Volltext Seite (XML)
MOmfferAgMM Das Wilsdruffer Tageblati enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nossen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, D» .Wil^drvffer Tageblatt- erscheint iLglich nach«, v Uhr für den folgende« Tag. Bezugspreis: Bei Abholung in d« Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 Mk. i» Monat, bei Anstellung durch die Boten 2,30 Mk., bei Poftdestellung LVMg. AlleBostanstatten Wochenblatt für WilSÄvUff u. Umgegend Postboten ^un"sereAus^ «ckger und Geschäftsstellen — — nehmen zu jeder Zeit Be- stelUrngen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung »« Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur. wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. «NjeigtNprtir: »i« ».«spalten« «<mm,rNe 20 Doldpsrnni,, dl« rgesvalttn«8«ile »er onullchrn Bkd»nnmiachung«77 40Dold- psrnnig. di« Z,«svai>encRekIame,kN« im Icrllichcn Tkile loo Doldpfennig. Nachweisungsgedühr ro Goldpsrnnig«. Dor- Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 WÄN'LL'! annahme bisvorm. 1vUhr - Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Bettag durch Klage eingezogen werden mutz oder der Auftraggeber in Konkurs gerat. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Nr 196 — 83. Jahrgang Trlrgr.-Adr.: .Amtsblatt' Wilsdruff-Dresden Post chrck: Drcsdkn A40 Freitag den 22. August 1924 Vas MäMen Mr alles. Geyl man vas amtliche Aktenstück der Reichsregierung mit allen den Protokollen und Abmachungen der Londoner Konferenz auch nur flüchtig durch, so stößt man immer wieder auf die Verabredung, daß in dem und dem Falle, wenn die an erster oder an zweiter Stelle vorgesehene« Einrichtungen oder Instanzen sich nicht mehr zu helfen wissen, Schiedsgerichte oder Schiedskomitees die letzten Entscheidungen treffen oder auch der dem Völkerbund unterstehende internationale Gerichtshof so zusagen ein Machtwort zu sprechen hat. Dabei handelt es sich bald um Meinungsverschiedenheiten «wischen der deutschen Regierung und der Reparationskommission, bald um solche zwischen Berlin und dem Eisenbahnkommissar oder dem kbertragungskomitee oder dem Sachliefcrungs- komitee. Auch einzelne Schiedsrichter sollen für bestimmte Streitfälle in Anspruch genommen werden, in einzelnen Fällen ist ferner von einer Entscheidung durch ein Komitee von unabhängigen und unparteiischen Sachverständigen die Rede, und um die Buntscheckigkeit dieser Schlichtungs- stellcn vollzumachen, werden für gewisse übergangs fragen noch veutsch-alliierte Schiedskomi tees vorgesehen, während in dem berühmten Verfehlungs falle „ein Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika" als ausschlaggebender Faktor zu den maßgebenden Be ratungen und Entscheidungen der Neparationskommission hinzugezogen werden soll. Auf dem Papier ist danach alles in schönster Ordnung. Fragt sich nur, ob dieser ganze Apparat, trotz seiner offen sichtlichen Schwerfälligkeit, in der Praxis des täglichen Lebens — und kein Tag wird, wenn die Londoner Ver träge von allen zuständigen Parlamenten genehmigt werden sollten, vergehen,, ohne daß die beteiligten In stanzen unausgesetzt mit ihrer Anwendung und Durch führung beschäftigt wären — ob der Apparat in der Hand der vielen Leute, die mit ihm arbeiten sollen, seine Schul digkeit tun wird. Auch in dieser Beziehung werden einige Zweifel in die Güte des Werkes, das die Konferenz zu stande gebracht hat, Wohl erlaubt sein. Der Gedanke schiedsgerichtlicher Entscheidung von Völkcrstrcitigkeiten ist an sich natürlich keine Erfindung der Nachkriegszeit. Wir brauchen nur an Bismarck zu er innern, der die Karolinenfrage, über die er mit Spanien ins Gedränge gekommen war, dem Papst zu freundlicher Schlichtung überlassen hatte. Aber die alte Diplomatie sah in diesem Ausweg ein Mittel, dessen man sich nur in seltenen Fällen bedienen