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WkMM ßr Nlcckiiß Warandt, Wassen, Sieöenteßn und die Umgegenden. Amtsblatt für die Rgl. Amtshauxtmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Milsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. . Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Hühndorf, Kaufbach, Kesselsdorf, KlelMchonberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Pohrsdorf, Rohrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mü Perne, Sachsdorf, Schmtedewalde, Sora, Steinbach bei Kesselsdorf, Steinbach bei Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1M.54 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 15 Pfg. pro viergespaltese Lorpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. Ro. 32. Sonnabend» de« 14. März 1S03. «2. Jahrg. Inin Ksnntag« Oculi. Eph. S, 2: Wandelt in der Liebe, gleichwie Christus uns hat geliebt, und sich selbst dargegeben für uns zur Gabe und Opfer, Gott zu einem süßen Geruch. Lasset uns mit Jesu ziehen, Seinem Vorbild folgen nach! Das ist die heilige Mahnung an die Seelen, die Christi Liebe an sich erfahren haben, zu aller Zeit, in Sonderheit aber in der heiligen Zeit, in der wir jetzt stehen. Mit Jesu ziehen — wenn sich doch auch die, welche der Welt angehören, dazu bestimmen lassen wollten! Mit Jesu ziehen! Seinem Vorbild folgen nach — wenn das doch der Grundton werden wollte, der durch alles Reden und Bemühen um des Volkes Wohl, davon auch diese Zeit Zeuge ist, hindurch klänge! Mit Jesu ziehen, seinem Vorbild folgen nach — da würde man das rechte Heilmittel für alle Schäden finden. Denn in der Nach folge Jesu würde jeder Fuß auf Golgatha gestellt und jedes Auge gerichtet auf das Kreuz auf Golgatha, und jedes Herz könnte da lernen die große Lektion, was denn eigentlich Liebe ist, was denn eigentlich lieben heißt. Auf Golgatha kannst du einen Blick in Gottes Herz thun, der tief beschämend ist. Da siehst du im Sohne des Vaters Herz, da siehst du: Gott ist die Liebe, gebende, vergebende, erbarmende, duldende Liebe. An dieser armen Schmerzensgestalt sollen Menschenherzcn das rechte Lieben lernen. Und weil daS Bild in den Herzen verblaßt ist, darum ist der Brunnen der Liebe tausendfach unter uns versiegt, und Eigensucht und Haß schießen üppig empor. Wandelt in der Liebe! An wen ergeht die Mahnung? An die Kinder Gottes. „Seid Gottes Nach- folger als die lieben Kinder." Bist du ein Kind Gottes? Wer ist es? Hat die Welt recht, die da sagt: Wir sind ja alle Kinder Gottes, denn wir find ja alle Christen? Nein, tausendmal nein! Es sind die, welche durch den heiligen Geist erneuert und neue Menschen geworden, wieder geboren und umgeschaffen, geheiligt und heilig geworden sind. Die sind es, welche sagen können: Ich bin durch manche Zeiten, Wohl gar durch Ewigkeiten in meinem Geist gereist: nichts hat mirs Herz genommen, als da ich angekommeu auf Golgatha. Gott sei gepreist! Die sinds, deren Herz jubelt, daß sie einen Heiland haben, der vom Kripplein bis zum Grabe, bis zum Thron, da man ihn ehrt, uns, den Sündern, angehört. Die, welche die große Gottes- und Heilandsliebe an sich erfahren haben und täglich an sich erfahren zur Seligkeit, die müssen lieben können, die fordert der Apostel zum Lieben auf, denen sagt er: Wandelt in der Liebe! ChristenliebeistuichteineeinmaligeThat, nicht ein kühner Anlauf, in dem man sich einmal etwas abzwingt und hernach die Flügel wieder sinken läßt: sie muß eines Christen wesentliche Art sein. Darum heißt es nicht: Uebt Liebes- Werke, sondern wandelt in der Liebe! Es gehört dazu beständiges Aufgethansein für die Lebens- und Liebes- kräftc aus dem oberenHeiligthume, ununterbrochenes Hangen an dem Herrn, unablässiges Trinken aus dem Meer der Liebe, die sich in Jesu offenbart. Dann kann's zum Wandel in der Liebe