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Nr. 885 8chrisII«ilung and Velchüsilfltll«: Zohanaltgaff« Nr. 8 Dienstag, den 16. November Frralprrch-Lnlchlub Nr. I4SS2. 14USZ and I4V94 ISIS Sie MM» M dm «ege mH Rmslir Der bulgarische Dormarsch auf Monastir V». Telegraphtfcher Bericht tu. Rotterdam, 16. November. Der «Daily Telegraph" meldet aus Saloniki vom Sonntag: Gestern mittag griffen die Bulgaren die französischen Stellungen auf dem linken Zcerna-Ufer westlich Kawa- dar an. Abends empfing General Sarrail den Bericht, daß die Schlacht fortdauere und die Franzosen die Stellungen behauptet hätten. Nähere Einzelheiten trafen nicht ein. -Da die serbische Truppenmacht schwach ist and 1v Tage lang unerschöpst gekämpft hat, fürchtet man, daß die Bulgaren die serbische Berleidigungsfront unter General NassitS durch brechen werden. Monastir wäre dann neuerdings ge fährdet. Dasselbe Blatt meldet vom Montag: Die Lage bei Monastir ist neuerdings kritisch. Die Bulgaren, die aus Aesküb Verstärkungen er hielten, standen gestern wieder vor Telowo und überwältigten die serbischen Truppen, die Freitag die Stadt beseht hatten. Sie warsen sie zurück, so daß die Stadl seht wieder in die Hände der Bulgaren gefallen ist. Diese wenden alles auf, um sich den Weg nach Monastir zu ebnen. (r.) Zürich, 15. November. Die «Neue Zürcher Zkg.' meldet: Einem Bericht des «Cor- riere della Sera' aus Prilep ist zu entnehmen, daß die Bulga ren trotz des hartnäckigen serbischen Widerstandes amBabuna - paß und trotz der jüngsten serbischen und französischen Erfolge in Mazedonien eine Offensive großen Stils durchfüh ren. Bon der Linie Uesküb-Tetowo aus versuchen sie lawinen artig gegen Gostivar und Krusceoo vorzubrechen, ferner bedro hen sie im westlichen Teile Mazedoniens die Straße, die Dibra mit Albanien verbindet; Ochrtoa ist von der Einschließung be droht, und Monastirs Lage wird immer bedräng ter. Der Schwerpunkt der Aktionen liegt nach der Feststellung des Korrespondenten zwischen dem Babunapaß und der albanischen Grenze. Gelingt es den Bulgaren dort, den serbischen Wider stand zu brechen, dann fällt die letzte Anmarschstraße der Ver bündeten von Griechenland her in ihre Hände, und das Schick sal Neuserbiens ist trotz der französischen Er folge bei Gradsko besiegelt. Die Serben trösten sich damit, nicht das Land sei es, das heute Serbien repräsentiere, son dern das Heer. Dieses in Sicherheit zu bringen, sei darum die erste und wichtigste Aufgabe. Aber es scheint, wie der Korrespon dent versichert, sehr zweifelhaft, ob es gelingt, das Heer zu ret ten. Zwei aus Dibra am 8. November nach Monastir zurück gekehrte Offiziere bestätigen, daß auch diese Straße vom Feinde bedroht werde. (r.) Wien, 16. November. Dem «Neuen Wiener Journal" wird aus Lugano gemeldet: AuS Kruschewo eingetroffene Flüchtlinge bestätigen die Nachricht, daß sich die Bulgaren von Kruschewo auf dem Marsche nach Monastir befinden. Die Klärung in Rumänien DonunferemSonderberichter st alter sr.) Bukarest, 15. November. Zweifellos unter dem Einfluß der fortschreitenden Ereignisse aus dem serbischen Kriegsschauplatz hat sich in neuester Zeil in N u - mänien eine Klärung in der politischen Lage vollzogen, die es dem Kabinett Bralianu auch weiter ermöglichen wird, strenge Neutralität ohne jeden russenfreundlichen Einschlag zu wahren. Mußte man noch vor kurzem zuweilen die Agitation der 5 onescu und Fllipescu mit einiger Sorge verfolgen, so kann man heute aus voller Ileberzeugung sagen, daß von der Seite keine Gefahr mehr droht. Bratianu ist tatsächlich der Herr der Loge, seine völlige Loslösung von den Vicrverbandsfrcnnden und sein klar ausgesprochener Wille, das Land vor jeder Abenteuer politik zu bewahren, hat ihm die Gefolgschaft der überwiegenden Mehrheit des rumänischen Volkes gesichert, das nichts von einem Kriege wissen will, der für fremde Interessen das eigene Land der größten Gefahr