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Als der königliche Zug die Straße Carbonara passirte und mehrere Perso nen Bittschriften überreichten, stürzte sich ein In dividuum mit einem Dolchmesser auf den König und brachte demselben eine Hautwunde am lin ken Arme bei. Den Ministerpräsidenten ver wundete er leicht am linken Oberschenkel. Der König führte einen Säbelhieb gegen den Kopf des Mörders, während der Ministerpräsident Cairoli den Mörder an den Haaren ergriff. Der Mörder heißt Johann Passamente, ist Koch, 29 Jahr alt und stammt aus der Provinz Potonza. Derselbe erklärte, er gehöre keiner Verbindung an, wollte aber keine Könige, weil er arm und stets von seinen Herren gemißhandelt worden sei. Unmittelbar nach dem Attentat begab sich eine gegen 60,000 Personen zählende Volksmasse vor den königlichen Palast und richtete enthusiastische Ovationen an den König, welcher zu wiederholten Malen auf dem Balkon erschien. Neapel war festlich illuminirt. Am nächsten Tage empfing der König mehrere namhafte Persönlichkeiten, darunter auch einige Deputirte, gegen welche der König bemerkte, er habe kürzlich zwei Briefe erhalten, in welchen ihm mitgetheilt wurde, daß ein Attentat gegen ihn ausgeführt werden würde. Die italienischen Zeitungen geben sämmtlich ihrem Abscheu über das Attentat Ausdruck. Der Attentäter habe sich nicht durch den Anblick der Königin und des Kronprinzen rühren lassen, und während der König sich neigte, um Bittschriften entgegenzunehmen, in welchen die Wohlthätigkeit des Königs in Anspruch genommen wurde, suchte der Mörder in unbeschreiblicher Rohheit die ver brecherische That auszuführen. Wenn der Grund des Mörders ein richtiger ist, so ist er einer jener verblendeten Menschen, die alles Ungemach, das sie betrifft, und das sie nur zu oft selbst verschuldet haben, der Regie rung oder sogar dem Fürsten des Landes zu schreiben und in dem Wahne leben, daß es mit der Beseitigung der Fürsten besser werde. Daß es an Noth und Ungemach auch in den Repu bliken nicht fehlt, daran denken die Menschen ebenso wenig, wie an das Unglück, das sie da mit über ein ganzes Land heraufbeschwören. Allein wie der Telegraph weiter meldet, soll der Meuchelmörder Passamente Anhänger der Internationale sein und im Jahre 1870 wegen revolutionärer Anschläge verhaftet worden sein. Sein Dolchmesser hielt er unter einem rothen Tuche verborgen, welches die Aufschrift trug: Viva la LeMbliea univorsolo! Der Umstand, daß gleich nach dem Attentat auf den König Alfons der italienischen Botschaft in Paris von sicherer Seite eine Warnung zu gegangen war, daß König Humbert als Dritter von den internationalen Verschworenen designirt sei, läßt es zweifellos, daß diese Attentate von Donnerstag, 21. November einer revolutionären Internationale ins Werk ge setzt werden. Mittel gegen diese Schandthaten werden freilich nicht aufzufinden fein, aber zu empfehlen wäre die Strafe doch, die in England auf ein Attentat gegen das Leben des Kron trägers gesetzt ist, nämlich — Schläge. Die Eröffnung des preußischen Land tags hat am 19. d. M. in feierlicher Weiseim Weißen Saale des kgl. Schlosses in Berlin statt gefunden. Die Thronrede, welche durch de» Grafen Otto zu Stolberg-Wernigerode verlesen wurde, gedenkt der schmerzlichen Ereignisse, welche seit Schluß voriger Session das Vaterland in der Person des Kaisers getroffen haben, und hebt hervor, daß die Tage der Prüfung zugleich Tage vaterländischer Erhebung geworden, daß das Herz des Volkes in treuer Liebe bei seinem Könige ist. Das innige Banv, welches das Volk mit dem Fürstenhause verbindet, habe sich auch in dem zuversichtlichen Vertrauen bewährt, welches dem Kronprinzen bei einstweiliger Führung der Re gierung allerseits entgegengebracht wurde. Die Thronrede hebt ferner hervor, daß die aber malige Erhöhung des Matricularbeitrages den nicht unerheblichen letztjährigen Ueberschuß der Einnahmen fast vollständig in Anspruch nehme. In Folge des weiteren beträchtlichen Mehrauf wandes reichen die Einnahmen nicht zur Deckung der ordentlichen Ausgaben hin. Die Mittel zur Beseitigung dieses Mißverhältnisses werden auf dem dem Reiche überwiesenen Gebiete der Be steuerung zu suchen sein; bis dahin werde es nöthig sein, die Mittel im Wege einer Anleihe zu beschaffen, ein Anleihegesetz werde unverzüglich vorgelegt werden. Weitere Vorlagen über Weiler führung der inneren Verwaltungsreform werden in gegenwärtiger Session nicht cingebracht, jedoch gehört die Durchführung des Reformwerks in der gejammten Monarchie nach wie