durfte, wenn es nicht sehr bald versagen sollte. Vor allen Dingen konnte seine Anwendung nur in Frage kommen, wenn nicht gerade Staatskonflikte ersten Ranges Vorlagen. Auch mußte im gegebenen Fall ein Schiedsrichter zu finden sein, dessen Ansehen über jeden Zweifel erhaben war, so daß die unbedingte Unter werfung unter seinen Spruch von vornherein vollkommen gesichert war. Nach den Londoner Vereinbarungen aber werden so ziemlich von der ersten Minute an die Schieds sprüche zwischen Deutschland und seinen Gläubigern so zusagen zum täglichen Brot der Vertragsparteien gehören. Denn der ungelösten und im voraus auch absolut nicht zu lösenden Fragen gibt es in dem ungeheuren Komplex aller dieser das Wirtschafts-, Erwerbs- und Nechtsleben der beteiligten Nationen umfassenden Traktate eine so unübersehbare Fülle, daß sich jetzt schon ein sehr munterer Betrieb bei allen diesen Schiedsstellen mit Sicherheit voraussehen läßt. Rn und für sich wird natürlich kein verständiger Mensch etwas dagegen einzuwenden haben, daß der Ver such gemacht wird, auf diesem Wege ernste und gar erst unernste Streitigkeiten unter den Völkern aus der Welt zu schaffen. Aber besteht nicht die Gefahr, daß eine Waffe sich abstumpfen muß, wenn man stets und ständig mit ihr zu arbeiten hat? Ganz ohne Erfahrung sind wir ja nicht auf diesem Gebiet. Hat doch Deutschland schon in wiederholten Fällen sich auf Schiedssprüche einlassen müssen, die ihm durch die sogenannten Friedensverträge der letzten Jahre aufgenötigt wurden, insbesondere in seinem Verhältnis zu dem neu geschaffenen Polenstaat, der sich ja in der Hauptsache aus ehemals preußischen Landesteilen aufbaut. Auch hier hat man, insbesondere bei der schmählichen Zerreißung unseres oberschlesi schen Industriegebietes, im Drange der Not sich mit schiedsrichterlichen Entscheidungen zu helfen ge sucht. Das erste, das zweite Mal haben die Polen sich den so erzielten Entscheidungen noch einigermaßen gefügt. Das dritte und das vierte Mal ließen sie bereits, da die Dinge nicht immer und nicht ganz liefen, wie sie er wartet oder gewünscht hatten, ein deutliches Murren ver nehmen, und viel hätte nicht gefehlt, so wäre bereits im Frühling dieses Jahres der Warschauer Landtag auf- gestanden, um in seiner Weise der polnischen Regierung begreiflich zu machen, daß sie sich solchen — wie hieß es doch damals — Vergewaltigungen, solchen un- erhörten Eingriffen in die polnische Souveränität nicht länger aussetzen dürfe. Zu einem offenen Skandal ist es vorläufig noch nicht danach gekommen, weil irgendeine der landesüblichen kleinen Ministerkrisen dazwischen kam. Aber muß man sich einstweilen noch solchen Schieds sprüchen unterwerfen, so läßt man feine Wut über Ke Die Reichsmark kehrt wieder Vie neue ckeuffcke Mdrumg. Berlin, 20. August. Die Veröffentlichung des dritten im Dawes-Gutachten vorgesehenen Gesetzentwurfes über die Nefthsnoten- bank steht bevor, nachdem die Gesetzentwürfe über die Jndustrieobligationen und die Reichseiscnbahn schon be kannt gemacht sind. Das Organisationskomitee hat die Frage, ob für Deutschland eine neue Zentralnotenbanl gegründet werden soll, oder ob die Reichsbank unter ent sprechender Umgestaltung ihrer Verfassung aufrecht er halten bleiben soll, dahin entschieden, daß die Reichsbanl als deutsches Zcntralnoteninstitut aufrecht zu erhalten und nach dem Plan des Sachverständigenkomitees umzugestal ten sei. Der vorliegende Entwurf geht infolgedessen da von aus, daß die durch das Bankgesetz vom 14. März 1875 errichtete Reichsbank bestehen bleibt, wobei jedoch gleich zeitig diejenigen gesetzlichen Bestimmungen, die die Rechts verhältnisse der Neichsbank regeln, mit den Vorschlägen des Sachverständigenberichts in Einklang gebracht werden. Die auszugcbenden Noten sollen wieder aus Reichs mark lauten. Das Notenausgaberecht