auSsctzt. Zwar werden die mit russischem Gelde bezahlten Patrioten noch eine Neihe von Demonstrationen in Szene setzen, um ihren Auftraggebern wenigstens den guten Willen zu beweisen, aber an einen Erfolg glaubt heute niemand mehr von ihnen, denn der Kreis ihrer Anhänger reicht nur noch genau so weit, wie ihre mit den russischen Rubeln versorgte Kasse reicht. In den Provinzstädken, wie Galatz und Iassy, haben sie nur vollkommene Mißerfolge zu verzeichnen gehabt, und in den kleinen Städten und aus dem Lande findet ihre Agitation auch nicht die geringste Be achtung. Diese Klärung der Lage ermöglicht es Bratianu, demnächst die Veränderungentm Kabinett vorzunchmcn, die der poli tischen Konstellation entsprechen. Cs ist deshalb durchaus unzu treffend, in der jedenfalls bevorstehenden Neubildung des Ka binetts eine Krisis zu sehen, denn von einer solchen kann gar nicht die Rede sein. Seit Kriegsausbruch Hal Bratianu wohl zu keiner Zeit die Zügel der Regierung so fest in der Hand gehabt, wie gegenw r -> icbr wahrscheinlich darf es gellen, daß der Finanzminister Costinescu in allerkürzester Zeit aus dem Ka binett ausscheidet. Er war ja bekanntlich der Vater aller Schwierigkeiten in der Getreideausfuhrfrage, die nun mehr, nachdem die Donoustraße frei geworden ist, eine schnelle Er ledigung verlangt. Man hat wohl mit Unrecht in Costinescu einen Aussenfreund gesehen, wenigstens spricht seine politische Ver gangenheit dagegen. Aber er war aus privaten geschäftlichen Rück sichten ein Gegner Deutschlands geworden, und daraus entsprang fein hartnäckiger Widerstand gegen jede Versorgung Deutschlands und Oesterreich-Ungarns mit rumänischem Getreide. Die Verhält- ? nisse sind aber stärker gewesen als Costinescus Deutschenhaß, und deswegen ist es begreiflich, wenn er selbst das Bedürfnis empfindet, j aus der Regierung auszuscheiden. Zwei Kollegen dürsten ihm folgen, aber bei ihnen handelt cs sich nicht eigentlich um politische Gründe. Als Ersatzmänner werden die verschiedensten Namen ge nannt, unter denen Peter Carp und Marqhiloman wohl das meiste Interesse beanspruchen. Tatsache ist. daß Bratianu mit den Kreisen dieser Politiker in Unterhandlungen sieht, er will also ein Koaiitionsministerium bilden, das der Neutralitätspolitik der Ne uerung eine breite, feste Mehrheit sichert. Kitchener soll Aegypten reiten tM, Telegraphischer Bericht vtb. Berlin, 16. November. Nach einer Meldung des .Torriere della Sera" auS Saloniki vom 13. November befindet sich seit einigen Tagen Kitchener in MudroS mit dem Generalkommjssar von Aegypten. tu. Brüssel, 16. November. Die geheimnisvolle Andeutung der englischen Note über die M i s s i o n K i l ch e n e r s hat keinen anderen Zweck, als diese Mission vor den Augen des Publikums zu verschleiern. In Wirklichkeit handelt es sich nicht um eine Inspektionsreise nach dem Kriegsschauplatz der Balkanhalb insel, sondern um die Reise des besten Feldherrn, über den Groß britannien verfügt, nach Aegypten. Aus dieses und nicht auf Serbien und Konstantinopel sind fortan die Augen der Engländer gerichtet. Sie sorgen nach der nunmehr fast völligen Vernichtung Serbiens für die Sicherstellung des Nillandes, des Schlüssels für Indien, und ihr bester General soll ihnen dieses wertvolle und für das großbritannische Weltreich unentbehrliche Land in Verteidi gungszustand setzen. Kein Sachverständiger in London glaubt noch, daß Lord Kitchener während des gegenwärtigen Krieges als Kriegs minister wieder nach London zurückkehren «werde. Churchills Rechtfertigungsrede vor dem Unterhaus Reutermeldung "Id. London, 16. November. Churchill gab im Ilnter Hause eine eingehende Rechtfertigung seiner Arbeit als Erster Lord der Ad miralität. Er erklärte, daß er keine Ursache habe, die Veröffent lichung der Tatsachen über die Seeschlacht bei Coronel, den Verlust von drei Schiffen in der Nordsee, die Expedition nach Antwerpen und die Flottenoperationen