kommen. Da giebt's ein offenes Auge, ein warmes Herz und eine freundliche, milde Hand und lindes Wort, das tröstet und erquickt, das bessert und erbaut, auch wo es ernst anfassen muß. Da ist die Liebe nicht das Sonntags-, sondern das Alltagskleid. Da ist die Liebesluft nicht die Luft, die man zu Zeiten besonderen geistlichen Hochstandes einathmet — nein, wo einer geht und steht, da wandelt er in der Liebe. Die Liebe umgiebt ihn von allen Seiten wie die Luft. Er athmet gleichsam nichts als Liebe aus, er ist liebreich in allen Dingen, in allen Lagen, gegen alle Menschen, er trägt Alles, glaubt Alles, hofft Alles, duldet Alles. Ihr Kinder des Höchsten, wie steht's um die Liebe? Sind unter den lieben Lesern solche, die mit mir seufzen: Ach, könnt ich lieben dich, wie du mich liebst! Daß ich es nicht vermag, das ist mein Schmerz!? Lasset uns festen Fuß fassen unter dem Kreuze, lasset uns brünstiger auf schauen zu der Liebe, die sich todtgekränket, lasset uns heißer flehen: Nimm mich wieder liebend an — und dann wollen wir schauen auf unsere Brüder und Schwestern in dem Herrn und von neuer Liebe entzündet sprechen: Drum lasset uns freudig uns lieben von Herzen! Versüßet einander die zeitlichen Schmerzen! Dringt kräftig, ihr Seelen, auf Eines hinein! Vermehret einander den himmlischen Schein! Das wird auch den ewigen Vater erfreuen, Er wird euch erquicken, erleuchten, erneuen, Und was ihr beginnt, wird lieblich gedeihen! Märzveilchen. Novellistische Skizze von Ludwig Fallner. (Nachdruck verboten.) Mathilde liegt auf dem Schmerzenslager, an das sie nun schon seit Wochen gebannt ist — oder nein — es ist eigentlich kein Schmerzenslager — denn ununterbrochen fast lag sie in Fieberphantasien und die Aerzte hatten große, große Angst um sie gehabt. Nun war die Krists über standen und langsam, langsam kam die Besserung. Aber schwach war sie noch — sehr schwach. Die Aerzte hatten vollkommenste Ruhe geboten — jede Aufregung sollte ihr ferngehaltcn werden, keinen Spiegel soll man ihr in die Hand geben, ihr nichts vorlesen. Aber daS war nicht leicht, das war sogar der Mutter größte Sorge, denn Mathilde regte sich auf — fortwährend. So rannen jetzt, wieder zwei große Thränen über ihre Wangen, während die Finger ihrer Rechten den glatten Monte. 125 Roman von fi. v. Schrrlbrrsh-fen- Sievert war von seinem Vater verhöhnt und verspottet word:n, und jetzt gesellte er seinen Namen wirklich denen bei, deren Spnr nicht von der nächsten Woge verwischt wurde. Was ging wohl in diesen langen, einsamen Nachtstunden im Herzen von Matthias vor? Er saß an dem Tische, wo er dem Knabeit mit dem leuchtenden Blick, mit dem sonnigen Lächeln zweimal die Heimat verschloßen hatte. Nun lagen die Beweise darauf, daß er nur gefordert, was er bedurfte, daß er Recht behalten hatte, und an ihm, dem Vater war es recht, sein Unrecht einzugestehen. Alte knorrige Bäume biegen sich schwer, gar mancher bricht zusammen, ehe es so weit kommt. Z^s sich ein ganzes Menschenalter hindurch gegen Sturm und fetter gehemmt und sich nicht gebeugt hat, versiebt e? nicht, sich zu schunegen und nachzugeben. Oft geht der Ruck bis in das Lebensmark. Ist das aber gesund, so hält der Baum es aus; ist dann etwas krank, so ist es vorbei. Und die innere Gesundheit, das Lebensmark des Menschen, ist die Wahrheit, die Auf richtigkeit gegen sich selbst. Es war einer jener Tage, die schon vom Frühlinge ge borgt, auch unter nordischem Himmel im Menschen Frühlings hoffen und -Ahnen wecken. Ein lauer Wind trieb leichte graue Dunstwolten vor sich her, die Sonne legte einen warmen Schimmer über die noch winterliche Gegend. An den Feld- sainen war der Schnee geschmolzen, winzige grüne Halmspitzen sahen vorwitzig ans der braunen Erdkrume hervor. Die vorhin angekommenen Zeitungen erzählten, daß der iunge, hoffnungsvolle