vor zu den näch sten Zielen der Staatsregierung. Die Thronrede kündigt Gesetzentwürfe, betreffend die Aufbringung von Gemeindeabgaben, die Vorbildung für den höheren Verwaltungsdienst, zur Reform der sächsischen Domstifter, zur Ausführung der deut schen Justizgesetze, zur Neuordnung des Discip- linarverhältniffes der Studirenden und sagt, zu einer kräftigeren Zusammenfassung und Ordnung des Eisenbahnwesens sei die Ergänzung des vater ländischen Eisenbahnnetzes in verschiedenen Theilen des Staates unerläßlich. Sofern die Vorarbeiten für Ueberführung wichtiger Actienbahnen in die Hände des Staates und für den Bau besonders dringlicher Bahnen bei Zeiten zum Abschluß ge langen, wird eine diesbezügliche Vorlage einge bracht werden. Die deutsche Regierung hatte der österreichischen Regierung vorgeschlagen, den deutsch-österrei chischen Handelsvertrag um ein Jahr zu verlängern. Es kam der deutschen Regierung darauf an, einen angemessenen Ausweg zu finden zwischen jetzt aussichtslosen Verhandlungen über einen Tarif-Vertrag und dem Aufhören eines vertragmäßigen für beide Theile nützlichen Ver hältnisses. Die österreichisch-ungarische Regierung hat sich mit Rücksicht auf den am 6. Januar 1879 ins Leben tretenden Zolltarif außer Stande er klärt, auf den deutschen Vorschlag einzugehen. Sie macht indeß für die Regelung der beider seitigen Verkehrsbeziehungen anderweit Vorschläge, um dem Eintritt eines vertraglosen Zustandes zu 1878. begegnen. Diese Vorschläge gehen im Wesent lichen auf einen meist begünstigten Vertrag hinaus, der auf ein Jahr oder auf längere Zeit abzu schließen wäre. Die österreichische Residenz Wie« hat am Sonntag ein erhebendes patriotisches Fest begangen. Sie bereitete dem aus Bosnien heimgekehrten Regimente Mollinary einen überaus innigen Em pfang. Längs der ganzen Strecke vom Matz- leinsdorfer Bahnhof bis zur Alserkaserne bildeten die Bewohner Wiens, Kopf an Kopf gedrängt, ein Spalier, gleichsam eine lebendige Triumph pforte, und begrüßten mit begeisterten Hochs die braven Truppen. Oberst Pittel, der in feinem Toaste auf die Stadt Wien die ihm dargebrachten Ovationen bescheiden ablehnte, hat, als er darauf hinwies, daß die Huldigung Denen, die unten geblieben feien in Neu-Oesterreich, vornehmlich gelte, Vielen aus der Seele gesprochen. Ueberall und von allen Dachluken wehten mächtige Fahnen, die die kaiserlichen Farben trugen, bemerkte man passende Inschriften, ganze Häuserreihen waren mit Teppichen bedeckt, zwischen denen Blumen zu wahren Riesenkränzen gewunden prangten. Der Prozeß gegen Moucasi, der bekannt lich zum Tode verurtheilt ist, war am 11. No vember abgeschlossen worden, doch wird derselbe nach Verlauf von zehn Tagen in der Appell-In stanz abermals vorgenommen werden. Der Ver- urtheilte, der einen überaus energischen Trotz an den Tag legte, nahm das Todesurtheil mit völli ger Ruhe in Empfang und unterschrieb in gleicher Weise die Empfangsbescheinigung. Die Stimmung des Emirs von Afghani stan soll nicht im geringsten zu irgend welcher Nachgiebigkeit Hinneigen; Personen, welche ihn näher kennen, hegen keine Hoffnung auf eine friedliche Lösung. Da wird John Bull doch nicht mehr anders können, als den Krieg zu be ginnen. Aus dem Muldenthale. * Waldenburg, 20. November. (Gesetzge bung.) Mit dem 1. Januar 1879 tritt ein neues Gesetz, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, in Kraft. Ein großer Theil dieser neuen Bestimmungen ist für die Gewerbe treibenden von Wichtigkeit, weshalb wir einige derselben in Nachstehendem wiedergeben. Kinder unter 12 Jahren dürfen ferner in Fabriken nicht beschäftigt werden, während nach den Bestim mungen der Gewerbe-Ordnung von 1869 nur die Annahme derselben zu einer regelmäßigen Beschäftigung untersagt war. Für die 12—14- jährigen Fabrikkinder, soweit sie noch zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind, ist ein regel mäßiger Unterricht von täglich mindestens drei Stunden in einer von der Schulaufsichtsbehörde genehmigten Schule oder in der ordentlichen Volksschule obligatorisch. Die Beschäftigung von Kindern unter 14 Jahren darf, wie seither, die Dauer von 6 Stunden täglich nicht überschreiten; junge Leute (bis 16 Jahr) dürfen nicht länger als 10 Stunden beschäftigt werden. Die Arbeits stunden müssen für beide Kategorien von jugend lichen Arbeitern zwischen 5'/- Uhr Morgens und 8^/2 Uhr Abends liegen; Nachtarbeit ist damit schlechthin untersagt. Auch diese Bestimmung ist bereits in der früheren Gewerbeordnung ent halten; ebenso ist die Dauer der Pausen die