an den Dar danellen zu fürchten. Ueber den letzten Gegenstand erging er sich aussühriich. Er versuchte, darzulegen, daß der Plan sorgfältig er wogen und von englischen und französischen Sachverständigen ge billigt war, und daß Admiral Fisher sich nicht dagegen aussprach. Churchill, der vom Premierminisler warm gelobt wurde, erklärte schließlich, daß er sich wieder der militärischen Laufbahn zuwenden werde. Eine ergänzende Meldung besagt: Churchill schloß seine Rede mit einer Uebersicht über den heutigenStand des Krieges. Er sagte u. a.: Um den Krieg zu gewinnen, ist es für uns nicht nötig, die Deutschen über das ganze Gebiet, das sie beseht haben, zurückzudrängen, noch ihre Front, solange sie sich noch weit außer halb Deutschlands erstreckt, zu durchbrechen. Deutschland wird im zweiten oder dritten Krieasjahre wahrscheinlich gründlicher besiegt werden können, als wenn die Truppen der Alliierten bereits im ersten Iahre in Berlin eingezogen wären. Befristete Note Rußlands an Persien Eigener Drahtbericht (r.) Basel, 16. November. Petersburger Zeitungen schreiben, daß eine befristete Note Rußlands an Persien unmittelbar bevorstehe. Deutsche Geschütze für die Dardanellen Telegraphischer Bericht tu. Lugan o, 16. November. Nach dem «Secolo" durchziehen viele deutsche MunilionSlranS- porte, auch Geschütze, Bulgarien in der Richtung der Türkei. Die ersten deutschen schweren Geschütze für die Dardanellen sind bereits in Konstantinopel eingetrosfen. Drei deutsche Tauchboote und drei türki sche Regimenter liegen in Warna. Die Munitionstransporte auf der Donau Eigener Drahlbericht sr.) Wien, 16. November. Aus Lugano wird dem «Neuen Wiener Iournal" berichtet: Dem «Lorricre della Sera" zufolge sind bisher in bulgarischen Donanhäfen mehr als 1000 Eifenbahnwagqons mit Munition ein- gelrosfen. Die für Bulgarien bestimmte Munition wird in Lom - palanka, die für die Türkei bestimmte in Widdin verladen. Der Tagesbericht der Obersten Heeres leitung lag bei Redaktionsschlutz der vorliegenden Ausgabe noch nicht vor. Wir und die Deutschen in Oesterreich Schon einmal ist in diesen Blättern auf das Naumannsche Buch verwiesen worden. Der Verfasser hat ihm den Namen .Mit teleuropa" gegeben und mit diesem Schlagworte den mitteleuro päischen Staatenverband bezeichnet, der nach seiner und vieler anderer Meinung nach dem Kriege kommen muß. Das Buch hat, wie wir zu wissen glauben, in Oesterreich «ungeschlagen wie eine Bombe. Alle Welt spricht davon, und in den Buchhandlungen Wiens ist kaum noch ein Exemplar aufzutreiben. Der Geist des Großbetriebes hat auch die Politik erfaßt. Cecil Rhodes hat einmal gesagt: man denke jetzt «in Erdteilen'. Wir hoffen zwar, daß das Deutsche Reich aus diesem Weltkampfe stärker und mächtiger hervorgehen wird. Trotzdem würden wir, auf uns allein gestellt, isoliert dastehcn, da ein Anschluß nach Osten oder Westen, an Rußland oder England, für unabsehbare Zeit unmöglich ist. Unmöglich vor allem für die Empfindung fast des ganzen Volkes. Auch wenn die Flammen des Krieges nicht mehr lodern: die Glut des Völkerhasses wird noch lange fort glimmen unter der Asche. Diese Tatsache mag man beklagen, allein man muß sie hinnehmen. Die Brücken, die uns früher mit unseren jetzigen Feinden verbanden, sind nun einmal abgebro chen und lassen sich nicht so schnell wieder Herstellen, wie es unsere braven Pioniere mit den Brücken über Narew, Riemen und Mo- rawa tun. Der Satz, daß der Starke am mächtigsten allein sei, paßt nicht mehr auf unser Iahrhundert. Daß wir Deutschen hät ten allein Kämpfen sollen oder gar Oesterreich-Ungarn allein, ist gar nicht auszudenken. Noch weniger würden wir allein für unS der kommenden Geschichlsperiode gewachsen sein. Darum eben müßen wir gemeinsam mit unseren Waffenbrüdern einen politi schen und wirtschaftlichen Kern bilden: Mitteleuropa! Es gibt gewisse Forderungen, die man immer und immer wie der aussprechen