Künstler Sievert Wulff daran denke, sich ganz im Süden niederzulassen. Es war eine jener Nach- richten, die heute auftauchten, um morgen widersprochen zu werden. Aber Wulff hatte es mit sinkendem Herzen gelesen. Hatte Sievert nicht Recht, wenn er es that? Das Vaterhaus war ihm verschloßen, die Stätte seiner Jugend sollte ihm fremd sein. Erst als es dunkelte, stand Matthias aus, schob die Zeitung bei Seite und schritt über den Hof ins Freie — unter den knorrigen alten Eichen hin bis zum Kirkendeich. Dort war es still und dunkel, danach sehnte er sich. Aber es war nicht still, der Wind brauste und heulte und erzählte ihm von dem lachenden, fröhlichen Kinde, dessen leichter Schritt so oft vor ihm hergetanzt war. Der Wind lieb heute nicht locker; er rief Matthias die Fragen entgegen, wieder und wieder, die er ihm schon so oft zugerufen. War das, was Matthias seinem Sohne versagt hatte, nicht mehr und Größeres gewesen, als das Geld, das seine Mntter ihm entzogen? Geld! Ist Geld denn wirklich mehr werth und steht höher, als alles Uebrige, was die Menschen bewegt und wofür sie Kraft, Zeit und ihr ganzes Ich einsetzen? Ach, wehe uns Allen, die das goldene Kalb vor sich auf die Kniee nieder zwingt! Doch siehe! Hier und da richtet sich Einer oder der Andere doch endlich langsam wieder auf. Und dann geht der Blick höher empor, von wo das wahre Licht niederfällt und das Götzenbild in all seiner Erbärmlichkeit zeigt. Tief und scharf geht der Pflug über hartes Erdreich, cs nimmt sonst die Saat uicht auf. Ist aber die harte Kruste zerschlagen, von Grund auf umgewühlt und aufgeweicht, ist die Selbst- erkenntniß wie ein zweischneidiges Schwert durch das Herz gegangen, dann keimen die Triebe, dann siegt die Wahrheit. Der Wind zauste an Wulffs grauem Haar und stürmte gegen die alten Eichen, daß manch dürrer Ast brach und zu Boden fiel. Mag er fallen! Was dürr, abgestorben und unfruchtbar ist, muß weg, daß Platz werde für Frisches. Das Neue will Raum, weg mit allem Ueberlebten, Alten — ganz weg, mit keiner Faser soll es sich wieder festsetzen wollen; es hindert nur das Neue. „Es ist lange her, Maria, daß wir draußen in der Welt waren, wollen wir es wieder einmal versuchen?" fragte I Matthias einige Tage darauf, als er neben Maria in der Wohnstube satz. Er sah sie an, die mit derselben geduldigen, treuen Liebe neben ihm aushielt, der doch ihr Herz so oft verwundet und ihr Leben einsam gemacht hatte. So einfach und treu! Wie eine brausende Welle flutete eine unsägliche Glücks hoffnung über sie dahin, die ihr den Atbem nahm und ihre bleichen' Wangen mit Jugeudschimmer übergoß. Sein Blick wendete sich nach den Blättern, die von der Welt da draußen erzählten, und sie verstand ihn. Ihre Arme lagen um seinen Nacken, sie lachte und schluchzte, und als sie Worte fand, enthielten sie keine Antwort auf seine Frage. Doch auch er verstand sie, seine Augen waren feucht, und leise nickte er, als sie flüsterte: „Unser Haus ist einsam, unser Leben traurig gewesen." „Ich habe Deine Worte nicht vergessen, daß Dir die Höhen des Lebens nichts gelten, die nur durch Geld zu er reichen sind," sagte er nicht ohne Anstrengung. „Maria, ich bin rauh von Art und hart in Worten, ich meinte damals, ich sei im Recht — ich weiß es jetzt." — Er faßte ihre Hände, und sein Blick leuchtete auf so hell und freudig, so glücklich und frei wie nie. „Ich habe Unrecht gehabt, Maria, und wollte gern meinen letzten Pfennig hingeben, um Sieverts Bild zu sehen, und dann — dann will ich es ihm sagen." Mit einem Jubelsthrei schloß sie seinen Mund mit ihren Küssen. * In einem der kleinen Säle der Kunsthandlung von B. Unter den Linden war Sieverts Bild ausgestellt, das täglich zahllose Besucher anzog. Lob und Tadel wurden laut, und nicht nur das Kunstwerk, auch der Kunstler wurde besprochen.