Seiten besonders erbittert und wird verschärft durch gewisse außenpolitische Kombinationen: weilte doch gerade in diesen Tagen der Berliner englische Ge sandte Sir Ronald Ltndsay in Polen und hat dort ver schiedene gewiß nicht unwichtige Besprechungen geführt, die das ewig wache Mißtrauen Moskaus erregten, so daß die Sowjetpressc wieder einmal die Verwirklichung des englischen Gedankens eines Randstaatenbundcs gegen die Sowjetunion gekommen glaubt, eines Bundes, dessen Führer dasselbe Polen sein sollte. daS im vergangenen Jahre seine» RüstnngS- ciat um ein reichliches Drittel überstieg, das sür dieses Jahr den offiziellen Etat schon jetzt um ein Viertel erhöhte und das sich rühmt, in der Fabrikation von KriegSgcrät in der Gasjndustrie und in der MannschastSausbildung außerordent lich viel geleistet zu haben. Die neuen Moskauer Diplomaten sind so sprunghast und offenbar so wenig konsequent, daß sic auch anderen Ländern nicht viel Folgerichtigkeit zutrauen. So sicht man in Moskau nur allzuschnell Gespenster und glaubt, die zunächst gegen Westen gerichteten polnischen Rüstungen nach Osten ge wendet sehen zu müssen. Es ist daher kein Wunder, daß ge rade jetzt eine von dem russischen Außcnkommissar Tschitscberin inspirierte Stimme laut wird, die der kommenden deutschen Reichsregicrung ein engeres deutsch-russisches Abkommen vorschlägt. Man muß zugestchen, daß dies Anerbieten nach der Inszenie rung des Schacht«.Prozesses etwas reichlich un vermittelt kommt. Angesichts der durch das polnische NüstungSsieber, durch eine aus zufälligem Anlaß herbei- gcführle Prcsscprvpaganda und durch die polnische Reise des englischen Botschafters in Berlin entstandene sowjctrussische Nervosität ist doch wohl daraus hinznmeisen, daß vorläufig noch nichts spruchreif ist. England wird an die Lösung des sür die englische Diplomatie zweifellos bestehenden russischen Problems sicher nicht eher Herangehen, bevor nicht die Dinge in China irgendwie zur Klärung reis sind. Was die deutsche Haltung betrifft, so muß immer wieder darauf hingcwicscn werden, daß Deutschland nicht daran denkt, sich in irgendeinen gegen Rußland gerichteten Staatcnbund mit cinbczichen zn lasten. Welche Wünsche Rußland gegenüber Deutschland hat, ergibt sich aus folgender Meldung: Moskau über die Außenpolitik -er SPD. Kowno, 18. Juni. Nach einer Meldung aus Moskau wid mete die «I s w e st i j a" den deutsch-russischen Beziehungen einen längeren Artikel und betont, daß die deutsche Sozial demokratie nicht imstande sein werde, Deutschlands Politik gegenüber der Sowjetunion zu ändern. Die deutsche Sozial demokratie, die Anhängerin der Zusammenarbeit mit dem Westen sei, werde sich überzeugen müssen, daß Deutschland weder von Frankreich noch von Polen irgend welche Erleichterungen in ihrer außenpolitischen Lage erwarten könne. Die deutsch-russischen Beziehungen, die ans dem Vertrage von Rapallo und anderen Verträgen begründet seien, hätten sich normal entwickelt. Die deutsche Sozialdemokratie habe heute daS Wort, um zn erklären, in welche Bahnen sic die künftige Außenpolitik Deutschlands gegenüber -er Sowjetunion zu leiten wünsche. Russisch-polnische Besprechungen. Kowno, 18. Juni. Wie ans Moskau gemeldet wird, haben in den letzten Tagen zwischen Tschitschcrin, Patck und Ltvwonjakow Besprechungen über die russisch-pol nischen Beziehungen stattgefunden. Man sei jedoch zu keinerlei praktischen Ergebnissen gekommen. Auch der russische Gesandte in Warschau soll eine Unterredung mit dem am Sonntag nach Warschau zurückgekehrten Außenminister Zaleski gehabt haben. Kowno, 18. Juni. Der afghanische Handelsminister, der sich in Moskau aufhält, wird, wie aus Moskau gemeldet wird, demnächst wieder abreisen, da die Verhandlungen, die er führte, ergebnislos verlaufen sind. Dieser Mißerfolg hat in Moskau stark verstimmt, um so mehr, als man annimmt, daß Afghanistan sich nunmehr nach England orientieren wird. , Aus Industrie und Kausmannschast, Handwerk, Ge werbe und Landwirtschaft hänfen sich die Klagen über die Einengung der privaten Betätigung im wirtschaftlichen Leben durch die immer mehr um sich greifende öffentliche Hand und über die vielen überflüssigen Vorschriften, durch die staatliche und kommunale Bürokratie die Unternehmungs lust in Fesseln schlägt. Doch sür alle berechtigten Klagen haben bisher die Behörden nur taube Ohren gehabt. Ja, es ist ihnen noch nicht einmal genug mit dem Wust non Para graphen, der die private wirtschaftliche Initiative mit einem hemmenden Schlingwerk umspinnt. Sankt Bürokratius ist jetzt sogar dabei, auch Familie und Haushalt unter Staatsaufsicht und Polizeigemalt zu stellen. Durch die Berliner Hausfraucnvcreine ist vor