der Deutschen Golddiskontbank erlischt. Die Nentenbank darf den Betrag der ausgegebenen Rentenbankscheine nicht mehr erhöhen. Die Abwicklung der Geschäfte wird durch Gesetz besonders aereaelt. * psrifer Meinlanckkonleren?? Berlin, 20. August. Von verschiedenen Seiten kommt die bestimmte Meldung, daß Reichskanzler Dr. Marx am Schluß der Londoner Konferenz Herriot einen Brief überreichte, in dem eine baldige Konferenz in Paris zu einem Überein kommen zwischen Deutschland und Frankreich über erträg liche Verwaltung der besetzten Gebiete vorgeschlagen wird. In London nimmt man an, daß bei dieser Gelegen heit von deutscher Seite vorgeschlageu wurde, Vie lokale Verwaltung in Zukunft von gemischten Behörden aus- führcn zu lassen. Ferner wurde auch die Einsetzung eines deutschen Kommissars vorgeschlagen, der der Rheinland- kommisfion an die Seite zu geben wäre. Die Deutschen seien besonders darauf bedacht, daß die souveränen Rechte des Reiches und der Bundesstaaten, sowie die bürgerlichen der Bevölkerung in wirksamerer Weise als bisher gewahrt werden. Wie man hier erfährt, stimmen die Nachrichten über die Bemühungen des Reichskanzlers in der angedeuteten Richtung, die sich im wesentlichen direkt an Herrn Herriot richten und in Zukunst richten sollen. Herriot soll sich diesen Anregungen gegenüber entgegenkommend verhalten haben, so daß die Möglichkeit einer baldigen Besprechung in Paris zur Herstellung eines für die ein heimische Bevölkerung erleichterten und für ganz Deutsch land wünschenswerten Zustandes im besetzten Gebiet nicht ausgeschlossen erscheint. um so ungehemmter in anderen Füllen den Deutschen oder den deutschstämmigen Polen gegenüber aus: stehe Öber sch lesien, wo kaum ein Tag vergeht ohne neue Ver folgungen und Rechtswidrigkeiten. Jedenfalls, der Schiedsaerichtsgedanke, auf dessen Einfügung in den Dawes-Plan und nun auch in die Londoner Protokolle deren Väter sich so sehr viel einbilden, hat in dem Ver hältnis zwischen Deutschland und Polen so gut wie voll- ständig versagt, und es steht zu befürchten, daß er, je öfter man auf ihn wird zurückkommen müssen, desto rascher sich abnutzen wird. Er soll, wenn es nach Macdonald und Herriot geht, fortan in Europa das Mädchen für alles spielen, wie die großstädtische Feuerwehr. Aber Brand- und andere Katastrophen gehören trotzdem immer noch nicht zu den Seltenheiten des Alltagslebens. Wann und wo wird es die erste große Enttäuschung geben, nachdem der in London feierlich auf den Thron erhobene Schiedsgerichtsgedanke seine Herrschaft angetreten hat?, * Gksktzkiltmirft MlAndMrPM. .Um das Dawes-Gutachten über die Reparationen durchzuführen, ist dee Annahme mehrerer Gesetzentwürfe im Deutschen Reichstag notwendig. Von diesen sind die Entwürfe über die Jndustriebelastung und die Reichs eisenbahnen vom Reichskabinett genehmigt und werden nunmehr der Zustimmung des Reichstages unterbreitet. Dabei ist zu bemerken, daß für das Reichseisenbahngesctz, da es zweifelsfrei eine Verfassungsänderung dringt, eine Zweidrittelmehrheit im Reichstag notwendig ist. Oie Besprechungen in Berlin o. Berlin, 20. August. Der Auswärtige Ausschuß des Reichstages trat heute zusammen, um über die Londoner Abmachungen zu beraten. Außer den dem Ausschuß angehöreuden Ab geordneten aus allen Parteien waren Reichskanzler Dr. Marx, Außenminister Dr. Stresemann und Finanz- Minister Dr. Luther anwesend. Der Reichskanzler referierte zunächst über die Londoner Verhandlungen, dann Dr. Stresemann und Dr. Luther. Neben der Er läuterung aller politischen Fragen kam bei der Bericht erstattung zum Ausdruck, daß die Verhandlungsform in London zum ersten Male seit dem verlorenen Kriege den deutschen Delegierten volle Gleichberechtigung gab. Nach den Referaten begann die Erörterung der Einzelfragen. In der gestrigen Aussprache der Staats- und