muß, bis sie von allen ergriffen werden, bis ihre Notwendigkeit allen geläufig ist. Es wäre verfehlt, wenn man den engeren Zusammenschluß des Reiches mit Oesterreich-Ungarn nur von den Verhandlungen erwartete, die sozusagen von Kabinett zu Kabinett gepflogen würden. Die Völker selbst, nicht nur die Staatsmänner, müssen hie Gemeinschaft wollen und nicht nur die Köpfe, auch die Herzen müssen dabei sein. Uebrigens liegt daS alles nicht nur in unserem eigenen Interesse. Wir haben die sitt liche Pflicht — das sei rund herausgcsagt —, unseren Brüdern deutschen Stammes in O e st e r r e i ch die Hände zu reichen. WaS sie in den letzten Iahren, nicht immer unverschuldet, als völkische Minderheit erduldet haben, dafür haben wir Reichsdeutschen wohl nicht immer das rechte Verständnis gezeigt. Aber dieser Krieg hat uns die Augen geöffnet. Genug hiervon. Es ist noch nicht die Zeit, darüber zu reden, was wir gerade den deutschen Regi mentern Oesterreichs verdanken. Allein der harte Gang der Geschichte verlangt Entschlüsse und Taten, Aalurüch sind hier nur Andeutungen möglich. Die er- jreuuchen neune einer engeren Verdcuderung, die jetzt überall Hervorschießcn, wären rettungsws verloren, wenn man nicht von vornherein an einein Satz unvervrüchüch jejthieite: die Selb ständigkeit der beiden Monarchien, der reichsdeut schen hier, der österreichijch-ungarischen dort, muß unange tastet bleiben. Wer anders denkt, ist blind. Noch mehr ist jeder Gedanke abzulchnen an ein direktes Eingreifen des Reiches in die inneren Verhältnisse der Donaumonarchie. Damit würde denen, die wir stützen wollen, nur geschadet, und die Kluft, die sie von ihren Stammes- genossen im Reiche trennt, nur verliest werden. Sie sind Oesterreicher und wollen es sein. Ihr Stolz verbietet ihnen, an etwas anderes auch nur zu denken. Und endlich ver gessen wir nie, daß es sich an der Donau um zwei Staaten han delt, Oesterreich und Ungarn, beide mit eigenem, sehr starkem und berechtigtem Nationalgcfühl. Dasjenige, wonach man streben muß und darf, ist: eine mittelbare Stärkung des österreichischen Deutschtums. Die kann nicht ausbleiben, wenn die Donau monarchie noch enger verknüpft wird mit dem rein-deutschen Reiche, mit unserem — geringe Ausnahmen beseitigen die Tat sache nicht —, geschlossenen Nationalstaate, dessen Krast sich in diesem Kriege gerade deswegen so glänzend bewährte, weil er eben ein Nationalstaat und kein Nationalitätenstaat ist. Was kann nun geschehen, um uns einander näher zu brinaen? Vieles und in erster Linie aus dem Gebiete des Militärs! Es ist doch einfach unmöglich, daß diejenigen, die draußen buchstäblich Schulter an Schulter fochten, nach glücklich erkämpftem Siege wieder getrennte Wege gehen sollten! Die Waffenbrüderschaft muß den Krieg überdauern und die militärische Fricdensarbeit muß eine einheitliche sein. Einheitlich, nicht mehr als nölig, auch hier unter Wahrung beiderseitiger Selbständigkeit. Also einheitliche Bewaffnung auf Grund der Kriegserfahrnngen. einheitliche Heeressprache, verbundene Friedensübungen, Austausch der Füh rer und Offiziere, gegenseitige Besichtigungen, nicht aus Argwohn, daß der andere Zurückbleiben könnte, sondern um von einander zu lernen, gemeinsame militärische Bildungsonstalten. Das alles wäre staatsrechtlich leicht zu ordnen. Eine Militärkonvention im großen Stile. An die wirtschaftliche Verknüpfung soll hier nur er innert werden, weil sie schon in aller Munde ist und fachmännisch vorbereitet wird. Zweifellos die schwierigste aller Fragen, da die Verhältnisse der drei Staaken stark von einander abweichen und schwer zu ermessen ist, was der eine geben, der andere empfangen kann, was der eine gewinnen, der andere verlieren wird. Schon jetzt dürste fcststchen: nur eine schrittweise Annäherung und gegenseitige Bevorzugung ist möglich. Die Frage ist deswegen so unendlich wichtig, aber auch schwierig, weil gerade auf diesem Ge-