einigen Tagen der Entwurf zu einem neuen Hausgchilsengcsetz an das Licht der Oefsentlichkeit gezogen worden, der mit seinen 21 Paragraphen einfach eine Unmöglichkeit ist. Tie alte Ge- sindcvrdnung verschwand bekanntlich nach dem Ausbruch der Revolution. Zwischen Hausfrauen und Hausangestellten hat sich seitdem ein Gewohnheitsrecht hcrauSgcbildct, das ohne Zweifel im allgemeinen Verhältnisse schuf, mit denen beide Teile sehr wohl bestehen können. Wie seit Jahren viele wirtschaftliche Betriebe sich daran gewöhnt haben, ihren Arbeitnehmern Zugeständnisse zu machen, die sie früher als „Bedrohung der Existenz" abgcwicsen hätten, so haben sich auch die Hausfrauen damit abfindcn müssen, ihren Dienst boten viele Freiheiten zu geben, die sie in der „guten, alten Zeit" einfach für «untragbar" erklärt hatten. Und so haben sich aus der Grundlage des ungeschriebenen Gewohnheits rechts Zustände entwickelt, die bisher der regelnden Hand des Staates keinerlei Anlaß zum Eingriff gaben. Und das mar gut so. Denn gerade das Verhältnis zwischen Hausfrau und Hausangestellten verträgt am wenigsten den äußeren Zwang, weil seine Gestaltung doch vor allem von den Personen bestimmt wird, die es cingehen wollen, und die, wenn sie nicht zueinander paffen, auch nicht durch Paragraphen zu einem Zusammenleben gezwungen werden können. Vertrauen, Gewöhnung und persönliche Be dingungen sind von jeher die trefflichsten Faktoren gewesen, die das Verhältnis zwischen Hausfrau und Hausangestellten regelten. Beide sind, je nachdem ob sie zueinander stimmten oder nicht, gut oder schlecht dabei gefahren. Aber diese Regelung durch Gewohnheitsrechte glaubt der republikanische Staat nicht mehr dulden zu können. Für seine paragraphensrohe Bürokratie ist cs ein beunruhigender Zu- stand, daß die verschwundene Gcsindeordnung noch immer nicht durch neue Gcsctzesvorschriftcn ersetzt worden ist. So ist denn im Neichsarbeitsministcrium der Plan zu einem neuen Hausgehilfengcsetz entstanden. Bei der Abfassung des Ent. Wurfes scheint der Urheber sich die Aufgabe gestellt zu haben, wie man einem guten Zusammenleben zwischen Hausfrau und Dienstboten, auch wo beste Voraussetzungen dafür gegeben sind, schon im Entstehen Hindernisse in den Weg legen kann. Diese Aufgabe ijt in dem geplanten Gesetz beispiellos gelöst morden. Das aufgehobene Dienstbuch wird ersetzt durch einen Ausweis mit Lichtbild und eigenhändiger Unterschrift des Hausangestellten, um zu verhüten, daß unsichere Elemente sich als Dienstboten engagieren lassen. Dieser Schutz gegen diebische oder betrügerische Personen ist aber auch der einzige annehmbare Paragraph des Gesetzes. Die dann noch folgen den Bestimmungen fordern Unmöglichkeiten über Unmög lichkeiten. Eine Aufzählung der krassesten Vorschriften wird bei allen Hausfrauen Kopfschtttteln über die Verständnislosig keit Hervorrufen, mit der man vom grünen Tische aus das Verhältnis von Hausfrau und Dienstboten in «regelnde" Bahnen leiten will. Beim Engagement muß die Art der zu leistenden Arbeiten, die Zeit der Tätigkeit, Urlaub und Ausgehezeit ganz genau festgesetzt werden. Die Angestellte kann Kinder warten und anderes mehr, was beim Vertrags abschluß nicht vorauszusehcn war, einfach abIehnen. wenn es nicht in dem Abkommen vereinbart worden ist. Auch Vor nahme von Ergänzungsbcstimmungen in solchen Fällen ist nicht erlaubt. Es dürften sich also in Zukunft Verhältnisse entwickeln, die aller Beschreibung spotten und die Errichtung ständiger Hausangestelltengerichte notwendig machen würden. Doch noch nicht genug damit, daß die Hausfrau keine bisher als selbstverständlich angesehenen Arbeiten verlangen darf, falls sie nicht vorher festgesetzt worden sind, ist sic auch noch verantwortlich dafür, daß sich die Hausangestellte „außer halb ihres D ienstes und außerhalb des Haushaltes der Dienstherrschaft ordnungsgemäß und sittlich" be trägt. Wenn trotz dieser angeordncten Uebcrwachung dcS Privatlebens der Dienstboten, die sic natürlich gar nicht dulden werden, einer Angestellten etwas Menschliches passiert und sie der Niederkunft cntgegcnsicht, so darf von ihr vier Wochen vorher und 11 Tage nachher keine Arbeit verlangt werben. Aber die Herrschaft hat nicht nur Lohn wetter zuzahlen, sondern sogar auch noch für Wochenbettpflege — die doch verdammte Pflicht und Schuldigkeit des Staates wäre — zu sorgen. Allein diese ParagraphcnauSlcse aus dem geplanten HauS- gchilfengesctz macht die glatte Ablehnung desselben durch die Berliner Hausfrauenvereine durchaus begreiflich. Aber alle diese Bestimmungen sind noch nichts gegen den Schluß paragraphen. Er erklärt nämlich jeden privaten Haushalt, der Dienstboten beschäftigt, zum — Gewerbe»