Ministerpräsidenten der Länder init der Neichsregierung über den Londoner Vertrag kam es nicht zu einer definitiven Stellungnahme der Länder, da ein zelne Ländervertreter sich nicht zu einer Zustimmung ent schließen konnten. Infolgedessen entschlossen sich die übrigen Staatsoberhäupter, den formellen Entschluß der zuständigen Stelle, dem Reichs rat, zu überlassen. Zu Besprechungen zwischen dem Reichskanzler und den Parteien der Deutschvölkischen und der Kom munisten ist es ebenfalls gekommen. Bei der Zu sammenkunft mit den Deutschvölkischen waren Graf Re- ve ntlow und Fahrenhorst erschienen. Nach den Ausführungen des Reichskanzlers gaben die Abgeordneten für ihre Partei die Erklärung ab, daß sie nach wie vor das Sachverständigengutachten ablehnen und nicht auf den Boden der Londoner Verhandlungen treten könnten. Die Kommunisten hatten die Abgeordneten Frau Fischer, Katz und Stöcker zur Besprechung entsandt. Sie erklärten dem Kanzler, daß sie dem Sachverständigen gutachten gegenüber schärfste Kampfstellung einnehmen. Sie wollten jedoch Auskunft haben über Amnestie - fragen für politische Gefangene und Freiheit für die kommunistische Presse. Da in dieser Beziehung keine die Kommunisten befriedigende Antwort gegeben werden konnte, brachen sie die Unterhaltung mit Protest ab. * Guiachiengesetze und Michsrat. Die drei Gesetzentwürfe zur Ausführung des Sach verständigengutachtens sind dem Reichsrat zugegangen. Sie werden dort zuerst einer Ausschußberatung unter worfen und dann die Vollversammlung beschäftigen. Die Plenarsitzung des Reichstages soll bekannt lich Freitag stattfinden. Die Tagesordnung wird wahr scheinlich nur den einen Punkt aufweisen: Entgegennahme einer Erklärung der Reichsregierung. Eine Debatte wird sich an die Regierungserklärung möglicherweise nicht so fort anschließen. Die Fraktionen werden vielmehr erst unter sich dazu Stellung nehmen. Die Regierungsparteien dürften sich auch in diesem Falle auf die Abgabe einer ge meinsamen Erklärung beschränken. Was die Industrie leisten soll. Die Grundlinien des Gesetzentwurfes. Für die nach den Bestimmungen des in London angenommenen Sachverständigengutachtens eintrctende Belastung der Industrie für die Reparatio nen liegt jetzt der im Reichskabinett genehmigte Gesetz- rntwurs im Wortlaut vor. Der Entwurf gibt folgende Grundlinien: Die im Sachverständigenbericht vorgesehenen Jahres leistungen, die znr Verzinsung und Tilgung der vorgeschrie benen 5 Milliarden Goldmark erforderlich sind, werden auf die Unternehmer industrieller Betriebe, zu denen Bergbau, Schiffahrt, Bahnunternehmer (Privatbahnen, Kleinbahnen und Straßenbahnen) und nach Absicht der Reichs regierung im Wege eines besonderen Gesetzes auch Bank-, Handels- und ähnliche Kreise hinzugerechnet werden, nach Maßgabe des zur Vermögenssteuer veranlag ten Betriebsvermögens umgelegt. In Höhe der auf den einzelnen Unternehmer entfallenden Last hat dieser Obli gationen auszustellen. Als Minde st grenze des Betriebs vermögens, das der Belastung unterliegt, sind vorläufig 50 000 Goldmark festgesetzt. Die Grundlage für die Umlage bildet die Veranlagung zur Vermögenssteuer für das Jahr 1924. Von den Einzelobligationen bleibt ein Bettag von Milliarden unbedingt im gemeinsamen Gewahrsam des Treu händers und der Bank und kommt nicht aus den internatio nalen Geldmarkt. Nur in Höhe von 500 Millionen Goldmark kann der Treuhänder Einzelobligationen veräußern. Die jenigen Obligationen, die nicht in Gestalt von Einzelobliga tionen an den Markt kommen, dienen lediglich als Unterlage für die Ausgabe von sogenannten Jndustriebonds durch die deutsche Jndustrie-Obligationen-Bank. Die Bank ist eine Aktiengesellschaft, die von der Industrie unter Beteiligung der Banken mit einem Kapital von 10 Millionen Goldmark ge gründet wird und in der die deutsche Majorität ae-